BT-Drucksache 14/1872

Stromeinspeisungsgesetz

Vom 27. Oktober 1999


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

1872

14. Wahlperiode

27. 10. 99

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Rainer Brüderle, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Karlheinz Guttmacher, Walter Hirche, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer,
Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Marita Sehn,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Stromeinspeisungsgesetz

Das Stromeinspeisungsgesetz gehört zu den wesentlichen Förderinstrumenten
der erneuerbaren Energien. Es hat insbesondere dazu beigetragen, den Ausbau
regenerativer Stromerzeugung im Bereich der Windenergie zu beschleunigen.
Zuwächse können auch bei der Photovoltaik, der Biomassen und den Klein-
kraftwerken festgestellt werden.

Bei der Verabschiedung des Stromeinspeisungsgesetzes ging der Gesetzgeber
von einer langfristigen Mehrbelastung der öffentlichen Elektrizitätsversorgung in
der Größenordnung von 50 Mio. DM/a. bis max. 100 Mio. DM/a. für die gesam-
ten Strommengen aus regenerativen Energien aus. Diese sind deutlich überschrit-
ten worden. Davon sind vor allen Dingen die Versorgungsunternehmen in den
Küstenländern betroffen. Bereits 1998 betrugen die Mehrbelastungen 526 Mio.
DM. Für 1999 schätzt die Vereinigung der Deutschen Elektrizitätswerke die
Mehrbelastungen auf 685 Mio. DM. Das bedeutet eine Steigerung von 159 Mio.
DM in Jahresfrist. Trotz der offenen rechtlichen Fragen und der Entscheidungen
des Bundesverfassungsgerichtes sind weitere Mehrbelastungen zu erwarten.

Die erheblichen regionalen, wettbewerbsverzerrenden Sonderbelastungen haben
nicht nur negative Auswirkungen für die örtlichen stromversorgenden Unterneh-
men sowie deren Vorlieferanten, sondern auch für die örtlichen Strom verbrau-
chenden Gewerbetreibenden sowie für die Privathaushalte, die ungleichgewich-
tig und überproportional die zusätzlichen Belastungen tragen müssen.

Darüber hinaus hat sich der energierechtliche Ordnungsrahmen durch die Ener-
gierechtsreform grundlegend geändert. Die Liberalisierung der Strommärkte
stellt die Energiewirtschaft vor neue Herausforderungen, denen sie in einem
international ausgerichteten Wettbewerbsmarkt begegnen muss. Das Strom-
einspeisungsgesetz, das als Förderinstrument eines abgeschotteten regulierten
Marktes eingeführt worden war und auf der Basis von Mindestpreisvergütun-
gen arbeitet, muss daher insbesondere auch vor dem Hintergrund der internatio-
nal und national veränderten Rahmenbedingungen daraufhin überprüft werden,
ob es auch in Zukunft zielführend sein kann und inwieweit es den neuen Gege-
benheiten angepasst werden muss.
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Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch sind die betriebswirtschaftlichen Kosten der Stromerzeuger in der
Versorgungswirtschaft, jeweils unter Berücksichtigung unterschiedlicher
Standortfakten (gerechnet einschließlich der Zinsen, der Abschreibungen
und der notwendigen Gewinne und Rückstellungen sowie der Wartungs- und
Unterhaltungskosten) aus:

a) Photovoltaik,

b) Biomasse,

c) Kleinwasserkraftwerken,

d) Windkraftwerken?

– Wie hoch sind Stromgestehungskosten bei älteren Windkraftanlagen
und

– modernen 600/800/1 000/1 200 kW-Anlagen?

2. Wie ist die Umsatz- und Ertragssituation der Stromwirtschaft nach der Ener-
gierechtsreform und vor dem Hintergrund eines EG-weiten Strommarktes zu
beurteilen?

a) Wie hoch ist der Umsatz auf dem Stromsektor in Deutschland?

b) Wie hoch ist der Umsatz der deutschen Energieversorgungsunternehmen
im EU-weiten Markt bzw. ihr Umsatzanteil im Vergleich zu ihren europä-
ischen Wettbewerbern?

c) Wie hoch ist die durchschnittliche Rendite auf dem Stromsektor nach
Steuern?

d) Wie groß ist der Anteil der Stromeinspeisungskosten am Umsatz und am
Gewinn?

e) Sind bei den Bilanzen und Erträgen der großen Energieversorgungsunter-
nehmen Hinweise gegeben, dass sie durch das Stromeinspeisungsgesetz
Gewinnminderungen zu verzeichnen haben?

f) Wie ist die Kapitalausstattung zu beurteilen?

