BT-Drucksache 14/2042

zu dem GE 14/1524, 14/1668, 14/2027 Entwurf eines Gesetzes zur Fortführung ökologischen Steuerreform

Vom 10. November 1999


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2042

14. Wahlperiode

10. 11. 99

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Barbara Höll,
Heidemarie Ehlert, Uwe Hiksch, Rolf Kutzmutz, Rosel Neuhäuser, Christine
Ostrowski, Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS

zu dem Gesetzentwurf
– Drucksachen 14/1524, 14/1668, 14/2027 –

Entwurf eines Gesetzes zur Fortführung der ökologischen Steuerreform

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Im öffentlichen Personennahverkehr und im Schienenverkehr (Deutsche
Bahn AG und nichtbundeseigene Eisenbahnen) ist die im Gesetzentwurf
der Bundesregierung vorgesehene zusätzliche Energiebesteuerung kontra-
produktiv. Sie ist weder geeignet, mehr Personen im Netz der öffentlichen
Linienverkehre zu befördern, noch dazu, einen höheren Anteil des Güterver-
kehrs auf der Schiene zu transportieren.

2. Die Bundesregierung hat dies selbst erkannt und zum Ausdruck gebracht,
indem sie kurzfristig die ökologische Steuerreform so „nachgebessert hat“,
dass nunmehr im Schienenverkehr und im Omnibus-Linienverkehr die zu-
sätzlich aus der Ökosteuerreform resultierende Belastung der Betriebe hal-
biert werden soll.

3. Diese Entlastung ist jedoch unzureichend, denn auch die jetzt im Beschluss
vorliegende höhere Energiesteuer stellt für die deutschen Personen- und
Schienenverkehrsunternehmen eine zusätzliche finanzielle Belastung dar,
die in der letzten Stufe der ökologischen Steuerreform unter Gegenrechnung
der reduzierten Rentenbeiträge für die Gesamtheit der Betriebe eine Größen-
ordnung von rund 300 bis 400 Mio. DM ausmachen würde.

4. Sofern Bund, Länder, Kreise und Gemeinden keine höheren Ausgleichszah-
lungen für die im Schienenverkehr und im öffentlichen Personenverkehr tä-
tigen Unternehmen leisten, wären bei den Betrieben durch die zusätzliche
Energiebesteuerung Einsparungen zwingend. Streichungen von Tagesrand-
oder Verstärkerfahrten, Einsparung von Personal und letztlich Minderein-
nahmen an Steuern und Sozialabgaben wären ebenso die Folge wie Fahr-
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preiserhöhungen, rückläufige Fahrgastzahlen und Abbau von Service-Leis-
tungen.

5. Für Fahrgäste, Reisende und Schienentransporteure würde dies ein Weniger
an Bahn- bzw. Busverbindungen bedeuten, was zwangsläufig zu einem
Mehr an Pkw- und Lkw-Verkehr führen würde. Eine solche Entwicklung
liefe dem ökologischen Ansatz der ökologischen Steuerreform zuwider.

6. Das Europäische Parlament hat am 13. April 1999 mit großer Mehrheit die
Empfehlung ausgesprochen, Eisenbahnen und den öffentlichen Personen-
verkehr von jeder Energiesteuer zu befreien.

7. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) erklärte zutreffend,
dass „Busse und Bahnen vom Grundsatz her bereits als strategische Partner
des Ökosteuerkonzepts verstanden werden (müssen) und nicht als Besteue-
rungsziel“.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Die Beförderungs- und Transportleistungen der öffentlichen Verkehrsinfra-
struktur, das heißt die Schienenverkehrsleistungen sowie die öffentlichen Per-
sonenverkehrsleistungen auf Bundes-, Länder-, Kreis- und Gemeindeebenen
sind von der erhöhten Energiebesteuerung auszunehmen.

Berlin, den 10. November 1999

Dr. Winfried Wolf
Eva-Maria Bulling-Schröter
Dr. Barbara Höll
Heidemarie Ehlert
Uwe Hiksch
Rolf Kutzmutz
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die mögliche Kostenbelastung der öffentlichen Personennahverkehrs-Betriebe
in der Endstufe der Energiebesteuerung im Rahmen der ökologischen Steuerre-
form im Einzugsbereich einzelner Verkehrsbetriebe im DM-Betrag kommt im
Wesentlichen der Zahl der dort wohnenden Einwohner gleich. Dies wäre eine
spürbare Mehrbelastung jedes einzelnen Verkehrsunternehmens und würde den
umweltfreundlichen öffentlichen Nahverkehr, der eine Gemeinwohlverpflich-
tung erfüllt, bundesweit schlechter stellen.

Im Eisenbahnverkehr muss sich die Schiene gegen eine zuweilen schnellere
oder flexiblere Konkurrenz des Straßen- bzw. Flugverkehrs behaupten. Die
Wahl umweltfreundlicher Verkehrsmittel ist jedoch nach übereinstimmender
Fachmeinung in erster Linie über die Fahrpreise zu erreichen. Statt den um-
weltfreundlichen Schienenverkehr steuerlich zu begünstigen, will die Bundes-
regierung die steuerliche Belastung erhöhen.
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Dabei sind Schienen- und Omnibusverkehr bereits innerhalb der Bundesrepub-
lik Deutschland und gegenüber den konkurrierenden Verkehrsträgern erheblich
benachteiligt. Unter anderem sind die Binnenschifffahrt und der gewerbliche
Flugverkehr schon seit geraumer Zeit ganz von jeder Mineralölsteuer und da-
mit von der zusätzlichen Mineralölbesteuerung durch die ökologische Steuerre-
form befreit. Hinzu kommen besondere neue Belastungen, wie die 250 Mio.
DM, die von der Deutschen Bahn AG für Bundesgrenzschutzdienste auf Bahn-
höfen jährlich zu bezahlen sind, oder die Veränderung der Situation der Stadt-
werke (keine Quersubventionierung und sinkende Gewinne aus Stromeinnah-
men), die den öffentlichen Verkehr der Städte substanziell bedroht.

Eine zusätzliche Benachteiligung ergibt sich auf europäischer Ebene:

Unternehmen des Güter- und des Personenfernverkehrs auf der Schiene zahlen
in Deutschland schon heute weit höhere Mehrwert- und Mineralölsteuern als in
den europäischen Nachbarstaaten. Bekanntlich beträgt der Mehrwertsteuersatz
in Deutschland 16 Prozent – bei Schiene wie Straße. Während der Straßenver-
kehr in den Nachbarstaaten höhere Mehrwertsteuern entrichtet, liegt die Mehr-
wertsteuer der Schiene dort zumeist deutlich unter 10 Prozent.

An Mineralölsteuern sind in den Nachbarstaaten von den Unternehmen des
Straßenverkehrs zwischen 48 Pfennig je Liter und 134 Pfennig je Liter Diesel-
kraftstoff zu entrichten. Jedoch zahlen dort die Bahnen keine oder kaum Mine-
ralölsteuern. In Schweden werden 4, in Großbritannien 6, in Finnland 8 und in
Frankreich 16 Pfennig Mineralölsteuer erhoben. Einzig in Deutschland liegt
der Schienenverkehr mit 62 Pfennig je Liter Dieselkraftstoff bereits jetzt weit
darüber. Es ist umwelt- und verkehrspolitisch nicht sinnvoll, diesen Spitzen-
betrag durch eine Energiezusatzsteuer nochmals anzuheben, zumal auch das
Europäische Parlament empfiehlt, alle Schienenverkehre von der Mineralöl-
steuer zu befreien.

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