BT-Drucksache 14/1560

Beschlußempfehlung zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen

Vom 9. September 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1560
14. Wahlperiode

09. 09. 99

Sachgebiet 111

Beschlußempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses

zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
eingegangenen Wahleinsprüchen

A. Problem
Gemäß Artikel 41 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes ist die Wahlprü-
fung Sache des Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) auf der Grundlage von Beschluß-
empfehlungen des Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche
zur Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom
27. September 1998 zu entscheiden.
Insgesamt sind 110 Zuschriften eingegangen. Drei der Einspruchs-
führer haben ihren Einspruch zurückgenommen, zwei weitere haben
erklärt, sie hätten keinen Wahleinspruch einlegen wollen. In zwei
weiteren Fällen wurden zwar Wahleinsprüche angekündigt, sie sind
jedoch innerhalb der Einspruchsfrist nicht beim Bundestag einge-
gangen. In einem Fall hat sich schließlich herausgestellt, daß der
Einspruchsführer unter Betreuung steht; sein Betreuer hat eine
Genehmigung für den Wahleinspruch nicht erteilt.
Über 102 Wahleinsprüche ist zu entscheiden.

B. Lösung
Zurückweisung der 102 Wahleinsprüche, davon
– 7 wegen Unzulässigkeit, weil sie erst nach Ablauf der Ein-

spruchsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 Wahlprüfungsgesetz beim Bun-
destag eingegangen sind (§ 6 Abs. 1a Nr. 1 WPrüfG),

– 2 wegen Unzulässigkeit (§ 6 Abs. 1a Nr. 2 WPrüfG),
– 1 wegen Unzulässigkeit (§ 6 Abs. 1a Nr. 1 und 2 WPrüfG),
– 1 wegen Unzulässigkeit (§ 6 Abs. 1a Nr. 1 und 3 WPrüfG),
– 1 wegen Unzulässigkeit (§ 6 Abs. 1a Nr. 2 und 3 WPrüfG),
die übrigen wegen offensichtlicher Unbegründetheit im Sinne des § 6
Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG.

Drucksache 14/1560 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Offensichtlich unbegründet sind Wahleinsprüche, die
a) einen Sachverhalt vortragen, der einen Fehler bei der Vorberei-

tung und Durchführung der Wahl nicht erkennen läßt,
b) die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen behaupten; im Rahmen

des Wahlprüfungsverfahrens im Deutschen Bundestag kann eine
derartige Prüfung nicht erfolgen (seit der 1. Wahlperiode ständige
Praxis des Deutschen Bundestages; diese Kontrolle blieb stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten),

c) mangels ausreichender Angabe von Tatsachen nicht erkennen
lassen, auf welchen Tatbestand der Einspruch gestützt wird
(BVerfGE 40, 11 [30]),

d) sich zwar auf nachprüfbare Mängel bei der Vorbereitung oder
Durchführung der Wahl stützen, wobei diese Mängel jedoch an-
gesichts des Stimmenverhältnisses keinen Einfluß auf die Man-
datsverteilung haben können (BVerfGE 4, 370 [372 f.]).

C. Alternativen
Keine hinsichtlich der Ergebnisse der Entscheidungen.
Der Wahlprüfungsausschuß ist jedoch allen behaupteten Wahlmän-
geln nachgegangen, auch wenn sie keinen Einfluß auf die Mandats-
verteilung im 14. Deutschen Bundestag hatten. Diese Art der Be-
handlung soll dafür Sorge tragen, daß sich festgestellte Wahlmängel
bei künftigen Wahlen soweit wie möglich nicht wiederholen.

D. Kosten
Keine

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1560

Beschlußempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. die Verfahren zu den Wahleinsprüchen 21/98, 33/98, 43/98,

50/98, 52/98, 68/98, 87/98 und 90/98 einzustellen,
2. die aus den Anlagen 1 bis 102 ersichtlichen Entscheidungen zu

treffen,
3. die Bundesregierung aufgrund der Erfahrungen in Wahlprü-

fungsangelegenheiten um Prüfung zu bitten, ob die Wahlrechts-
vorschriften dahin gehend zu ändern sind, daß
� das zur Verteilung der Sitze auf die Listenverbindungen und

Landeslisten angewandte Berechnungsverfahren nach Hare/
Niemeyer (§ 6 Abs. 2, § 7 Abs. 3 Bundeswahlgesetz) durch
das Verfahren nach Sainte-Lague/Schepers ersetzt wird,

� Stimmzettel in Wahllokalen ohne amtliche Wahlumschläge
abgegeben werden können,

� Bleistifte nicht mehr als Schreibstifte im Sinne des § 50
Abs. 2 Bundeswahlordnung zugelassen werden sollen,

� der Zugang für Behinderte zum Wahllokal sichergestellt wird,
� die Teilnahme von im Ausland lebenden Wahlberechtigten

an der Wahl durch Verlängerung der Fristen und verbesserte
Information erleichtert wird,

� die Wahlbenachrichtigung bei bestehendem Nachsendeauf-
trag des Empfängers bei der Deutschen Post AG nicht an die
Gemeindebehörde zurückgesandt, sondern dem Empfänger
nachgesandt wird (Änderung des Musters gemäß Anlage 3
Bundeswahlordnung),

� über die ausdrückliche Belehrung des Wahlberechtigten bei
der Anmeldung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 Bundeswahlord-
nung durch die Meldebehörde ein Nachweis zu führen ist.

Berlin, den 8. September 1999

Der Wahlprüfungsausschuß
Erika Simm Dr. Wolfgang Bötsch Anni Brandt-Elsweier Jörg van Essen
Vorsitzende Berichterstatter Berichterstatterin Berichterstatter
und Berichterstatterin (zu den Anlagen 3–15) (zu den Anlagen 16–24, 81–83) (zu den Anlagen 25–32, 84–87)
(zu den Anlagen 1 und 2)

Manfred Grund Hans-Joachim Hacker Steffi Lemke
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatterin
(zu den Anlagen 33–44, 88–90) (zu den Anlagen 45–54, 91, 92) (zu den Anlagen 55–62)

Dr. Peter Paziorek Hans-Christian Ströbele Dieter Wiefelspütz
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter
(zu den Anlagen 63–71, 93–96) (zu den Anlagen 97–99) (zu den Anlagen 72–80, 100–102)

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1560

Anlage 1

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 18/98 –
des Herrn Andreas Röhler

wohnhaft: Danziger Straße 219, 10407 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit einem vom 30. Oktober 1998 datierten Schreiben,

das per Fax erstmals am 5. Oktober 1998 und im un-
terschriebenen Original am 14. Oktober 1998 beim
Wahlprüfungsausschuß eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
In der Begründung seines Wahleinspruchs beanstan-
det der Einspruchsführer zwei Urteile des Landge-
richts Berlin gegen zwei Redakteure und Herausge-
ber. Der Einspruchsführer vertritt die Auffassung, die
Verurteilten seien „Opfer einer reinen Gesinnungsju-
stiz“ geworden. Als oppositionelle Publizisten sei
gegen sie eine „politische Polizei und Justiz“ einge-
setzt worden. Da infolge der Inhaftierung der beiden
Verurteilten die Herausgabe der „oppositionellen
und vergleichsweise auflagenstarken“ Berlin-Bran-
denburger Zeitung sowie weiterer Publikationen un-
terbunden worden sei, sei die Freiheit der Bundes-
tagswahl nicht gewährleistet gewesen. Das Vorgehen
von Polizei und Justiz sei zudem von einer Reihe
eklatanter Rechtsbrüche begleitet gewesen.
Der Einspruchsführer hat außerdem beantragt, die
von ihm beanstandeten Urteile des Landgerichts Ber-
lin zum Wahlprüfungsverfahren hinzuzuziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vortrags
wird auf den Akteninhalt verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat beschlossen, von ei-
ner Beiziehung der vom Einspruchsführer angegriffe-
nen Urteile des Landgerichts Berlin abzusehen. Er hat
nach Prüfung der Sach- und Rechtslage außerdem be-
schlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des Wahlprü-
fungsgesetzes (WPrüfG) von der Anberaumung einer
öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand zu
nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Einspruchsführer hat einen
Wahlfehler durch Verletzung von Vorschriften des
Wahlrechts nicht dargetan.
Das Wahlprüfungsverfahren setzt die Rüge von Mängeln
bei der Anwendung der für die Wahl geltenden wahl-
rechtlichen Regelungen voraus (BVerfGE 89, 243, 251).
Ein solcher Wahlfehler ist hier jedoch nicht vorgetragen,
da der Einspruchsführer seine Wahlanfechtung aus-
schließlich auf die Beanstandung der beschriebenen Ur-
teile des Landgerichts Berlin stützt. Wahlfehler können
von amtlichen Wahlorganen (vgl. § 8 des Bundeswahl-
gesetzes – BWG) begangen werden und auch von Drit-
ten, soweit sie unter Bindung an wahlgesetzliche Anfor-
derungen kraft Gesetzes Aufgaben bei der Organisation
einer Wahl erfüllen. Dies ist bei Entscheidungen der Ge-
richte jedoch nicht der Fall.
Die Gerichte sind weder Wahlorgane im Sinne des Bun-
deswahlgesetzes noch erfüllen sie sonst Aufgaben bei
der Organisation einer Wahl. Ihre Entscheidungen erge-
hen vielmehr in Ausübung der rechtsprechenden Gewalt,
die den Richtern in Artikel 20 Abs. 3 und Artikel 92 des
Grundgesetzes ausdrücklich anvertraut ist. Gemäß Arti-
kel 97 des Grundgesetzes sind die Richter unabhängig
und nur dem Gesetz unterworfen.
Entscheidungen der Gerichte unterliegen deswegen nicht
der Kontrolle durch den Deutschen Bundestag; dies gilt
auch für das Wahlprüfungsverfahren. Sie sind – abgese-
hen von der Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde –
nur mit den von der jeweiligen Prozeßordnung vorgese-
henen Rechtsmitteln anfechtbar; dies sind im Falle von
Strafurteilen die Berufung und die Revision unter den in
§§ 312ff. und 333ff. der Strafprozeßordnung genannten
Voraussetzungen.

Drucksache 14/1560 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Einer Beiziehung der vom Einspruchsführer angegriffe-
nen Urteile zum Wahlprüfungsverfahren bedarf es daher
nicht. Der Einspruch ist vielmehr gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/1560

Anlage 2

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 64/98 –
des Herrn Hans-Jürgen Goetz

wohnhaft: Gutshofstraße 28, 13465 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit einem vom 24. Oktober 1998 datierten Schreiben

hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am
27. September 1998 eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs führt er aus, daß
er – wie auch schon bei den Bundestagswahlen 1990
und 1994 – jeweils in dem Land Berlin und im Land
Mecklenburg-Vorpommern gewählt habe. Als Beweis
dafür hat der Einspruchsführer eine Kopie der beiden
Wahlbenachrichtigungen übersandt, die er je unter ei-
ner Anschrift in Berlin und in Mecklenburg-
Vorpommern erhalten hat. Durch seine Doppelwahl
widerspricht nach Auffassung des Einspruchsführers
die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag dem Grund-
gesetz und den §§ 4 und 14 des Bundeswahlgesetzes
(BWG).
Zu dem Wahleinspruch hat sowohl der zuständige
Kreiswahlleiter für den Wahlkreis 251 (Berlin-
Reinickendorf) als auch der Kreiswahlleiter für den
Wahlkreis 268 (Greifswald-Wolgast-Demmin) eine
Stellungnahme abgegeben.
Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 251 (Berlin-
Reinickendorf) gibt an, daß der Einspruchsführer am
17. Oktober 1989 von 0221 Waschow/Wolgast
(Mecklenburg-Vorpommern) mit Hauptwohnsitz
nach Berlin zugezogen und seitdem in Berlin mit
Hauptwohnung unter verschiedenen Adressen gemel-
det sei. Der Einspruchsführer sei vom 17. Oktober
1989 bis 30. November 1989 in der Pretzower Str. 3,
vom 1. Dezember 1989 bis 4. Dezember 1991 in der
Mehringerstr. 24 und seit dem 5. Dezmber 1991 in
der Gutshofstr. 28 in Berlin jeweils mit Hauptwohn-
sitz gemeldet gewesen. Er – der Einspruchsführer –
habe am 27. September 1998 im Wahlkreis Berlin-
Reinickendorf seine Stimme zur Bundestagswahl
1998 persönlich abgegeben.
Nach Angaben des Kreiswahlleiters für den Wahl-
kreis 268 (Greifswald-Wolgast-Demmin) ist der Ein-

spruchsführer am 14. April 1987 von Greifswald nach
Pulow, Ortsteil Waschow, Waldweg 4 zugezogen und
seit diesem Zeitpunkt mit Hauptwohnsitz in Pulow
gemeldet. Meldebehörde für die Gemeinde Pulow sei
das Amt Ziethen, welches dem Einspruchsführer am
20. November 1995 einen Personalausweis unter der
genannten Adresse in Waschow ausgestellt habe. Au-
ßerdem sei der Einspruchsführer nach den Meldeun-
terlagen des Amtes Ziethen seit dem 12. Dezember
1991 mit einer Nebenwohnung in Berlin, Gutshof-
str. 28, gemeldet. Der Kreiswahlleiter für den Wahl-
kreis 268 bestätigt, daß der Einspruchsführer in der
Gemeinde Pulow am 27. September 1998 persönlich
seine Stimme zur Wahl des 14. Deutschen Bundesta-
ges abgegeben habe.
Die Stellungnahmen der Kreiswahlleiter wurden dem
Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch trotz
festzustellender Wahlfehler offensichtlich unbegründet.
Ein Wahlfehler liegt darin begründet, daß der Ein-
spruchsführer in verschiedenen Wahlkreisen zweimal
seine Stimme zur Bundestagswahl 1998 abgegeben hat.
Wahlbenachrichtigungen werden aufgrund der Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis einer Gemeinde erteilt
(§ 19 Bundeswahlordnung – BWO). Die Eintragung in
das Wählerverzeichnis ist gemäß § 14 Abs. 1 BWG
grundsätzlich Voraussetzung für die Ausübung des
Wahlrechts. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 BWO sind alle
Wahlberechtigten von Amts wegen in das Wählerver-

Drucksache 14/1560 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

zeichnis einzutragen, die am 35. Tage vor der Wahl
(Stichtag) bei der Meldebehörde für eine Wohnung ge-
meldet sind. Bei mehreren Wohnungen ist die für die
Hauptwohnung zuständige Gemeinde für die Eintragung
in das Wählerverzeichnis zuständig (§ 17 Abs. 1 Nr. 1
BWO). Der Einspruchsführer war zum maßgeblichen
Stichtag sowohl unter der Anschrift 13465 Berlin, Guts-
hofstr. 28 als auch unter der Anschrift 17440 Pulow,
Ortsteil Waschow, Waldweg 4 mit Hauptwohnsitz ge-
meldet. Dies hatte zur Folge, daß er von den zuständigen
Meldebehörden in das jeweilige Wählerverzeichnis ein-
getragen worden ist und dementsprechend auch zwei
Wahlbenachrichtigungen erhalten hat. Auch dies be-
gründet einen Wahlfehler.
Das Melderegister ist die Grundlage für die Erstellung
des Wählerverzeichnisses. Das Melderechtsrahmenge-
setz (MRRG) regelt u.a. die Mitteilungspflichten zwi-
schen den Meldebehörden, wenn sich ein Einwohner bei
einer Meldebehörde angemeldet hat. Erfolgt die Daten-
übermittlung zwischen den Meldebehörden gemäß § 17
MRRG ordnungsgemäß, dürfte die Anmeldung eines
Einwohners unter zwei verschiedenen Anschriften mit
Hauptwohnsitz, wie in diesem Fall geschehen, nicht vor-
kommen. Dem Einspruchsführer war dieser melderecht-
liche Fehler bekannt. Er hat nach eigenem Vortrag be-
reits zum dritten Mal zwei Wahlbenachrichtigungen er-
halten. Anstatt diesen Fehler durch entsprechende Infor-
mation der Meldebehörden aufzuklären, hat er bei
den Bundestagswahlen 1990, 1994 und 1998 be-
wußt sein Wahlrecht zweimal durch persönliche Stimm-
abgabe ausgeübt. Hierdurch hat er gegen § 14 Abs. 4

BWG verstoßen, was zur Ungültigkeit beider Stimmen
führt.
Trotz der festgestellten Wahlfehler kann der Einspruch
wegen des Abstandes der von den einzelnen Parteien in
den Wahlkreisen 251 und 268 erzielten Stimmenergeb-
nisse keinen Erfolg haben. Die von dem Einspruchsfüh-
rer abgegebenen Stimmen wirken sich auf das Wahler-
gebnis in den genannten Wahlkreisen nicht in der Weise
aus, daß sie die Mandatsverteilung im Bundestag beein-
flußt haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes, der sich der Wahlprüfungs-
ausschuß stets angeschlossen hat, können nämlich nur
solche Wahlfehler erfolgreich einen Wahleinspruch be-
gründen, die auf die Mandatsverteilung von Einfluß sind
oder hätten sein können. Da diese Voraussetzung hier
nicht erfüllt ist, ist der Einspruch gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/1560

Anlage 3

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 16/98 –
des Herrn Volker Römer

wohnhaft: in Berlin, obdachlos
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1998 hat Herr Volker
Römer Einspruch gegen die Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 eingelegt.
Der Einspruchsführer, der sich selbst als „obdachlos
durch Korruption des Landeseinwohneramtes Berlin“
bezeichnet, begründet seinen Einspruch im wesentli-
chen damit, er sei als Obdachloser gezwungen, sich
widerrechtlich eine Postadresse zu beschaffen, um an
der Bundestagswahl teilnehmen zu können. Ein Ob-
dachloser müsse entweder eine Straftat begehen, um
in den Besitz einer „Briefkastenanschrift“ zu kommen
oder er werde bewußt von der Wahl mittels „Mani-
pulationen der Wählerlisten“ ausgeschlossen. Da die
meisten Obdachlosen bei den Sozialämtern registriert
seien, könne man verlangen, daß die Behörden dafür
Sorge tragen, daß dieser Personenkreis in die Wäh-
lerlisten aufgenommen werde. Der Einspruchsführer
äußert weiterhin die Ansicht, die Zahl der Obdachlo-
sen im gesamten Bundesgebiet sei groß genug, um
die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages zu
verändern.
In seiner Einspruchsschrift zählt der Einspruchsführer
außerdem die Versuche auf, die er persönlich unter-
nommen habe, um an der Bundestagswahl 1998 teil-
nehmen zu können. Dazu gehören Strafanträge und
Klagen wegen „Wahlbetrugs“ sowie Anträge auf Er-
teilung von Briefwahlunterlagen. Eine seiner Klagen
habe einen Antrag auf Briefwahl ohne „Wohnsitz“
und ohne gültige Personaldokumente beinhaltet, in
Verbindung mit dem Nachweis darüber, daß er am
28. August 1998 zur Briefwahl in das Wählerver-
zeichnis Wahlkreis 257; Wahlschein 14/5c/0121;
Wählerverzeichnis Nr. 738; Wahlbezirk 05534 ein-
getragen worden sei.
Der Einspruchführer bezieht sich in der Begründung
seines Einspruches auch auf einen Einspruch, den er

1990 in einer ähnlichen Angelegenheit bereits gegen
die damalige Bundestagswahl eingelegt hatte und
der vom Bundestag als offensichtlich unbegründet
zurückgewiesen worden ist. Dieser Vorgang beweist
nach Ansicht des Einspruchsführers, daß „das Par-
lament ... den durch die Einwohnermeldeämter
begangenen Wahlbetrug unter Verletzung von
Artikel 3 des Grundgesetzes mitgetragen“ habe. Er
beantragt deshalb, seinen Einspruch an das Bun-
desverfassungsgericht zur Feststellung der Verlet-
zung der Verfassung weiterzuleiten. Außerdem be-
antragt er die Durchführung von Nachwahlen, ins-
besondere an den Orten, wo konzentriert Obdach-
lose leben.
Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 257 (Berlin-
Neukölln) führt in seiner Stellungnahme zu diesem
Wahleinspruch aus, der Einspruchsführer habe mit
Schreiben vom 17. August 1998 einen Briefwahlan-
trag unter Angabe einer „Briefkastenanschrift“ beim
Verwaltungsgericht Berlin gestellt. Diesem Antrag
sei in Absprache mit dem Landeswahlleiter am
28. August 1998 entsprochen worden. Der Ein-
spruchsführer sei in das Wählerverzeichnis im
Stimmbezirk 14/257/05534 Nr. 781 eingetragen wor-
den. Der Wahlschein und die dazugehörigen Brief-
wahlunterlagen seien dem Einspruchsführer an die
von ihm gewünschte Anschrift zugestellt worden.
Ein dem Wahlprüfungsausschuß vorliegender EDV-
Ausdruck aus dem Wahlinformationssystem des
Bezirksamtes Berlin-Neukölln bestätigt diese Anga-
ben. Außerdem ist daraus ersichtlich, daß die Über-
sendung der Briefwahlunterlagen am 31. August
1998 erfolgte.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6
Abs. 1a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG)
von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Selbst wenn ein Wahlfehler vor-
läge, was nicht völlig ausgeschlossen werden kann,
würde er dem Einspruch mangels Einfluß auf die Sitz-
verteilung im Bundestag nicht zum Erfolg verhelfen.
Die vom Einspruchsführer behauptete Verfassungswid-
rigkeit des Wahlsystems wegen Verletzung des Grund-
satzes der Allgemeinheit der Wahl (Artikel 38 Abs. 1
Grundgesetz) liegt nicht vor, denn der Einspruchsführer
geht fehl in der Annahme, Wahlberechtigte ohne festen
Wohnsitz (Wohnungslose), müßten sich widerrechtlich
eine sog. Briefkastenanschrift zulegen, um an der Bun-
destagswahl teilnehmen zu können.
Auch deutsche Staatsbürger ohne festen Wohnsitz besit-
zen gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Bundeswahlgesetz (BWG)
das Wahlrecht, sofern sie sich seit mindestens drei Mo-
naten gewöhnlich in der Bundesrepublik Deutschland
aufhalten. Diese Personen können gemäß § 16 Abs. 2
Nr. 1 Buchstabe b Bundeswahlordnung (BWO) ihre
Eintragung in das Wählerverzeichnis beantragen. Der
Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis ist
gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 BWO bei der zuständigen
Gemeindebehörde zu stellen, in der der Wahlberechtigte
am Stichtag (35. Tag vor der Wahl) übernachtet hat. Die
Beantragung hat gemäß § 18 Abs. 1 BWO schriftlich bis
spätestens zum 21. Tag vor der Wahl zu erfolgen.
Der Einspruch ist auch insoweit offensichtlich unbe-
gründet, als der Einspruchsführer behauptet, Woh-
nungslose würden bewußt von der Wahl mittels „Mani-
pulationen der Wählerlisten“ ausgeschlossen. Dies ist
eine allgemeine Behauptung, die der Einspruchsführer
durch keine konkreten Fälle, außer seinem eigenen, be-
legt hat. Sein Verlangen, man müsse diesen Personen-
kreis aufgrund ihrer Registrierung bei den Sozialämtern
in die Wählerlisten aufnehmen, entspricht nicht der gel-
tenden Rechtslage. Es ist nicht Sache der Sozialämter, an
der Erstellung der Wählerverzeichnisse mitzuwirken. Da
auch für diesen Personenkreis die Möglichkeit der Aus-
übung ihres Wahlrechts – wie bereits erläutert – besteht,
kann von einem generellen Ausschluß wohnungsloser
Mitbürger von Bundestagswahlen nicht die Rede sein.
Ob im Falle des Einspruchsführers die Regeln des Bun-
deswahlrechts korrekt angewendet worden sind, war
nach dem Sachverhalt nicht eindeutig feststellbar, zumal
die Aufklärung dadurch erschwert worden ist, daß der
Einspruchsführer keine Adresse angegeben hat und auch
der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 257 dem Wahlprü-
fungsausschuß keine gültige Anschrift mitteilen konnte.
Der Einspruchsführer hat nach eigenen Angaben einen
„Antrag auf Briefwahlunterlagen“ am 12. August 1998
beim Landeswahlleiter Berlin gestellt. Aus der Stellung-
nahme des Kreiswahlleiters Berlin-Neukölln geht hervor,
daß der Einspruchsführer mit Schreiben vom 17. August
1998 einen Briefwahlantrag beim Verwaltungsgericht
Berlin gestellt hat. Trotz dieser widersprüchlichen Anga-
ben ist es jedoch unstreitig, daß der Einspruchsführer

einen Antrag zur Teilnahme an der Bundestagswahl
mittels Briefwahl unter Angabe einer sogenannten Brief-
kastenanschrift gestellt hat und daß dieser Antrag
schließlich auch bei der zuständigen Stelle, dem Wahl-
amt des Bezirkes Neukölln von Berlin, eingegangen ist.
Das sodann vom Bezirksamt Neukölln eingeschlagene
Verfahren ist nicht in jeder Hinsicht fehlerfrei. Es hat
dem Wunsch des Einspruchsführers entsprochen, indem
es ihm einen Wahlschein ausstellte und diesen zusam-
men mit den angeforderten Briefwahlunterlagen an die
angegebene Adresse sandte, obwohl es wußte oder hätte
wissen müssen, daß es sich hier um eine Scheinadresse
eines Wohnungslosen handelte. Dies ergibt sich – wie
aus der Stellungnahme ersichtlich – zum einen aus dem
Antrag des Einspruchsführers mit der ausdrücklichen
Bitte um Übersendung der Unterlagen an eine „Briefka-
stenanschrift“ und zum anderen aus der Kenntnis, daß
der Einspruchsführer seit dem 29. April 1996 über keine
melderechtliche Anschrift in Berlin verfügte. Eine Auf-
klärung des Einspruchsführers über die Möglichkeit der
Eintragung in das Wählerverzeichnis mittels Antrag
hätte seinen Irrtum, man müsse zur Ausübung seines
Wahlrechts über eine Anschrift verfügen, beseitigt und
der Rechtslage entsprochen.
Dennoch kann davon ausgegangen werden, daß der Ein-
spruchsführer die Briefwahlunterlagen auch tatsächlich
bekommen hat, weil er in seinem Einspruch im wesentli-
chen alle Angaben aus dem Wahlinformationssystem des
Bezirksamtes zutreffend wiedergibt. Selbst wenn also
durch das Vorgehen des Wahlamtes Fehler vorgekom-
men sein sollten, hatte der Einspruchsführer die Mög-
lichkeit, sein Wahlrecht durch Briefwahl auszuüben. Ob
er davon Gebrauch gemacht hat, ist für das Wahlprü-
fungsverfahren unerheblich. Eine Veränderung des
Wahlergebnisses durch das Verschulden der Wahlbehör-
de ist jedenfalls ausgeschlossen.
Soweit der Einspruchsführer schließlich Nachwahlen für
Obdachlose verlangt, kann dem nicht stattgegeben wer-
den, weil zum einen die Möglichkeit der Teilnahme von
wohnungslosen Wahlberechtigten durch die Wahlrechts-
vorschriften – wie bereits erläutert – gewährleistet ist.
Zum anderen hat der Einspruchsführer eine Verletzung
dieser Regelungen in einem Ausmaß, das sich auf die
Zusammensetzung des Bundestages auswirken würde,
nicht dargetan.
Der Wahlprüfungsausschuß sieht sich mangels hinrei-
chend bestimmtem Anfechtungsgegenstand an einer nä-
heren Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung findet
weder von Amts wegen statt noch erfolgt sie stets in Ge-
stalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr
erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung
nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung
muß mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substan-
tiierte Tatsachen enthalten (BVerfGE 40, 11, 30).
Auch dem Antrag des Einspruchsführers, seinen Ein-
spruch an das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung
der Verletzung der Verfassung weiterzuleiten, kann nicht
entsprochen werden. Gemäß Artikel 41 Abs. 1 Satz 1
Grundgesetz ist die Wahlprüfung Sache des Bundestages.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/1560

