BT-Drucksache 14/1602

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Pressefreiheit

Vom 15. September 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1602
14. Wahlperiode

15. 09. 99

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Walter Hirche,
Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Dr. Guido Westerwelle, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Dr. Max Stadler und der Fraktion der F.D.P.

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Pressefreiheit

A. Problem
Das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO er-
streckt sich nur auf das dem Journalisten mitgeteilte und nicht auf
das selbstrecherchierte Material. Beide Quellen sind schutzwürdig.
Die derzeitige Gesetzeslage wird jedoch der Schutzwürdigkeit des
selbstrecherchierten Materials nicht gerecht. Außerdem bedarf die
Frage der Abgrenzungsschwierigkeit zwischen mitgeteiltem und
selbstrecherchiertem Material dringend einer Klärung. In der Straf-
verfolgungspraxis ist das Problem der Trennung zwischen mitgeteil-
tem und selbstrecherchiertem Material oft nicht zufriedenstellend
lösbar. Unter den Berufsgeheimnisträgern stellen die Journalisten die
einzige Gruppe dar, bei der ausschließlich mitgeteiltes Material,
nicht aber bekannt gewordenes Material geschützt ist.
Der Wortlaut des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO schützt nur Personen, die
bei der Vorbereitung, Herstellung und Verbreitung von periodischen
Druckwerken und Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken. Der
Personenkreis, der mit der Vorbereitung, Herstellung und Verbrei-
tung von Filmberichten, nichtperiodischen Druckwerken (journalis-
tische Buchpresse) beschäftigt ist, ist nicht umfasst. Gleiches gilt für
den Bereich der Informations- und Kommunikationsdienste, die der
Berichterstattung dienen und Informationsangebote enthalten.
Die bisherige Regelung des § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO führt wiederholt
zu Umgehungen. Insbesondere neigen die Strafverfolgungsbehörden
dazu, die dort genannten strafverstrickten Gegenstände heranzuzie-
hen, um den an sich vom Gesetz geschützten Gegenstand, nämlich
die erfolgte Mitteilung (etwa das übergebene Schriftstück), im Rah-
men einer Durchsuchung zu beschlagnahmen. Teilweise wird auch
gegen Redakteure ein Anfangsverdacht einer Teilnahme erhoben, um
auf diesem Wege die Beschlagnahme in Redaktionen und Privat-
wohnungen zu ermöglichen. Meist wird nach erfolgter Durch-
suchung das Verfahren gegen den Redakteur eingestellt.

Drucksache 14/1602 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

B. Lösung
Das Zeugnisverweigerungsrecht des nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO
berechtigten Personenkreises wird auf selbst erarbeitetes Material
erweitert.
Der Entwurf bezieht außerdem der Berichterstattung dienende und
Informationsangebote enthaltende Informations- und Kommunika-
tionsdienste, Filmberichte und nichtperiodische Druckwerke in die
gesetzliche Regelung des Zeugnisverweigerungsrechtes mit ein.
Die Beschlagnahme des durch das Zeugnisverweigerungsrecht ge-
schützten Materials wird präzisiert. Sie darf nur noch bei dringendem
Tatverdacht einer Deliktsteilnahme oder dringendem Tatverdacht
einer Begünstigung oder Hehlerei von Medienschaffenden durchge-
führt werden. Dazu wird § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO neu gefasst.
Der Zugriff der Ermittlungsbehörden auf selbst erarbeitete Mate-
rialien wird durch den Gesetzentwurf grundsätzlich versperrt. Aus
verfassungsrechtlichen Gründen muss jedoch dieser Grundsatz bei
ausdrücklich bestimmten Straftaten durchbrochen werden. Bei den
im Einzelnen tatbestandsmäßig bezeichneten Delikten handelt es sich
entweder um besonders schwerwiegende Verletzungen von indivi-
duellen Rechtsgütern oder um gemeingefährliche oder Straftaten von
besonderem Gewicht. Hier hat das Gebot einer effektiven Strafver-
folgung Vorrang. Der bereits nach geltendem Recht bestehende
Schutz von Informanten bleibt weiterhin gewährleistet.
Der Entwurf regelt außerdem, um einer Umgehung der strafprozes-
sualen Vorschrift vorzubeugen, ein Beweiserhebungsverbot. Das
Zeugnisverweigerungsrecht in den anderen Verfahrensordnungen
bleibt von diesem Entwurf unberührt.
Mit dem Entwurf werden schließlich die genannten Umgehungs-
möglichkeiten im Zusammenhang mit § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO
beseitigt.

