BT-Drucksache 14/1671

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Ladenschlussgesetzes

Vom 29. September 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1671
14. Wahlperiode

29. 09. 99

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Dr. Guido Westerwelle, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Rainer Funke, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt,
Walter Hirche, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Cornelia Pieper,
Gerhard Schüßler, Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der F.D.P.

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Ladenschlussgesetzes

A. Problem
Das geltende Ladenschlussgesetz beschränkt sowohl den Einzelhan-
del als auch die Verbraucher in ihren Verkaufs- bzw. Einkaufsmög-
lichkeiten. Es berücksichtigt nur noch mangelhaft die veränderten
Lebens- und Konsumgewohnheiten.

B. Lösung
Mit dem Gesetzentwurf soll dem Einzelhandel die Möglichkeit ge-
geben werden, in eigener Verantwortung den Wünschen und Bedürf-
nissen der Kunden gerecht zu werden.
Das angestrebte Ziel wird durch die Aufhebung des gesetzlichen
Ladenschlusses erreicht. Ein Schutz der Ladenschlusszeiten an Sonn-
und Feiertagen ist verfassungsrechtlich gesichert (Artikel 140 GG in
Verbindung mit Artikel 139 Weimarer Reichsverfassung). Der
Gesetzentwurf verzichtet in dieser Situation auf eine bundeseinheit-
liche Regelung. Mit Blick auf regional unterschiedliche Anschauun-
gen und Traditionen bleibt diese Frage in der Gestaltungshoheit der
Länder.
Die im Einzelhandel Beschäftigten sind – wie die Beschäftigten in
anderen Wirtschaftszweigen und im öffentlichen Dienst – weiterhin
durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie durch die einschlägigen
(Mantel-)Tarifverträge vor unzumutbaren Arbeitszeitregelungen ge-
schützt.

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C. Alternativen
Keine
Eine nur teilweise Freigabe der Ladenschlusszeiten, etwa bis 22.00 Uhr,
verursacht weiterhin hohe Verwaltungs- und Kontrollkosten. Zudem
würde sie den gewünschten Effekt nicht erreichen, Marktnischen,
insbesondere für Existenzgründer, zu schaffen.

D. Kosten
Die vorgesehenen Regelungen verursachen für die öffentlichen
Haushalte keine Kosten. Vielmehr entfallen die Kosten für die
Überwachung der Ladenschlusszeiten an Werktagen. Gleiches gilt
für die an Werktagen nicht mehr notwendigen Überprüfungen von
Ausnahmeregelungen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1671

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Ladenschlussgesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Das Gesetz über den Ladenschluss in der im Bundes-
gesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 8050-20 veröf-
fentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch
Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juli 1996 (BGBl. I S. 1186),
wird aufgehoben.

Artikel 2
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2000 in Kraft.

Berlin, den 29. September 1999

Dr. Guido Westerwelle
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Rainer Funke
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Cornelia Pieper
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 14/1671 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung

Raum für Gestaltungsfreiheit schaffen
An der Schwelle zum 21. Jahrhundert befindet sich
Deutschland in tiefen gesellschaftspolitischen Umbrü-
chen. Geänderte Arbeitsstrukturen, flexiblere Arbeits-
zeiten sowie eine ständig wachsende Mobilität haben
auch bei Verbrauchern zu veränderten Lebens- und Kon-
sumgewohnheiten geführt. Das Gesetz über den Laden-
schluss vom 28. November 1956 hält diesen veränderten
Anforderungen längst nicht mehr stand. Bereits die am
1. November 1996 geringfügig erweiterten Ladenöff-
nungszeiten sind von den Verbrauchern zwar positiv
aufgenommen worden, führten aber in vielen Branchen
nicht weit genug. Die veränderten Lebensgewohnheiten
und Bedürfnisse der Kunden decken sich nicht mehr mit
den bestehenden Regelungen. Gebote der Stunde sind
daher: Bürokratie konkret abbauen, Staat zurückführen
und Freiräume für individuelle Gestaltungsmöglichkei-
ten schaffen!
Auf diese Entwicklung kann nur mit der völligen Frei-
gabe der Ladenöffnungszeiten reagiert werden.
Der Schutz der Sonn- und Feiertage sowie von Heilig-
abend und Sylvester im Rahmen der verfassungsrechtli-
chen Regelung fällt nach Aufhebung des Ladenschluss-
gesetzes den Ländern zu. Sie können den regionalen Be-
sonderheiten besser gerecht werden als der Bund. Neue
Wettbewerbsformen wie länger geöffnete Ladenzeilen in
Bahnhöfen und auf Flughäfen, Tankstellen-Shopping
sowie der ständig wachsende e-commerce im Internet
ohne jegliche Zeitbegrenzung machen deutlich, dass sich
die Konsumenten der Bevormundungsrolle des Staates
entziehen und frei von unnötigen bürokratischen Sach-
zwängen entscheiden wollen, wann sie ihre Einkäufe er-
ledigen. Das bestehende Ladenschlussgesetz erweist sich
dabei als Hemmschuh für die Entwicklung von Handel
und Dienstleistung.
Dies zeigt sich auch in der Entwicklung des Käuferver-
haltens als Folge der letzten Neuregelung des Laden-
schlussgesetzes. Nach einer von Infratest/ifo-Institut
durchgeführten Umfrage vom Juni 1998 befürworten
mehr als die Hälfte aller befragten Konsumenten die ver-
änderten Ladenschlusszeiten. Der Anteil der Befürworter
ist laut Studie außerdem vergleichbar mit dem Anteil de-
rer, die diese Neuregelung auch real nutzen. Beides, Be-
fürwortung und Nutzung, durchziehen sämtliche Bevöl-
kerungsgruppen, unabhängig von Einpersonen- oder
Mehrpersonenhaushalten sowie abgekoppelt vom Er-
werbsstatus der Verbraucher.
Der Gesetzgeber muss deshalb die Gestaltungsverant-
wortung in die Hände der Betroffenen legen: Händler,
Dienstleister, Arbeitnehmer sowie Gewerkschaften und
allen voran Verbraucher. Die Betroffenen sollen – im
Einvernehmen – mittels kreativer Lösungsansätze selbst
entscheiden können, ob und wie lange Geschäfte an
Werktagen geöffnet bzw. Dienstleistungen angeboten

