BT-Drucksache 14/1620

Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und zwangsarbeitern für erlittenes Unrecht durch Verbrechen von Betrieben der deutschen Wirtschaft im NS-Regime

Vom 15. September 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1620
14. Wahlperiode 15. 09. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke-Reymann, Ulla Jelpke, Dr. Evelyn Kenzler,
Petra Pau und der Fraktion der PDS

Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
für erlittenes Unrecht durch Verbrechen von Betrieben der deutschen
Wirtschaft im NS-Regime

Unter dem nationalsozialistischen Regime wurden aus den von Deutschland
überfallenen und besetzten Ländern sowie aus KZ-Lagern, Kriegsgefangenen-
lagern und Haftanstalten mehr als 10 Millionen Menschen als Arbeitssklaven
eingesetzt. Über 50 Jahre nach der Überwindung des Faschismus warten die
meisten der überlebenden ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbei-
ter und deren Hinterbliebene noch immer auf staatliche Anerkennung als
NS-Opfer durch die Bundesrepublik Deutschland und auf angemessene Ent-
schädigung durch die Nutznießer der millionenfachen Zwangsarbeit – insbe-
sondere durch Industrie und Landwirtschaft, aber auch durch den Staat selbst
und durch öffentliche Betriebe wie Bahn, Post und kommunale Unternehmen.
Nur wenige Unternehmen haben, jeweils ohne Anerkennung jedweder Rechts-
pflichten, Entschädigungsleistungen für jüdische Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter geleistet und dies meist nur auf Grund von politischem, wirt-
schaftlichem und juristischem Druck aus den Vereinigten Staaten. Die ganz
überwiegende Zahl der aus Osteuropa stammenden nichtjüdischen Zwangsar-
beitsopfer ist bis heute leer ausgegangen.

Das Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Rechtsprechung hat in den
letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass fast alle gerichtlich erhobenen Entschä-
digungsforderungen abgewehrt wurden. Weder die „Entschließung des Europä-
ischen Parlamentes zu Entschädigungsleistungen für ehemalige Sklavenarbeiter
der deutschen Industrie“ vom 16. Januar 1986 noch die Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts vom 13. Mai 1996, wonach entgegen der jahrelang ver-
tretenen Regierungsauffassung individuelle Entschädigungsforderungen sehr
wohl gegen den deutschen Staat und gegen deutsche Unternehmen gerichtet
werden können, haben bis 1998 Bundesregierung und Unternehmen veranlasst,
von ihrer Verweigerungshaltung abzugehen. Nicht aus eigener Einsicht, son-
dern erst vor dem Hintergrund neuer Klagen in der Bundesrepublik Deutsch-
land, vor allem aber der in den USA eingeleiteten Sammelklagen und Boykott-
drohungen haben sich deutsche Konzerne wie VW und Siemens bereit erklärt,
Entschädigungsleistungen zu zahlen, um sich abzeichnende Einbußen auf nord-
amerikanischen Exportmärkten zu vermeiden.

Nach mehr als fünfzig Jahren der Verweigerung geht es um einen Ausgleich,
z. B. durch Lohnzahlungen, für den vielfach verheerenden Schaden, der unter
der Naziherrschaft den Opfern der Zwangsarbeit in menschlicher, gesundheitli-

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cher und materieller Hinsicht zugefügt worden ist. Dieser – auch materiell – nur
ansatzweise Ausgleich wurde von den seinerzeitigen Nutznießern der Zwangs-
arbeit, Staat und Wirtschaft, nicht geleistet. Beide haben, von Ausnahmen ab-
gesehen, bis dato für „Zwangsarbeit als solche“ keine Entschädigung geleistet.

Die Koalitionsvereinbarung legt fest: „Die neue Bundesregierung wird … unter
Beteiligung der deutschen Industrie eine Bundesstiftung ,Entschädigung für
NS-Zwangsarbeit‘ auf den Weg bringen.“ Wie weit wurde dabei etwas auf den
Weg gebracht und wie wird der historische wie auch aktuelle Kontext beurteilt?
Die Fraktion der PDS im Deutschen Bundestag richtet aus diesem Grund fol-
gende Fragen an die Bundesregierung, damit dieser Weg – wenn auch für viele
Hunderttausende zu spät – möglichst rasch, aber auch mit der gebotenen Um-
sicht beschritten wird.

Fragen

1. In welchen Betrieben Deutschlands wurden Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter eingesetzt:
a) Industrie,
b) staatliche und kommunale Betriebe (z. B. Reichsbahn, Organisation Todt,

kommunale Verwaltungen),
c) Handwerk,
d) Landwirtschaft,
e) übrige?

2. Wie viele ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter leben heute
noch?
Wie groß war ihre Anzahl
1945, 1949, 1959, 1969, 1979, 1989?

