BT-Drucksache 14/207

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung)

Vom 14. Dezember 1998


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/207 vom 14.12.1998

Gesetzentwurf der Fraktion der F.D.P. zur Änderung des Grundgesetzes
(Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung) =

14.12.1998 - 207

14/207

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Guido Westerwelle, Ulrich Heinrich,
Ulrike Flach, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth),
Hildebrecht Braun (Augsburg), Dr. Helmut Haussmann, Walter Hirche,
Birgit Homburger, Ulrich Irmer, Dr. Klaus Kinkel, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Wolfgang
Gerhardt
und der Fraktion der F.D.P.
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung)

A. Problem
Der Tierschutz kann wegen seiner nur einfachgesetzlichen Grundlage
gegenüber verfassungsrechtlich geschützten Positionen nicht ausreichend
durchgesetzt werden. Dies belegen u.a. mehrere Gerichtsentscheidungen.
B. Lösung
Die Verankerung im Grundgesetz in Form einer Staatszielbestimmung hebt
die Nachrangigkeit des Tierschutzes auf und gewährleistet seine
wirksame Durchsetzung.
C. Alternativen
Keine
D. Kosten
Keine

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz
beschlossen: Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:
Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im
Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten
bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt
geändert:

Artikel 20a wird wie folgt geändert:
1. Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1.
2. Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 angefügt:
"(2) Tiere werden im Rahmen der geltenden Gesetze vor
vermeidbaren Leiden und Schäden geschützt."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Bonn, den 9. Dezember 1998
Rainer Funke
Dr. Guido Westerwelle
Ulrich Heinrich
Ulrike Flach
Jörg van Essen
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)

Hildebrecht Braun (Augsburg)
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb

Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion



Begründung

A. Allgemeiner Teil
Seit langem gibt es Bemühungen, dem Tierschutz Verfassungsrang
einzuräumen, weil er bei der Abwägung in Konfliktfällen mit
Verfassungsrechtsgütern regelmäßig nachrangig behandelt wird.
Die 1992 eingesetzte Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und
Bundesrat hatte sich mit dem Staatsziel Tierschutz befaßt, das selbst
gewählte Zweidrittelquorum für die Empfehlung einer entsprechenden
Verfassungsänderung war aber verfehlt worden. Zwei Anträge standen zur
Abstimmung. Die SPD und das Land Hessen hatten die Formulierung
vorgeschlagen: "Tiere werden als Lebewesen geachtet. Sie werden vor
nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden und Zerstörung ihrer
Lebensräume geschützt." Dieser Antrag fand eine knappe relative
Mehrheit. Eine absolute Mehrheit von 33 gegen 19 Stimmen bei 3
Enthaltungen erhielt der Antrag der Fraktion der F.D.P., der mit dem
vor-
liegenden Gesetzentwurf wieder aufgegriffen wird.
Der Tierschutz wird vom Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, der
auf Empfehlung der Gemeinsamen Verfassungskommission als Artikel 20a in
das Grundgesetz aufgenommen wurde, nicht umfaßt. Diese Auffassung
hatten die Verfassungsressorts bereits gegenüber der Kommission
vertreten (Drucksache 12/6000, S. 69). In einer Entschließung anläßlich
der Verabschiedung dieser Verfassungsbestimmung hatte der Bundestag
allerdings seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß zu den
"natürlichen Lebensgrundlagen" im Sinne von Artikel 20a GG die "gesamte
Schöpfung, also auch das Tier" gehöre. Der Bundestag hatte in diesem
Sinne ebenfalls bekräftigt, "daß die Staatszielbestimmung Umweltschutz
auch den Tierschutz prinzipiell mit umfaßt" (Drucksache 12/8211). Diese
Bekräftigung hat die gewünschte Wirkung verfehlt. Die Rechtsprechung
und Teile der Literatur erkennen dem Tierschutz nach wie vor keinen
Verfassungsrang zu.
Die erwähnte Entschließung bringt aber darüber hinaus zum Ausdruck, daß
im Bundestag das Anliegen des Tierschutzes nahezu unstreitig war:
"Weitgehende Einigkeit besteht jedoch in der grundsätzlichen
Anerkennung der Schutzbedürftigkeit auch der Tiere als Teil der
Schöpfung, deren grundlegende Achtung und Bewahrung allen Menschen
aufgegeben ist" (Drucksache 12/8211). Nachdem dieses Anliegen des
Bundestages in der Praxis nicht über die Verfassungsbestimmung des
Artikels 20a GG verwirklicht werden konnte, ist eine eigene
Verfassungsbestimmung zum Tierschutz notwendig.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der
Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes in der vergangenen
Wahlperiode die Bundesregierung nachdrücklich gebeten, "umgehend einen
Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, in dem dem
Tierschutz Verfassungsrang eingeräumt wird". Er hat darauf hingewiesen,
daß nach der aktuellen Rechtsprechung das Tierschutzgesetz in
Konfliktfällen, in denen die Freiheiten der Kunst, Forschung oder Lehre
geltend gemacht werden, als ein in der Rechtssystematik nachrangiges
einfaches Gesetz von der Behörde nicht vollzogen werden kann
(Drucksache 13/7015, S. 38). Mit der Aufnahme des Tierschutzes in das
Grundgesetz wird diese Nachrangigkeit beseitigt.
In der Bevölkerung wird dem Tierschutz ein hoher Stellenwert
beigemessen. Die Gemeinsame Verfassungskommission erreichte zu diesem
Thema über 170 000 Eingaben - die zweithöchste Zahl von Eingaben zu
einem bestimmten Beratungsgegenstand.
Nachdem drei der fünf neuen Bundesländer den Tierschutz in ihre
Verfassungen aufgenommen haben, halten immer mehr Länder die
verfassungskräftige Verankerung dieses Staatszieles für geboten.
Die sächsische Landesverfassung vom 27. Mai 1992 enthält folgende
Formulierung: "Das Land hat insbesondere den Boden, die Luft und das
Wasser, Tiere und Pflanzen sowie die Landschaft als Ganzes
einschließlich ihrer gewachsenen Siedlungsräume zu schützen."
In der Verfassung des Landes Brandenburg vom 20. August 1992 heißt es:
"Tiere und Pflanzen werden als
Lebewesen geachtet. Art und artgerechter Lebensraum sind zu erhalten
und zu schützen."
Die thüringische Landesverfassung vom 25. Oktober 1993 formuliert:
"Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet. Sie werden vor
nicht artgemäßer Haltung und vermeidbarem Leiden geschützt."
In Berlin wurde der Tierschutz in die durch Volksabstimmung vom 22.
Oktober 1995 geänderte Verfassung aufgenommen. Die Bestimmung lautet:
"Tiere sind als Lebewesen zu achten und vor vermeidbaren Leiden zu
schützen."
In Bayern hat der Landtag am 10. Juli 1997 eine Verfassungsnovelle
verabschiedet, die den Tierschutz als Staatsziel wie folgt verankert:
"Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt."
Der Landtag Niedersachsen hat den Tierschutz mit Beschluß vom November
1997 als Artikel 6b in die Verfassung eingestellt. Auch in Baden-
Württemberg soll die Verfassung Ende 1998/Anfang 1999 um eine
Staatszielbestimmung Tierschutz ergänzt werden.
Der Bundestag hat sich mit der Frage des Staatszieles Tierschutz auch
in der 13. Wahlperiode intensiv befaßt, ohne daß es allerdings zu einem
erfolgreichen Abschluß der Beratung kam.
Es gab mehrere Gesetzentwürfe:
- Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Verankerung des
Tierschutzes in der Verfassung), Drucksache 13/8249
- Entwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Grundgesetzes,
Drucksache 13/8597
- Entwurf der Gruppe der PDS zur Änderung des Grundgesetzes,
Drucksache 13/8678
- Entwurf des Bundesrates (Staatsziel "Tierschutz"), Drucksache
13/9723
Zu diesen Gesetzentwürfen wurde vom federführenden Rechtsausschuß am 1.
April 1998 eine öffentliche An-
hörung durchgeführt.
Mit der ausführlichen Verfassungsdebatte im Jahr 1994 und der
Behandlung im Rechtsausschuß sowie der Anhörung des Rechtsausschusses
in der 13. Wahlperiode sind alle entscheidenden Argumente "für" und
"wider" eine Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz ausgetauscht
worden.
Eine Entscheidung des Bundestagsplenums könnte daher, zumal die
Diskussion insoweit als abgeschlossen angesehen werden muß, in der
ersten Jahreshälfte 1999 erfolgen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Grundgesetzes)
Artikel 1 ergänzt Artikel 20a GG, der dem Staat den Schutz der
natürlichen Lebensgrundlagen aufgibt, um einen Absatz über den
Tierschutz.
Die Formulierung dieser Staatszielbestimmung entspricht dem Antrag, der
in der Gemeinsamen Verfassungskommission eine absolute Mehrheit
gefunden hatte. Sie stellt einerseits klar, daß die nötige
Differenzierung zwischen den verschiedenen Tierarten - z.B. nach
Nutztieren, Schädlingen oder Entwicklungsstand - und die erforderliche
Abwägung zu anderen Rechtsgütern Sache des einfachen Gesetzgebers ist,
gibt andererseits aber dem Tierschutz bei der im Rahmen der
Gesetzesanwendung und Rechtsprechung erforderlichen Abwägung mit
anderen, auch verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern eine
stärkere Stellung.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Artikel 2 regelt das Inkrafttreten.

14.12.1998 nnnn

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