3. Wie ist der tatsächliche Wert der Einspeisung von Strom aus Anlagen erneu-
erbarer Energien zu beurteilen, auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen
bzw. externen Kosten?

a) Wie hoch ist der durch die Einspeisung von erneuerbaren Energien ver-
hinderte CO

2

-Ausstoß und Ausstoß weiterer Schadstoffe anzusetzen und
wie ist dieser bei Kohle (heimischer Braunkohle/Steinkohle), bei Kernen-
ergie und Gas anzusetzen unter Berücksichtigung der jeweils effizientes-
ten Kraftwerkstechnologie?

b) Wie hoch sind die eingesparten externen Kosten (Gesundheits-, Natur-
und Gebäudeschäden) durch die unter das Einspeisungsgesetz fallende
Energieerzeugung?

c) Warum sind bisher die externen Kosten der Stromerzeugung bei der
Preisbildung nicht in Ansatz gebracht worden?

d) Wie hoch ist der gesamtökologische, soziale und volkswirtschaftliche
Nutzen der erneuerbaren Energien?

e) Wie wird die Einsparung endlicher Ressourcen beurteilt?
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4. Wie hoch sind die Mehrbelastungen (1997, 1998) in Bezug auf die
Stromeinstandspreise bei den Vorlieferanten der norddeutschen EVU und
wie ist die voraussichtliche Entwicklung des Finanzvolumens einzuschätzen
für die Jahre 2000 bis 2005 bei gleichbleibender Gesetzesgrundlage?

– Welche Veränderungen des norddeutschen Wirtschaftsraumes sind auf-
grund der Vergütungszahlungen nach dem Stromeinspeisungsgesetz hin-
sichtlich einzelner Energieversorgungsunternehmen (EVU) und hinsicht-
lich der Stromverbraucher zu erwarten?

– Wie wird sich die regionale Kostenstruktur der EVU unter Berücksichti-
gung der Abschreibungsmöglichkeiten entwickeln?

– Sollen Maßnahmen ergriffen werden, um die norddeutsche Sonderbelas-
tung auszugleichen?

– Welche Zuwächse werden für den Bau von Windkraftanlagen in Nord-
deutschland erwartet?

– Welche Auswirkungen hat der Bau von Windkraftanlagen auf die Stellung
norddeutscher EVU im europäischen sowie innerdeutschen Wettbewerb?

5. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Stromwirtschaft, von der
von Mitnahmeeffekten der erneuerbaren Energien gesprochen wird, die bei
rd. 0,08 bis 0,10 DM/kWh liegen sollen, und kann sie deren Zahlen bestäti-
gen?

6. Ist eine grundsätzliche Beibehaltung des Stromeinspeisungsgesetzes recht-
lich möglich und wenn ja, welche Novellierungen sind wünschenswert?

a) Zum Beispiel

– Erhöhung der Mindervergütungen,

– Einführung fester Vergütungssätze,

– Differenzierung nach Energieform und –art,

– Kosten des Netzanschlusses und der Netzverstärkung.

b) Wie beurteilt die Bundesregierung die rechtlichen und praktischen As-
pekte einer Novellierung des Stromeinspeisungsgesetzes mit folgenden
Eckpunkten:

– Bestandschutz für Altanlagen,

– degressiv verlaufende, feste Vergütungssätze für Neuanlagen und

– Differenzierung bzw. Deckelung des maximalen Förderbetrags sowie

– Ausgleich der Differenz durch Bundesmittel?

7. Falls eine Fortschreibung des Stromeinspeisungsgesetzes nicht zulässig ist,
ist die Einführung eines Quotenmodells eine Förderalternative?

Welche Vor- und Nachteile hat nach Ansicht der Bundesregierung ein Sol-
ches und welche Vor- und Nachteile hat ein möglicher Instrumentenwech-
sel?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der langfristigen Er-
fahrungen mit dem Stromeinspeisungsgesetz und unter Beachtung des ener-
giepolitischen Zieles, Dauersubventionen zu vermeiden bzw. zurückzufüh-
ren, den Ausbau der regenerativen Energien, insbesondere der Windenergie?

Ab welcher Schwelle ist eine wirtschaftliche Situation – jeweils gegliedert
nach Energieform und -träger – erreicht, die jeweiligen regenerativen Anla-
gen auch ohne Übernahme der Mehrkosten weiter zu betreiben und in wel-
chem Jahr wird dieses voraussichtlich der Fall sein?
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– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
9. In welcher Höhe sind Investitionen für regenerative Energien (unterschieden
nach Energieträger und -form) bisher staatlich flankiert worden

– durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau,

– durch die Deutsche Ausgleichsbank,

– durch spezifische Länderprogramme?

In welcher Höhe sind die jeweiligen Investitionen bei Kumulation der Bun-
des- und Ländermittel durchschnittlich gefördert worden?

Berlin, den 19. Oktober 1999

Paul K. Friedhoff
Rainer Brüderle
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Marita Sehn
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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