3. Wie viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sind schätzungsweise
seit der Regierungsbildung 1998 verstorben?

4. Was unternimmt die Bundesregierung, um angesichts des hohen Durch-
schnittsalters der überlebenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
einer „biologischen Lösung“ des Problems vorzubeugen? Sieht die Bundes-
regierung besonders beschleunigten Handlungsbedarf, da ansonsten die we-
nigen Überlebenden ihre Entschädigungen wegen ihres Ablebens nicht mehr
in Anspruch nehmen können?

5. Wie viele ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sind bisher in
welchem Umfang und aus welchen Fonds entschädigt worden?

6. Sollen nach Auffassung der Bundesregierung diejenigen Hinterbliebenen
der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die als Ehepartner oder Kin-
der in der Zeit der Zwangsarbeit unmittelbar betroffen waren, in die Ent-
schädigung einbezogen werden?
Wenn nein, warum nicht?

7. Welche und wie viele Gestapo-Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangs-
arbeiter, genannt Arbeitserziehungslager, hat es gegeben?
a)Wie groß war die Zahl ihrer Insassen?
b)Wurden die Insassen entschädigt, und wenn ja, wie?

8. Wie soll nach Meinung der Bundesregierung die Entschädigung der Kriegs-
gefangenen erfolgen, die nicht zu Arbeiten, dem Völkerrecht gemäß, son-
dern zur NS-Zwangsarbeit herangezogen wurden, und zwar – wie im Falle
der sowjetischen und polnischen Kriegsgefangenen – unter besonders grau-
samen Bedingungen?

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9. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung über die Arbeits-
und Lebensbedingungen und die Vergütung der Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter? Welche Unterschiede gab es in dieser Hinsicht zwischen
verschiedenen Gruppen (Juden, Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge, Men-
schen aus der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten usw.)?

10. Wie viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurden während der
Zwangsarbeit ermordet oder sind auf andere Weise zu Tode gekommen,
und zwar

– generell in der Zwangsarbeit,

– speziell bei der Zwangsarbeit in den staatlichen Betrieben und Einrich-
tungen?

11. Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung in Hinblick auf zu leis-
tende Entschädigungen aus der Feststellung des Historikers und Experten
für Wirtschaftsgeschichte Prof. Dietrich Eichholtz: „Die westdeutsche In-
dustrie ist gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen; sie hat nicht den Krieg,
wohl aber am Krieg gewonnen. Ihr Anlagevermögen war bei Kriegsende
erheblich höher als bei Kriegsbeginn, selbst unter Anrechnung der Zerstö-
rungen und der Demontagen. Heute zählen die deutschen Großkonzerne zu
den mächtigsten der Welt. Ihre Gewinne haben eine außerordentliche Höhe
erreicht. Ihre heutige Machtstellung ist zum Teil aus den Kriegsprofiten er-
wachsen: Dazu hat auch die Zwangsarbeit beigetragen“ (Quelle: Neues
Deutschland, Berlin, 22. Oktober 1998)?

12. Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung in Hinblick auf zu leis-
tende Entschädigungen aus der Feststellung des Experten Prof. Ulrich Her-
bert: „Es gibt Analysen, die zeigen, dass ein erheblicher Teil unseres Wirt-
schaftswunders auf der Entwicklung in diesen Kriegsjahren beruht, auf der
Ausbeutung Europas und der Zwangsarbeiter …“ (Quelle: Süddeutsche
Zeitung, München, 29. Dezember 1998)?

13. Wurden die Mitglieder des 1933 entstandenen Kuratoriums der
„Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft“ und des „Generalrats der
deutschen Wirtschaft“, hervorgegangen aus dem Reichsverband der deut-
schen Industrie, für die Beschäftigung von Zwangs- und Sklavenarbeitern
im NS-Regime zur Verantwortung gezogen?

– Wenn ja: Auf welche Weise?

– Wenn nein: Warum nicht?

14. Wurden die Mitglieder des Freundeskreises SS nach 1945 für die Ausbeutung
von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern zur Verantwortung gezogen?

– Wenn ja: Auf welche Weise?

– Wenn nein: Warum nicht?

15. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, den Anteil an
Kriegsvorbereitung und Kriegsgewinnen der Wirtschaft und der Banken
unter dem NS-Regime betreffend?