Allerdings ist er nicht befugt, Wahleinsprüche an das
Bundesverfassungsgericht weiterzuleiten. Gegen die Ent-
scheidung des Bundestages ist jedoch gemäß Artikel 41
Abs. 2 Grundgesetz die Beschwerde an das Bundesverfas-
sungsgericht zulässig. Die formellen Voraussetzungen für
die Beschwerde sind in § 48 Bundesverfassungsgerichts-
gesetz (BVerfGG) geregelt. Danach müssen der Be-
schwerde eines Wahlberechtigten, dessen Einspruch vom
Bundestag verworfen worden ist, mindestens einhundert
Wahlberechtigte beitreten (§ 48 Abs. 1 und 2 BVerfGG).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/1560

Anlage 4

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 17/98 –
des Herrn Olaf Reinkensmeier

wohnhaft: Wilhelmstraße 48, 10117 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1998, welches am

6. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 angefochten, weil
er keine Wahlbenachrichtigung erhalten hat.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Einspruchsführer zog Ende August von Bonn
nach Berlin um. Er meldete sich aus diesem Grund
am 28. August 1998 beim Einwohnermeldeamt Bonn
ab und am 1. September 1998 beim Landeseinwohne-
ramt Berlin an. Eine Wahlbenachrichtigung erhielt er
weder in Bonn noch in Berlin, obwohl er einen Nach-
sendeantrag bei der Post gestellt hatte. Da er der Mei-
nung war, man könne auch ohne Wahlbenachrichti-
gung im Wahllokal seine Stimme abgeben, suchte er
am Tag der Bundestagswahl das seiner Ansicht nach
für ihn zuständige Wahllokal in Berlin auf. Dort wur-
de ihm mitgeteilt, daß er nicht im Wählerverzeichnis
eingetragen sei. Der Leiter des Wahl-
lokals teilte dem Einspruchsführer nach Rücksprache
mit dem Landeswahlleiter mit, er könne seine Stimme
nicht in Berlin abgeben. Ein nach dem 23. August
1998 erfolgter Wohnsitzwechsel hätte in den Wahl-
unterlagen nicht mehr berücksichtigt werden können.
Der Einspruchsführer führt seine Nichteintragung in
das Wählerverzeichnis in Berlin auf Versäumnisse
oder Organisationsmängel der beteiligten Einwoh-
nermeldeämter zurück und hat deshalb seinen Ein-
spruch eingelegt.
Die Stadt Bonn hat in ihrer Stellungnahme zu dem
Vorgang ausgeführt, der Einspruchsführer sei in das
Wählerverzeichnis des Wahlbezirks 061 unter laufen-
der Nummer 1061 eingetragen worden, weil er an
dem für die Erstellung des Wählerverzeichnisses
maßgeblichen Stichtag (23. August 1998) noch mit
Hauptwohnsitz in Bonn gemeldet gewesen sei. Die
entsprechende Wahlbenachrichtigung sei ihm am
25. August 1998 per Info-Post an seine Adresse in
Bonn zugesandt worden. Die Deutsche Post AG habe

die Wahlbenachrichtigung mit dem Vermerk der
neuen Anschrift des Einspruchsführers in Berlin an
das Wahlamt Bonn zurückgesandt, weil Wahlbenach-
richtigungskarten entsprechend dem amtlichen Muster
in Anlage 3 zur Bundeswahlordnung (BWO) auch bei
bestehenden Nachsendeanträgen nicht nachzusenden
seien.
Dem Einspruchsführer sei bei seiner Abmeldung am
28. August 1998 in Bonn ein Merkblatt übergeben
worden, aus dem sich die bei Änderung des Wohnsit-
zes für die Ausübung des Wahlrechts maßgeblichen
Rechtsfolgen ergäben. Danach hätte der Einspruchs-
führer bis spätestens zum 6. September 1998 einen
Antrag auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis am
neuen Wohnort stellen müssen, was offensichtlich
nicht erfolgt sei, da die Stadt Bonn hierüber keine
Nachricht erhalten habe. Außerdem hätte sich der
Einspruchsführer während der öffentlichen Ausle-
gung der Wählerverzeichnisse in der Zeit vom 7. bis
11. September 1998 über seine Eintragung bzw.
Nichteintragung informieren können. Des weiteren
habe er die Möglichkeit gehabt, an der Bundestags-
wahl mittels Briefwahl teilzunehmen.
Nach der Stellungnahme des Landeseinwohneramtes
Berlin erfolgte die Belehrung gemäß § 16 Abs. 3
BWO ebenfalls unter Verwendung eines Merkblattes,
welches in der von dem Einspruchsführer am 1. Sep-
tember 1998 aufgesuchten Meldestelle an jedem Be-
dienungsplatz deutlich sichtbar ausgelegt gewesen
sei. Außerdem seien Besucher, die ihren Wohnungs-
status ändern wollten, speziell auf dieses Merkblatt
hingewiesen worden. Es könne jedoch nicht ganz
ausgeschlossen werden, daß – bedingt durch das hohe
Publikumsaufkommen – in einem Einzelfall der spe-
zielle Hinweis unterblieben sei.
Der Einspruchsführer hat zu der Stellungnahme der
Stadt Bonn folgendes vorgetragen: Er habe sich bis
zum Tage seines Auszuges aus der Wohnung in Bonn
am 28. August 1998 dort aufgehalten. Dementspre-
chend hätte ihn die Wahlbenachrichtigungskarte, die

Drucksache 14/1560 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

nach der Stellungnahme des Kreiswahlleiters der
Stadt Bonn am 25. August abgeschickt worden sei,
unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Postlauf-
zeit innerhalb einer Gemeinde in dieser Zeit erreichen
müssen. Sie sei ihm trotz eines entsprechenden An-
trages bei der Deutschen Post AG auch nicht nachge-
sendet worden. Ein Merkblatt über die Ausübung des
Wahlrechts bei Änderung des Wohnsitzes habe er
weder bei seiner Abmeldung in Bonn noch bei seiner
Anmeldung in Berlin erhalten.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Anhand des vorgetragenen Sachverhaltes konnte nicht
eindeutig geklärt werden, ob hier ein Wahlfehler began-
gen worden ist, weil im nachhinein nicht mehr fest-
gestellt werden kann, ob der Einspruchsführer bei der
seiner Anmeldung von der Meldebehörde in Berlin tat-
sächlich belehrt worden ist. Sollte diese Belehrung
unterblieben sein, läge ein Verstoß gegen § 16 Abs. 3
Satz 3 BWO und damit ein Wahlfehler vor. Selbst wenn
ein solcher Wahlfehler vorläge, würde dieser dem Wahl-
einspruch nicht zum Erfolg verhelfen, weil ein Einfluß
auf die Mandatsverteilung im Bundestag angesichts der
deutlichen Stimmenabstände zwischen den einzelnen
Wahlbewerbern und Parteien ausgeschlossen ist. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets ange-
schlossen hat, können nämlich nur solche Wahlfehler
einen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein
können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vorn-
herein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, [372]
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können.
Der Einspruchsführer wurde gemäß § 16 Abs. 1 BWO
von Amts wegen in das für ihn zuständige Wählerver-
zeichnis eingetragen, weil er am Stichtag 23. August
1998 (35. Tag vor der Wahl) unter seiner Anschrift in
Bonn mit Hauptwohnsitz gemeldet war. Verlegt ein
Wahlberechtigter, der von Amts wegen in das Wähler-
verzeichnis eingetragen worden ist, seine Wohnung und
meldet sich vor Beginn der Auslegungsfrist für das
Wählerverzeichnis, hier der 7. September 1998 (gemäß
§ 17 Abs. 1 Bundeswahlgesetz – BWG: 20. Tag vor der
Wahl), bei der Meldebehörde des Zuzugsortes an, so
wird er gemäß § 16 Abs. 3 BWO nur auf Antrag in das

Wählerverzeichnis der Zuzugsgemeinde eingetragen.
Der Einspruchsführer hat einen solchen Antrag auf Ein-
tragung in das Wählerverzeichnis der Zuzugsgemeinde
zu keiner Zeit gestellt.
Der Wahlberechtigte ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 BWO
über diese Möglichkeit der Eintragung in das Wählerver-
zeichnis auf Antrag bei der Anmeldung zu belehren. Die
Bundeswahlordnung regelt jedoch nicht, in welcher
Form die Belehrung zu erfolgen hat.
Nach den Stellungnahmen der beteiligten Meldebehör-
den in Bonn und Berlin wurden Personen bei der An-
und Abmeldung mit Hilfe eines Merkblattes für die Aus-
übung des Wahlrechts zum 14. Deutschen Bundestag am
27. September 1998 bei Änderung des Wohnortes be-
lehrt. Während die Bonner Meldebehörde, die im Falle
des Einspruchsführers wegen dessen Abmeldung keiner
Belehrungspflicht unterlag, diesem dennoch ein Merk-
blatt ausgehändigt haben will, erfolgte die Belehrung bei
der Berliner Meldebehörde lediglich durch die öffent-
liche Auslegung eines solchen Merkblattes an den Be-
dienungsschaltern. Personen, die ihren Wohnungsstatus
ändern wollten, seien speziell auf dieses Merkblatt hin-
gewiesen worden. Ein Nachweis über die möglicherwei-
se erfolgte Belehrung wurde bei beiden Behörden nicht
geführt.
Der Einspruchsführer behauptet dagegen, er sei weder
bei der Ab- noch bei der Anmeldung belehrt worden. Ob
diese Belehrung erfolgt ist, konnte deshalb nicht ab-
schließend geklärt werden.
Die Nichtzulassung des Einspruchsführers zur Stimmab-
gabe in dem von ihm aufgesuchten Wahllokal in Berlin
am Tage der Bundestagswahl war rechtmäßig, weil er
dort weder im Wählerverzeichnis eingetragen war noch
einen Wahlschein vorweisen konnte und deshalb die
formelle Wahlberechtigung gemäß § 14 Abs. 1 BWG
nicht erfüllte.
Ebenso entsprach die Nichtnachsendung der Wahlbe-
nachrichtigungskarte an die neue Anschrift des Ein-
spruchsführers trotz eines bestehenden Nachsendeauftra-
ges den geltenden Bestimmungen. Gemäß § 19 Abs. 1
BWO benachrichtigt die Gemeindebehörde die in das
Wählerverzeichnis eingetragenen Wahlberechtigten mit
dem Muster der Anlage 3 der BWO. Dieses Muster ent-
hält über dem vorgesehenen Feld für die Anschrift den
ausdrücklichen Hinweis „Wenn unzustellbar, zurück.
Wenn Empfänger verzogen, bitte mit neuer Anschrift zu-
rück.“ Der von der Stadt Bonn verwendete Vordruck
enthält in Anlehnung an das vorgegebene Muster über
dem Anschriftenfeld den Aufdruck: „Nicht nachsenden,
bitte mit neuer Anschrift zurück! Wenn unzustellbar, zu-
rück.“ Dementsprechend hat die Deutsche Post AG nach
der vorliegenden Kopie der Wahlbenachrichtigungskarte
an den Einspruchsführer diese mit der neuen Anschrift
an die Stadt Bonn zurückgesandt.
Dennoch kann man von einem Wahlberechtigten, der ein
Interesse an der Ausübung seines Wahlrechts hat, auch
ein gewisses Maß an Eigeninitiative verlangen. Im Falle
des Einspruchsführers hätte dieser Einsicht in das Wäh-
lerverzeichnis, welches gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BWG
und § 21 BWO öffentlich auszulegen ist, nehmen oder

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/1560

sich bei der zuständigen Behörde seines Zuzugsortes
nach den Ursachen des Ausbleibens der Wahlbenach-
richtigung erkundigen können. Er hätte dann noch durch
Beantragung eines Wahlscheins sein Wahlrecht durch
Briefwahl ausüben können.
Wer keine Wahlbenachrichtigung erhalten hat und den-
noch keine Einsicht in das Wählerverzeichnis genommen
hat, muß die aus einer eventuellen Nichteintragung in
das Wählerverzeichnis resultierende Folge, z.B. keine
Möglichkeit der Wahlteilnahme, tragen (vgl. W. Schrei-
ber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 6. Auflage,
§ 14, Randnummer 5, S. 284f.).
Dies ändert jedoch nichts daran, daß der Einspruchsfüh-
rer bei seiner Anmeldung über die Folgen für die Aus-
übung seines Wahlrechts hätte belehrt werden müssen.

Der Einspruch ist gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG als
offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/1560

Anlage 5

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 25/98 –
des Herrn Werner Tank

wohnhaft: Liebenwalder Str.10, 13347 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1998 hat der Ein-

spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer trägt zur Begründung seines
Einspruchs in umfangreichen Schriftsätzen im we-
sentlichen folgendes vor:
Weder er selbst noch seine beiden erwachsenen Kin-
der hätten eine „gesetzliche“ Wahlbenachrichtigung
an eine Anschrift in Berlin-Tempelhof, die er als sei-
nen „gesetzlichen Hauptwohnsitz“ bezeichnet, be-
kommen. Die melderechtlichen Anschriften der Kin-
der seien gefälscht worden. Sein Personalausweis sei
im April 1998 „abgelaufen“, der neu beantragte sei
ihm bis heute nicht zugestellt worden. Der Einspruch-
führer gibt an, seit April 1997 obdachlos zu sein. Er
habe beim zuständigen Bezirksamt Tempelhof von
Berlin einen „Wahlantrag auf Wahlteilnahme für Ob-
dachlose“ gestellt, dem offensichtlich nicht stattgege-
ben worden ist. Außerdem habe er Beschwerden we-
gen „urkundlichen Vergehens durch Abmeldeum-
stellungen“ an das Landeseinwohneramt, den Senator
für Inneres von Berlin, den Bundesminister des
Innern und den „Alt-Bundeskanzler“ Kohl gerichtet.
Der Einspruchsführer meint, er und seine Kinder
seien der Freiheit und der ihnen zustehenden Rechte
nach der Genfer Flüchtlingskonvention beraubt wor-
den. Seine Tochter Gabriele sei mit „Duldung durch
Unterlassen von Geschäftspersonen der Bundesrepu-
blik Deutschland aus der letzten Amtsperiode des
Bundestages und der deutschen Strafjustiz“ von sei-
ner „Ex-Frau“ in die Türkei entführt worden. Am
„menschlich verwerflichsten“ sei es jedoch, daß er
nach über zehn Jahren der Trennung von seiner Ehe-
frau immer noch als verheiratet gelte.
In zahlreichen der Einspruchsschrift folgenden
Schreiben an den Bundestag erhebt der Einspruchs-
führer weitere Vorwürfe gegen den „Staat“ allgemein

und die Tätigkeit von Beamten vieler Behörden, die
insgesamt seine Unzufriedenheit mit dem politischen
System und den Beamten, die in diesem System tätig
sind, ausdrücken. Es gehe ihm nicht um begründete
Wahlfehler, sondern um den „grundgesetzlichen Ge-
setzesbereich der Staatsverantwortungen auch von
den in den Bundestag gewählten Vertretern Deutsch-
lands“.
Der Einspruchsführer hat des weiteren beim Verwal-
tungsgericht (VG) Köln im Oktober 1998 den sinn-
gemäßen Antrag gestellt, das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz solle gegen den Bundestag wegen der
Bearbeitung seines Wahleinspruches tätig werden.
Der Antrag wurde am 13. November 1998 mit der
Begründung als unzulässig abgelehnt, daß der An-
tragsschrift nicht einmal ansatzweise das mit dem
Antrag verfolgte Begehren zu entnehmen sei.
In einem weiteren am 11. Januar 1999 an das VG
Köln gestellten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung gegen den Deutschen Bundestag forderte
der Einspruchsführer u. a. das Verbot des Umzuges
der Bundesregierung von Bonn in die Hauptstadt
Berlin. Dieser Antrag wurde vom VG Köln durch Be-
schluß vom 18. Januar 1999 als unzulässig abgelehnt,
weil weder ein Anordnungsgrund noch ein Anord-
nungsanspruch schlüssig dargelegt worden seien.
Außerdem hat der Einspruchsführer diverse Anträge
auf Kostenerstattung an den Deutschen Bundestag
gestellt. Am 24. Januar 1999 hat er beim Wahlprü-
fungsausschuß um die Überweisung eines Geldbetra-
ges für den Kauf eines kleinen Tisches und einer Pro-
pangasleuchte sowie des Betrages von 3,99 DM für
bereits verbrauchte Kerzen gebeten, da er überwie-
gend knieend und wegen Stromabschaltung seit dem
20. Januar 1999 bei Kerzenlicht arbeite.
In einem weiteren Schreiben des Einspruchsführers
vom 23. Januar 1999 an den Bundestag, den Bundes-
kanzler und die Bundesministerin der Justiz hat der
Einspruchsführer die „Freigabe und Abzweigung von
vier Milliarden Deutsche Mark auf ein separates

Drucksache 14/1560 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Konto“ gefordert. Dieser Betrag beinhalte die „Min-
destschätzsumme der Verschuldung", die durch
Wahlbetrug der „alten“ Bundesregierung entstanden
sei, die den Vollzug der Bundestagswahl ohne die ge-
setzliche Teilnahme des Einspruchsführers und seiner
Töchter zugelassen habe.
Der Einspruchsführer beantragt aufgrund der ge-
nannten Verstöße die Überprüfung der Bundestags-
wahl und die Durchführung von Neuwahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages des
Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten ver-
wiesen.
Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 256 (Berlin-
Tempelhof), der wegen des vom Einspruchsführer
angegebenen Hauptwohnsitzes in Berlin-Tempelhof
um Stellungnahme gebeten worden ist, hat zu dem
Einspruch erklärt, daß der Einspruchsführer seit dem
28. Februar 1998 unter einer Anschrift im Bezirk
Wedding von Berlin gemeldet sei und deshalb das
Wahlamt Tempelhof für die Zusendung einer Wahl-
benachrichtigung nicht zuständig gewesen sei. Im
übrigen verwies der Kreiswahlleiter in seiner Stel-
lungnahme zu dem Einspruch darauf, daß der Ein-
spruchsführer die Möglichkeit der Einsichtnahme in
das Wählerverzeichnis bei Ausbleiben der Wahlbe-
nachrichtigung gehabt habe.
Dem hält der Einspruchsführer entgegen, die vom
Kreiswahlleiter angegebene Adresse sei seine Ne-
benwohnung gewesen. Wegen „Strafrechts- und
Grundrechtsmißachtung durch den Bundesanwalt des
BGH“ verfüge er in Deutschland aber über keinen
Hauptwohnsitz mehr. Seine Hauptwohnung sei in Ge-
richtsverfahren vor dem BGH, dem EuGH und dem
IGH „als gestohlen gemeldet“.
Das Landeseinwohneramt von Berlin hat jedoch die
Angaben des Kreiswahlleiters bestätigt, wonach der
Einspruchsführer seit dem 28. Februar 1998 unter der
vom Kreiswahlleiter angegebenen Anschrift im Ber-
liner Bezirk Wedding mit Hauptwohnsitz gemeldet ist
und dementsprechend unter dieser Anschrift auch im
Wählerverzeichnis eingetragen gewesen sein müßte.
Der Einspruchsführer habe zunächst diese Anschrift
mit Wirkung vom 27. Februar 1998 als Nebenwoh-
nung angemeldet, weil er seine bisherige Wohnung in
Berlin-Tempelhof als Hauptwohnung habe beibehal-
ten wollen. Ermittlungen des Landeseinwohneramtes
hätten jedoch ergeben, daß der Einspruchsführer die
Wohnung in Berlin-Tempelhof nicht mehr bewohnt
habe und auch nicht mehr habe nutzen können. Nach-
dem er der Aufforderung des Landeseinwohneramtes,
sich in Tempelhof abzumelden, nicht nachgekommen
sei, sei das Meldeverhältnis für diese Wohnung von
Amts wegen mit Wirkung vom 27. Februar 1998 be-
endet worden. Die hiergegen gerichtete sog. „Be-
schwerde wegen Staatsrechtsverletzungen“ des Ein-
spruchsführers sei nicht als Widerspruch behandelt
worden, weil eine Berichtigung des Melderegisters
von Amts wegen kein Verwaltungsakt sondern eine
tatsächliche Verwaltungshandlung sei, gegen die kein
Widerspruch möglich sei. Der Einspruchsführer habe

die Post des Landeseinwohneramtes in dieser Ange-
legenheit mit dem Zusatz „Annahme verweigert“ zu-
rückgehen lassen.
Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 250 (Berlin-
Tiergarten-Wedding) hat zu dem Einspruch mitge-
teilt, daß der Einspruchsführer für die Bundestags-
wahl im Wählerverzeichnis des Wahlbezirks 047 des
Wahlkreises 250 unter der laufenden Nummer A 276
eingetragen gewesen und ihm die Wahlbenachrichti-
gungskarte auf dem ordentlichen Postweg fristgerecht
zugestellt worden sei. Er habe jedoch von seinem
Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht.
Da der Einspruchsführer die Annahme diverser
Schreiben des Wahlprüfungsausschusses seit März
1999 verweigert hat, konnte ihm die Stellungnahme
des Kreiswahlleiters nicht mehr bekanntgegeben wer-
den.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Ein Wahlfehler konnte anhand des
umfangreichen Vortrags des Einspruchsführers nicht
festgestellt werden.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Bundeswahlordnung (BWO)
sind alle Wahlberechtigten von Amts wegen in das
Wählerverzeichnis einzutragen, die am 35. Tag vor der
Wahl (Stichtag) bei der Meldebehörde für eine Wohnung
gemeldet sind. Der Einspruchsführer war am Stichtag,
nämlich am 23. August 1998, unter einer Anschrift in
Berlin-Wedding mit dem Status Hauptwohnung gemel-
det und deshalb in das dortige Wählerverzeichnis einge-
tragen. Die Wahlbenachrichtigung ist ihm ordnungsge-
mäß zugestellt worden, so daß die formellen und mate-
riellen Voraussetzungen für die Ausübung seines Wahl-
rechts gegeben waren.
Im übrigen besitzen auch deutsche Staatsbürger ohne
festen Wohnsitz gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Bundeswahl-
gesetz (BWG) das Wahlrecht, sofern sie sich seit minde-
stens drei Monaten gewöhnlich in der Bundesrepublik
Deutschland aufhalten. Diese Personen können gemäß
§ 16 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b BWO ihre Eintragung in
das Wählerverzeichnis beantragen.
Ein Wahlberechtigter, der – wie u. a. ein Wohnungs-
loser – nicht bei einer Meldebehörde gemeldet ist, muß
demnach selbst tätig werden, um sein Wahlrecht ausüben
zu können. Da diese Personen ohne festen Wohnsitz
über keine postalische Anschrift verfügen, kann ihnen
auch keine Wahlbenachrichtigungskarte zugestellt wer-
den. Da der Einspruchsführer nach den Ermittlungen des
Wahlprüfungsausschusses zum maßgeblichen Zeitpunkt