C. Alternativen
Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes.

D. Kosten
Keine

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1602

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Pressefreiheit

Der Bundestag hat folgendes Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

§ 53 der Strafprozessordnung in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. September 1998,
wird wie folgt geändert:
1. Absatz 1 Nr. 5 erhält folgende Fassung:

„5. Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung
oder Verbreitung von Druckwerken, Filmbe-
richten, Rundfunksendungen oder Informations-
und Kommunikationsdiensten, soweit sie der Be-
richterstattung oder der Meinungsbildung dienen
oder Informationsangebote enthalten, berufsmä-
ßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die
Person des Verfassers, Einsenders oder Ge-
währsmannes von Beiträgen, Materialien und
ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten
Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den
Inhalt selbst erarbeiteter Materialien; dies gilt
nur, soweit es sich um Beiträge, Materialien und
Mitteilungen für den redaktionellen Teil han-
delt.“

2. In Absatz 2 wird folgender Satz 2 angefügt:
„Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung über den
Inhalt selbst erarbeiteter Materialien entfällt, wenn
Gegenstand der Untersuchung ist
1. a) eine Straftat des Friedensverrats, des Hochver-

rats, des Landesverrats oder der Gefährdung der
äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 80
bis 96, auch in Verbindung mit den §§ 97b, 97a,
98 bis 100a des Strafgesetzbuches,

b) eine Straftat gegen die öffentliche Ordnung in
den Fällen der §§ 129 bis 130 des Strafgesetz-
buches,

2. ein Mord, ein Totschlag oder ein Völkermord
(§§ 211, 212, 220a des Strafgesetzbuches),
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung
in den Fällen der §§ 176 bis 180 des Strafgesetz-
buches,
ein schwerer Menschenhandel (§ 181 des Straf-
gesetzbuches),
eine Straftat gegen die persönliche Freiheit (§ 234,
234a, 239a, 239b des Strafgesetzbuches),

ein schwerer Raub (§ 250 Abs. 1 oder Abs. 2 des
Strafgesetzbuches), ein Raub mit Todesfolge (§ 251
des Strafgesetzbuches) oder eine räuberische Er-
pressung (§ 255 des Strafgesetzbuches),
eine gewerbsmäßige Hehlerei, eine Bandenhehlerei
(§ 260 des Strafgesetzbuches) oder eine gewerbs-
mäßige Bandenhehlerei (§ 260a des Strafgesetz-
buches),
eine gemeingefährliche Straftat in den Fällen der
§§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308
Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs.1 bis 4, des § 310 Abs. 1
Nr. 1 der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b
Abs. 3 oder der §§ 316a, 316c, 318 Abs. 3 und 4
des Strafgesetzbuches,
ein besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat
oder eine schwere Gefährdung durch Freisetzen
von Giften § 330 Abs. 1, 2, § 330a Abs. 1 des
Strafgesetzbuches),

3. eine Straftat nach § 52a Abs. 1 bis 3, § 53 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1, 2 Satz 2 des Waffengesetzes, § 34
Abs. 1 bis 6 des Außenwirtschaftsgesetzes oder
nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, jeweils
auch in Verbindung mit § 21, oder § 22a Abs. 1 bis
3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaf-
fen,

4. eine Straftat nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
des Betäubungsmittelgesetzes in Bezug genomme-
nen Vorschrift unter den dort genannten Voraus-
setzungen oder eine Straftat nach den §§ 29a, 30
Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, § 30a oder § 30b des Betäu-
bungsmittelgesetzes oder

5. eine Straftat nach § 92a Abs. 2 oder § 92b des
Ausländergesetzes oder nach § 84 Abs. 3 oder
§ 84a des Asylverfahrensgesetzes.“