16. Welche Schlussfolgerungen haben die Bundesregierungen seit Gründung
der Bundesrepublik Deutschland aus der Tatsache gezogen, dass schon in
den Nürnberger Prozessen die Zwangsarbeit als Verbrechen gegen die
Menschlichkeit gewertet wurde und der US-amerikanische Hauptankläger
in Nürnberg, Telford Taylor, zu der Feststellung gelangte: „Ohne die Zu-
sammenarbeit der deutschen Industrie und der Nazipartei hätten Hitler und
seine Parteigenossen niemals die Macht in Deutschland ergreifen und festi-

Drucksache 14/1620 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gen können, und das Dritte Reich hätte nie gewagt, die Welt in einen Krieg
zu stürzen“?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung an die deutsche Wirt-
schaft, ein Schuldbekenntnis herbeizuführen hinsichtlich ihrer Rolle unter
dem NS-Regime, ähnlich dem der Kirchen und zahlreicher gesellschaft-
licher Gruppen?

18. Wie beurteilt die jetzige Bundesregierung den Umgang der bisherigen Re-
gierungen in Deutschland mit den Nutznießern von Krieg und Nazidiktatur
in der Industrie, den Banken und Versicherungen?

19. Wie beurteilt sie insbesondere die Rolle der Deutschen Bank und ihres Vor-
standsvorsitzenden unter dem NS-Regime, Hermann Josef Abs?

20. Wie ist der Stand der Abwicklung der IG Farben AG i.A. und welche Maß-
nahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um den Opfern der IG Farben
und ihrer Nachfolgefirmen (wie BASF, Hoechst und Bayer) für ihre beson-
ders schwere Unterdrückung und schwerste Sklavenarbeit Entschädigung
aus Mitteln der IG Farben zukommen zu lassen?

21. Welche Entschädigung erhielten die Hinterbliebenen der Millionen Toten
des Programms „Vernichtung durch Arbeit“?

22. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den Opfern des durch Betriebe
der deutschen Wirtschaft begangenen Lohnraubverbrechens zu helfen?

23. Welche juristischen und moralischen Verpflichtungen der Bundesrepublik
Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches und als Völ-
kerrechtssubjekt zur Aufarbeitung von NS-Unrecht gegenüber den Staaten,
die am Krieg gegen Deutschland teilgenommen haben, und deren Staats-
angehörigen, betrachtet die Bundesregierung als noch nicht erfüllt?

24. Welche Maßnahmen wurden eingeleitet, um die Entschließung des Europä-
ischen Parlaments vom 16. Januar 1986 zu verwirklichen, in der „eine klare
moralische und rechtliche Verpflichtung der Firmen, die Sklavenarbeiter
beschäftigt haben, Entschädigungsleistungen zu zahlen“, festgestellt
wurde?

25. Was wurde getan, um den in der Entschließung des Europäischen Parla-
ments genannten Bundesverband der Deutschen Industrie zu veranlassen,
die Einrichtung eines Fonds für Entschädigungszahlungen an die Opfer der
Zwangsarbeit herbeizuführen?

26. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung dem Vertrag zur abschlie-
ßenden Regelung in Bezug auf Deutschland für das Problem der Entschädi-
gung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bei?

Warum wurde dieses Problem nicht im Zusammenhang mit diesem Vertrag
oder nach seinem Inkrafttreten abschließend geregelt?

27. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
dem Londoner Schuldenabkommen bei?

28. Wie bewertet die Bundesregierung die Rechtslage unter dem Aspekt des
Völkerrechts?

29. Mit welchen Staaten wurden welche Verträge abgeschlossen, die direkt
oder indirekt die Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangs-
arbeitern regeln?

30. Welche realen Ergebnisse erbrachten diese (in Frage 30 bezeichneten) Re-
gelungen für die Betroffenen, wie hoch waren insbesondere die finanziel-
len Zuwendungen für den Einzelnen?

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31. Wie schätzt die Bundesregierung die innerstaatliche Rechtslage in Hinblick
auf die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen ein:

a) Arbeitsrecht,

b) Zivilrecht,

c) Verwaltungsrecht,

d) andere Rechtszweige?

32. Sind die Ansprüche auf Entschädigung nach Auffassung der Bundesregie-
rung bereits verjährt?

33. Wie wird die Bundesregierung den Opfern helfen, ihr Recht zu erlangen,
wenn doch die Gefahr besteht, dass ihre Ansprüche juristisch verjähren?

34. Welche Verfahren von Zwangsarbeitern vor deutschen Gerichten sind nach
Kenntnis der Bundesregierung anhängig? Wer sind die jeweils Beklagten?
Welchen rechtlichen Standpunkt vertritt die Bundesregierung soweit sie
Beklagte in diesen Verfahren ist?

35. Vertritt die Bundesregierung den Standpunkt, dass Zwangsarbeit eine ren-
tenrechtliche Berücksichtigung finden muss, dass Zwangsarbeiterinnen
und Zwangsarbeitern mithin von deutscher Seite ein Zuschuss zur Rente zu
zahlen ist?