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/1560

jedoch nicht obdachlos war – wie er selbst behauptet –,
mußte er seine Eintragung in das Wählerverzeichnis
nicht beantragen, um sein Wahlrecht ausüben zu können.
Nach der Stellungnahme des Kreiswahlleiters des Wahl-
kreises 256 (Berlin-Tempelhof) hat der Einspruchsführer
dort keinen „Wahlantrag für Obdachlose“ gestellt, wie er
ebenfalls behauptet. Einem solchen Antrag wäre auch
nicht entsprochen worden, weil der Einspruchsführer be-
reits in einem Wählerverzeichnis von Amts wegen ein-
getragen war.
Soweit der Einspruchsführer die Tätigkeit von anderen
Behörden, z.B. des Landes Berlin und von Strafverfol-
gungsbehörden kritisiert, kann auch dieser Vortrag nicht
zum Erfolg des Einspruchs führen. Er hat lediglich in
allen Schreiben Tatsachen vorgetragen, die sein persön-
liches Schicksal betreffen, sich aber nicht auf die Verlet-
zung von Vorschriften des Wahlrechts beziehen. Das
Wahlprüfungsverfahren zielt aber darauf ab, festzustel-
len, ob im konkreten Fall ein Verstoß gegen Wahlrechts-
vorschriften vorliegt. Der Wahlprüfungsausschuß sieht
sich mangels hinreichend bestimmtem Anfechtungsge-
genstand an einer näheren Prüfung gehindert. Denn die
Wahlprüfung findet weder von Amts wegen statt, noch
erfolgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der ge-
samten Wahl. Vielmehr erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3

WPrüfG die Wahlprüfung nur auf Einspruch, der zu be-
gründen ist. Die Begründung muß mindestens den Tat-
bestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen
lassen und genügend substantiierte Tatsachen enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Die Auslagen des Einspruchsführers werden nicht er-
stattet, weil ein Wahlfehler nicht festgestellt wer-
den konnte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 19
WPrüfG.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 – Drucksache 14/1560

Anlage 6

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 36/98 –
des Herrn Klaus W. A. Gombert

wohnhaft: OT Bündigershof 02, 17291 Prenzlau
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 8. Oktober 1998 hat der Einspruchs-

führer die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am
27. September 1998 angefochten. Zur Begründung
führt er aus, das Wahlrecht sei ihm weder an seinem
ständigen Wohnsitz in Prenzlau noch am ordnungs-
gemäß mit Zweitwohnung gemeldeten Nebenwohn-
sitz in Berlin eingeräumt worden. Die mit brutaler
Gewalt vollzogene Besitzstörung der Wohnung im
eigenen Haus in Prenzlau könne allein schon wegen
§ 992 BGB nicht zum Verlust des ständigen Wohn-
sitzes im eigenen Haus führen.
Die Einspruchsschrift wurde vom Einspruchsführer
nicht unterschrieben. Sie trägt lediglich einen Na-
mensschriftzug, der offenbar mittels eines Computers
eingefügt wurde und den Vermerk: „Dieses Schreiben
ist computererstellt und bedarf keiner eigenhändigen
Unterschrift.“ Mit Schreiben vom 13. November
1998 hat die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschus-
ses den Einspruchsführer aufgefordert, ein eigen-
händig unterschriebenes Exemplar seines Wahlein-
spruchs vorzulegen. Hierauf hat er jedoch lediglich
mit einem weiteren computerunterschriebenen Tele-
fax reagiert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 2 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist unzulässig, weil er nicht dem Schrift-
formerfordernis des § 2 Abs. 3 WPrüfG entspricht. Zur
Schriftform gehört nämlich auch die eigenhändige Un-
terschrift des Einspruchsführers. Dieses Erfordernis
wird durch eine computererstellte Unterschrift nicht er-
füllt.

Der Wahlprüfungsausschuß hat in der vergangenen
Wahlperiode die Formgerechtigkeit einer per Telefax
übermittelten Einspruchsschrift anerkannt, falls deren
Original handschriftlich unterzeichnet wurde. Er hat sich
damit der Rechtsprechung angeschlossen, die es mittler-
weile beim Bestehen prozeßrechtlicher Schriftformerfor-
dernisse zuläßt, Klagen und Rechtsmittel auch per Tele-
fax einzulegen. Mit dieser Rechtsprechung hat der
Wahlprüfungsausschuß aber das Erfordernis einer eigen-
händigen Unterzeichnung des Originals stets betont
(s. Drucksache 13/2800 Anlage 16).
An dieser Auffassung hält der Wahlprüfungsausschuß
auch weiterhin fest. Es besteht nämlich keine Gewähr
dafür, daß der Absender eines Schreibens mit einer com-
putererstellten oder eingescannten Unterschrift diese
auch tatsächlich selbst eingefügt hat. Dies könnte genau-
so durch andere Nutzer, die einen entsprechenden Zu-
gang zu dem Gerät haben, geschehen sein. Darüber hin-
aus bedarf es – anders als beim Versand von einem her-
kömmlichen Telefaxgerät – beim Computerfax keines
körperlichen Originalschriftstücks. Es ist keine Kopier-
vorlage vorhanden, die der Absender unterschreiben
könnte. Der Text erhält erstmalig beim Ausdruck durch
das Telefaxgerät des Empfängers seine körperliche Ge-
stalt. Würde auch eine solche Einspruchseinlegung zu-
gelassen, wäre das Schriftformerfordernis des § 2 Abs. 3
WPrüfG de facto aufgegeben.
Es existiert bislang auch keine einheitliche Rechtspre-
chung zu der Frage, ob eine computererstellte bzw. ein-
gescannte Unterschrift zur Wahrung prozeßrechtlicher
Schriftformerfordernisse ausreichend ist. Der Bundesge-
richtshof hat vielmehr die Schriftform durch ein Com-
puterfax als nicht gewahrt angesehen und die Rechts-
frage wegen einer abweichenden Auffassung des Bun-
dessozialgerichts dem Gemeinsamen Senat der obersten
Gerichtshöfe des Bundes vorgelegt. (BGH NJW 1998,
S. 3649). Eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats
liegt noch nicht vor.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 2
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Drucksache 14/1560 – 22 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23 – Drucksache 14/1560

Anlage 7

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 39/98 –
des Herrn Peter Mahnhardt

wohnhaft: Steintal 23a, 25997 Hörnum/Sylt
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998 an die Ge-

meinde Hörnum (Sylt) hat der Einspruchsführer die
Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag angefochten.
Der Einspruch wurde an den Bundestag weitergeleitet
und ist hier am 16. Oktober 1998 eingegangen.
Der Einspruchsführer trägt zur Begründung seines
Einspruchs vor, er habe sein Wahlrecht nicht ausüben
können, weil er in Hörnum (Sylt) nicht „mit erstem
Wohnsitz geführt“ werde und deshalb nicht in das
dortige Wählerverzeichnis eingetragen gewesen sei.
Obwohl er am Wahltag seinen Personalausweis, der
vom Amt Landschaft Sylt ausgestellt worden sei,
vorgelegt habe, sei ihm die Stimmabgabe verwehrt
worden. Der Einspruchsführer erklärt in seiner Ein-
spruchsschrift „an Eides statt“, er sei in der Bundes-
republik Deutschland an keinem anderen Ort polizei-
lich gemeldet. Sein einziger Wohnsitz sei seit dem
1. Januar 1971 die Anschrift Steintal 23 a in Hörnum
(Sylt). Als Beweis legt er eine Kopie seines bis zum
2. Juni 1998 gültigen Personalausweises mit der von
ihm angegebenen Anschrift vor.
Nach Auskunft des Amtes Landschaft Sylt ist der
Einspruchsführer im Melderegister des die Gemeinde
Hörnum (Sylt) verwaltenden Amtes Landschaft Sylt
nur mit Nebenwohnsitz gemeldet. Der Hauptwohnsitz
des Einspruchsführers sei Hamburg, Osdorfer Land-
straße 267. Der bereits ungültige Personalausweis sei
seinerzeit irrtümlich vom Amt Landschaft Sylt ausge-
stellt worden, da zu diesem Zeitpunkt der Wohnsitz
des Einspruchsführers in Hamburg nicht bekannt ge-
wesen sei. Die Meldeverhältnisse seien aber bereits
1992 richtiggestellt worden.
Eine dem Wahlprüfungsausschuß vorliegende Regi-
sterauskunft der Meldebehörde Hamburg vom 15. Ja-
nuar 1992 bestätigt die Registrierung des Einspruchs-
führers unter der Hamburger Anschrift seit dem
22. Januar 1987 mit Hauptwohnung, während die
Gemeinde Hörnum (Sylt) lediglich als Nebenwohn-
sitz eingetragen ist. Eine weiterhin vorliegende Mel-
debescheinigung des Amtes Landschaft Sylt vom

9. Oktober 1998 bestätigt ebenfalls die Registrierung
des Einspruchsführers unter der Anschrift Steintal 23
in Hörnum (Sylt) als Nebenwohnung seit dem 1. Fe-
bruar 1972.
Die melderechtlichen Daten der Meldebehörden von
Hamburg und dem Amt Landschaft Sylt wurden dem
Einspruchsführer mit der Bitte um Äußerung sowohl
an die Anschrift seiner Hauptwohnung als auch an die
Anschrift seiner Nebenwohnung zur Kenntnis über-
sandt. Der Brief an die Anschrift der Hamburger
Hauptwohnung wurde von der Deutschen Post AG
mit dem Vermerk „Empfänger verzogen. Nachsen-
dungsantrag liegt nicht vor.“ zurückgesandt. Eine
Stellungnahme ist nicht erfolgt.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil der Vortrag des Einspruchs-
führers einen Wahlfehler nicht erkennen läßt. Die Nicht-
eintragung des Einspruchsführers in das Wählerver-
zeichnis der Gemeinde Hörnum (Sylt) entspricht den
einschlägigen wahlrechtlichen Regelungen.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Bundeswahlordnung (BWO)
sind alle Wahlberechtigten von Amts wegen in das
Wählerverzeichnis einzutragen, die am 35. Tag vor der
Wahl (Stichtag) bei der Meldebehörde für eine Wohnung
gemeldet sind. Bei mehreren Wohnungen ist die für die
Hauptwohnung zuständige Gemeinde nach § 17 Abs. 1
Nr. 1 BWO für die Eintragung zuständig. Der Ein-
spruchsführer war am Stichtag, nämlich am 23. August
1998, unter der Anschrift Steintal 23 in 25997 Hörnum
(Sylt) nur mit dem Status Nebenwohnung gemeldet und
deshalb nicht in das dortige Wählerverzeichnis einzutra-

Drucksache 14/1560 – 24 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gen. Der Umstand, daß diese Adresse auf dem Personal-
ausweis des Einspruchsführers vermerkt ist, ist für die
Eintragung in das Wählerverzeichnis unerheblich. Ent-
scheidend sind nach der Bundeswahlordnung allein die
Daten aus dem Melderegister der Gemeinden. Im vorlie-
genden Fall kann darüber hinaus der Personalausweis
des Einspruchsführers auch deshalb keine Rolle spielen,
weil er zum maßgeblichen Stichtag für die Eintragung in
das Wählerverzeichnis nicht mehr gültig war.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25 – Drucksache 14/1560

Anlage 8

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 45/98 –
des Herrn Klaus-Dieter Regitz c/o Annett Regitz

wohnhaft: Olvenstedter Straße 15, 39104 Magdeburg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1998, welches am

12. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt. Er rügt in seinem Ein-
spruch insbesondere das Verfahren, wonach Wahlbe-
rechtigte ohne festen Wohnsitz (sog. Wohnungslose
oder Nichtseßhafte) nur mittels eines Antrages unter
Einhaltung bestimmter Form- und Fristerfordernisse
in das Wählerverzeichnis aufgenommen werden
(§§ 16 bis 18 Bundeswahlordnung – BWO).
Er selbst sei längere Zeit erwerbslos, habe mittels
Räumungsklage seine Wohnung verloren, erhalte
keine Sozialhilfe und lebe zur Zeit besuchsweise bei
seiner Tochter. Dort habe er zufällig Kenntnis von
einem Informationsblatt des Wahlamtes Magdeburg
„An alle Wahlberechtigten“ erhalten, welches ihn zu
der Nachfrage veranlaßt habe, ob er im Wählerver-
zeichnis eingetragen sei. Er habe die Auskunft erhal-
ten, daß er „wegen Versäumnis unbekannt gebliebe-
ner Fristen von der Wahlteilnahme ausgeschlossen
sei“.
Nach einigen Bemühungen habe er – der Einspruchs-
führer – schließlich am 26. September 1998 einen
Wahlschein erhalten, jedoch nur aufgrund einer Er-
messensentscheidung des Kreiswahlamtes. Diese Er-
fahrung sei für ihn zutiefst verletzend gewesen und
habe seine Zweifel an der Wirksamkeit des Rechts-
staates bestärkt.
Trotz dieser letztlich für ihn positiven Entscheidung
wendet sich der Einspruchsführer dagegen, daß ein
Wohnungsloser nur auf eigene Initiative in das Wäh-
lerverzeichnis aufgenommen werde. Nach der gelten-
den Rechtslage werde von diesem Personenkreis die
Kenntnis des hierzu notwendigen Verfahrens ver-
langt. Der Einspruchsführer bezieht sich insbesondere
auf die Möglichkeit, bei unverschuldetem Versäumen
der Antragsfrist (§ 18 Abs. 1 BWO) gemäß § 25

Abs. 2 Nr. 1 BWO noch einen Wahlschein zu erhal-
ten. Nach Ansicht des Einspruchsführers wird durch
diese Regelung die Entscheidung über die Erteilung
von Wahlscheinen bei unverschuldeter Fristversäum-
nis dem Ermessen der Wahlbehörden überlassen. Das
Wahlamt Magdeburg übe nach seiner Erfahrung die-
ses Ermessen in einem sehr engen Rahmen aus. Diese
durch die Bundeswahlordnung ermöglichte Vorge-
hensweise widerspricht nach der Auffassung des Ein-
spruchsführers dem Grundsatz der Allgemeinheit der
Wahl. Sie führe dazu, daß „bedürftige Wählergruppen
aus verständlicher Unkenntnis der Formalien und Fri-
sten in ihrem aktiven Wahlrecht ... beeinträchtigt“
würden.
Der Einspruchsführer behauptet außerdem, daß Wahl-
verfälschungen durch den Mißbrauch ungenutzter
Wahlbenachrichtigungen ermöglicht würden. Diese
Behauptung führt er darauf zurück, daß das Wahlamt
Magdeburg bei der Stimmabgabe „in Auslegung des
§ 56 Abs. 3 BWO keine Personenidentitätskontrol-
len“ durchführe.
Des weiteren wendet sich der Einspruchsführer gegen
die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts (VG) Mag-
deburg vom 23. September 1998 und des Bundesver-
fassungsgerichts (BVerfG) vom 25. September 1998.
Das VG Magdeburg hatte den Antrag des Einspruchs-
führers, im Wege einer einstweiligen Anordnung in
das Wählerverzeichnis für die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag eingetragen zu werden, verworfen,
weil hierfür nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet
sei (B 9 K 735/98).
Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat
das BVerfG mit der Begründung nicht zur Entschei-
dung angenommen, daß Maßnahmen, die sich un-
mittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit
den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbe-
helfen angefochten werden können (2 BvR 1667/98).
Schließlich stellt der Einspruchsführer folgende An-
träge: Erstens soll festgestellt werden, daß ein wohn-
sitzloser, bei der jeweiligen Gemeinde mit gewöhnli-

Drucksache 14/1560 – 26 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

chem Aufenthaltsort gemeldeter Wahlberechtigter als
Antragsteller gemäß § 18 Abs. 1 BWO zu behandeln
und in das Wählerverzeichnis ohne Zuordnung zu
einem bestimmten Wahlbezirk aufzunehmen sei.
Zweitens begehrt der Einspruchsführer die Feststel-
lung, daß in seinem konkreten Fall der Verwaltungs-
rechtsweg für die Eintragung in das Wählerverzeich-
nis eröffnet gewesen sei und daß das Wahlamt Mag-
deburg in seinem und ähnlichen Fällen die Vorschrift
des § 25 Abs. 2 Nr. 1 BWO ohne Ermessen hätte an-
wenden müssen, um eine breite Wahlbeteiligung zu
sichern.
Drittens bittet der Einspruchsführer um Erstattung
seiner „vermeidbar verursachten Verfahrenskosten“
von der Landeshauptstadt Magdeburg bzw. der Lan-
deskasse Sachsen/Anhalt.
Das Wahlamt Magdeburg hat dem Einspruchsführer
anläßlich seines Antrages auf Eintragung in das
Wählerverzeichnis mit Schreiben vom 22. September
1998 die in Frage kommenden Vorschriften der BWO
(§§ 16 bis 18, 25) erläutert und ihm mitgeteilt, daß
das Sozialamt vom Wahlamt ersucht worden sei,
wohnsitzlose Personen durch entsprechende Aushän-
ge auf die Möglichkeit der Eintragung in das Wähler-
verzeichnis auf Antrag hinzuweisen. Da der Ein-
spruchsführer am 14. April 1998 seine Wohnung ab-
gemeldet habe, komme eine Eintragung in das Wäh-
lerverzeichnis wegen dessen Berichtigung gemäß
§ 23 Abs. 2 BWO nicht mehr in Betracht. Deshalb
bliebe nur die Möglichkeit der Ausstellung eines
Wahlscheins gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 1 BWO, sofern
er die Voraussetzungen dafür nachweise. Der Ein-
spruchsführer wurde darauf hingewiesen, daß die
Wahlbehörden im Interesse der Gleichbehandlung
aller Wahlberechtigeten angehalten seien, in solchen
Fällen einen strengen Maßstab anzulegen.
Der Einspruchsführer wurde von dem Sekretariat des
Wahlprüfungsausschusses gebeten, die Kosten zu be-
nennen, deren Erstattung er von der Stadt Magdeburg
bzw. dem Land Sachsen/Anhalt begehrt. Er ist dieser
Bitte jedoch nicht nachgekommen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Ein Wahlfehler konnte anhand des
vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden.
Auch deutsche Staatsbürger ohne festen Wohnsitz besit-
zen gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Bundeswahlgesetz (BWG)
das Wahlrecht, sofern sie sich seit mindestens drei Mo-
naten gewöhnlich in der Bundesrepublik Deutschland

aufhalten. Diese Personen können gemäß § 16 Abs. 2 Nr.
1 Buchstabe b BWO ihre Eintragung in das Wählerver-
zeichnis beantragen. Der Antrag auf Eintragung in das
Wählerverzeichnis ist gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 BWO bei
der zuständigen Gemeindebehörde zu stellen, in der der
Wahlberechtigte am Stichtag (35. Tag vor der Wahl)
übernachtet hat. Die Beantragung hat gemäß § 18 Abs. 1
BWO schriftlich bis spätestens zum 21. Tag vor der
Wahl zu erfolgen. Ein Wahlberechtigter, der nicht in das
Wählerverzeichnis eingetragen ist, erhält gemäß § 25
Abs. 2 Nr. 1 BWO auf Antrag einen Wahlschein, wenn
er nachweist, daß er ohne Verschulden die Antragsfrist
versäumt hat. Diese Voraussetzung ist z. B. bei nach-
weislich schwerer Krankheit und längerer Abwesenheit
erfüllt (vgl. Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlge-
setz, 6. Auflage, § 17 Randnummer 7).
Ein Wahlberechtigter, der – wie u. a. ein Wohnungs-
loser – nicht bei einer Meldebehörde gemeldet ist, muß
demnach selbst tätig werden, um sein Wahlrecht ausüben
zu können. Er muß sich, wie der Einspruchsführer richtig
ausführt, hierzu über die geltende Rechtslage informie-
ren. Da ein Wohnsitzloser nicht über eine postalische
Anschrift verfügt, ist eine schriftliche Information dieses
Personenkreises ausgeschlossen. Das Wahlamt Magde-
burg hat deshalb das Sozialamt ersucht, durch entspre-
chende Aushänge wohnsitzlose Personen auf die Mög-
lichkeit der Eintragung in das Wählerverzeichnis auf
Antrag hinzuweisen. Im übrigen kann von mündigen
Staatsbürgern verlangt werden, daß sie sich über die
Voraussetzungen der Ausübung ihrer staatsbürgerlichen
Rechte informieren.
Die Ausstellung eines Wahlscheines auf Antrag gemäß
§ 25 Abs. 2 Nr. 1 BWO liegt nicht, wie vom Einspruchs-
führer behauptet, im Ermessen der Behörden. Es handelt
sich nicht um eine „Kann-Vorschrift“, sondern es muß
eine konkrete Voraussetzung für die Ausstellung des
Wahlscheins erfüllt sein. Der Wahlberechtigte muß
nachweisen, daß er unverschuldet die Antragsfrist nach
§ 18 Abs. 1 BWO versäumt hat. Im Interesse der Gleich-
behandlung aller Wahlberechtigten und der Rechtssi-
cherheit wird das unverschuldete Fristversäumnis nur in
einem engen Rahmen anerkannt, insbesondere bei länge-
rer Krankheit oder Abwesenheit. Das Wahlamt Magde-
burg hat sich korrekt und gegenüber dem Einspruchsfüh-
rer kulant verhalten, indem es zu seinen Gunsten ent-
schieden hat und diesem nach versäumter Antragsfrist
noch einen Wahlschein ausgestellt hat. Der Antrag des
Einspruchsführers, die Vorschrift des § 25 Abs. 2 Nr. 1
zukünftig ohne Ermessen anzuwenden ist, entbehrt somit
jeglicher Grundlage.
Dies gilt auch für den Antrag des Einspruchsführers be-
züglich der Auslegung des § 18 BWO. Jeder Wahlbe-
rechtigte einschließlich der wohnsitzlosen Personen, der
einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis
stellt, ist an das in § 18 BWO festgelegte Verfahren ge-
bunden, welches Form- und Fristerfordernisse sowie Zu-
ständigkeiten regelt. Eine Aufnahme in das Wählerver-
zeichnis ohne Zuordnung zu einem bestimmten Wahlbe-
zirk, wie vom Einspruchsführer verlangt, ist nicht mög-
lich, weil ein Wählerverzeichnis gemäß § 14 Abs. 1
BWO gerade für jeweils einen Wahlbezirk geführt wird.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 27 – Drucksache 14/1560

Verfügt der Wahlberechtigte jedoch, wie im vorliegen-
den Fall, über einen Wahlschein, kann er gemäß § 14
Abs. 3 Buchstabe a BWG seine Stimme in jedem belie-
bigen Wahlbezirk des Wahlkreises, in dem der Wahl-
schein ausgestellt worden ist, abgeben.
Der durch Artikel 38 Abs. 1 Grundgesetz garantierte
Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, der besagt, daß
grundsätzlich allen deutschen Staatsbürgern das aktive
Wahlrecht zusteht und niemandem unberechtigt sein
Wahlrecht entzogen werden darf, wird durch die ge-
nannten Regelungen der BWO (insbesondere §§ 18 und
25) nicht verletzt. Durch die für wohnsitzlose Personen
geltenden Regelungen der BWO wird diesen nicht ihr
Wahlrecht entzogen, sondern es wird ihnen die Aus-
übung ihres Wahlrechts ermöglicht. Dem steht nicht ent-
gegen, daß bestimmte Personengruppen, z.B. auch im
Ausland lebende Deutsche, hierfür selbst aktiv werden
müssen. Im übrigen sieht sich der Wahlprüfungs-
ausschuß nicht berufen, die Verfassungswidrigkeit von
Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Er hat diese Kon-
trolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Die Behauptung des Einspruchsführers, Wahlfälschun-
gen würden durch den Mißbrauch ungenutzter Wahlbe-
nachrichtigungen ermöglicht, weil das Wahlamt Magde-
burg bei Vorlage der Wahlbenachrichtigung nicht zu-
sätzlich den Personalausweis verlangt habe, führt eben-
falls nicht zum Erfolg des Einspruchs. Der Wahlprü-
fungsausschuß hat keine Veranlassung, diesem Aspekt
weiter nachzugehen, weil der Einspruchsführer konkrete
Fälle hierzu nicht benannt hat. Denn die Wahlprüfung
findet weder von Amts wegen statt (Offizialprinzip),
noch erfolgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der
gesamten Wahl (Totalitätsprinzip). Sie erfolgt vielmehr
nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung
muß mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substan-
tiierte Tatsachen enthalten. Ihr Umfang richtet sich also
nach dem Einspruch, durch den der Einspruchsführer
den Anfechtungsgegenstand bestimmt. Der Prüfungsge-
genstand ist nach dem erklärten, verständig zu würdi-
genden Willen des Einspruchsführers unter Berücksich-
tigung des gesamten Einspruchsvorbringens sinngemäß
abzugrenzen. Aus der Begründungspflicht folgt, daß die-
se Abgrenzung auch danach vorzunehmen ist, wieweit
der Einspruchsführer seinen Einspruch substantiiert hat.
Nur im Rahmen des so bestimmten Anfechtungsgegen-
standes haben die Wahlprüfungsorgane dann den Tatbe-
stand, auf den die Anfechtung gestützt wird, von Amts
wegen zu erforschen und alle auftauchenden rechtser-
heblichen Tatsachen zu berücksichtigen. (BVerfGE 40,
11 [30]).
Im übrigen bestimmt § 56 Abs. 3 BWO, daß ein Wähler
sich bei der Stimmabgabe lediglich "auf Verlangen" über
seine Person auszuweisen hat, insbesondere dann, wenn
er seine Wahlbenachrichtigung nicht vorlegt oder aus
sonstigen Gründen Zweifel an seiner Identität bestehen.
Nach geltendem Recht ist deshalb die Stimmabgabe im
Wahllokal ohne Vorlage von Ausweispapieren möglich
und auch durchaus üblich.