3. Nach Absatz 2 wird folgender neuer Absatz 3 ange-
fügt:
„(3) Soweit die in Absatz 1 Nr. 5 genannten Per-
sonen von ihrem Recht zur Verweigerung des
Zeugnisses über den Inhalt selbst erarbeiteter Mate-
rialien Gebrauch machen, darf Beweis über Aussa-
gen, die diese Personen in anderen als strafgericht-
lichen Verfahren gemacht haben, nicht erhoben
werden.“

4. § 97 der Strafprozessordnung in der Fassung der Be-
kanntgabe vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074), zu-
letzt geändert durch Gesetz vom 7. September 1998,
wird wie folgt geändert:

Drucksache 14/1602 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Absatz 5 Satz 2 erhält folgende Fassung:
„Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten
nicht, wenn die zur Verweigerung des Zeugnisses Be-
rechtigten einer Teilnahme dringend verdächtig sind
oder der dringende Verdacht einer Begünstigung oder
Hehlerei besteht.“

Artikel 2
Inkraftreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 15. September 1999

Jörg van Essen
Rainer Funke
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Hans-Michael Goldmann,
Dr. Karlheinz Guttmacher

Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel

Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Guido Westerwelle
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Dr. Max Stadler
Dr. Wolfgang Gerhardt
und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1602

Begründung

A. Allgemeines
I.

1. Die durch die Verfassung (Artikel 5 Abs. 1 GG)
geschützte Freiheit der Berichterstattung von Presse,
Rundfunk und Film ist wie die Freiheit der Meinungs-
äußerung und die Informationsfreiheit ein wesent-
liches Element der freiheitlich-demokratischen Grund-
ordnung. Sie gewährleistet u. a. den insoweit tätigen
Personen und Unternehmen Freiheit von staatlichem
Zwang. Zur Freiheit der Berichterstattung gehört
außerdem der Schutz der Informationsbeschaffung
und der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit, grund-
sätzlich also auch der Schutz der Materialien, die das
Ergebnis eigener Beobachtungen und Ermittlungen
enthalten.

2. Die Freiheit der Presse und der Berichterstattung
durch Rundfunk und Film kann jedoch mit anderen
vom Grundgesetz geschützten Werten in Konflikt ge-
raten. Zu diesen Werten gehören die unabweisbaren
Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung, insbe-
sondere die Notwendigkeit der Gewährleistung einer
effektiven, an Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit
ausgerichteten Strafrechtspflege, die vom Bundesver-
fassungsgericht wiederholt als Element des Rechts-
staatsprinzips (Artikel 20 Abs. 3 GG) anerkannt worden
sind. Das Interesse an einer möglichst umfassenden
Wahrheitsermittlung im Strafverfahren, die zügige
und erfolgreiche Aufklärung von Straftaten und die
Grundsätze eines fairen Strafverfahrens sind ein
wesentlicher Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemein-
wesens. Der Erfüllung dieses Auftrages dient die
Strafprozessordnung, ein Gesetz im Sinne von Arti-
kel 5 Abs. 2 GG, durch das die Rechte der Presse-,
Rundfunk- und Filmfreiheit ihre Schranken finden.
Die in diesem Gesetz bestimmten Grundrechtsschran-
ken müssen ihrerseits wiederum im Lichte dieser
Grundrechtsverbürgungen gesehen werden. Daher be-
darf es zur Auflösung des Spannungsverhältnisses
zwischen den Rechten aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG
und den sich ebenfalls aus dem Grundgesetz ergeben-
den Bedürfnissen einer wirksamen Strafrechtspflege
sorgfältiger Abwägung, ob und inwieweit die Erfül-
lung der publizistischen Aufgaben einen Vorrang der
Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit erfordert oder
diese Rechte ihrerseits an den Interessen einer wirk-
samen Strafrechtspflege ihre Grenze zu finden haben.
Dies zu entscheiden ist in erster Linie Aufgabe des
Gesetzgebers (BVerfG 77, 75/76).