werden. Damit erhalten gerade Einzelhändler die Chance,
ihre Öffnungszeiten je nach Branche und regionalen Be-
dürfnissen der Kundschaft auszurichten. Dies bedeutet
ausdrücklich nicht, dass jeder Händler sein Geschäft von
Montag bis Samstag rund um die Uhr geöffnet halten
muss!
Für die Beschäftigten gestalten sich die Arbeitszeitrege-
lungen sowie die Arbeitnehmerschutzrechte weiterhin
durch die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG)
und der (Mantel-)Tarifverträge. So wird die Freigabe der
Ladenöffnungszeiten keinerlei Auswirkungen auf die
höchstzulässige werktägliche Arbeitszeit, die Mindest-
pausen und die Mindestruhezeiten für das Verkaufsper-
sonal haben, die durch das Arbeitszeitgesetz gedeckt
sind. Sie wird allerdings zu einer weiteren dringend not-
wendigen Flexibilisierung der Arbeitszeiten führen.
Entbürokratisierung bedeutet gleichermaßen, veraltete
Auslegungspflichten bezüglich des Gesetzestextes des
Ladenschlussgesetzes und damit in Zusammenhang ste-
hender Verordnungen abzuschaffen.
Der internationale Wettbewerbsdruck zwingt Dienst-
leistungsanbieter in Deutschland in hohem Maße zu
einer adäquaten Antwort, diesem zu begegnen, nämlich
der aktiven Gestaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Im
europäischen Vergleich hat nur noch Griechenland ähn-
lich starre Ladenschlussregelungen, wie sie derzeit in
Deutschland gelten. Alle anderen europäischen Länder
verfügen über liberalere Öffnungszeiten bis hin zur völ-
ligen Freigabe, wie z.B. in Schweden. In Irland etwa
bleiben die Geschäfte nur am Nationalfeiertag, zu Weih-
nachten und an Karfreitag komplett geschlossen. Die
Auswirkungen des internationalen Wettbewerbs und die
hohe Mobilität der Verbraucher kann man in den letzten
Jahren verstärkt in den Grenzregionen beobachten. Bei-
spielhaft sei hier nur der Bereich Aachen und Trier er-
wähnt.
Die Freigabe der Ladenöffnungszeiten ist insbesondere
für die kleinen und mittelgroßen Einzelhändler eine
Chance, sich gegenüber den großen Märkten auf der
„grünen Wiese“ zu behaupten. Hier könnten die kleinen
Unternehmen durch geschickte Besetzung von Markt-
nischen ihren Standort in der Innenstadt behaupten.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Geschäfte in der
Innenstadt und die großflächigen Betriebstypen auf
der „grünen Wiese“ gleichermaßen frequentiert werden,
vorausgesetzt, dass sich zu den attraktiven Öffnungs-
zeiten weitere Struktur- und Organisationsmaßnahmen
gesellen. Um nur wenige zu nennen: Ein bedarfsgerech-
tes Stadtmarketingkonzept, eine leistungsfähige Ver-
kehrsinfrastruktur und was für jeden Verbraucher für
dessen Kaufentscheidung besonders wichtig ist: indivi-
dueller Beratungsservice.
Entgegen anderen Behauptungen wird die Freigabe der
Ladenschlusszeiten letztlich auch im Interesse der Fami-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1671

lien erfolgen. Einerseits können Paare, wenn etwa beide
Partner berufstätig sind, ihre Einkaufspflichten besser
aufteilen. Zum anderen besteht auch die Möglichkeit,
größere Einkäufe mit der gesamten Familie zu tätigen
und nicht mehr auf den „überfüllten Familieneinkaufs-
samstag“ ausweichen zu müssen. Das Recht des Ver-
kaufspersonals zur individuellen Familiengestaltung
wird weiterhin durch die Arbeitsschutzgesetze gewähr-
leistet.
Schließlich hilft die Freigabe der Ladenöffnungszeiten
insbesondere Existenzgründern in der Anfangsphase ih-
res Unternehmens eine Marktposition zu erkämpfen. Ge-
rade Existenzgründern muss die Möglichkeit gegeben

werden, sich durch verbesserten Service, der auch die
Frage der Servicezeiten beinhaltet, durchzusetzen.

Fazit
Mit weniger staatlicher Regulierung und mit dem Ge-
staltungsfreiraum, der durch die Abschaffung des Laden-
schlussgesetzes dem deutschen und dem internationalen
Verbrauchermarkt endlich zugänglich gemacht wird,
wird eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt von be-
stehenden Arbeitsplätzen sowie zur Schaffung neuer,
flexibel gestalteter Beschäftigungsverhältnisse geschaf-
fen.

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