Der Einspruch kann auch insoweit keinen Erfolg haben,
als der Einspruchsführer entgegen der Beschlüsse des
VG Magdeburg und des BVerfG die Feststellung der Zu-
ständigkeit des Verwaltungsrechtsweges für die Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis und die Zulässigkeit der
Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des VG be-
gehrt. Gemäß § 49 BWG können Entscheidungen und
Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren
beziehen, nur mit den im BWG und der BWO vorgese-
henen Rechtsbehelfen sowie im Wahlprüfungsverfahren
angefochten werden. Der Verwaltungsrechtsweg ist in
diesen Fällen ausgeschlossen. Die im Falle des Ein-
spruchsführers getroffenen Gerichtsentscheidungen kön-
nen somit nicht im Wahlprüfungsverfahren überprüft
werden.
Die Gerichte sind weder Wahlorgane im Sinne des Bun-
deswahlgesetzes noch erfüllen sie sonst Aufgaben bei
der Organisation einer Wahl. Ihre Entscheidungen erge-
hen vielmehr in Ausübung der rechtsprechenden Gewalt,
die den Richtern in Artikel 20 Abs. 3 und Artikel 92 des
Grundgesetzes ausdrücklich anvertraut ist. Gemäß Arti-
kel 97 des Grundgesetzes sind die Richter unabhängig
und nur dem Gesetz unterworfen.
Entscheidungen der Gerichte unterliegen deswegen nicht
der Kontrolle durch den Deutschen Bundestag; dies gilt
auch für das Wahlprüfungsverfahren. Sie sind – abgese-
hen von der Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde –
nur mit den von der jeweiligen Prozeßordnung vorgese-
henen Rechtsmitteln anfechtbar.
Der Bundestag kann dem Einspruchsführer schließlich
auch nicht die seiner Ansicht nach „vermeidbar verur-
sachten Verfahrenskosten“ erstatten. Gemäß § 19 Abs. 1
WPrüfG sind notwendige Auslagen im Wahlprüfungs-
verfahren nur erstattungsfähig, wenn dem Einspruch
stattgegeben oder der Einspruch nur deshalb zurückge-
wiesen worden ist, weil der geltend gemachte Mangel
keinen Einfluß auf das Wahlergebnis gehabt hat. Diese
Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Zur Erstattung von
Verfahrenskosten, die dem Einspruchsführer durch ge-
richtliche Entscheidungen auferlegt worden sind, ist der
Bundestag nicht befugt.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 28 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29 – Drucksache 14/1560

Anlage 9

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 51/98 –
des Herrn Hans-Jürgen Bülten c/o Uerdinger Straße 13

wohnhaft: Fiederweg 22, 47441 Moers
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 19. Oktober, welches am

22. Oktober beim Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
Er begründet seinen Einspruch in schwer verständ-
lichen Ausführungen, denen sinngemäß folgender
Sachverhalt zu entnehmen ist:
Der Einspruchsführer beabsichtigte, durch seine per-
sönliche Unterschrift (sog. Unterstützungsunter-
schrift) den Kreiswahlvorschlag für die Partei Bibel-
treuer Christen zu unterstützen. Die Stadt Moers habe
hierfür die notwendige Bescheinigung über das Wahl-
recht des Einspruchsführers verweigert. Der Ein-
spruchsführer sieht in der „vorsätzlichen amtlichen
Bereinigung seiner Person aus dem Register des
Einwohnermeldeamtes“ einen Verstoß gegen „den
Schutz des objektiven Wahlrechts“ gemäß Artikel 38
und 41 Grundgesetz. Die „gewollte Ordnung der po-
litischen Grundrechte“ sei von der Stadt Moers nicht
beachtet sowie die Kriterien einer objektiven demo-
kratischen Willensbildung seien nachweislich beein-
trächtigt worden.
Der Einspruchsführer hat wegen der Verweigerung
der Bescheinigung seiner Wahlberechtigung eine
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Stadtdirektor
der Stadt Moers eingereicht. Daraufhin wurde ihm
mit Schreiben vom 30. September 1998 von der Stadt
Moers mitgeteilt, ihm könne das Wahlrecht nicht be-
scheinigt werden, weil er zum Zeitpunkt der Unter-
zeichnung der Unterstützungsunterschrift keine Woh-
nung im wahlrechtlichen Sinne im Gebiet der Stadt
Moers innegehabt habe.
Die Stadt Moers führt in ihrer Stellungnahme zu dem
Einspruch aus, die am 30. Juni 1998 von der Partei
Bibeltreuer Christen für den Einspruchsführer zur Be-
stätigung seines Wahlrechts für die Bundestagswahl
am 27. September 1998 eingereichte Unterstützungs-

unterschrift sei am 3. Juli 1998 unbestätigt zurückge-
sandt worden, weil der Einspruchsführer nach Aus-
kunft des Einwohnermeldeamtes seit dem 16. Februar
1998 nach unbekannt abgemeldet worden sei. Der
Einspruchsführer habe keine Beweismittel für einen
gewöhnlichen Aufenthalt in der Stadt Moers vorge-
legt. Eine Wahlberechtigung nach § 12 Bundeswahl-
gesetz (BWG) sei neben den weiteren Voraussetzun-
gen jedoch nur für Personen gegeben, die seit minde-
stens drei Monaten in der Bundesrepublik Deutsch-
land eine Wohnung innehaben oder sich sonst ge-
wöhnlich aufhalten.
Die Stellungnahme wurde dem Einspruchsführer zur
Kenntnis gegeben. Er hat sich dazu nicht geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch
offensichtlich unbegründet. Ein Wahlfehler konnte an-
hand des vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt
werden.
Die Stadt Moers hat durch die Nichtbestätigung der
Wahlberechtigung des Einspruchsführers auf dem Form-
blatt für die Unterstützungsunterschrift nicht gegen die
Vorschriften des Bundeswahlgesetzes und der Bundes-
wahlordnung verstoßen.
Kreiswahlvorschläge der in § 18 Abs. 2 BWG genannten
Parteien, zu denen auch die Partei Bibeltreuer Christen
gehört, müssen gemäß § 20 Abs. 2 BWG u.a. von min-
destens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises persön-
lich und handschriftlich unterzeichnet sein, wobei deren
Wahlberechtigung zum Zeitpunkt der Unterzeichnung

Drucksache 14/1560 – 30 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gegeben sein muß und bei Einreichung des Kreiswahl-
vorschlages nachzuweisen ist. Nähere Voraussetzungen
für die Erbringung von Unterstützungsunterschriften für
Kreiswahlvorschläge sind in § 34 Bundeswahlordnung
(BWO), insbesondere in Absatz 4 geregelt. Hierzu ge-
hört auch eine Bescheinigung der Gemeindebehörde, daß
der Unterzeichner der Unterstützungsunterschrift zum
Zeitpunkt der Unterzeichnung in dem betreffenden
Wahlkreis wahlberechtigt ist. Zuständig für diese Be-
scheinigung ist die Gemeinde, bei der der Unterzeichner
im Wählerverzeichnis einzutragen ist (§ 34 Abs. 4 Nr. 3
BWO). Abgesehen von hier nicht relevanten Sonderfäl-
len sind in das Wählerverzeichnis nur diejenigen Wahl-
berechtigten einzutragen, die entweder bei der Melde-
behörde für eine Wohnung gemeldet sind oder sich im
Wahlgebiet sonst gewöhnlich aufhalten.
Da der Einspruchsführer nach den Daten des Einwoh-
nermeldeamtes seit dem 16. Februar 1998 nach unbe-
kannt abgemeldet worden ist, war er am 30. Juni 1998,
dem Zeitpunkt, an dem die Bescheinigung der Wahl-
berechtigung für die Unterstützungsunterschrift bei der
Stadt Moers beantragt worden ist, nicht mehr in das dor-
tige Wählerverzeichnis einzutragen. Die Stadt Moers
konnte deshalb das Wahlrecht des Einspruchsführers
nicht bescheinigen.
Der Einspruchsführer hat nicht vorgetragen, warum die
Bereinigung des Melderegisters rechtswidrig gewesen
sein und gegen „den Schutz des objektiven Wahlrechts“
in den Artikeln 38 und 41 des Grundgesetzes verstoßen
soll. Der Wahlprüfungsausschuß sieht sich mangels
hinreichend bestimmtem Anfechtungsgegenstand an ei-
ner näheren Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung
findet weder von Amts wegen statt noch erfolgt sie
stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl.
Vielmehr erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die

Wahlprüfung nur auf Einspruch, der zu begründen ist.
Die Begründung muß mindestens den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und
genügend substantiierte Tatsachen enthalten. Ihr Um-
fang richtet sich also nach dem Einspruch, durch den
der Einspruchsführer den Anfechtungsgegenstand be-
stimmt. Der Prüfungsgegenstand ist nach dem erklär-
ten, verständig zu würdigenden Willen des Einspruchs-
führers unter Berücksichtigung des gesamten Ein-
spruchsvorbringens sinngemäß abzugrenzen. Aus der
Begründungspflicht folgt, daß diese Abgrenzung auch
danach vorzunehmen ist, wieweit der Einspruchsführer
seinen Einspruch substantiiert hat. Nur im Rahmen des
so bestimmten Anfechtungsgegenstandes haben die
Wahlprüfungsorgane dann den Tatbestand, auf den die
Anfechtung gestützt wird, von Amts wegen zu erfor-
schen und alle auftauchenden rechtserheblichen Tatsa-
chen zu berücksichtigen (BVerfGE 40, 11 [30]).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31 – Drucksache 14/1560

Anlage 10

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: 56/98 –
des Herrn Hermann Witte

wohnhaft: Ostwall 41a, 41751 Viersen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 13. Oktober 1998 an den Bun-

deswahlleiter, welches am 27. Oktober 1998 beim
Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag eingelegt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch
damit, daß er vom „verfassungmäßigen Wahlrecht“
durch die Bürgermeisterin der Stadt Viersen ausge-
schlossen worden sei. Er habe vergeblich versucht,
sein Wahlrecht im Wege der Verwaltungsgerichts-
barkeit zu erhalten. Sein aktives und passives Wahl-
recht seien bereits zur Bundestagswahl 1990 ver-
nichtet worden.
Zu dem Wahleinspruch liegt eine Stellungnahme des
zuständigen Kreiswahlleiters mit zahlreichen Anlagen
vor. Hieraus geht hervor, daß sich bereits das Ver-
waltungsgericht Düsseldorf, das Oberverwaltungsge-
richt für das Land Nordrhein-Westfalen, das Bundes-
verwaltungsgericht und der Petitionsausschuß des
Landtags Nordrhein-Westfalen mit dem Anliegen des
Einspruchsführers befaßt haben. Aus den dazu vorlie-
genden Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Am 2. Oktober 1996 meldete sich der Einspruchsfüh-
rer unter der Anschrift Ostwall 41a in Viersen an.
Nach Recherchen des Ermittlungsdienstes der Stadt
Viersen unter Beteiligung der Meldebehörde der
Stadt Düsseldorf ist der Einspruchsführer nach Düs-
seldorf umgezogen, ohne sich in Viersen abzumelden,
weshalb er am 2. April 1997 von Amts wegen nach
Düsseldorf abgemeldet worden ist. Die vom Ein-
spruchsführer im November 1997 erneut begehrte
Anmeldung in Viersen wurde abgelehnt, da das unter
der angegebenen Adresse stehende Haus unbewohnt
war.
Das Innenministerium des Landes Nordrhein-
Westfalen hat in einer Stellungnahme zu der Petition
des Einspruchsführers festgestellt, daß die Ablehnung
der Eintragung des Einspruchsführers in das Melde-

register der Stadt Viersen mangels Wohnungsnahme
in Viersen nicht zu beanstanden sei. Dieser Stellung-
nahme hat sich der Petitionsausschuß mit Beschluß
vom 26. Mai 1998 angeschlossen.
Vor dem Tag der Bundestagswahl hat der Einspruchs-
führer die seiner Auffassung nach überfällige Über-
sendung einer Wahlkarte angemahnt.
Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, daß ihm keine
Wahlbenachrichtigung zugesandt worden sei, weil
er am Stichtag für die von Amts wegen vorzuneh-
mende Eintragung in das Wählerverzeichnis nicht
bei der Meldebehörde der Stadt Viersen gemeldet
war. Die Gründe hierfür seien dem Einspruchsführer
bekannt, weil sein melderechtlicher Status seit 1997
Gegenstand eines Klageverfahrens beim VG Düs-
seldorf ist.
Eine weitere Klage hat der Einspruchsführer am
21. September 1998 vor dem VG Düsseldorf gegen
die Bürgermeisterin der Stadt Viersen erhoben, mit
dem Ziel, ihm die Teilnahme an der Bundestagswahl
1998 als Wahlberechtigter zu ermöglichen.
Die Klage wurde durch Gerichtsbescheid vom 11. Ja-
nuar 1999 abgewiesen, weil nach Ansicht des Ver-
waltungsgerichts die Voraussetzungen für die be-
gehrte Eintragung in das Wählerverzeichnis der Stadt
Viersen bzw. die Feststellung, daß die Versagung der
Eintragung rechtswidrig war, nicht vorlagen.
Am 27. September 1998 wollte der Einspruchsführer
im Wahlraum des Viersener Wahlbezirks 805.2 seine
Stimme abgeben, wurde jedoch zurückgewiesen, weil
er nicht im Wählerverzeichnis für diesen Wahlbezirk
eingetragen war und auch keinen Wahlschein für den
Wahlkreis 080 vorlegen konnte. Ihm wurde bei dieser
Gelegenheit erklärt, daß er sein Wahlrecht in der
Stadt Viersen nicht ausüben kann, weil er nicht in ein
Wählerverzeichnis für einen Wahlbezirk der Stadt
Viersen eingetragen ist und die Voraussetzungen für
die Erteilung eines selbständigen Wahlscheins nicht
vorliegen.

Drucksache 14/1560 – 32 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Nach einer dem Wahlprüfungsausschuß vorliegenden
Auskunft aus dem Melderegister der Stadt Ratingen
vom 21. Oktober 1998 wurde eine Person namens
Hermann Josef Witte am 26. Juni 1998 nach Vaals in
Belgien abgemeldet. Der Kreiswahlleiter der Stadt
Viersen sowie das VG Düsseldorf gehen davon aus,
daß es sich bei dieser Person um den Einspruchsfüh-
rer handelt.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Die Zurückweisung des Einspruchsführers von der Wahl
in der Stadt Viersen mangels Eintragung in das Wähler-
verzeichnis läßt einen Wahlfehler nicht erkennen.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 BWO sind in das Wählerver-
zeichnis von Amts wegen alle Wahlberechtigten einzu-
tragen, die am 35. Tage vor der Wahl (Stichtag) bei der
Meldebehörde für eine Wohnung gemeldet sind.
Der Einspruchsführer war zu diesem Stichtag bei der
Stadt Viersen nicht gemeldet. Es kann dahinstehen, ob er
sich nach Vaals in Belgien abgemeldet hat, ob er nach
Düsseldorf umgezogen ist, oder ob beides zutrifft.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat im übrigen in
dem Verfahren zur Gewährung des vorläufigen Rechts-
schutzes in der melderechtlichen Angelegenheit des Ein-
spruchsführers gegen die Stadt Viersen bereits festge-
stellt, daß dieser häufig seine Anschrift wechsele, unter

einer Vielzahl von Anschriften Rechtsschutz begehre,
wobei an ihn gerichtete Post sodann als unzustellbar zu
den Gerichtsakten zurück gelangt sei.
Jedenfalls steht nach dem Sachverhalt fest, daß der Ein-
spruchsführer zum maßgeblichen Stichtag für die Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis, dem 23. August 1998, in
der Stadt Viersen keine Wohnung im melderechtlichen
Sinne innehatte. Die Eintragung in das Melderegister
setzt nämlich voraus, daß der Einzutragende tatsächlich
eine Wohnung im Zuständigkeitsbereich der Meldebe-
hörde bezieht. Er muß also einen oder mehrere Räume
für Angelegenheiten des täglichen Bedarfs nutzen. Da
nach den Erkenntnissen des Ermittlungsdienstes der
Stadt Viersen das unter der vom Einspruchsführer ange-
gebenen Adresse befindliche Haus unbewohnt war, war
diese Voraussetzung nicht erfüllt.
Die Erteilung eines Wahlscheins bei unverschuldetem
Versäumen der Antragsfrist nach § 25 Abs. 2 Nr. 1
BWO war im Falle des Einspruchsführers ebenfalls nicht
möglich. Dies setzt nämlich voraus, daß der Wahlbe-
rechtigte auf Antrag in das Wählerverzeichnis eingetra-
gen werden kann, wenn er eine in § 16 Abs. 2 BWO ge-
nannte Voraussetzung erfüllt.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33 – Drucksache 14/1560

Anlage 11

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 59/98 –
des Herrn Helmut E. Papke

wohnhaft: Süllweg 7, 29345 Unterlüß
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. Oktober und vom 23. No-

vember 1998, die beim Bundestag am 27. Oktober
bzw. am 27. November 1998 eingegangen sind, hat
der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag am 27. September
1998 Einspruch eingelegt. Er hat seine Ausführungen
mit Schreiben vom 12. März 1999 ergänzt.
Der Einspruchsführer wendet sich dagegen, daß die
Gemeinde Helsa / Kreis Kassel ihn nicht zur Bun-
destagswahl zugelassen habe, obwohl ihm „zumin-
dest aus rechtlichen Gründen“ der Hauptwohnsitz in
dieser Gemeinde zustehe. Zur näheren Begründung
seines Einspruchs verweist er auf den umfangreichen
Schriftverkehr mit der Gemeinde Helsa, den er dem
Einspruch in Kopie beigefügt hat. Hieraus ergibt sich
folgendes:
Der Einspruchsführer war seit dem 20. Dezember
1979 in Helsa mit Hauptwohnung gemeldet und hat
seitdem von sich aus keine Änderung dieses Haupt-
wohnsitzes vorgenommen. Nach der von der Eigen-
tümerin des von dem Einspruchsführers bewohnten
Hauses veranlaßten Zwangsräumung am
11. August 1997 wurde er von der Gemeinde Helsa
von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet, ohne
daß er über die Abmeldung informiert worden ist. Der
Einspruchsführer vertritt die Ansicht, er hätte vor der
Abmeldung von der Gemeinde Helsa gehört werden
oder zumindest danach über die Abmeldung einen
rechtsmittelfähigen Bescheid erhalten müssen, gegen
den er hätte vorgehen können. Wegen dieser seiner
Ansicht nach grundgesetzlichen Mängel sei die Ab-
meldung „von Amts wegen unwirksam“. Die Voraus-
setzung für die Beibehaltung seines Hauptwohnsitzes
in Helsa sei auch nach der Zwangsräumung noch ge-
geben, weil bei ihm der Wille, dort weiterhin zu woh-
nen, nach wie vor vorhanden sei. Aufgrund seines
„fiktiv noch vorhandenen Hauptwohnsitzes im Mel-
deregister der Gemeinde Helsa“ hätte er auch in das

dortige Wählerverzeichnis eingetragen werden müs-
sen.
Am 3. September 1998 hat der Einspruchsführer bei
der Gemeinde Helsa wegen Nichteintragung in das
Wählerverzeichnis mit der obigen Begründung Ein-
spruch eingelegt.
Ihm ist daraufhin mitgeteilt worden, daß er in Helsa
nicht mit Hauptwohnung gemeldet sei und deshalb
nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen werden
könne. Weiterhin wurde der Einspruchsführer aufge-
fordert, zum Nachweis seiner Behauptung, daß er
unter seiner früheren Anschrift in Helsa wohne, bis
zum 22. September 1998 einen gültigen Mietvertrag
sowie eine Zustimmungserklärung der Grundstücks-
eigentümerin vorzulegen. Dem Einspruch gegen das
Wählerverzeichnis wurde nicht stattgegeben.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Einspruchs-
führers, die er wiederum damit begründete, daß seine
Abmeldung aus dem Melderegister von Helsa man-
gels rechtsmittelfähigenem Bescheid unwirksam sei,
wurde vom Kreiswahlleiter zurückgewiesen, weil er
am 35. Tag vor der Wahl nicht für eine Wohnung in
Helsa gemeldet und deshalb nicht in das dortige
Wählerverzeichnis einzutragen war. Im übrigen sei
die Meldebehörde, die nach § 10 des Hessischen
Meldegesetzes offensichtliche Unrichtigkeiten im
Melderegister von Amts wegen zu berichtigen habe,
nicht verpflichtet, den Betroffenen hierüber zu infor-
mieren.
Die Stellungnahme der Gemeinde Helsa zu diesem
Einspruch legt die näheren Umstände der Zwangs-
räumung des vom Einspruchsführer bewohnten Hau-
ses und der daraufhin erfolgten Abmeldung dar. Au-
ßerdem ist der Einspruchsführer nach diesen Angaben
zwar nicht schriftlich, dafür aber persönlich über
seine Meldeverhältnisse in Helsa informiert worden.
Des weiteren habe er sich am 29. Dezember 1997 in
Unterlüß unter der Anschrift seiner Eltern mit dem
Status Nebenwohnung angemeldet. Den geforderten
Mietvertrag und die Zustimmungserklärung der Ei-

Drucksache 14/1560 – 34 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gentümerin für seinen angeblichen Hauptwohnsitz in
Helsa habe er nicht vorgelegt.
Zu dieser Stellungnahme hat sich der Einspruchsfüh-
rer nach Kenntnisgabe nicht geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Die Zurückweisung des Ein-
spruchsführers von der Bundestagswahl mangels Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis steht im Einklang mit den
Vorschriften der Bundeswahlordnung (BWO).
Gemäß § 16 Abs. 1 BWO sind in das Wählerverzeichnis
von Amts wegen alle Wahlberechtigten einzutragen, die
am 35. Tage vor der Wahl (Stichtag) bei der Meldebe-
hörde u.a. für eine Wohnung gemeldet sind.
Der Einspruchsführer war zu diesem Stichtag bei der
Gemeinde Helsa nicht gemeldet und deshalb nicht in das
Wählerverzeichnis einzutragen. Er wurde im Zuge einer
Zwangsräumung aus dem von ihm bewohnten Haus am
11. August 1997 von Amts wegen nach unbekannt ab

gemeldet. Aus dem vorliegenden Schriftverkehr, den er
mindestens seit Ende 1997 mit der Gemeinde Helsa
führte sowie aus der Stellungnahme der Gemeinde Helsa
ergibt sich, daß er über diese Abmeldung informiert war.
Der von ihm begehrte rechtsmittelfähige Bescheid über
die erfolgte Abmeldung ist nach dem Hessischen Melde-
gesetz nicht vorgesehen. Etwaige rechtliche Fehler, die
der Meldebehörde in diesem Zusammenhang unterlaufen
sein könnten, wären auch nicht Gegenstand eines Wahl-
prüfungsverfahrens, sondern im Verwaltungsrechtsweg
zu klären. Das Wahlprüfungsverfahren zielt nämlich dar-
auf ab, festzustellen, ob im konkreten Fall ein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften vorliegt.
Da dies nicht der Fall ist, ist der Einspruch gemäß § 6
Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG als offensichtlich unbegründet zu-
rückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35 – Drucksache 14/1560