II.
Derzeit gilt das strafprozessuale Zeugnisverweigerungs-
recht für Presseangehörige und das entsprechende Be-
schlagnahmeverbot nur für von dritter Seite gemachte
Mitteilungen, grundsätzlich aber nicht für selbst erarbei-

tetes Material. In Bezug auf derartiges Material ist eine
Ergänzung der vom Gesetzgeber vorgenommenen
Abwägung möglich. Denn auch de lege lata kann sich,
wie das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 82 f.) klar-
gestellt hat, im Einzelfall ein Recht eines Presseangehö-
rigen ergeben, selbst erarbeitete Materialien nicht zu
offenbaren. Dies kann jedoch nicht unmittelbar aus der
StPO abgeleitet werden, sondern nur aus Artikel 5 Abs. 1
Satz 2 GG ggf. i. V. m. dem Verfassungsgrundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Gründe der Rechtsklarheit und der
Rechtssicherheit legen es daher nahe, dass der Gesetz-
geber auch in Bezug auf das von Presse-, Rundfunk- und
Filmangehörigen selbst erarbeitete Material einschließ-
lich der insoweit gemachten eigenen Wahrnehmungen
konkret bestimmt, in welchen Fällen dem Geheimhal-
tungsinteresse von Presse, Rundfunk und Film der Vor-
rang gegenüber den Erfordernissen einer funktionstüch-
tigen Strafrechtspflege gebührt.

III.
1. Die durch die geltende Fassung von § 53 Abs. 1 Nr. 5

StPO verwirklichte Lösung des Spannungsverhältnis-
ses zwischen den Grundrechten aus Artikel 5 Abs. 1
Satz 2 GG einerseits und den Belangen der Straf-
rechtspflege andererseits ist namentlich der Kritik
ausgesetzt, sie berge die Gefahr, dass die Arbeit von
Presse, Rundfunk und Fernsehen durch die Beschlag-
nahme von selbst erarbeitetem Material Beeinträchti-
gungen ausgesetzt sein wird, die im Hinblick auf die
grundlegende Bedeutung der Presse-, Rundfunk- und
Filmfreiheit nicht länger hinnehmbar seien. Hinzu
kommt, dass das Material, das sich im Gewahrsam der
durch Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Perso-
nen oder Institutionen befindet, häufig das Ergebnis
einer Gemengelage aus zugetragenen und damit schon
nach geltendem Recht ausdrücklich geschützten und
selbst erarbeiteten Informationen sein dürfte.
a) Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen und Be-

einträchtigungen künftig möglichst weitgehend zu
vermeiden, stellt der Entwurf das selbst erarbeitete
Material einschließlich der insoweit gemachten ei-
genen Wahrnehmungen im Rahmen des Zeugnis-
verweigerungsrechts dem von dritter Seite über-
mittelten Material grundsätzlich gleich. Denn zur
verfassungsrechtlich verbürgten Freiheit von Pres-
se und Rundfunk gehört nicht nur der Schutz des
Verhältnisses der Vertraulichkeit zwischen der
Presse und ihren Informanten; der Schutzbereich
des Artikels 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst auch den
Schutz der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit
(BVerfG a.a.O., S. 75).

b) Wie bereits dargelegt, kann jedoch die Presse- und
Rundfunkfreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG
nicht schrankenlos gewährleistet werden. Vielmehr
sind die Belange einer funktionstüchtigen Straf-
rechtspflege, die durch die Einräumung eines Zeug-