Wenn nein, warum nicht?

36. Welche Maßnahmen wurden von Seiten der Bundesregierung im Interesse
der in Sammelklagen in den USA um ihr Recht begehrenden Opfern des
NS-Regimes ergriffen?

37. Was hat die Bundesregierung unternommen, um die vorgesehenen Rege-
lungen aus dem Koalitionsvertrag zu verwirklichen, in dem es heißt: „Die
Rehabilitierung und die Verbesserung der Entschädigung für Opfer natio-
nalsozialistischen Unrechts bleibt fortdauernde Verpflichtung. Die neue
Bundesregierung wird eine Bundesstiftung ,Entschädigung für NS-Un-
recht‘ für die ,vergessenen Opfer‘ und unter Beteiligung der deutschen In-
dustrie eine Bundesstiftung ,Entschädigung für NS-Zwangsarbeit‘ auf den
Weg bringen. Nachteile in der Rentenversicherung und bei der Rehabilitie-
rung von NS-Opfern werden durch eine gesetzliche Ergänzung des gelten-
den Rechts ausgeglichen.“?

38. Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung des
Sprechers der Interessengemeinschaft ehemaliger Zwangsarbeiter hinsicht-
lich der Tatsache, dass die Bundesregierung wohl mit den Konzernen und
Banken, nicht aber mit den Opferverbänden über das Thema der Zwangs-
arbeiterentschädigung sprach: „Damit ist zu befürchten, dass die Entschä-
digung hinter dem Rücken der Opfer und ihrer Organisationen ausgehan-
delt wird.“?

39. Wird die Bundesregierung alle betroffenen Opferverbände zu einem Ge-
spräch bitten?

Wenn ja, wann?

40. Wie reagiert die Bundesregierung auf die Forderung der Gewerkschaften,
eine Dokumentationsstelle zu Fragen der Zwangsarbeit zu schaffen, die
den Opfern mit Rat und Tat zur Seite stehen könnte (Erklärung des
DGB-Bundesvorstandes vom Oktober 1998)?

41. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung nach Öffnung der Such-
dienststelle in Bad Arolsen zum Zwecke der schnellstmöglichen Auskunft
für die Opfer und für die Wissenschaft?

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42. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung der Opferverbände, die
Firmenarchive der deutschen Wirtschaft zu öffnen und sie den Opfern und
der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen?

43. Wie gedenkt die Bundesregierung das Informationshaus am geplanten Ho-
locaust-Mahnmal in Berlin auszugestalten? Wird sie den Inhalt der Firmen-
archive und des Arolsen-Archivs einbringen?

44. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Teilen der Wirtschaft, es
sollten die Opfer auf Klagerechte verzichten, bevor sie sogenannte freiwil-
lige Leistungen erhalten?

45. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Teilen der Wirtschaft, es
sollten nur freiwillige Leistungen gezahlt werden und ein Recht auf Ent-
schädigung bestehe nicht?

46. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Teilen der Wirtschaft, sie
habe das Recht, den Opfern der NS-Zwangsarbeit Leistungen entsprechend
den ortsüblichen Renten zu gewähren, nicht aber Leistungen, die den tat-
sächlichen Gewinnen entsprechen, die die Wirtschaft aus der NS-Zwangs-
arbeit zog?

47. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Fa. Degussa wegen deren
Verantwortung für die Produktion des zur Massentötung von Menschen in
den Vernichtungslagern eingesetzten Zyklon B und für den Goldraub
(Quelle: ARD-Sendung „Monitor“ am 12. August 1999) in besonderer
Weise in die Entschädigungszahlungen einzubeziehen?

48. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, dass die IG Farben i.A. AG, die
für die Massentötung von Menschen in den Vernichtungslagern mittels
Zyklon B und für die Ausbeutung und Tötung Hunderttausender Menschen
in speziellen IG-Farben-KZ Mitverantwortung trägt, sich in besonderer
Weise zu verantworten hat und sich zugunsten der betroffenen Überleben-
den schnellstens auflöst?

49. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Großbanken wie Deutsche Bank
und Dresdner Bank wegen deren Mitverantwortung für die Finanzierung
der auf Massenmord gerichteten Unternehmungen der SS in besonderer
Weise in die Entschädigungszahlungen einzubeziehen?

50. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung des Deutschen Gewerk-
schaftsbundes: „Da die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsnachfolge
des Deutschen Reiches angetreten hat, ist auch sie aufgefordert, die Men-
schen zu entschädigen, die beim Reich bzw. den Gemeinden Zwangsarbeit
leisten mußten.“?

Berlin, den 2. September 1999

Wolfgang Gehrcke-Reymann
Ulla Jelpke
Dr. Evelyn Kenzler
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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