Anlage 12

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 62/98 –
des Herrn Wolfgang Becker

wohnhaft: Listringhauser Str. 10a, 51709 Marienheide
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 16. Oktober 1998, welches am

29. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag Einspruch ein-
gelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor, auf-
grund von angeblich vorliegenden melderechtlichen
Fehlern sei er fälschlicherweise mit Hauptwohnsitz in
94372 Rattiszell-Eggeszell, Bergstr. 5 gemeldet. Sein
richtiger Hauptwohnsitz sei jedoch in 51706 Marien-
heide, Listringhauser Str. 10a. Diese Adresse sei so-
wohl in seinem Personalausweis als auch in einer ihm
vorliegenden „Anmeldebestätigung“ eingetragen und
ergebe sich aus einer „Abmeldeannahme von der
Gemeinde Haibach“ durch das Einwohnermeldeamt
der Gemeinde Marienheide . Das Einwohnermelde-
amt habe jedoch seinen Hauptwohnsitz eigenmächtig
geändert, was nach Ansicht des Einspruchsführer ein
Mißbrauch des Meldegesetzes und den Verdacht der
Urkundenfälschung und der organisierten Amtskri-
minalität nahe legt. Er fordert die unverzügliche
Anmeldung seines angeblichen Hauptwohnsitzes
Marienheide.
In weiteren, dem Vorgang beigefügten Schreiben des
Einspruchsführers an den Kreiswahlleiter wiederholt
dieser als Grund für seine Anfechtung der Bundes-
tagswahl im Wahlkreis „Oberbergischer Kreis“ den
Vorwurf des Amtsmißbrauchs, der Urkundenfälschung
und der Strafvereitelung im Amt. Der Einspruchsführer
behauptet, durch den Kreiswahlleiter vorsätzlich an der
Bundestagswahl gehindert worden zu sein.
Der Kreiswahlleiter des Oberbergischen Kreises hat
in seiner Stellungnahme zu diesem Einspruch, der ein
umfangreicher Vorgang beigefügt ist, folgendes er-
klärt:
Im Dezember 1997 habe sich der Einspruchsführer
bei der Gemeinde Marienheide, Listringhauser Str.
10a mit Hauptwohnsitz angemeldet, sei jedoch auf-

grund unzutreffender Angaben von Amts wegen am
gleichen Tag wieder abgemeldet worden.
Der Antrag des Einspruchsführers vom 17. August
1998 auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis von
Marienheide sei mit Schreiben vom 21. August 1998
abgelehnt worden, da der Einspruchsführer nach
Auskunft der zuständigen Gemeinde sowohl seinen
Hauptwohnsitz in Rattiszell-Eggerszell gehabt habe
als auch in das dortige Wählerverzeichnis eingetragen
gewesen sei.
Ein Einspruch des Einspruchsführers gegen das
Wählerverzeichnis von Marienheide und ein damit
verbundener Antrag auf Eintragung in selbiges seien
von der Gemeinde Marienheide wiederum zurückge-
wiesen worden.
Gegen diese Entscheidung habe der Einspruchsführer
mit Schreiben vom 15. September 1998 Beschwerde
eingelegt, die mit Schreiben vom 21. September 1998
als unbegründet zurückgewiesen worden sei, wobei
ihm gleichzeitig mitgeteilt worden sei, wie und wo er
sein Wahlrecht ausüben könne. Die von Amts wegen
erfolgte Abmeldung des Hauptwohnsitzes des Ein-
spruchsführers in Marienheide wolle dieser nicht zur
Kenntnis nehmen.
Nach einer dem Wahlprüfungsausschuß vorliegenden
Meldebestätigung der Verwaltungsgemeinschaft
Stallwang vom 9. September 1998 ist der Einspruchs-
führer seit dem 1. September 1997 mit Hauptwohn-
sitz in Rattiszell-Eggerszell gemeldet, war in das
Wählerverzeichnis der Gemeinde Rattiszell, Stimm-
bezirk II, Nr. 70 eingetragen und hat hierüber eine
Wahlbenachrichtigung erhalten.
Aus einer Übersicht der bisher erfaßten melderechtli-
chen Daten des Einspruchsführers, die dem Wahlprü-
fungsausschuß ebenfalls vorliegt, und von der Ge-
meinde Marienheide am 23. September 1998 anläß-
lich seiner Beschwerde gegen das Wählerverzeichnis
erstellt worden ist, geht hervor, daß dieser häufig sei-
ne Haupt- und Nebenwohnsitze gewechselt hat. Bei
seiner durch Dritte erfolgten Anmeldung eines

Drucksache 14/1560 – 36 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Hauptwohnsitzes in Marienheide am 15. Dezember
1997 zum 1. Dezember 1997 seien wegen einer fal-
schen Angabe des Familienstandes des Einspruchs-
führers auch die Meldedaten überprüft und dabei
festgestellt worden, daß der Einspruchsführer am
gleichen Tag seinen Hauptwohnsitz von Haibach
nach Bad Endorf verlegt habe. Aus diesem Grund sei
die Abmeldung von Amts wegen in Marienheide er-
folgt. Die Übersicht der Meldedaten des Einspruchs-
führers weist als Hauptwohnsitz des Einspruchsfüh-
rers seit dem 1. September 1997 die Gemeinde Rat-
tiszell-Eggerszell aus.
Einem Schreiben der Gemeinde Marienheide an den
Oberkreisdirektor in Gummersbach vom 7. September
1998 ist zu entnehmen, daß der Einspruchsführer nach
mündlicher Auskunft seiner „Wohnungsgeberin“ die
Wohnung in Marienheide, für die er sich zum 1. De-
zember 1997 anmelden wollte, nicht bezogen hat.
Wegen des weiteren Schriftverkehrs zwischen dem
Einspruchsführer und den Behörden wird auf den
Akteninhalt verwiesen.
Der Einspruchsführer hat die Stellungnahme des
Kreiswahlleiters zur Kenntnis erhalten und in seiner
Antwort behauptet, er sei durch Urkundenfälschung
und Amtsbetrug von Bediensteten der Gemeinde
Marienheide vorsätzlich an der Ausübung seines
Wahlrechts gehindert worden. Seine Abmeldung von
Amts wegen am 15. Dezember 1997 sei durch die
Gemeinde Marienheide ohne rechtsmittelfähigen Be-
scheid und somit ohne den verfassungsrechtlichen
Anspruch auf rechtliches Gehör erfolgt. Das Ergebnis
der Überprüfung seiner Angaben durch die Gemeinde
sei ihm bis heute nicht bekanntgegeben worden.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.

Die Zurückweisung des Antrages des Einspruchsfüh-
rers auf Eintragung in das Wählerverzeichnis der Ge-
meinde Marienheide läßt einen Wahlfehler nicht erken-
nen.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Bundeswahlordnung (BWO)
sind alle Wahlberechtigten von Amts wegen in das
Wählerverzeichnis einzutragen, die am 35. Tag vor der
Wahl (Stichtag) bei der Meldebehörde für eine Wohnung
gemeldet sind. Der Einspruchsführer war am Stichtag,
nämlich am 23. August 1998, mit Hauptwohnsitz in Rat-
tiszell gemeldet und wurde dort in das Wählerverzeich-
nis eingetragen. Hierüber ist der Einspruchsführer
mehrmals, so u.a. durch den Bescheid der Gemeinde Ma-
rienheide über die Ablehnung seiner Eintragung in das
dortige Wählerverzeichnis sowie durch den Kreiswahl-
leiter des Oberbergischen Kreises informiert worden. Er
ist in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit
der Briefwahl hingewiesen worden. Der Einspruchsfüh-
rer hatte somit die Möglichkeit, in der Gemeinde sei-
nes Hauptwohnsitzes an der Bundestagswahl teilzuneh-
men.
In Marienheide ist er bereits zum 1. Dezember 1997 von
Amts wegen abgmeldet worden und konnte deshalb
nicht in das dortige Wählerverzeichnis eingetragen wer-
den. Der Umstand, daß diese Adresse auf dem Personal-
ausweis des Einspruchsführers vermerkt ist, ist für die
Eintragung in das Wählerverzeichnis unerheblich. Ent-
scheidend sind nach der Bundeswahlordnung allein die
Daten aus dem Melderegister der Gemeinden.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 37 – Drucksache 14/1560

Anlage 13

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 73/98 –
des Herrn Klaus-Dieter Große

wohnhaft: Gounodstraße 33, 13088 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 27. September 1998 an den Lan-

deswahlleiter Berlin, welches am 10. November 1998
beim Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 Einspruch
eingelegt.
Der Einspruchsführer wendet sich dagegen, daß er am
Wahltag in dem von ihm aufgesuchten Wahllokal
nicht zur Wahl zugelassen worden sei. Eine Überprü-
fung seiner Meldeverhältnisse aufgrund seiner sofor-
tigen Beschwerde beim Wahlamtsleiter habe ergeben,
daß er unter seiner Adresse nur mit dem Status Ne-
benwohnung gemeldet war. Seine Ehefrau habe da-
gegen wählen können. Der Einspruchsführer vermutet
als Ursache für diesen Meldefehler, daß es eine Per-
son mit gleichem Namen und Geburtsdatum geben
müsse. Er habe z.B. im Juni 1998 einen Bescheid des
Finanzamtes über die Zweitwohnsteuer erhalten, weil
er nach deren Angaben unter einer Adresse in Phil-
ippsthal mit Hauptwohnsitz wohne, obwohl er diesen
Ort nicht kenne. Außerdem habe er vor
drei Jahren eine Geschwindigkeitsanzeige der Poli-
zei unter Angabe der Philippsthaler Anschrift erhal-
ten.
Nach der Stellungnahme des Bezirksamtes Weißen-
see von Berlin hat der Einspruchsführer den Sachver-
halt am Wahltag richtig dargestellt. Da aber seine
Ehefrau im Gegensatz zum Einspruchsführer eine
Wahlbenachrichtigung erhalten habe, hätte er nach
Ansicht des Bezirksamtes dies zum Anlaß nehmen
können, um Einsicht in das Wählerverzeichnis zu
nehmen, welches in der Zeit vom 7. bis zum 11. Sep-
tember 1998 öffentlich ausgelegen habe. In der öf-
fentlichen Bekanntmachung hierzu habe u. a. folgen-
der Satz gestanden: „Wer keine Wahlbenachrichti-
gung erhalten hat, aber glaubt wahlberechtigt zu sein,
muß Einspruch gegen das Wählerverzeichnis einle-
gen, wenn er nicht Gefahr laufen will, daß er sein
Wahlrecht nicht ausüben kann.“

Nach Rücksprache mit der Meldestelle 75 des Lande-
seinwohneramtes habe sich eine verkehrte Aufzeich-
nung der Personendaten des Einspruchsführers durch
das Landeseinwohneramt ergeben. Daraufhin sei am
29. September 1998 die Änderung der Nebenwoh-
nung zur Hauptwohnung vorgenommen worden.
Von der Gelegenheit, sich zu dieser Stellungnahme
zu äußern, hat der Einspruchsführer keinen Gebrauch
gemacht.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Einspruch kann trotz eines festzustellenden Wahl-
fehlers keinen Erfolg haben.
Der Umstand, daß der Einspruchsführer aufgrund einer
verkehrten Aufzeichnung seiner Daten bei der Melde-
stelle 75 des Landeseinwohneramtes Berlin nicht mit
dem Status Hauptwohnung unter seiner Anschrift regi-
striert und deshalb nicht in das Wählerverzeichnis ein-
getragen war, verhinderte, daß der Einspruchsführer sein
gemäß § 12 Abs. 1 Bundeswahlgesetz (BWG) bestehen-
des Wahlrecht ausüben konnte. Dieser Verstoß gegen
§ 12 Abs. 1 BWG stellt einen Wahlfehler dar.
Aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 Bundeswahlordnung (BWO) folgt,
daß die nach § 17 BWO zuständige Gemeindebehörde
die Wahlberechtigten eben dort von Amts wegen in das
Wählerverzeichnis einzutragen hat, wo sie für eine
Wohnung, bei mehreren Wohnungen für eine Haupt-
wohnung bei der Meldebehörde gemeldet sind. Wegen

Drucksache 14/1560 – 38 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der falschen Eintragung bei der Meldebehörde ist im
Falle des Einspruchsführers die Eintragung in das Wäh-
lerverzeichnis unterblieben. Dieser Wahlfehler wird auch
nicht dadurch geheilt, daß der Einspruchsführer seiner-
seits die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
zur Berichtigung der Meldedaten und des Wählerver-
zeichnisses nicht wahrgenommen hat.
Die Tatsache, daß er im Vergleich zu seiner Ehefrau
keine Wahlbenachrichtigung erhalten hat, hätte ihn zwar
dazu veranlassen können, Einsicht in das vom 7. bis
11. September 1998 öffentlich ausgelegte Wählerver-
zeichnis zu nehmen und wegen seiner Nichteintragung
gemäß § 22 BWO Einspruch und ggf. Beschwerde ein-
zulegen, um so eine Berichtigung des Wählerverzeich-
nisses herbeizuführen. Schließlich hatte der Einspruchs-
führer auch nach dem Verstreichen der Einspruchsfrist
noch die Möglichkeit, gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 1 BWO
einen Wahlschein zu beantragen. Diese Möglichkeiten
hat der Einspruchsführer nicht genutzt, obwohl er bereits
früher Grund hatte, die Richtigkeit seiner Meldedaten in
Zweifel zu ziehen. So hat der Einspruchsführer selbst
angegeben, er habe schon vor drei Jahren und im Som-
mer 1998 Schreiben von der Polizei und vom Finanzamt
bekommen, die nicht für ihn bestimmt gewesen seien
und die ihn vermuten ließen, daß er einen Doppelgänger
haben könne. Damit trägt neben der Gemeindebehörde
auch der Einspruchsführer selbst die Verantwortung da-
für, daß er sein Wahlrecht nicht ausüben konnte.
Trotz des festgestellten Wahlfehlers kann der Wahlein-
spruch im Ergebnis keinen Erfolg haben. Nach der stän-
digen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
der sich der Wahlprüfungsausschuß stets angeschlossen

hat, können nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahl-
einspruch erfolgreich begründen, die auf die Mandats-
verteilung von Einfluß sind oder hätten sein können.
Infolgedessen müssen alle Verstöße von vornherein als
unerheblich ausscheiden, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren. Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können (seit BVerfGE 4, 370, [372] ständige Rechtspre-
chung). Letzteres ist hier der Fall, da es angesichts der
deutlichen Stimmenabstände zwischen den einzelnen
Wahlbewerbern bzw. Parteien ausgeschlossen werden
kann, daß eine Stimmabgabe des Einspruchsführers die
Mandatsverteilung im Bundestag verändert hätte.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39 – Drucksache 14/1560

Anlage 14

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 74/98 –
des Herrn René Freiherr von Godin

wohnhaft: Lüneburger Straße 7, 10557 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 26. September 1998 an die Lan-

desregierung Berlin und vom 28. September 1998 an
die Europäische Kommission in Brüssel, welche vom
Landeswahlleiter an den Bundestag weitergeleitet
wurden und am 10. November 1998 hier eingegangen
sind, hat der Einspruchsführer die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998 an-
gefochten.
Zur Begründung seines Einspruchs gab der Ein-
spruchsführer an, er habe vor dem 13. August 1998 in
England gearbeitet und sich am 13. August 1998
unter seiner jetzigen Anschrift in Berlin polizeilich
angemeldet. Da er bis zum 24. September 1998 noch
keine Wahlbenachrichtigung erhalten habe, habe er
beim Landeswahlleiter, der ihn an das für ihn zu-
ständigen Wahlamt Tiergarten verwiesen habe, auf
telefonische Anfrage die Auskunft erhalten, daß er
nicht im Wählerverzeichnis eingetragen sei. Trotz
Zusage sei ein Rückruf an diesem Tage nicht erfolgt.
Daraufhin hat der Einspruchsführer per Telefax am
26. September 1998, welches jedoch nach Aktenlage
erst am 28. September 1998 bei der Landesregierung
Berlin einging, eine Wahlbenachrichtigung angefor-
dert.
Mit Schreiben vom 28. September 1998 hat der Ein-
spruchsführer sich bei der Landesregierung Berlin
über den nach seiner Meinung geschehenen „Aus-
schluß vom aktiven Wahlrecht“ bei der Bundestags-
wahl beschwert und zur Begründung auf sein Schrei-
ben vom selben Tag an die Europäische Kommission
Bezug genommen. Er behauptet darin, er sei nicht zur
Bundestagswahl zugelassen worden, weil er vor dem
13. August 1998 in England tätig gewesen sei. Der
Einspruchsführer vertritt die Ansicht, nach dem bun-
desdeutschen Wahlgesetz werde man nicht zur Wahl
zugelassen, wenn man in den letzten drei Monaten
vor der Wahl nicht polizeilich in Deutschland gemel-
det sei. Auf diese Weise würden „Penner, Zigeuner
und andere unerwünschte Personengruppen im neuen

deutschen Reich“ von der Bundestagswahl ausge-
schlossen. Dieser Umstand, daß er – der Einspruchs-
führer – wegen der Nutzung seines Freizügigkeits-
rechts innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wie
eine sonst in Deutschland unerwünschte Personen-
gruppe behandelt werde, sei mit dem europäischen
Recht nicht vereinbar. Er hätte bei seiner Rückkehr
nach Deutschland am 13. August 1998 so behandelt
werden müssen, als hätte er sich vor dem Stichtag in-
nerhalb der Bundesrepublik nach Berlin umgemeldet.
Der Einspruchsführer meint, daß auf diese Weise
„das nationalsozialistische Gedankengut verkappt in
den bundesdeutschen Gesetzen“ fortlebe, was wie-
derum mit dem europäischen Recht nicht verein-
bar sei. Seine Beschwerde an die Landesregierung
Berlin hat der Einspruchsführer außerdem mit der
Äußerung verbunden, daß sein rechtliches Interesse
an der Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Dis-
kriminierung fortbestehe, weil er auch künftig von
seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen
wolle.
Das Bezirksamt Tiergarten von Berlin hat in seiner
Stellungnahme zu diesem Einspruch bestätigt, daß
sich der Einspruchsführer am 13. August 1998 poli-
zeilich angemeldet habe. Eine entsprechende Mittei-
lung des Landeseinwohneramtes zur Eintragung des
Einspruchsführers im Wählerverzeichnis sei jedoch
beim zuständigen Wahlamt nicht eingegangen. Da
der Einspruchsführer selbst bis zum Stichtag, dem
6. September 1998, keinen Antrag auf Eintragung in
das Wählerverzeichnis gestellt habe, sei er auch nicht
in das selbige aufgenommen worden.
Das Landeseinwohneramt Berlin hat sein Bedauern
ausgedrückt, daß trotz der fristgerechten Anmeldung
des Einspruchsführers aufgrund eines Fehlers in der
Datenverarbeitung keine Mitteilung an das Wahlamt
Tiergarten erfolgt sei.
Der Einspruchsführer, dem die beiden Stellungnah-
men bekanntgegeben worden sind, hat daraufhin ge-
äußert, nicht die Wahl sei Gegenstand seiner Be-
schwerde, sondern die Diskriminierung von Personen,

Drucksache 14/1560 – 40 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

die von ihrem Recht auf Freizügigkeit in der EG Ge-
brauch machten. Deshalb sei in erster Linie das
Wahlgesetz als solches diskriminierend und nicht die
Tätigkeit der „Wahlmenschen“. Das Landeseinwoh-
neramt hätte ihm jedoch bei seiner Anmeldung einen
Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis vor-
legen müssen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Einspruch kann trotz eines festzustellenden Wahl-
fehlers keinen Erfolg haben.
Der Umstand, daß der Einspruchsführer aufgrund eines
Fehlers des dem Landeseinwohneramt Berlin zur Verfü-
gung stehenden Datenverarbeitungssystems und der des-
halb versäumten Mitteilung an das zuständige Wahlamt
nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen war, verhin-
derte, daß der Einspruchsführer sein gemäß § 12 Abs. 2
Bundeswahlgesetz (BWG) bestehendes Wahlrecht aus-
üben konnte. Dieser Verstoß gegen § 12 Abs. 2 BWG
stellt einen Wahlfehler dar.
Der Einspruchsführer geht fehl in der Annahme, daß ein
Wahlberechtigter nur zur Wahl zugelassen werde, wenn
er in den letzten drei Monaten vor der Wahl polizeilich
in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet war. Ein
dreimonatiger, ununterbrochener Aufenthalt im Bundes-
gebiet unmittelbar vor dem Wahltag ist zwar zunächst
gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 BWG eine Voraussetzung für
das Wahlrecht. Aber es sind auch diejenigen Deutschen
wahlberechtigt, die in den Gebieten der Mitgliedstaaten
des Europarates leben, sofern sie vor ihrem Fortzug und
nach dem 23. Mai 1949 mindestens drei Monate unun-
terbrochen in der Bundesrepublik Deutschland eine
Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich auf-
gehalten haben (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BWG). Bei Rückkehr
dieser Wahlberechtigten in die Bundesrepublik Deutsch-
land gilt gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BWG die o. g.
Dreimonatsfrist nicht. Da der Einspruchsführer aus
Großbritannien, welches zu den Mitgliedstaaten des Eu-
roparates gehört, in die Bundesrepublik Deutschland zu-
rückgekehrt ist, trifft für ihn diese Ausnahmeregelung
zu.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Bundeswahlordnung (BWO)
muß die nach § 17 BWO zuständige Gemeindebehörde
alle Wahlberechtigten von Amts wegen in das Wähler-
verzeichnis eintragen, die am 35. Tag vor der Wahl
(Stichtag) bei der Meldebehörde für eine Wohnung ge-
meldet sind. Der Einspruchsführer hat sich nach Beginn
der Dreimonatsfrist, aber vor dem Stichtag (hier der 23.
und nicht der vom Einspruchsführer angegebene 24. Au-

gust 1998) in Berlin bei der Meldebehörde angemeldet
und hätte deshalb von Amts wegen in das Wählerver-
zeichnis eingetragen werden müssen. Die geltende
Rechtslage entspricht der Forderung des Einspruchsfüh-
rers, daß ein Wahlberechtigter, der in der o. g. Zeit aus
einem Mitgliedstaat des Europarates nach Deutschland
zurückkehrt, genauso von Amts wegen in das Wähler-
verzeichnis einzutragen ist, wie jemand, der sich vor
dem Stichtag innerhalb der Bundesrepublik Deutschland
wegen Wohnungswechsels anmeldet. Dies ist hier wegen
des Fehlers in der Datenverarbeitung der Meldebehörde
unterblieben.
Im übrigen hatte die Meldebehörde bei der Anmeldung
des Einspruchsführers am 13. August 1998 keine Ver-
anlassung, diesem einen Antrag auf Eintragung in das
Wählerverzeichnis auszuhändigen. Ein solcher Antrag ist
nur notwendig, wenn ein Wahlberechtigter nach dem
Stichtag (35. Tag vor der Wahl), aber vor dem Beginn
der Auslegungsfrist für das Wählerverzeichnis (20. Tag
vor der Wahl) – hier in der Zeit vom 24. August 1998 bis
zum 6. September 1998 – in das Wahlgebiet zurückkehrt
(§ 18 Abs. 6 BWO).
Die Behauptung der Diskriminierung der Person des
Einspruchsführers durch das Bundeswahlgesetz, weil er
sich in einem anderen Land der Europäischen Gemein-
schaft aufgehalten habe, geht deshalb ebenso ins Leere
wie die Behauptung, er werde wie andere „unerwünschte
Personengruppen, z. B. Penner oder Zigeuner“ behan-
delt. Soweit der Einspruchsführer diese Bezeichnung für
Personen ohne festen Wohnsitz in der Bundesrepublik
Deutschland, sog. Nichtseßhafte, benutzt, hat er wieder-
um unrecht mit der Äußerung, diese Personen würden
von der Bundestagswahl ausgeschlossen. Auch deutsche
Staatsbürger ohne festen Wohnsitz besitzen gemäß § 12
Abs. 1 Nr. 2 BWG das Wahlrecht, sofern sie sich seit
mindestens drei Monaten gewöhnlich in der Bundes-
republik Deutschland aufhalten. Diese Personen können
gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b BWO ihre Ein-
tragung in das Wählerverzeichnis bei der zuständigen
Gemeindebehörde beantragen, in der sie am Stichtag
(35. Tag vor der Wahl) übernachtet haben.
Der Umstand, daß der Einspruchsführer keine Wahlbe-
nachrichtigung erhalten hat, hat ihn erst drei Tage vor
dem Wahltermin veranlaßt, bei den Behörden nach den
Ursachen zu fragen. Hätte er jedoch früher Einsicht in
das an den Werktagen vom 20. bis zum 16. Tag vor der
Wahl öffentlich auszulegende Wählerverzeichnis ge-
nommen und seine Nichteintragung festgestellt, hätte er
gemäß § 22 BWO die Möglichkeit gehabt, Einspruch
und ggf. Beschwerde einzulegen, um so eine Berichti-
gung des Wählerverzeichnisses herbeizuführen. Schließ-
lich hatte der Einspruchsführer bei Versäumen der Ein-
spruchsfrist noch die Möglichkeit, gemäß § 25 Abs. 2
Nr. 1 BWO einen Wahlschein zu beantragen. Daß der
Einspruchsführer dies unterließ, heilt den Wahlfehler der
zuständigen Behörde jedoch nicht.
Das Landeseinwohneramt Berlin wird zur Vermeidung
des genannten Wahlfehlers bei künftigen Wahlen darauf
zu achten haben, daß die Mitteilung von Meldedaten an
die zuständigen Wahlämter korrekt erfolgt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41 – Drucksache 14/1560

Trotz des festgestellten Wahlfehlers kann der Wahlein-
spruch im Ergebnis keinen Erfolg haben. Nach der stän-
digen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, der sich
der Wahlprüfungsausschuß stets angeschlossen hat, kön-
nen nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch
erfolgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung
von Einfluß sind oder hätten sein können. Infolgedessen
müssen alle Verstöße von vornherein als unerheblich
ausscheiden, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren. Selbst solche Wahlfehler, die die Er-
mittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann uner-
heblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnisses
keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben können.
Dies trifft im vorliegenden Fall angesichts der deutlichen
Stimmenabstände zwischen den einzelnen Wahlbewer-
bern bzw. Parteien zu.

