BT-Drucksache 14/1802

Haltung der Bundesregierung zur öffentlichen Verbreitung von NS-Parolen

Vom 13. Oktober 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1802
14. Wahlperiode 13. 10. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Evelyn Kenzler, Ursula Lötzer, Petra Pau
und der Fraktion der PDS

Haltung der Bundesregierung zur öffentlichen Verbreitung von NS-Parolen

Immer wieder werden bei Demonstrationen der NPD oder anderer rechtsextre-
mistischer Organisationen NS-Parolen bzw. Parolen skandiert, die nationalsozi-
alistische und verbotene verbrecherische Organisationen verherrlichen.

Bei Demonstration der NPD gehört z. B. die Parole „Ruhm und Ehre der Waf-
fen-SS“ offenbar zur regelmäßig skandierten Parole. So wurde bei Demonstra-
tionen der NPD am 30. Januar dieses Jahres in Kiel sowie am 22. Mai und am
2. Oktober dieses Jahres in Köln nach Presseberichten und Berichten von Be-
obachtern diese Parole immer wieder skandiert. Das NPD-Blatt „Zentralorgan“
bestätigt dies in einem eigenen Bericht über die Demonstration in Köln am
22. Mai 1999. Dort hätten sich „über 300 volkstreue Männer und Frauen … un-
ter der Organisationsleitung der NPD“ eingefunden und „minutenlang Sprech-
chöre ‚Ruhm und Ehre der Waffen-SS‘“ gerufen.

Über die Demonstration am 2. Oktober 1999 berichtete u. a. das „Neue
Deutschland“ unter der Überschrift „Nazis durften in Köln pöbeln. ‚Ruhm und
Ehre der Waffen-SS‘ bei Aufmarsch in der Domstadt gebrüllt“ (4. Oktober
1999).

Auf eine Anzeige eines Mitglieds des Rates der Stadt Köln gegen den verant-
wortlichen Leiter der NPD-Demonstration, u. a. wegen Werbung für die verbre-
cherische Waffen-SS, hat die Kölner Staatsanwaltschaft mit der Mitteilung re-
agiert, ein für eine Strafverfolgung hinreichender Tatverdacht liege bei der
Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ nicht vor. Erstens würden mündliche
Äußerungen durch den § 86 StGB (Verbreitung von Propagandamitteln verfas-
sungswidriger Organisationen) nicht erfasst, zweitens sei die Parole „Ruhm
und Ehre der Waffen-SS“ auch „nicht während des Dritten Reiches als Parole
mit spezifisch nationalsozialistischer Bedeutung gebraucht“ worden, sei also
kein „Kennzeichen i. S. d. § 86a StGB.“ (Verwenden von Kennzeichen verfas-
sungswidriger Organisationen).

In der Zeitschrift „Neue Justiz“ (Ausgabe 10/1998) heißt es dagegen in einem
Aufsatz eines Richters beim OLG Dresden, in dem dieser auch auf den Zweck
des § 86a StGB eingeht: „Geschütztes Rechtsgut des § 86a StGB ist nach allge-
meiner Auffassung der demokratische Rechtsstaat und der politische Frieden in
der Bundesrepublik. Deren Schutz soll erfolgen durch Bekämpfung symbol-
trächtiger Kennzeichen, die den Anschein erwecken können, verfassungswid-
rige Organisationen würden ungehindert ihre Wiederbelebung betreiben … Bei
in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der Bundes-

Drucksache 14/1802 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
republik Deutschland soll kein Zweifel an einer rechtsstaatlichen innenpoliti-
schen Entwicklung aufkommen … Schutzzweck des § 86a StGB ist … die Ver-
hinderung des öffentlichen Eindrucks, dass sich rechtsstaatswidrige
Organisationen heute in Deutschland wieder ausbreiten können.“ (S. 522 f.).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das Verbot und die ersatz-
lose Auflösung der Waffen-SS durch das Nürnberger Kriegsverbrechertribu-
nal als verbrecherische Organisation noch heute gültig und bindendes Recht
für die Bundesrepublik Deutschland sind?

Wenn ja, was folgt daraus nach Auffassung der Bundesregierung, wenn z. B.
Parolen wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ in der Öffentlichkeit skandiert
werden?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Versuche der Rehabilitie-
rung und Wiederbelebung der Waffen-SS als Versuch der Rehabilitierung
und Wiederbelebung einer verbrecherischen Organisation verboten und
strafbar sind?

3. Gehört das öffentliche Skandieren von Parolen wie „Ruhm und Ehre der
Waffen-SS“ nach Auffassung der Bundesregierung zur freien Meinungs-
äußerung in diesem Land oder handelt es sich dabei um einen (verbotenen
und strafbaren) Versuch der Wiederbelebung einer verbotenen, verbrecheri-
schen Organisation?

4. Reichen nach Auffassung der Bundesregierung die bestehenden Gesetze
zum Verbot und zur Verfolgung von offensichtlich nationalsozialistischer
Parolen aus oder besteht hier nach Auffassung der Bundesregierung eine Re-
gelungslücke?

Wenn ja, erwägt die Bundesregierung gesetzliche Initiativen, damit solche
NS-Parolen künftig wirksamer verfolgt werden können?

5. Wann und warum wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die „HIAG“
(„Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waf-
fen-SS“) bzw. deren weiter bestehende Teilorganisationen und Publikatio-
nen aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundes genommen?

6. Welche organisatorischen und politischen Verbindungen bestehen nach
Kenntnis der Bundesregierung zwischen der NPD und den weiter bestehen-
den Teilorganisationen und Publikationsorganen der früheren HIAG?

Berlin, den 13. Oktober 1999

Ulla Jelpke
Dr. Evelyn Kenzler
Ursula Lötzer
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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