Drucksache 14/1602 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

nisverweigerungsrechtes und eines Beschlagnah-
meverbotes ganz erheblich berührt werden, in an-
gemessener Weise zu berücksichtigen. Das bedeu-
tet insbesondere, dass eine generelle Ausdehnung
des unbeschränkten Zeugnisverweigerungsrechtes
und Beschlagnahmeverbotes, wie es bezüglich des
von Informanten gelieferten Materials besteht, auf
selbst erarbeitetes Material mit der Verfassung nicht
vereinbar wäre (BVerfG a.a.O., S. 75, 76). Als Er-
gebnis der insoweit gebotenen Abwägung berück-
sichtigt der Entwurf deshalb, dass der Rundfunk-
und Pressefreiheit zwar in weiten Bereichen der
Kriminalität der Vorrang vor den Erfordernissen
der Strafrechtspflege gebührt, dass hiervon jedoch
bei selbst erarbeiteten Materialien einschließlich
der insoweit gemachten eigenen Wahrnehmungen
bestimmte, unvermeidbar nicht unerhebliche Aus-
nahmen gelten müssen. Es ist vorgesehen, dass
eine Berechtigung zur Zeugnisverweigerung nach
§ 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO und die damit verbundene
Beschlagnahmefreiheit nach § 97 Abs. 5 StPO
– unabhängig von der konkreten Straferwartung –
nicht bestehen sollten, wenn es um die Aufklärung
der im vorgeschlagenen § 53 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
bis 4 StPO aufgeführten Straftaten geht. Bei den
Katalogtaten nach den Nummern 1 bis 4 handelt es
sich um besonders schwerwiegende Verletzungen
von Individualrechtsgütern sowie um gemeinge-
fährliche und sozialschädliche Straftaten von be-
sonderem Gewicht. Bei solchen Straftaten ist der
Strafrechtspflege unabhängig von der konkreten
Straferwartung Vorrang vor dem Schutz der selbst
erarbeiteten Materialien einzuräumen..
Mit dieser Regelung wird die vom Bundesverfas-
sungsgericht geforderte gesetzgeberische Abwä-
gung zwischen der Pressefreiheit und der Freiheit
der Rundfunk- und Filmberichterstattung einerseits
und den Belangen einer funktionstüchtigen Straf-
rechtspflege andererseits zu Gunsten der Medien
– im Vergleich zum geltenden Recht – verbessert.

2. Außerdem gewährt der Entwurf Personen, die bei der
Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von
Filmberichten berufsmäßig mitwirken oder mitge-
wirkt haben, in gleicher Weise ein Zeugnisverweige-
rungsrecht wie den Presse- und Rundfunkmitarbei-
tern; Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der sich auch auf die
Berichterstattung durch den Film erstreckt, gebietet
die Gleichbehandlung. Im Hinblick auf neue Er-
scheinungsformen im Medienbereich werden entspre-
chende Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Be-
richterstattung dienenden und Informationsangebote
enthaltenden Informations- und Kommunikations-
diensten ebenfalls erfasst.

3. Die ebenfalls dringend notwendige Präzisierung
beziehungsweise Anpassung der Personen (Angehö-
rige + Berufsgeheimnisträger), denen ein Zeugnis-
verweigerungsrecht zusteht, bleibt einer generellen
Novellierung der §§ 52 ff. StPO vorbehalten.

4. Um eine Umgehung des Zeugnisverweigerungsrech-
tes zu verhindern, soll in einem neuen § 53 Abs. 3
StPO ein Beweiserhebungsverbot bezüglich der in an-

deren als strafgerichtlichen Verfahren gemachten
Aussagen über selbstrecherchiertes Material geschaf-
fen werden.

B. Einzelbegründung
Zu Artikel 1 Nr. 1
Der Kreis der nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO zur Zeugnis-
verweigerung Berechtigten wird auf die mit der Vorbe-
reitung, Herstellung oder Verbreitung von Filmberichten
und der journalistischen Buchpresse beschäftigten Per-
sonen ausgedehnt. Auch werden Vorbereitung, Herstel-
lung und Verbreitung von Informations- und Kommuni-
kationsdiensten erfasst. Gleichzeitig wird durch den
Hinweis auf die Notwendigkeit von Berichterstattung
usw. der Rahmen der Ausweitung des Zeugnisverweige-
rungsrechtes auf weitere Medien klargestellt, dies ist
namentlich im Hinblick auf die Einbeziehung einzelner
(nichtperiodischer) Druckwerke sowie der Informations-
und Kommunikationsdienste erforderlich.
Das Zeugnisverweigerungsrecht wird auf selbst erarbei-
tete Materialien (Notizen, Negative, Fotos etc.) erweitert.
Außerdem wird der Wortlaut der Vorschrift dahin klar-
gestellt, dass das Zeugnis über die Person des Verfassers,
Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen, Mate-
rialien und ihnen, den Zeugnisverweigerungsberechtig-
ten, im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilun-
gen sowie über den Inhalt dieser Beiträge, Materialien
oder Mitteilungen verweigert werden darf.
Eine ausdrückliche Erstreckung des Zeugnisverweige-
rungsrechtes auf die von Journalisten gemachten „eige-
nen Wahrnehmungen“ ist nicht erforderlich. Soweit sich
das Zeugnisverweigerungsrecht und das korrespondie-
rende Beschlagnahmeverbot auf den Inhalt selbst erar-
beiteter Materialien erstrecken, erfasst das Zeugnisver-
weigerungsrecht selbstverständlich auch die derartigen
Materialien zugrunde liegenden Wahrnehmungen des
Journalisten; dies bedarf nicht einer ausdrücklichen Er-
wähnung im Gesetz.