Der Einspruch war daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 42 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 43 – Drucksache 14/1560

Anlage 15

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 82/98 –
des Herrn Joachim Gramsch

wohnhaft: Hochkirchstraße 10, 10847 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998 an den Bun-

deswahlleiter, welches am 13. November 1998 beim
Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 Einspruch einge-
legt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor, er sei
von der Teilnahme an der Bundestagswahl ausge-
schlossen worden, weil er nicht im Wählerverzeichnis
des von ihm am Wahltag aufgesuchten Wahllokals
Grundschule Schwielowsee, Berlin-Schöneberg ein-
getragen gewesen sei. Eine Wahlbenachrichtigung
habe er zuvor nicht erhalten. Obwohl er seit dem
1. Februar 1998 unter seiner Adresse in Berlin-
Schöneberg gemeldet sei und hierüber auch eine Be-
scheinigung der Meldebehörde und seinen Reisepaß
im Wahllokal vorgelegt habe, sei ihm die Ausübung
seines Wahlrechts nach telefonischer Rücksprache
mit dem Kreiswahlleiter verwehrt worden. In einem
weiteren Telefonat mit dem Landeswahlleiter habe
ihn dieser gebeten, sich zum Hauptwahlbüro des
Kreiswahlleiters zu begeben, weil er sich bei diesem
für die Teilnahme des Einspruchsführers an der Wahl
einsetzen wolle. Der Kreiswahlleiter habe sich jedoch
über die Entscheidung des Landeswahlleiters hin-
weggesetzt.
In der Stellungnahme des Kreiswahlleiters zu diesem
Einspruch wird festgestellt, daß der Einspruchsführer
am 29. Juli 1998 rückwirkend zum 19. Juni 1998 aus
seiner Wohnung in Berlin-Schöneberg abgemeldet
worden sei.
Diese – abgemeldete – Adresse ist dieselbe, die der
Einspruchsführer auch in seinem Wahleinspruch an-
gegeben hat.
In der Stellungnahme wird weiter ausgeführt, am
16. September 1998 sei von derselben Meldestelle ein
Zuzug des Einspruchsführers ohne Anschrift einge-
geben worden, der am 7. Oktober 1998 rückgängig

gemacht worden sei. Da der Einspruchsführer am
35. Tag vor der Wahl nicht in Berlin-Schöneberg ge-
meldet gewesen sei, sei er nicht in das dortige Wäh-
lerverzeichnis eingetragen und am Wahltag nicht zur
Wahl zugelassen worden.
Im übrigen sei er anläßlich seines Erscheinens im
Bürgerbüro Schöneberg etwa einen Monat vor der
Wahl wegen der Ausstellung einer Lohnsteuerkarte
auf seine ungeklärten Meldeverhältnisse hingewiesen
worden. Er habe sich jedoch geweigert, an der Klä-
rung dieser Verhältnisse mitzuwirken.
Die Stellungnahme des Kreiswahlleiters sollte dem
Einspruchsführer mit der Gelegenheit zur Äußerung
zur Kenntnis gegeben werden. Sie ist an die vom Ein-
spruchsführer angegebene Adresse versandt worden,
die bereits Gegenstand der Auseinandersetzung mit
den Wahlbehörden gewesen ist. Die Deutsche Post
AG hat den Brief jedoch mit dem Vermerk „unbe-
kannt verzogen“ an den Bundestag zurückgesandt.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler nicht festge-
stellt werden konnte.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Bundeswahlordnung (BWO)
sind alle Wahlberechtigten von Amts wegen in das
Wählerverzeichnis einzutragen, die am 35. Tag vor der
Wahl (Stichtag) bei der Meldebehörde für eine Wohnung
gemeldet sind. Der Einspruchsführer war am Stichtag,
dem 23. August 1998, nicht in Berlin-Schöneberg für
eine Wohnung gemeldet und deshalb nicht in das dortige

Drucksache 14/1560 – 44 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wählerverzeichnis eingetragen. Er ist bereits am 29. Juli
1998 rückwirkend zum 19. Juni 1998 mit der von ihm
angegebenen Adresse aus dem Melderegister ausgetra-
gen worden. Im übrigen spricht das von der Deutschen
Post AG mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ an den
Bundestag zurückgesandte Schreiben ebenfalls dafür,
daß der Einspruchsführer unter dieser Adresse keine
Wohnung mehr innehat.
Der Umstand, daß nach seinem Vorbringen eine Adresse
in Berlin-Schöneberg in dem Reisepass des Einspruchs-
führers vermerkt ist, ist für die Eintragung in das Wäh-
lerverzeichnis unerheblich. Entscheidend sind nach der
Bundeswahlordnung allein die Daten aus dem Melde-
register der Gemeinden. Die Zurückweisung des Ein-
spruchsführers von der Wahl trotz Vorlage seines Reise-
passes und einer Meldebescheinigung entspricht somit
den geltenden Vorschriften des Wahlrechts.

Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 45 – Drucksache 14/1560

Anlage 16

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 9/98 –
des Herrn Michael Schiman c/o JVA

wohnhaft: Talfinger Str. 30, 89073 Ulm
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998, welches am

1. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag am 27. September
1998 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs gibt der Ein-
spruchsführer, der sich zur Zeit der Einlegung des
Einspruchs in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruch-
sal befand, an, er habe seinen Hauptwohnsitz in Kla-
genfurt/Österreich und besitze einen Personalausweis
der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund dessen
habe er angenommen, deutscher Staatsbürger zu sein
und dementsprechend an der Bundestagswahl teil-
nehmen zu können. Die JVA Bruchsal habe ihm aber
das Wahlrecht nicht eingeräumt. Da ihm keine Wahl-
benachrichtigung zugegangen sei, habe er sich an den
„diensttuenden Volljuristen“ der JVA letztmalig am
25. September 1998 gewandt. Dieser habe ihm nach
mehreren Telefonaten innerhalb der JVA mitgeteilt,
daß die Geschäftsstelle der JVA nicht besetzt sei und
er – der Einspruchsführer – nicht an der Bundestags-
wahl teilnehmen könne. Daraufhin habe er sich bei
anderen Gefangenen erkundigt, auf welche Weise
diese an der Wahl teilnähmen und erfahren, daß
schon seit Jahren von der Leitung der JVA kein Wert
darauf gelegt würde, daß die Gefangenen an irgend-
welchen Wahlen teilnähmen.
Nach Ansicht des Einspruchsführers ist es allgemein
bekannt, daß ca. 70 % der in Justizvollzugsanstalten
befindlichen Untersuchungshäftlinge oder Strafge-
fangene „patriotisch“ wählten. Das sei vermutlich der
Grund dafür, daß die Verantwortlichen in Baden-
Württemberg sich nicht um diese Wähler bemühten.
Der Einspruchsführer beantragt deshalb zu prüfen,
wie den Insassen von anderen Justizvollzugsanstalten
des Landes Baden-Württemberg die Teilnahme an der
Wahl ermöglicht worden sei. Bei ca. 7 000 Strafge-
fangenen würde es sich um eine enorme Anzahl von

Wählerstimmen handeln, was auch hinsichtlich der
Wahlkampfkostenrückerstattung von Relevanz sei.
Der Leiter der JVA Bruchsal hat zu dem Einspruch
folgende Stellungnahme abgegeben:
Den Strafgefangenen seien, soweit sie an der Bun-
destagswahl teilnehmen wollten, sämtliche Wahl-
unterlagen unverzüglich zugeleitet worden. Mit einem
Aushang vom 22. Juni 1998 seien die Gefangenen der
JVA auf die Durchführungsmodalitäten für die Bun-
destagswahl hingewiesen worden. Der Aushang habe
u. a. folgenden Text enthalten:
„Gefangene, die in Bruchsal ihren Hauptwohnsitz ha-
ben und polizeilich gemeldet sind, und Gefangene,
die weder in Bruchsal noch in einer anderen Gemein-
de der Bundesrepublik Deutschland einen Haupt-
wohnsitz haben, erhalten auf Anforderung die Brief-
wahlunterlagen durch die Stadt Bruchsal. Für die
Eintragung in das Wählerverzeichnis der Stadt
Bruchsal sowie die Ausstellung der Briefwahlunter-
lagen ist die Ausfüllung eines Antrages erforderlich.
Diese Anträge sind bei der Vollzugsgeschäftsstelle
erhältlich. Die Anträge müssen spätestens bis 3. Sep-
tember 1998 ausgefüllt und bei der Vollzugsge-
schäftsstelle abgegeben werden. Die Gefangenen
werden gebeten, sich mit Rapportzettel zur Vollzugs-
geschäftsstelle zu melden. Gefangene die nicht in
Bruchsal, aber in einer Gemeinde der Bundesrepublik
Deutschland ihren Hauptwohnsitz haben und polizei-
lich gemeldet sind, erhalten von dieser Gemeinde auf
Anforderung die Briefwahlunterlagen. Diese Gefan-
genen müssen die Briefwahlunterlagen bei ihrer Hei-
matgemeinde selbst beantragen.“
Der Einspruchsführer habe ausweislich der Wahl-
unterlagen der Vollzugsgeschäftsstelle der JVA
Bruchsal keine Briefwahlunterlagen bei der Stadt
Bruchsal beantragt. Schon aus dem Vortrag des Ein-
spruchsführers ergebe sich, daß dieser es unterlassen
habe, sich selbst um die Briefwahlunterlagen zu
kümmern, obwohl er von dem Aushang habe Kennt-
nis erhalten müssen. Die JVA Bruchsal habe ihm

Drucksache 14/1560 – 46 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

somit nicht die Teilnahme an der Bundestagswahl
verwehrt.
Zu der Stellungnahme, die dem Einspruchsführer be-
kanntgegeben worden ist, hat er sich nicht mehr ge-
äußert.
Des weiteren hat der Bundeswahlleiter in einem
Rundschreiben an die Landeswahlleiter vom 2. Sep-
tember 1998 darum gebeten, im Zusammenwirken
mit dem jeweiligen Justizministerium des Landes da-
für zu sorgen, daß eine ausreichende Information der
Insassen von Justizvollzugsanstalten über die Teil-
nahme an der Bundestagswahl am 27. September
1998 gewährleistet wird.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Ein Wahlfehler konnte anhand des
vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden.
Wahlberechtigt sind gemäß § 12 Abs. 1 Bundeswahl-
gesetz (BWG) alle deutschen Staatsbürger, die das acht-
zehnte Lebensjahr vollendet haben, seit mindestens drei
Monaten in der Bundesrepublik eine Wohnung innehaben
oder sich sonst gewöhnlich aufhalten und nicht nach § 13
BWG vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Für Wahlbe-
rechtigte im Vollzug gerichtlich angeordneter Freiheits-
entziehung gilt als Wohnung im Sinne des § 12 Abs. 1
Nr. 2 BWG gemäß § 12 Abs. 4 Nr. 3 BWG die Anstalt
oder die entsprechende Einrichtung. Gemäß § 16 Abs. 1
Nr. 4 Bundeswahlordnung (BWO) sind die Wahlberech-
tigten von Amts wegen in das Wählerverzeichnis einzu-
tragen, die am 35. Tag vor der Wahl (Stichtag) bei der
Meldebehörde für eine Justizvollzugsanstalt oder eine ent-
sprechende Einrichtung gemeldet sind. Sind diese Wahl-
berechtigten nicht an dem Stichtag bei der Meldebehörde
für eine Justizvollzugsanstalt gemeldet, können sie sich
gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c auf Antrag in das
Wählerverzeichnis eintragen lassen.
Der Einspruchsführer erfüllte die in § 12 Abs. 1 BWG
genannten Voraussetzungen, wobei als Wohnung im
Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 BWG für ihn die JVA
Bruchsal galt. Er war deshalb für die Bundestagswahl
wahlberechtigt. Nach seinem eigenen Vortrag war er
aber in der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich
am Stichtag weder für eine Wohnung noch für die JVA
Bruchsal bei der zuständigen Meldebehörde gemeldet, ist
deshalb nicht von Amts wegen in das Wählerverzeichnis
eingetragen worden und hat auch keine Wahlbenach-
richtigung bekommen.
Ihm blieb deshalb nur die Möglichkeit, zur Ausübung
seines Wahlrechts die Eintragung in das Wählerver-
zeichnis zu beantragen. Über die einzelnen Modalitäten

hätte er sich an dem seit dem 22. Juni 1998 in der JVA
Bruchsal für die Gefangenen veröffentlichten Aushang
informieren können. Dies hat er offensichtlich versäumt
und sich „letztmalig“ am 25. September1998, also zwei
Tage vor der Bundestagswahl, bei dem Juristen der JVA
erkundigt, warum er keine Wahlbenachtichtigung be-
kommen habe. Wann er sich erstmalig um die Ausübung
seines Wahlrechts bemüht hat, hat er nicht vorgetragen.
Am 25. September 1998 war die Frist für die Einrei-
chung des Antrages auf Eintragung in das Wählerver-
zeichnis, der gemäß § 18 Abs. 1 BWO bis spätestens
zum 21. Tag vor der Wahl bei der Gemeindebehörde
eingegangen sein muß, verstrichen. Da er diese Frist
offensichtlich verschuldet versäumt hat, war auch die
Beantragung eines selbständigen Wahlscheins gemäß
§ 25 Abs. 2 Nr. 1 BWO nicht mehr möglich. Der Ein-
spruchsführer hat die Nichtausübung seines Wahlrechts
deshalb selbst zu verschulden.
Eine Pflichtverletzung durch die JVA Bruchsal konnte
nicht festgestellt werden, weil die Gefangenen rechtzei-
tig durch Aushang über die Durchführungsmodalitäten
zur Teilnahme an der Bundestagswahl informiert worden
sind. Es lag somit in der selbständigen Entscheidung des
jeweiligen Gefangenen, sich rechtzeitig um die Voraus-
setzungen für die Ausübung ihres Wahlrechts zu bemü-
hen und die Briefwahlunterlagen anzufordern.
Der Wahlprüfungsausschuß sieht im übrigen keine Ver-
anlassung, aufgrund des Antrags des Einspruchsführers zu
überprüfen, ob und wie die Gefangenen in den anderen
Justizvollzugsanstalten von Baden-Württemberg ihr
Wahlrecht wahrnehmen konnten. Der Einspruchsführer
hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die seine Be-
hauptung stützen, es würde seitens der Verantwortlichen
der Justizvollzugsanstalten nicht in ausreichendem Maße
dafür gesorgt, daß deren Insassen ihr Wahlrecht ausüben
können. Er hat dies lediglich abstrakt behauptet. Der
Wahlprüfungsausschuß sieht sich deshalb mangels hinrei-
chend bestimmtem Anfechtungsgegenstand an einer nähe-
ren Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung findet
weder von Amts wegen statt, noch erfolgt sie stets in
Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr
erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung
nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung
muß mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substantiierte
Tatsachen enthalten (BVerfGE 40, 11, 30).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47 – Drucksache 14/1560

Anlage 17

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 20/98 –
der Frau Birgit Drescher

wohnhaft: Ludwigstraße 43, 35415 Pohlheim
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998 hat die Ein-

spruchsführerin bei ihrer Gemeindebehörde Ein-
spruch gegen die Versagung eines Wahlscheins ein-
gelegt. Dieses Schreiben wurde von dem zuständigen
Kreiswahlleiter zusammen mit einer Stellungnahme
der Gemeindebehörde an den Bundestag weitergelei-
tet.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Einspruchsführerin hatte für die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag Briefwahlunterlagen bean-
tragt. Das Wahlamt der Gemeinde bearbeitete diesen
Antrag am 17. September 1998 und sandte die Un-
terlagen sodann an die Einspruchsführerin ab. Die
Einspruchsführerin hat die Unterlagen jedoch offen-
bar nicht erhalten und wollte am Wahltag in dem für
sie zuständigen Wahllokal ihre Stimme abgeben. Dort
wurde sie jedoch vom Wahlvorstand aufgrund des im
Wählerverzeichnis enthaltenen Sperrvermerks „W“
zurückgewiesen. Sie sprach sodann um ca. 15.00 Uhr
beim Wahlamt der Gemeinde vor; dort wurde ihr je-
doch die Ausstellung eines neuen Wahlscheins ver-
sagt. Die Einspruchsführerin legte daraufhin ihren
Einspruch ein.
In ihrer Stellungnahme zu dem Vorgang hat die Ge-
meindebehörde ausgeführt, der Einspruchsführerin sei
am Wahltag erklärt worden, daß ihr gemäß § 28
Abs. 10 der Bundeswahlordnung (BWO) ein neuer
Wahlschein hätte ausgestellt werden können, wenn
sie bis zum Tag vor der Wahl, 12.00 Uhr, glaubhaft
versichert gehabt hätte, daß ihr kein Wahlschein zu-
gegangen sei. Diese Frist sei jedoch zum Zeitpunkt
der Vorsprache beim Wahlamt bereits abgelaufen
gewesen. Durch die Nichteinhaltung der Frist sei es
dem Wahlamt nicht möglich gewesen, vor Wahlbe-
ginn den mit den Briefwahlunterlagen zugestellten
Wahlschein für ungültig zu erklären.
Die Stellungnahme der Gemeindebehörde wurde der
Einspruchsführerin zur Kenntnis gegeben.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Vorgang läßt einen Wahlfehler der Gemeindebe-
hörde nicht erkennen. Vielmehr wandte sie das geltende
Recht korrekt an und versagte der Einspruchsführerin auf
der Grundlage des § 28 Abs. 10 BWO zu Recht die er-
neute Ausstellung eines Wahlscheins. Die in dieser Vor-
schrift festgelegte Frist war zum Zeitpunkt der Vorspra-
che beim Wahlamt bereits verstrichen, so daß ein neuer
Wahlschein nicht mehr ausgestellt werden durfte.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 48 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 49 – Drucksache 14/1560

Anlage 18

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 29/98 –
des Herrn Dr. Walter-Harm Duve

wohnhaft: Mars-la-Tour-Straße 12, 30175 Hannover
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 1. Oktober und 10. Novem-

ber 1998 hat der Einspruchsführer die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998 an-
gefochten. In der Begründung seines Wahleinspruchs
beanstandet er die Anknüpfung der formellen Wahl-
berechtigung an das Melderecht und behauptet eine
unzureichende Führung der Meldeunterlagen durch
die Einwohnermeldeämter. Der Einspruchsführer
meint, die Teilnahme an der Wahl setze die Übersen-
dung einer Wahlbenachrichtigung an die Wahlbe-
rechtigten voraus. Eine statistisch nicht zu vernach-
lässigende Anzahl von Wahlberechtigten könne des-
halb ihr Wahlrecht nicht ausüben, weil sie keine
Wahlbenachrichtigung erhalte. Dies seien Personen,
die von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet
würden, Personen, die sich nicht ordnungsgemäß ab-
und angemeldet hätten, Personen, deren Briefkasten
der städtische Zusteller nicht finden könne und Per-
sonen, deren Briefkästen nicht beschriftet seien. Da-
durch werde die Wahl in eine bestimmte Richtung
beeinflußt. Es sei davon auszugehen, daß ordentliche
Bürger ihrer Meldepflicht ordentlich nachkämen.
Diejenigen, die das nicht täten, würden einer be-
stimmten Einkommens- bzw. Sozialschicht angehö-
ren, die auch bestimmte Parteien bevorzuge.
Der Einspruchsführer hat – auch auf eine entspre-
chenden Nachfrage seitens des Wahlprüfungsaus-
schusses – keine konkreten Fälle für die von ihm
behaupteten Mängel vorgetragen. Es sei nicht seine
Sache, Personen zu benennen, die bei den Einwoh-
nermeldeämtern „bereinigt“ würden. Selbst wenn er
solche Personen kennen würde, dürfte er sie wegen
des Datenschutzes nicht mitteilen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gem. § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers läßt einen Wahlfehler nicht erkennen, denn dieser
geht in der Begründung seines Wahleinspruchs von fal-
schen Voraussetzungen aus.
Die Zusendung einer Wahlbenachrichtigung ist nicht die
Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts. Nach
§ 14 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) hängt die
formelle Wahlberechtigung vielmehr davon ab, ob
jemand in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist oder
einen Wahlschein hat. Dabei besteht zwar insofern eine
Anknüpfung an das Melderecht, als die Gemeinden von
Amts wegen all diejenigen Personen in das Wählerver-
zeichnis einzutragen haben, die am 35. Tag vor der Wahl
bei der Meldebehörde gemeldet sind (§ 16 Abs. 1 der
Bundeswahlordnung – BWO). Diesen Personen wird
auch eine Wahlbenachrichtigung zugesandt (§ 19 BWO).
Dies bedeutet aber nicht, daß die nicht gemeldeten Per-
sonen oder diejenigen, denen die Wahlbenachrichtigung
nicht zugestellt werden kann, vom Wahlrecht ausge-
schlossen wären. Sie müssen sich lediglich selbst um die
Voraussetzungen zur Ausübung ihres Wahlrechts bemü-
hen.
Soweit es nur an der Zustellung einer Wahlbenach-
richtigung fehlt, kann u. U. bereits eine einfache
Nachfrage bei der zuständigen Gemeindebehörde für
Abhilfe sorgen. Im übrigen ist die Vorlage der Wahl-
benachrichtigung für die Stimmabgabe im Wahllokal
nicht unbedingt erforderlich. Sofern er im Wählerver-
zeichnis eingetragen ist, kann der Wähler sich auch
mit seinem Personalausweis oder einem sonstigen
amtlichen Papier über seine Person ausweisen (vgl.
§ 56 Abs. 3 BWO).
Aber auch wenn ein Wahlberechtigter nicht von Amts
wegen in das – auf der Grundlage der Melderegister
zu erstellende – Wählerverzeichnis eingetragen wird,
bedeutet dies nicht den Ausschluß vom Wahlrecht.

Drucksache 14/1560 – 50 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Die Bundeswahlordnung sieht insoweit die Eintragung
in das Wählerverzeichnis auf Antrag (§ 16 Abs. 2
BWO) und den Einspruch gegen unrichtige oder un-
vollständige Wählerverzeichnisse (§ 22 BWO) vor.
Die Wählerverzeichnisse sind gemäß § 17 Abs. 1
Satz 2 BWG an den Werktagen vom zwanzigsten bis
zum sechzehnten Tag vor der Wahl öffentlich auszu-
legen, so daß jeder Wahlberechtigte sich von deren
Richtigkeit überzeugen bzw. im Falle der Unrichtig-
keit Einwendungen geltend machen kann. Darüber
hinaus bestimmt § 17 Abs. 2 BWG, daß Wahlberech-
tigte, die aus einem nicht von ihnen zu vertretenden
Grund nicht in das Wählerverzeichnis aufgenommen
worden sind, auf Antrag einen Wahlschein erhalten;
näheres hierzu regelt § 25 BWO.

Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 51 – Drucksache 14/1560

Anlage 19

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 37/98 –
des Herrn Alexander Tauer

wohnhaft: Auf der Schlicht 3a, 65239 Hochheim am Main
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1998, welches am

13. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt der Ein-
spruchsführer vor, seinem Großvater, der zum Zeit-
punkt der Bundestagswahl fast 85 Jahre alt gewesen
sei, sei am Wahltag von dem zuständigen Wahlleiter
die Ausstellung eines Wahlscheines verweigert und
somit sei dieser in seinem demokratischen Wahlrecht
behindert worden. Der genaue Tathergang habe sich
wie folgt abgespielt:
Am Wahlsonntag habe sein Großvater, der an einer
Herzkrankheit leide, einen „Krankheitsschub“ gehabt,
so daß er das Wahllokal nicht habe aufsuchen kön-
nen. Er – der Einspruchsführer – sei deshalb mit der
Wahlbenachrichtigungskarte und einer Vollmacht
seines Großvaters in dem Wahllokal erschienen, um
die Briefwahlunterlagen für seinen Großvater zu
holen. Die drei Wahlhelfer des Wahllokals seien da-
mit einverstanden gewesen, hätten ihn aber zu dem
zuständigen Wahlleiter in das Rathaus geschickt, um
dessen Zustimmung einzuholen und die Unterlagen
dort abzuholen. Der Wahlleiter habe ihm jedoch mit-
geteilt, daß er laut Gesetz die Wahlunterlagen nur bei
Vorlage eines ärztlichen Attests aushändigen könne,
weil er an der Richtigkeit der Angaben des Ein-
spruchsführers zweifele. Er habe außerdem darauf
hingewiesen, daß eine Person in diesem Alter und mit
dieser Krankheit doch gleich die Briefwahl hätte be-
antragen sollen.
Der Einspruchsführer wendet sich gegen diese Aus-
sage des Wahlleiters, die sich seiner Ansicht nach
nicht mit Moral und Ethik vereinbaren läßt. Es sei
außerdem unvertretbar, die Ausübung seines demo-
kratisches Wahlrechts an die Erbringung einer zu
bezahlenden Leistung in Form eines Attests zu knüp-
fen.

Des weiteren beruft sich der Einspruchsführer auf ei-
nen Beschluß des Bundestages, der sich auf einen
ähnlichen Fall beziehe (Drucksache 11/7209, Anla-
ge 8). Der Einspruchsführer zitiert die Gründe aus der
genannten Entscheidung des Bundestages, wonach an
den Nachweis einer plötzlichen Erkrankung nicht zu
strenge Maßstäbe angelegt werden dürften. Aufgrund
dessen, daß er den Weg zum Wahllokal und zum
Rathaus am Wahltag auf sich genommen habe, hätte
davon ausgegangen werden können, daß die plötzli-
che Erkrankung des Großvaters tatsächlich eingetre-
ten sei. Aus der Begründung des Bundestages in dem
ähnlich gelagerten Fall folgert der Einspruchsführer,
daß in seinem Fall eindeutig ein Wahlfehler vorliege,
der jedoch mangels Erheblichkeit keinen Erfolg ha-
ben werde. Er bittet dennoch darum, die nötigen Kon-
sequenzen aus dem Vorfall zu ziehen.
Auf Nachfrage des Sekretariats des Wahlprüfungs-
ausschusses hat der Einspruchsführer mit Schreiben
vom 29. Oktober 1998 bestätigt, daß er einen förmli-
chen Wahleinspruch einlegen wollte.
Der Kreiswahlleiter hat in seiner Stellungnahme zu
dem Einspruch auf ein Schreiben des Leiters des
Wahlamtes der Stadt Hochheim Bezug genommen, in
dem dieser folgendes mitgeteilt hat:
1. Anträge auf Erteilung von Wahlscheinen im Rah-

men von § 27 Abs. 4 Satz 3 Bundeswahlordnung
(BWO) würden generell nicht von der Vorlage ei-
nes ärztlichen Nachweises abhängig gemacht. Es
genüge, wenn die plötzliche Erkrankung eines
Wahlberechtigten glaubhaft gemacht werde.

2. Der Einspruchsführer habe während eines etwa
vierminütigen Gespräches im Hochheimer Rat-
haus die plötzliche Erkrankung seines Großvaters
nicht glaubhaft gemacht. Nachfragen hätten erge-
ben, daß der Großvater seit mehreren Tagen bett-
lägerig gewesen sei und der behandelnde Arzt be-
reits eine Woche vorher dem Großvater und den
Angehörigen mitgeteilt habe, daß er nicht zum
Wahllokal gehen könne. Der Einspruchsführer

Drucksache 14/1560 – 52 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

habe auch keine weiteren Hinweise für das Vor-
liegen der gesetzlichen Möglichkeiten zur Aus-
stellung eines Wahlscheines geliefert.

3. Die Behauptung des Einspruchsführers, man habe
zum Nachweis der Erkrankung des Großvaters die
Vorlage eines ärztlichen Attests verlangt, sei
falsch. Anstatt bei dem Gespräch im Rathaus
durch sachliche Schilderung die plötzliche Er-
krankung des Großvaters glaubhaft zu machen,
habe der Einspruchsführer bewußt provozieren
und die Konfrontation suchen wollen.

4. Der Einspruchsführer versuche, den Fall seines
Großvaters so aufzubauen, wie er dies der zitierten
Entscheidung des Bundestages aus dem Jahr 1989
entnommen habe.

Nach Ansicht des Kreiswahlleiters kann man bei die-
ser Sachverhaltsdarstellung eher von einer langfristi-
gen Erkrankung ausgehen. Ein Zeuge sei bei dem be-
sagten Gespräch nicht zugegen gewesen, so daß Aus-
sage gegen Aussage stehe. Er vermute ebenfalls, daß
der Einspruchsführer sich an dem von ihm zitierten
Beschluß des Bundestages orientiere, der ihm beim
Abfassen seiner Beschwerde vorgelegen habe. Die
Angaben des Walhlamtsleiters der Stadt Hochheim
zweifele er nicht an.
Zu der Stellungnahme, die dem Einspruchsführer be-
kanntgegeben worden ist, hat dieser folgende Erklä-
rung abgegeben:
Der Wahlamtsleiter habe entgegen der Aussage in der
Stellungnahme von ihm am Wahltag ein Attest von
dem behandelnden Arzt des Großvaters verlangt. Der
Gesundheitszustand des Großvaters sei zu Wochen-
beginn vor dem Wahlsonntag sehr gut gewesen, so
daß der Arzt den Wahlgang für möglich gehalten ha-
be und nur bei einer dramatischen Verschlechterung
davon abgeraten habe, die aber im Laufe der Woche
nicht eingetreten sei. Erst in der Nacht zum Wahl-
sonntag habe sich der Gesundheitszustand des Groß-
vaters plötzlich drastisch verschlechtert, so daß er
sein Bett nicht habe verlassen können. Im übrigen ha-
be es ihm ferngelegen, den Wahlamtsleiter zu provo-
zieren, wie dieser behauptet. Er weise diese Anschul-
digungen strikt von sich, denn er habe lediglich die
Wahlunterlagen für seinen Großvater abholen wollen.
Die Zitate aus dem damaligen Beschluß des Bundes-
tages habe er bewußt in seine Einspruchsschrift über-
nommen, weil er sich wegen der Identität der Ge-
schehnisse an diesem Fall orientiert habe. Dies halte
er nicht für verwerflich. Der einzige Unterschied zu
dem damaligen Fall sei das Gespräch, welches er im
Rathaus geführt habe.
Der Einspruchsführer bittet deshalb nochmals, die
Geschehnisse am Wahltag als Wahlfehler zu rügen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Selbst wenn ein Wahlfehler vor-
läge, könnte dieser mangels Mandatsrelevanz dem Ein-
spruch nicht zum Erfolg verhelfen.
Wenn ein in das Wählerverzeichnis eingetragener Wahl-
berechtigter infolge Krankheit den Wahlraum nicht oder
nur unter nicht zumutbaren Schwierigkeiten aufsuchen
kann, erhält er auf Antrag spätestens bis zum zweiten
Tag vor der Wahl, 18.00 Uhr einen Wahlschein (§ 25
Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 27 Abs. 4 Satz 1 BWO).
Ausnahmsweise kann gemäß § 27 Abs. 4 Satz 3 BWO
ein Wahlschein noch bis 15.00 Uhr am Wahltag bean-
tragt werden, wenn bei nachgewiesener plötzlicher Er-
krankung der Wahlraum nicht oder nur unter nicht zu-
mutbaren Schwierigkeiten aufgesucht werden kann. Der
Wahlberechtigte oder ein Angehöriger muß die plötzli-
che Erkrankung nachweisen, wobei die Vorlage eines
ärztlichen Attests ausreichend aber nicht unbedingt er-
forderlich ist. Die Gemeindebehörde hat in diesem Fall
nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, ob
die plötzliche Erkrankung glaubhaft gemacht worden ist,
wobei an den Nachweis nicht zu strenge Maßstäbe an-
gelegt werden dürfen, aber auch nicht die bloße Be-
hauptung, der Wahlberechtigte sei plötzlich erkrankt,
ausreichen kann (vgl. hierzu die bereits vom Einspruchs-
führer zitierte Entscheidung des Bundestages, Drucksa-
che 11/7209, Anlage 8).
Wegen widersprechender Aussagen des Kreiswahlleiters
bzw. des Leiters des Wahlamtes der Stadt Hochheim ei-
nerseits und des Einspruchsführers andererseits konnte
nicht mit wahlrechtsrelevanter Sicherheit festgestellt
werden, ob der Großvater tatsächlich bereits seit einigen
Tagen oder erst in der Nacht zum Wahltag akut erkrankt
war und dementsprechend die Voraussetzungen für die
Ausnahme gemäß § 27 Abs. 4 Satz 3 BWO erfüllt wa-
ren.
Wäre der Großvater erst in der Nacht zum Wahlsonntag
erkrankt, hätte ihm noch am Wahltag bis 15.00 Uhr bei
entsprechender Glaubhaftmachung der Erkrankung ein
Wahlschein ausgestellt werden können. Die Verweige-
rung der Ausstellung des Wahlscheines trotz Glaubhaft-
machung der Erkrankung wäre ein Wahlfehler. Man
kann jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausge-
hen, daß die plötzliche Erkrankung eingetreten ist, wenn
sich ein Angehöriger – wie hier der Einspruchsführer –
die Mühe macht, noch am Wahltag das Wahllokal und
das Rathaus aufzusuchen, um die Briefwahlunterlagen
für die erkrankte Person rechtzeitig zu erhalten (vgl. die
oben zitierten Entscheidung, Drucksache 11/7209, Anla-
ge 8).
Sollten jedoch andere Erkenntnisse über eine bereits län-
ger andauernde Erkrankung des Wahlberechtigten vor-
liegen, wären die Voraussetzungen für die Ausstellung
eines Wahlscheines ausnahmsweise noch am Wahltag
nicht erfüllt. Dies ist im vorliegenden Fall vom Leiter
des Wahlamtes der Stadt Hochheim am Main behauptet
worden. Danach sei nach Aussage des behandelnden

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 53 – Drucksache 14/1560

Arztes seit einigen Tagen absehbar gewesen, daß der
wahlberechtigte Großvater des Einspruchsführers krank-
heitsbedingt am Wahltag das Wahllokal nicht persönlich
aufsuchen könne. In diesem Fall wäre die Entscheidung
des Wahlamtsleiters richtig gewesen, weil die oben ge-
nannte Ausschlußfrist am 25. September 1998 um 18.00
Uhr abgelaufen war.
Letztlich kommt es auf die Frage, ob tatsächlich ein
Wahlfehler begangen worden ist, im vorliegenden Fall
nicht an, weil dieser dem Einspruch nicht zum Erfolg
verhelfen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungs-
ausschuß stets angeschlossen hat, können nämlich nur
solche Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich be-
gründen können, die auf die Mandatsverteilung von
Einfluß sind oder hätten sein können. Infolgedessen
scheiden alle Verstöße von vornherein als unerheblich
aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berüh-

ren (seit BVerfGE 4, 370, [372] ständige Rechtspre-
chung).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 54 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 55 – Drucksache 14/1560

Anlage 20

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 66/98 –
des Herrn Anjo Berz

wohnhaft: Zähringerstr. 24, 10707 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 6. Oktober 1998 an die Stadt

Stadthagen, das am 4. November 1998 beim Deut-
schen Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor, er habe aufgrund der
unabgestimmten Vorgehensweise einer Mitarbeiterin
der Stadt Stadthagen keine Wahlbenachrichtigungs-
karte erhalten und sei dadurch seines Wahlrechts „be-
raubt“ worden. Da der Wahltag in seinen Urlaub ge-
fallen sei, habe er das Briefwahlverfahren nutzen
wollen. Anstatt der erwarteten Wahlbenachrichtigung
habe er am 10. September 1998 von der Stadt Stadt-
hagen die Aufforderung erhalten, seinen Stadthagener
Wohnsitz spätestens bis zum 10. September 1998 ab-
zumelden. Da er zunächst von einem Mißverständnis
ausgegangen sei, habe er am nächsten Tag versucht,
den Sachverhalt telefonisch zu klären. Trotz mehrfa-
cher Versuche habe er jedoch keinen Gesprächspart-
ner erreicht. Er habe dann unverrichteter Dinge sei-
nen Urlaub angetreten. Nach seiner Rückkehr habe er
festgestellt, daß ihm zwischenzeitlich eine „zweite
Aufforderung zur Erfüllung der Meldepflicht“, der
ein Auszug aus dem Niedersächsischen Meldegesetz
(NMG) sowie ein Abmeldeformular beigefügt waren,
zugeschickt worden war.
Zur näheren Erläuterung trägt der Einspruchsführer
vor, er sei beruflich nach Berlin gewechselt. Wie lan-
ge er dort tätig sein werde, stehe aber noch nicht fest.
Er bewohne nach wie vor mit seiner Verlobten die
gemeinsame Stadthagener Wohnung, und zwar mit
erstem Wohnsitz. Seine Berliner Wohnung nutze er
während der Woche als zweiten Wohnsitz. Damit er
schneller über seine Post verfügen könne, habe er bei
der Deutschen Post AG einen auf sechs Monate befri-
steten Nachsendeantrag gestellt. Diese Situation der
klassischen doppelten Haushaltsführung werde vom
Gesetzgeber nicht nur geduldet, sondern für einen
Zeitraum von zwei Jahren sogar ausdrücklich durch

steuerliche Vergünstigungen gefördert. Nach § 9
NMG müsse er sich nur dann bei der Meldebehörde
abmelden, wenn er aus einer Wohnung ausziehe. Er
begehe nach § 37 NMG sogar eine Ordnungswidrig-
keit, wenn er sich abmelde, ohne aus einer Wohnung
auszuziehen. Das habe er selbstverständlich nicht vor.
Seines Erachtens könne es nicht angehen, daß eine
Behörde bzw. sogar eine einzelne Sachbearbeiterin
darüber entscheiden könne, wer an einer Wahl teil-
nehmen darf und wer nicht.
Zu diesem Wahleinspruch hat der zuständige Kreis-
wahlleiter wie folgt Stellung genommen:
Der Einspruchsführer sei gemäß den bestehenden
Meldeunterlagen in das Wählerverzeichnis der Stadt
Stadthagen im Wahlkreis 34 Nienburg-Schaumburg
aufgenommen worden. Das Wählerverzeichnis habe
in der Zeit vom 7. bis zum 11. September 1998 wäh-
rend der Dienststunden im Rathaus zur Einsicht aus-
gelegen. Die Bekanntmachung hierzu sei ortsüblich in
den Zeitungen und an den vorhandenen Anschlagta-
feln erfolgt. Die Wahlbenachrichtigungskarte sei dem
Einspruchsführer ordnungsgemäß an seine Stadtha-
gener Adresse übersandt worden. Diese Wahlbenach-
richtigungskarte sei von der Deutschen Post AG auf-
grund des Vermerkes „Nicht nachsenden, bitte mit
neuer Anschrift zurück! Wenn unzustellbar, zurück“
mit Angabe der Berliner Anschrift des Einspruchs-
führers zurückgegeben worden. Die Rücksendung der
Wahlbenachrichtigungskarte mit neuer Anschrift des
Einspruchsführers habe eine Klärung seines melde-
rechtlichen Statusses erfordert. Mit Schreiben vom
1. September und 21. September 1998 sei der Ein-
spruchsführer unter seiner Berliner Anschrift auf den
Sachverhalt hingewiesen und gebeten worden, die
Veränderung des Wohnsitzes mitzuteilen. Aufgrund
der noch unklaren Sachlage sei der Einspruchsführer
nicht aus dem Wählerverzeichnis der Stadt Stadtha-
gen gestrichen worden, sein Wahlrecht sei weiterhin
uneingeschränkt gegeben gewesen. Erst mit dem
Wahleinspruch habe der Einspruchsführer den Sach-
verhalt dargestellt.

Drucksache 14/1560 – 56 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Im Rahmen der melderechtlichen Ermittlungen sei
festgestellt worden, daß der Einspruchsführer bei der
Deutschen Post AG einen Nachsendeantrag für sechs
Monate wegen Umzugs gestellt hatte. Aufgrund die-
ses Tatbestandes sei bereits von einem Umzug auszu-
gehen. Mit der Unterschrift auf dem Antrag habe der
Einspruchsführer bereits eindeutig eingewilligt, daß
diese Anschriftenänderung an Dritte weitergegeben
wird, damit möglichst viele zukünftige Postsendun-
gen sofort die neue Anschrift erhalten.
Der Kreiswahlleiter hält die Nutzung des Nachsende-
antrages wegen Umzugs bei einer „klassischen dop-
pelten Haushaltsführung“ für sehr fragwürdig, da der
von der Deutschen Post AG verwendete Vordruck nur
zwei Lebenssituationen zulasse:
1. die Nachsendung für sechs Monate wegen Um-

zugs und
2. die Nachsendung wegen vorübergehender Abwe-

senheit.
Da nach eigenem Bekunden des Einspruchsführers
dessen Verlobte weiterhin in der Stadthagener Woh-
nung wohne, hätte diese die Post zu eigenen Lasten
nachsenden müssen.
Der Verweis des Einspruchsführers auf die §§ 9 und
37 NMG sei nur teilweise berechtigt. Da er aus seiner
Wohnung in Stadthagen nicht ausgezogen sei, greife
der Tatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 1 NMG tatsäch-
lich nicht. Die Meldepflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1
NMG gelte jedoch nicht nur für den Bezug einer
Haupt-, sondern auch jeder weiteren Nebenwohnung.
Von dieser Meldepflicht sei nach § 17 Abs. 1 NMG
nur befreit, wer in der Bundesrepublik Deutschland
gemeldet sei und für einen nicht länger als zwei Mo-
nate dauernden Aufenthalt eine weitere Wohnung be-
ziehe. Da er einen Nachsendeantrag für zunächst
sechs Monate gestellt habe, hätte er sich aufgrund des
Bezuges einer Nebenwohnung in Berlin auch bei der
dortigen Meldebehörde anmelden müssen, wenn sein
Aufenthalt dort länger als zwei Monate dauert. Die
Tatbestände der von der Stadt Stadthagen angewand-
ten Paragraphen des Niedersächsischen Meldegeset-
zes fänden sich inhaltsgleich auch in dem Gesetz über
das Meldewesen in Berlin.
Zu den Einwendungen des Einspruchsführers, er habe
am 11. September 1998 mehrfach versucht, die zu-
ständige Sachbearbeiterin telefonisch zu erreichen,
stellt der Kreiswahlleiter fest, daß das Meldeamt,
welches in der Wahlzeit zugleich Wahlbüro gewesen
sei, ständig mit Personal besetzt gewesen sei und ein
telefonisches Nichterreichen von der Stadt Stadthagen
ausgeschlossen werde. Zudem hätte der Einspruchs-
führer die Möglichkeit gehabt, den Sachverhalt noch
rechtzeitig aufzuklären.
Aus der Sicht des Kreiswahlleiters war das Verhalten
der Stadt Stadthagen deshalb rechtmäßig und nicht zu
beanstanden.
Der Einspruchsführer hat sich zu dieser Stellung-
nahme, die ihm bekanntgegeben worden ist, nicht
mehr geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler aufgrund des
vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden
konnte.
Der Einspruchsführer wurde gemäß § 16 Abs. 1 Bun-
deswahlordnung (BWO) von Amts wegen in das für ihn
zuständige Wählerverzeichnis eingetragen, weil er am
Stichtag (23. August 1998 = 35. Tag vor der Wahl) unter
seiner Anschrift in Stadthagen mit Hauptwohnsitz ge-
meldet war. Er wurde hierüber gemäß § 19 Abs. 1 BWO
mit einer Wahlbenachrichtigungskarte, die dem Muster
der Anlage 3 der BWO entsprach, informiert. Dieses
Muster enthält über dem vorgesehenen Feld für die An-
schrift den ausdrücklichen Hinweis „Wenn unzustellbar,
zurück. Wenn Empfänger verzogen, bitte mit neuer An-
schrift zurück.“ Dementsprechend hat die Deutsche Post
AG die Wahlbenachrichtigungskarte des Einspruchsfüh-
rers mit der von ihm angegebenen Berliner Anschrift an
die Stadt Stadthagen zurückgesandt.
Die Nichtnachsendung der Wahlbenachrichtigungskarte
an die neue Anschrift des Einspruchsführers trotz eines
bestehenden Nachsendeauftrages entsprach somit den
geltenden Bestimmungen.
Im übrigen ist die Zusendung einer Wahlbenachrichti-
gung nicht Voraussetzung für die Ausübung des Wahl-
rechts. Nach § 14 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) hängt die formelle Wahlberechtigung vielmehr
davon ab, ob jemand in ein Wählerverzeichnis eingetra-
gen ist oder einen Wahlschein hat. Dies war im vorlie-
genden Fall gegeben, weil die Stadt Stadthagen den Ein-
spruchsführer mangels anderer gesicherter Erkenntnisse
über dessen Meldestatus nicht aus dem Wählerverzeich-
nis gestrichen hat.
Da dementsprechend der Einspruchsführer in Stadthagen
nach wie vor formell wahlberechtigt war und die Vor-
lage der Wahlbenachrichtigung für die Stimmabgabe im
Wahllokal nicht unbedingt erforderlich ist, hätte der Ein-
spruchsführer am Wahltag durch Vorlage seines Perso-
nalausweises oder eines sonstigen amtlichen Papiers in
dem für ihn zuständigen Wahllokal in Stadthagen sein
Wahlrecht ausüben können (vgl. § 56 Abs. 3 BWO).
Weiterhin hätte der Einspruchsführer, weil er sich am
Wahltag aus wichtigem Grund (hier Urlaub) außerhalb
seines Wahlbezirkes aufhielt, gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1
BWO durch Beantragung eines Wahlscheins mittels
Briefwahl sein Wahlrecht ausüben können. Für die Be-
antragung eines Wahlscheins ist ebenfalls keine Wahl-
benachrichtigung notwendig. Der Antragsteller muß
lediglich in das Wählerverzeichnis eingetragen sein. Der

