BT-Drucksache 14/2043

Vermietung von sogenannten "Alliiertenwohnungen" im Rahmen des Regierungsumzugs von Bonn nach Berlin

Vom 10. November 1999


Deutscher Bundestag

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14/

2043

14. Wahlperiode

10. 11. 99

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann,
Dr. Karlheinz Guttmacher, Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Joachim Günther (Plauen), Walter Hirche, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Cornelia Pieper, Dr. Günter Rexrodt,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig
Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Vermietung von „Alliiertenwohnungen“ im Rahmen des Regierungsumzugs
von Bonn nach Berlin

Im Verlauf des Umzugs von Parlament und Bundesregierung nach Berlin hat
der Bund rd. 6 500 Wohnungen der ehemaligen Alliierten in verschiedenen
Berliner Stadtteilen erworben, von denen rd. 6 000 Wohnungen im Rahmen der
Wohnungsfürsorge des Bundes benötigt wurden. Rund 4 000 dieser Wohnun-
gen waren zur Vermietung an nach Berlin übersiedelnde Bundesbedienstete
vorgesehen. Nach der Sanierung wurden für 3 025 Objekte Zwischenmietver-
träge mit nicht diesem Personenkreis angehörigen Mietern geschlossen, die im
Hinblick auf den anstehenden Regierungsumzug auf fünf Jahre befristet wur-
den mit der Bemerkung, die mit diesem Vertrag vermietete Wohnung werde
„im Zuge der Verlagerung des Deutschen Bundestages und Teilen der Bundes-
regierung von Bonn nach Berlin für die umziehenden Parlamentarier und Be-
diensteten benötigt“.

Vermietung und Verwaltung der Liegenschaften erfolgt in Verantwortung und
Zuständigkeit des Bundesvermögensamtes als vom Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) und Bundesministerium der
Finanzen (BMF) dazu beauftragter Behörde. Es handelt sich bei diesen Liegen-
schaften um Wohnungen und Ein- bzw. Zweifamilienhäuser.

Der Regierungsumzug ist zwischenzeitlich in großem Umfang abgeschlossen.
Ursprünglich hatte der Bund mit einem Bedarf von 12 000 Wohnungen für die
Umzügler gerechnet. Zwischenzeitlich wurde die Zahl auf 9 100 Wohnungen
herunter korrigiert. Die 3 025 früheren Alliierten-Wohnungen sollten allein ein
Drittel dieses Bedarfs abdecken.

Im März 1999 waren noch etwa 1 500 Wohnungen durch Zwischenmieter be-
legt. Das Bundesvermögensamt hat in diesen Fällen Kündigungen ausgespro-
chen und nach Erklärung der Mieter, nicht ausziehen zu wollen, sondern wegen
Nichtvorliegen der eine Befristung rechtfertigenden Bedingungen eine Verlän-
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gerung des Mietverhältnisses anzustreben, Räumungsklagen angedroht. Dage-
gen wehren sich etwa 200 Mieter, unter anderem durch öffentliche Aktionen
und Einschaltung der Presse. Mehrere Räumungsklagen gegen die für die
Übergangszeit eingezogenen Zeitvertragsmieter der Alliiertenwohnungen
(Zwischenmieter) sind nach Presseberichten vor den Gerichten gescheitert.

Nach Presseberichten (Berliner Zeitung) vom 6. September 1999 wollte der
frühere Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Franz Münte-
fering, „den Konflikt um die weitere Nutzung der ehemaligen Alliiertenwoh-
nungen beilegen“. Er erklärte: „Wir brauchen die ehemaligen Alliiertenwoh-
nungen nicht alle für die Versorgung der Bundesbediensteten, die in die Stadt
zureisen. Also versuchen wir nicht mehr, die Zwischenmieter aus den Wohnun-
gen herauszuklagen.“ Bereits angestrengte Räumungsklagen sollten nicht mehr
weiterverfolgt, neue Klagen erst gar nicht angestrengt werden. Stattdessen soll-
ten mit den Zwischennutzern, die befristete Mietverträge haben, „neue vertrag-
liche Regelungen“ getroffen werden, die den Verbleib der Mieter sichern.

Diese Aussage wurde vom Sprecher des Bundesvermögensamtes relativiert in
dem Sinne, dass damit nur Wohnungen in mehrgeschossigen Häusern, nicht
aber Ein- und Zweifamilienhäuser gemeint gewesen seien, für die es „eine
Vielzahl von Bewerbern aus Reihen der Bonner Zuzügler“ gebe. Für etwa 80
Prozent der etwa 150 Häuser im Bestand des Bundes sei der Bedarf gegeben.
Das Bundesvermögensamt werde auf Räumungsklagen gegen die Zwischen-
mieter nicht verzichten. Dies geschehe „im Einklang mit dem Bundesbauminis-
terium“. Nach Aussage des Sprechers des Bundesvermögensamtes, zitiert in
der „Berliner Zeitung“ vom 9. Oktober 1999, gebe es sogar „eine Weisung der
Bundesregierung, die Prozesse fortzusetzen“.

Nunmehr sollen rd. 100 Wohnungen in Einfamilienhäusern und Doppelhaus-
hälften in Charlottenburg, Spandau, Zehlendorf, Wilmersdorf und Karlshorst
zum Jahresende geräumt werden. Die entsprechenden Schreiben des Bundes-
vermögensamtes sind mit der Formulierung „... Ich fordere Sie daher zwecks
Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung auf, mir das Mietobjekt
zum 31. Dezember 1999 geräumt zu übergeben.“ versehen.