Zu Artikel 1 Nr. 2
Das Zeugnisverweigerungsrecht und die damit korres-
pondierende Beschlagnahmefreiheit bezüglich selbst
erarbeiteter Materialien und eigener Wahrnehmungen
entfallen, wenn Gegenstand der Untersuchung eine der
im vorgeschlagenen § 53 Abs. 2 Satz 2 StPO enthaltenen
Katalogstraftaten ist.

Zu Artikel 1 Nr. 3
Um eine Umgehung der nur für die Strafprozessordnung
vorgesehenen Erweiterung des Zeugnisverweigerungs-
rechtes auf selbst erarbeitete Materialien – die etwa
durch Beiziehung der Akten eines Zivilverfahrens, in
dem der Journalist über den Inhalt eigener Materialien
ausgesagt hat, denkbar wäre – zu verhindern, ist in dem
neu geschaffenen § 53 Abs. 3 StPO ein Beweiserhe-
bungsverbot über entsprechende, in anderen als strafge-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/1602

richtlichen Verfahren gemachte Aussagen verankert. Aus
diesem Beweiserhebungsverbot folgt – ohne dass dies
im Gesetz besonders zu erwähnen ist – ein umfassen-
des Verwertungsverbot, wie es im Zusammenhang mit
§ 252 StPO von der Rechtsprechung bereits im Hinblick
auf die Zeugnisverweigerungsrechte entwickelt worden
ist.

Zu Artikel 1 Nr. 4
Mit der Neufassung werden strengere Voraussetzungen
an das Vorliegen des Teilnahmeverdachtes des Zeugnis-
verweigerungsberechtigten gestellt. Wie bei den Voraus-
setzungen für die Anordnung einer Untersuchungshaft
gemäß § 112 StPO muss der Verdacht so sein, dass er als
dringend zu bezeichnen ist. Ein Teilnahmeverdacht
i. S. von § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO darf demnach nur
dann angenommen werden, wenn die Deliktsteilnahme
einer zeugnisverweigerungsberechtigten Person mit gro-
ßer Wahrscheinlichkeit vorliegt oder aber ein Tatver-

dacht der Begünstigung oder Hehlerei des zur Zeugnis-
verweigerung Berechtigten gegeben ist.
Damit wird klar umrissen, wann die Durchbrechung des
Beschlagnahmeverbotes gerechtfertigt ist. Zugleich wird
deutlich, dass die Pressefreiheit nur in krassen Ausnahme-
fällen Einschränkungen erfahren und hinter dem Erfor-
dernis der Strafrechtspflege zurücktreten muss. Um den
Kernbereich der Pressefreiheit nicht anzutasten, wird die
Beschlagnahmefreiheit von Schriftstücken, Tonträgern,
Datenträgern, Bildern und Filmen nicht weiter beschränkt.
Die Neufassung verhindert schließlich sowohl die
Umgehungsmöglichkeit mittels der strafverstrickten
Gegenstände als auch mittels der Begründung eines
Anfangsverdachtes der Teilnahme zu einer Durch-
suchung und Beschlagnahme zu gelangen.

Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

Drucksache 14/1602 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

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