Die entsprechenden Häuser sind inzwischen in der vom Bundesvermögensamt
herausgegebenen Liste I für Interessenten ausgeschrieben. Ende der Bewer-
bungsfrist ist der 15. November 1999.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch ist die Zahl der im Rahmen des Regierungsumzugs betroffenen,
für den vorgehaltenen Wohnraum direkt anspruchsberechtigten Bundesbe-
diensteten zum gegenwärtigen Zeitpunkt?

2. Wie groß ist der objektiv feststellbare, d. h. von den Anspruchsberechtigten
im Vorfeld geäußerte, beantragte oder angemeldete verbliebene Bedarf für
Bundeswohnungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt?

3. In welcher Relation sieht die Bundesregierung den feststellbaren Bedarf an
Wohnraum zum offensichtlich bestehenden Leerstand an bundeseigenem
Wohnraum in verschiedenen Berliner Stadtbezirken im Hinblick auf den
vom Bundesvermögensamt gesehenen Anspruch auf bestimmte, derzeit
zwischenvermietete Objekte?
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4. Wie bewertet die Bundesregierung die Frage, ob aus sozialen Gründen bei
ausgewiesenem großem Leerstand von vergleichbaren Mietobjekten poten-
tielle Interessenten auf leerstehende Objekte verwiesen werden könnten?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass den Zeitvertragsmie-
tern der in „Liste I“ aufgenommenen Objekte zum Ablauf des 31. Dezem-
ber 1999 ausnahmslos und ohne Rücksicht auf familiäre oder finanzielle
Situation gekündigt wurde, obwohl vielfältiger Leerstand an vergleich-
barem Wohnraum in anderen Stadtbezirken gegeben ist?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Frage, ob gegenüber den Mietern
ein die Kündigung rechtfertigender Eigenbedarf aufgrund öffentlichen In-
teresses auch für den Fall geltend gemacht werden kann, dass konkrete Be-
werbungen für ein konkretes Mietobjekt zum Zeitpunkt der schriftlichen
Kündigung nicht vorliegen?

7. Wie bewertet die Bundesregierung das Kostenrisiko von Kündigungs-
schutzprozessen bezüglich der Mietverhältnisse der in „Liste I“ aufgenom-
menen Objekte angesichts der Tatsache, dass in mehreren vergleichbaren
Prozessen im letzten Jahr den Zwischenmietern Recht gegeben wurde?

8. Wie bewertet vor diesem Hintergrund die Bundesregierung die Aussage
des Sprechers des Bundesvermögensamtes, zitiert in der „Berliner Zei-
tung“ vom 9. Oktober 1999, es gebe „eine Weisung der Bundesregierung,
die Prozesse fortzusetzen“?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die vom damaligen Bundesminister für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und Umzugsbeauftragten der Bundes-
regierung, Franz Müntefering, gemachte Aussage, zitiert in der „Berliner
Zeitung“ vom 6. September1999: „Wir brauchen die ehemaligen Alliier-
tenwohnungen nicht alle für die Versorgung der Bundesbediensteten, die in
die Stadt zureisen. Also versuchen wir nicht mehr, die Zwischenmieter aus
den Wohnungen herauszuklagen.“ vor dem Hintergrund der Aussage des
Bundesvermögensamtes, dies beziehe sich auf Wohnungen, nicht aber auf
Ein- bzw. Zweifamilienhäuser?

10. Wie viele Bewerbungen von Bundesbediensteten, die im Rahmen des Re-
gierungsumzugs nach Berlin umziehen müssen, hat das Bundesvermö-
gensamt für Bundeswohnungen in den Berliner Bezirken Charlottenburg,
Spandau, Zehlendorf, Wilmersdorf und Karlshorst zum gegenwärtigen
Zeitpunkt vorliegen?

11. Wie verhält sich die Zahl der eingegangenen Bewerbungen zur Zahl der
vorgenommenen Kündigungen für die derzeitigen Zwischenmieter?

12. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den drohenden Mietzinsausfall,
wenn alle Zwischenmieter ab dem 1. Januar 1999 ausziehen, aber entspre-
chende Interessenten entweder nicht vorhanden sind oder erst ab dem
1. April 2000 einziehen?

13. In welcher Weise und mit welcher Zielrichtung beabsichtigt die Bundesre-
gierung, dem Bundesvermögensamt Weisung zu erteilen, wie mit denjeni-
gen Objekten aus „Liste I“ verfahren werden soll, für die keine Bewerbun-
gen zum 15. November 1999 eingegangen sind?

14. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, für die von Kündigung bedrohten
Zwischenmieter ausreichende Rechtssicherheit herzustellen, wenn das
Ausschreibungsverfahren nach Ende der Bewerbungsfrist am 15. Novem-
ber keine oder keine vorrangig anspruchsberechtigten Bewerber für die
entsprechenden Objekte zeigt?
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15. In welcher Weise und mit welcher Zielrichtung beabsichtigt die Bundesre-
gierung, dem Bundesvermögensamt als Verwaltungsbehörde Weisung zu
erteilen, wie im Fall einer fortgesetzten Weigerung der Zwischenmieter in
den betroffenen Objekten weiter verfahren werden soll?

Berlin, den 8. November 1999

Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Joachim Günther (Plauen)
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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