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 57 – Drucksache 14/1560

Antrag kann schriftlich, auch mittels Telegramm, Fern-
schreiben oder Fernkopie, oder mündlich bei der zustän-
digen Gemeindebehörde gestellt werden (§ 27 Abs. 1
BWO).
Aufgrund des bestehenden Nachsendeauftrages an die
Berliner Adresse des Einspruchsführers hatte die Stadt
Stadthagen Grund zu der Annahme, es habe sich an des-
sen melderechtlichen Status etwas geändert, weshalb sie
ihn um Mitteilung der Veränderung seines Wohnsitzes
bat. Der Einspruchsführer hat daraufhin nach eigenem
Vorbringen lediglich telefonisch am 11. September 1998
versucht, die Angelegenheit zu klären. Obwohl ihm dies
nicht gelang, trat er seinen Urlaub an, ohne die Stadt
Stadthagen auf andere Weise, z. B. schriftlich oder per
Telefax zu informieren. Auch auf die zweite schriftliche
Aufforderung der Stadt Stadthagen vom 21. September
1998 hat er nicht sofort reagiert, sondern erst am 6. Ok-
tober 1998 seinen Einspruch gegen die Bundestagswahl
eingelegt.
Im Falle des Einspruchsführers hätte dieser gemäß § 11
Abs. 1 i.V.m. § 17 des Gesetzes über das Meldewesen in
Berlin (Berliner Meldegesetz) innerhalb einer Woche
nach Bezug seiner Berliner Wohnung diese bei der Mel-
debehörde als Nebenwohnung anmelden müssen. Die
Berliner Meldebehörde hätte dann die Meldebehörde in
Stadthagen über die angemeldete Nebenwohnung infor-
miert (vgl. § 17 Melderechtsrahmengesetz). Da weder
der Einspruchsführer die Anmeldung der Berliner Woh-
nung als Nebenwohnung vorgetragen hat, noch die Stadt
Stadthagen von der Berliner Meldebehörde über die er-
folgte Anmeldung informiert worden ist, ist davon aus-

zugehen, daß der Einspruchsführer die Anmeldung ver-
säumt hat. Bei ordnungsgemäßer Anmeldung hätten die
Unklarheiten über den Meldestatus des Einspruchsfüh-
rers bei der Stadt Stadthagen vermieden werden können,
ansonsten hätte sich jedoch für den Einspruchsführer
bezüglich der Ausübung seines Wahlrechts nichts geän-
dert.
Von einem Wahlberechtigten, der ein Interesse an der
Ausübung seines Wahlrechts hat, kann man über einige
Telefonversuche hinaus ein gewisses Maß an Eigen-
initiative verlangen. Da der Einspruchsführer weder sei-
nen Meldepflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist
noch die Möglichkeiten für die Ausübung seines Wahl-
rechts ausgeschöpft hat, ist ihm die Nichtteilnahme an
der Bundestagswahl selbst zuzurechnen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 58 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 59 – Drucksache 14/1560

Anlage 21

Beschluß

In der Wahlanfrechtungssache – Az: WP 72/98 –
des Herrn Dr. Eberhard Wohlfahrt-Fischbergg
wohnhaft: Burgstall 1, 87487 Wiggensbach

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
vom 27. September 1998

hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. November 1998, das am

9. November 1998 beim Deutschen Bundestag ein-
gegangen ist, hat der Einspruchsführer gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
Einspruch eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor, die Wahlbenachrichti-
gungskarte sei ihm nicht rechtzeitig zugegangen. Er
sei zwar im Wählerverzeichnis eingetragen gewesen,
habe aber bis Freitag, dem 11. September 1998, – also
zwei Wochen vor der Bundestagswahl – noch keine
Wahlbenachrichtigungskarte zugeschickt bekommen.
Im Gegensatz zu seiner Frau, die ihre Wahlbenach-
richtigungskarte mehr als drei Wochen vor der Bun-
destagswahl aus München erhalten habe, habe er die
Briefwahlunterlagen wegen Fehlens der Wahlbenach-
richtigungskarte nicht durch Dritte abholen lassen
und mittels Briefwahl wählen können. Nach Rück-
kehr aus dem Ausland im Oktober habe er dann die
Wahlbenachrichtigungskarte vorgefunden. Daraufhin
habe er die Kommunalaufsicht des Landratsamtes
Oberallgäu um Aufklärung gebeten, warum er die
Wahlbenachrichtigungskarte nicht rechtzeitig erhalten
habe. Eine Antwort auf seine Fragen habe er bisher
nicht erhalten.
Des weiteren behauptet der Einspruchsführer, es stehe
fest, daß der Markt Wiggensbach die Wahlbenach-
richtigungskarten für 3 287 Wahlberechtigte durch
Boten habe austragen lassen, möglicherweise sogar
durch einen einzigen Boten. Dies habe zu einer mas-
siven Verzögerung der Zustellung der Wahlbenach-
richtigungskarten geführt mit der Folge, daß mög-
licherweise auch in weiteren Fällen, vom Wahlrecht
kein Gebrauch gemacht werden konnte.
Mit Schreiben vom 19. November 1998 hat das Land-
ratsamt Oberallgäu zu dem Einspruch folgenden
Sachverhalt mitgeteilt:
Der Einspruchsführer sei im Wählerverzeichnis für
die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag als Wahlbe-

rechtigter eingetragen gewesen. Am 11. September
1998, kurz vor 12.00 Uhr, habe er sich telefonisch
beim Markt Wiggensbach gemeldet und mitgeteilt,
daß er keine Wahlbenachrichtigungskarte erhalten
habe. Da er sich ab 12. September 1998 für längere
Zeit im Ausland aufhalte, könne er nicht an der Bun-
destagswahl teilnehmen. Der Gemeindewahlleiter des
Marktes Wiggensbach habe dem Einspruchsführer
erklärt, daß er noch bis 18.00 Uhr des gleichen Tages
Briefwahlunterlagen beantragen und erhalten könne.
Dieser habe daraufhin verlangt, ihm die Briefwahl-
unterlagen zuzustellen, da er sie mangels einer Fahr-
gelegenheit nicht abholen könne. Aus reinem Entge-
genkommen habe ein Mitarbeiter der Gemeindever-
waltung um 12.15 Uhr sowohl eine Ersatz-
Wahlbenachrichtigung mit dem vorbereiteten Antrag
zur Ausstellung von Briefwahlunterlagen als auch die
Briefwahlunterlagen selbst mit einem ausgestellten
Wahlschein zum Anwesen des Einspruchsführers ge-
bracht. Da ihm jedoch auf mehrfaches Klingeln nicht
geöffnet worden sei, seien die Unterlagen in der bis
um 18.00 Uhr geöffneten Gemeindeverwaltung zur
Abholung bereitgehalten worden. Der Einspruchs-
führer habe sich am gleichen Tage nicht mehr ge-
meldet.
Zu dem Vorbringen des Einspruchsführers, die späte
Zustellung der Wahlbenachrichtigungskarten sei
wahrscheinlich auf die Botenaustragung zurückzufüh-
ren, hat der Markt Wiggensbach mitgeteilt, die Wahl-
benachrichtigungskarten hätten nach § 19 Bundes-
wahlordnung (BWO) bis spätestens 6. September
1998 zugestellt werden müssen. Die Zustellung sei
größtenteils durch einen Boten erfolgt. Am 1. Sep-
tember 1998 habe er die Zustellungen abgerechnet
und 33 Wahlbenachrichtigungskarten für entlegenere
Ortsteile zur Postzustellung übergeben. Bei diesen
33 Karten habe sich auch die des Einspruchsführers
befunden. Sie seien am gleichen Tag zur Post gege-
ben worden. Damit seien die Wahlbenachrichti-
gungskarten rechtzeitig vor dem 6. September 1998
zugestellt worden.

Drucksache 14/1560 – 60 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Nach den Angaben der Gemeinde erfolgte die Be-
kanntmachung über die Auslegung des Wählerver-
zeichnisses und die Erteilung von Wahlscheinen ge-
mäß § 20 BWO am 28. August 1998 durch Aushang
sowie durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Ge-
meinde Wiggensbach, dem Wochenblatt.
Die Stellungnahme des Kreiswahlleiters Oberallgäu
ist dem Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben wor-
den. Er hat sich dazu jedoch nicht mehr geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler anhand des
vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden
konnte.
Die Zusendung einer Wahlbenachrichtigung ist nicht
Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts. Nach
§ 14 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) hängt die
formelle Wahlberechtigung vielmehr davon ab, ob je-
mand in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist oder ei-
nen Wahlschein hat. Den in ein Wählerverzeichnis ein-
getragenen Personen wird auch eine Wahlbenachrichti-
gung zugesandt (§ 19 BWO).
Der Einspruchsführer war in ein Wählerverzeichnis ein-
getragen. Dementsprechend ist ihm am 1. September
1998, damit fristgerecht vor dem 6. September (§ 19
Abs. 1 BWO) die Wahlbenachrichtigung per Post zuge-
stellt worden. Warum er sie bis zum 11. September 1998
nicht erhalten hat, kann im nachhinein nicht mehr festge-
stellt werden. Der Gemeindebehörde kann wegen der
Zustellung der Wahlbenachrichtigung kein Fehlverhalten
zur Last gelegt werden, da sie die ihr obliegenden
Pflichten zur ordnungsgemäßen Übersendung der Wahl-
benachrichtigung erfüllt hat.
Da der Einspruchsführer jedoch wußte, daß er sich ab
dem 12. September 1998 über den Wahltermin für die
Bundestagswahl hinaus im Ausland befinden würde,
hätte er sich rechtzeitig um die Ausübung seines Wahl-
rechts bemühen können. Er hatte nach § 25 Abs. 1 Nr. 1
BWO die Möglichkeit, einen Wahlschein zu beantragen,
um durch Briefwahl an der Bundestagswahl teilnehmen
zu können, weil er sich am Wahltag während der Wahl-
zeit außerhalb seines Wahlbezirks aufhalten würde. Der
Einspruchsführer geht fehl in der Annahme, daß die
Wahlbenachrichtigung Voraussetzung für die Erlangung

von Briefwahlunterlagen sei. Die Rückseite der Wahlbe-
nachrichtigung enthält zwar einen Vordruck für einen
Wahlscheinantrag. Der Wahlschein kann jedoch auch
ohne diesen Vordruck schriftlich oder mündlich bei der
zuständigen Gemeindebehörde beantragt werden. Nähe-
res zur Erteilung von Wahlscheinen, Form, Zuständig-
keit und Fristen regeln die §§ 26 bis 28 BWO. Diese In-
formation hätte der Einspruchsführer dem amtlichen
Wochenblatt der Gemeinde oder dem Aushang entneh-
men können.
Im übrigen hat die Gemeindebehörde auf Verlangen des
Einspruchsführers sogar den Versuch unternommen, ihm
noch am Tag vor seiner Abreise die notwendigen Brief-
wahlunterlagen persönlich zu überbringen. Nach dem
Scheitern dieses Versuchs lagen die Unterlagen bis
18.00 Uhr für den Einspruchführer im Rathaus zur Ab-
holung bereit.
Soweit der Einspruchsführer vorträgt, die Austragung
der Wahlbenachrichtigungen durch Boten hätte zu einer
massiven Verzögerung der Zustellung geführt, weshalb
eventuell auch andere Wahlberechtigte an der Aus-
übung ihres Wahlrechts gehindert worden seien, han-
delt es sich um eine allgemeine Behauptung, die durch
keine konkreten Fälle belegt worden ist. Der Wahlprü-
fungsausschuß sieht sich deshalb mangels hinreichend
bestimmtem Anfechtungsgegenstand an einer näheren
Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung findet weder
von Amts wegen statt noch erfolgt sie stets in Gestalt
einer Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr er-
folgt nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung
nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begrün-
dung muß mindestens den Tatbestand, auf den die An-
fechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend
substantiierte Tatsachen enthalten (BVerfGE 40, 11, 30).
Abgesehen davon ist die Wahlbenachrichtigung des
Einspruchsführers nicht durch Boten, sondern durch die
Post zugestellt worden und hat diesen, wenn auch nicht
mehr vor seiner Abreise am 12. September 1998, auch
erreicht.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61 – Drucksache 14/1560

Anlage 22

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 75/98 –
des Herrn Dr. Hermann Gottschewski

wohnhaft: Luisenstraße 51, 10117 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998, das am

10. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag angefochten.
Der Einspruchsführer trägt zur Begründung seines
Einspruchs vor, obwohl er keine Wahlbenachrichti-
gung erhalten habe, sei er „zur Wahl geschritten“. Es
sei mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen,
das zuständige Wahllokal herauszufinden, da sich die
Telefonnummern des Bezirksamtes offenbar geändert
hätten. Wie er im Wahllokal erfahren habe, sei er
nicht der einzige gewesen, der keine Wahlbenach-
richtigung erhalten habe. Diese Unregelmäßigkeit
führe nach seiner Auffassung zu einer Verringerung
der Wahlbeteiligung und damit zur Verfälschung des
Wahlergebnisses, weil dieser Wahlbezirk bezüglich
der Wahlbeteiligung unterrepräsentiert sei. Der Ein-
spruchsführer verlangt die Wiederholung der Wahl
für diesen Wahlbezirk oder mindestens eine erneute
„Wahlchance“ für diejenigen, denen keine Wahlbe-
nachrichtigung zugestellt worden sei und die deshalb
nicht gewählt hätten.
Das Bezirksamt Mitte von Berlin trägt in seiner Stel-
lungnahme vor, entgegen der Behauptung des Ein-
spruchsführers könne man davon ausgehen, daß die-
sem seine Wahlbenachrichtigungskarte zugestellt
worden sei, da nichtzustellbare Wahlbenachrichti-
gungskarten an das Bezirkswahlamt weitergeleitet
worden seien, die Karte des Einspruchsführers dort
jedoch nicht eingegangen sei. Möglicherweise habe
der Einspruchsführer die Wahlbenachrichtigungskarte
nicht als solche erkannt und entsprechend behan-
delt.
Bezüglich der Erreichbarkeit des Wahlamtes habe es
seitens der Bürger keinerlei Beschwerden gegeben.
Die Telefonnummern seien sowohl in der Wahlbe-
kanntmachung als auch im Zusammenhang mit der
Briefwahl in verschiedenen Tageszeitungen veröf-

fentlicht worden. Man könne davon ausgehen, daß
einem Großteil der Bevölkerung von Berlin-Mitte
auch ohne Wahlbenachrichtigung ihr zuständiges
Wahllokal noch von vergangenen Wahlen bekannt
gewesen sei, was sich nicht zuletzt in der Wahlbetei-
ligung des Wahlbezirks Mitte von Berlin widerspie-
gele, die dem Bundesdurchschnitt entspreche.
Im übrigen sei das Bezirksamt Mitte von Berlin be-
reits Anfang des Jahres 1998 in ein neues Dienstge-
bäude gezogen und habe seitdem auch neue Telefon-
Nummern.
Der Einspruchsführer hat von der Möglichkeit, sich
zu der Stellungnahme zu äußern, keinen Gebrauch
gemacht.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Anhand des vorgetragenen Sachverhaltes kann nicht ein-
deutig festgestellt werden, ob hier ein Wahlfehler vor-
liegt, weil – auch unter Berücksichtigung der Stellung-
nahme des Bezirksamts Mitte von Berlin – nicht eindeu-
tig geklärt werden konnte, ob dem Einspruchsführer eine
Wahlbenachrichtigung zugestellt worden ist. Wenn dies
tatsächlich unterblieben sein sollte, läge ein Wahlfehler
vor, weil die Gemeindebehörde gemäß § 19 der Bun-
deswahlordnung (BWO) die in das Wählerverzeichnis
eingetragenen Wahlberechtigten durch Zusendung der
Wahlbenachtichtigung über die Einzelheiten der Durch-
führung der Wahl zu informieren hat.

Drucksache 14/1560 – 62 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Die Frage kann jedoch im Ergebnis offen bleiben. Selbst
wenn man einen Wahlfehler unterstellt, ist jedenfalls ein
Einfluß auf die Mandatsverteilung im Bundestag ausge-
schlossen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuß
stets angeschlossen hat, können nämlich nur solche
Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich begründen,
die auf die Mandatsverteilung von Einfluß sind oder
hätten sein können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße
von vornherein als unerheblich aus, die die Ermittlung
des Wahlergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4,
370, [372] ständige Rechtsprechung). Selbst solche
Wahlfehler, die die Ermittlung des Wahlergebnisses be-
treffen, sind dann unerheblich, wenn sie angesichts des
Stimmenverhältnisses keinen Einfluß auf die Mandats-
verteilung haben können.
Das Fehlen der Wahlbenachrichtigungskarte hat sich im
übrigen schon deshalb nicht auf das Ergebnis der Bun-
destagswahl ausgewirkt, weil der Einspruchsführer den-
noch sein Wahlrecht ausgeübt hat. Dies entspricht der
Rechtslage. Die Zusendung einer Wahlbenachrichtigung
ist für den Wähler nicht Voraussetzung für die Ausübung
seines Wahlrechts. Nach § 14 Abs. 1 des Bundeswahlge-
setzes (BWG) hängt die formelle Wahlberechtigung
vielmehr davon ab, ob jemand in ein Wählerverzeichnis
eingetragen ist oder einen Wahlschein hat.
Aus dem weiteren Vortrag des Einspruchs lassen sich
keine Wahlfehler feststellen. Insofern der Einspruchsfüh-
rer meint, daß auch andere Wahlberechtigte des Bezirks-
amts Mitte von Berlin keine Wahlbenachrichtigung be-
kommen hätten, somit das Wahlergebnis in diesem Be-
zirk wegen zu geringer Beteiligung verfälscht worden
wäre und deshalb dort Neuwahlen durchzuführen seien,
hat er hierzu keinerlei Tatsachen vorgetragen, die diese

Behauptung stützen. Der Wahlprüfungsausschuß sieht
sich deshalb mangels hinreichend bestimmtem Anfech-
tungsgegenstand an einer näheren Prüfung gehindert.
Denn die Wahlprüfung findet weder von Amts wegen
statt noch erfolgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung
der gesamten Wahl. Vielmehr erfolgt nach § 2 Abs. 1
und 3 WPrüfG die Wahlprüfung nur auf Einspruch, der
zu begründen ist. Die Begründung muß mindestens den
Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, erken-
nen lassen und genügend substantiierte Tatsachen ent-
halten (BVerfGE 40, 11, 30).
Wegen der weiteren Beschwerden des Einspruchsführers
zur Ermittlung des zuständigen Wahllokals bzw. der
Telefonnummer des zuständigen Wahlamtes kann auf
die Ausführungen in der Stellungnahme des Bezirksamts
Mitte von Berlin verwiesen werden. Das Vorliegen eines
Wahlfehlers ist in diesem Zusammenhang nicht ersicht-
lich.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63 – Drucksache 14/1560

Anlage 23

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 88/98 –
des Herrn Arne Christian Heindorf

wohnhaft: Albrecht-Thaer-Weg 12b, 37075 Göttingen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 16. November 1998, das am

19. November 1998 beim Deutschen Bundestag ein-
gegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bun-
destag eingelegt.
In der Begründung macht der Einspruchsführer einen
Verstoß gegen Artikel 38 Abs. 1 des Grundgesetzes
geltend, da die Wahl gegen den Grundsatz der glei-
chen Wahl verstoßen habe. Er trägt vor, er habe als
Wahlberechtigter zwei Wahlbenachrichtigungen zu-
geschickt bekommen und zwar eine an seinen Erst-
wohnsitz in Göttingen, die andere an seinen Zweit-
wohnsitz in Langelsheim. Die irrtümliche Doppelbe-
nachrichtigung führt er darauf zurück, daß die Stadt
Göttingen es bei der Anmeldung seines Erstwohnsit-
zes wohl versäumt habe, dies der Stadt Langelsheim
mitzuteilen. Gewählt habe er nur in Göttingen, um
sich nicht nach § 107a StGB strafbar zu machen. Es
wäre für ihn jedoch leicht gewesen, zwei Stimmen
abzugeben. Er „empfinde es als empörend“, daß die
Wahllisten der Gemeinden offensichtlich nicht abge-
glichen würden. Vor allem befürchte er jedoch, daß
etlichen Personen dasselbe widerfahren sei. Da anzu-
nehmen sei, daß viele davon auch zweimal gewählt
hätten, sei der Grundsatz der gleichen Wahl erheblich
verletzt worden.
Zu dem Wahleinspruch haben die Stadt Langelsheim
und der Kreiswahlleiter Göttingen Stellungnahmen
abgegeben.
Der Kreiswahlleiter Göttingen hat mitgeteilt, daß der
Einspruchsführer seit dem 1. Januar 1996 in der Stadt
Göttingen gemeldet ist und am 14. Juli 1997 seinen
Nebenwohnsitz in der Stadt Göttingen zum Haupt-
wohnsitz und seinen bisherigen Wohnsitz in Langels-
heim zum Nebenwohnsitz deklariert hat. Bei der Be-
arbeitung dieser Ummeldung in der Einwohnerdatei
werde automatisch per EDV ein Rückmeldeformular
für die beteiligte Gemeinde mit den entsprechenden
Meldedaten erzeugt und anschließend versandt. Dies

sei auch bei der Wohnsitzänderung des Einspruchs-
führers so praktiziert worden.
Da der Einspruchsführer am 23. August 1998 (Stich-
tag gemäß § 16 Abs. 1 Bundeswahlordnung – BWO)
in der Stadt Göttingen mit Hauptwohnung gemeldet
gewesen sei, sei er in das dortige Wählerverzeichnis
eingetragen und über die Eintragung mit Wahlbe-
nachrichtigungskarte informiert worden. Die Stadt
Göttingen habe die Auslegung des Wählerverzeich-
nisses und die Möglichkeiten zum Einspruch und zur
Berichtigung termingerecht gemäß § 20 BWO be-
kanntgemacht. Darüber hinaus sei mit der ebenfalls
termingerecht veröffentlichten Wahlbekanntmachung
u. a. darauf hingewiesen worden, daß jede Wahlbe-
rechtigte/jeder Wahlberechtigte nur einmal und nur
persönlich wählen darf. Der Einspruchsführer habe
das Wahlamt der Stadt Göttingen zu keinem Zeit-
punkt über die Zusendung von zwei Wahlbenach-
richtigungskarten informiert.
Die Stadt Langelsheim hat in ihrer Stellungnahme im
wesentlichen die Angaben des Kreiswahlleiters Göt-
tingen bestätigt. Aus einem der Stellungnahme beige-
fügten Schreiben des Einwohnermeldeamtes der Stadt
Göttingen an die Meldebehörde Langelsheim vom
3. Juli 1997 – in der Stellungnahme des Kreiswahl-
leiters Göttingen wurde der 14. Juli 1997 genannt –
ergibt sich, daß die Stadt Langelsheim im Rahmen
des Nachrichtenaustausches der Meldebehörden da-
von in Kenntnis gesetzt wurde, daß sich der Ein-
spruchsführer mit Wirkung vom 3. Juli 1997 mit
Hauptwohnung in Göttingen angemeldet hat.
Dieses Schreiben sei an die zuständige Sachbearbeite-
rin weitergeleitet worden mit dem Ziel, die entspre-
chende EDV-Eingabe zu tätigen, damit der Ein-
spruchsführer mit dem Status des Nebenwohnsitzin-
habers in Langelsheim geführt werde. Von der Sach-
bearbeiterin sei auf dem Schreiben vom 3. Juli 1997
ein entsprechender Eingabevermerk „EDV erledigt“
vermerkt worden, eine nachvollziehbare Eingabe in
die EDV sei jedoch nicht erfolgt. Dieses menschliche
Fehlverhalten habe letztlich dazu geführt, daß der

Drucksache 14/1560 – 64 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Einspruchsführer am Stichtag für die Bundestagswahl
sowohl im Wählerverzeichnis der Stadt Göttingen als
auch im Wählerverzeichnis der Stadt Langelsheim
eingetragen gewesen sei. Am 12. November 1998
sei im Melderegister der Stadt Langelsheim die
entsprechende Statusänderung vorgenommen wor-
den.
Die Stadt Langelsheim hat die Angaben des Ein-
spruchsführers bestätigt, wonach dieser in Langels-
heim von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch ge-
macht hat.
Die Stellungnahmen wurden dem Einspruchsführer
zur Kenntnis gegeben. Zu der Stellungnahme des
Kreiswahlleiters der Stadt Göttingen hat der Ein-
spruchsführer sich dahingehend geäußert, daß er
keine Veranlassung gesehen habe, das Wahlamt der
Stadt Göttingen über die Zusendung von zwei Wahl-
benachrichtigungskarten zu informieren. Aus seiner
Sicht habe der Fehler eindeutig bei der Stadt Lan-
gelsheim gelegen. Im übrigen habe er auch schon zur
Landtagswahl in Niedersachsen 1998 zwei Wahlbe-
nachrichtigungen bekommen. Seine Mutter habe dar-
aufhin die Stadt Langelsheim mündlich über diesen
Umstand informiert. Zweck seines Einspruchs sei es
auch nicht gewesen, diesen Fehler der Stadt Langels-
heim offenzulegen. Vielmehr wolle er überprüfen las-
sen, ob solche „Mißstände in der Wahlberechtigtener-
fassung“ häufiger vorkommen und somit das Wahl-
ergebnis verfälscht haben könnten.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch trotz
eines festzustellenden Wahlfehlers offensichtlich unbe-
gründet.
Der Wahlfehler liegt darin begründet, daß der Ein-
spruchsführer in zwei verschiedenen Wahlkreisen im
Wählerverzeichnis eingetragen war und somit zweimal
seine Stimme zur Bundestagswahl 1998 hätte abgeben
können. Wahlbenachrichtigungen werden aufgrund der
Eintragung in das Wählerverzeichnis einer Gemeinde
erteilt (§ 19 BWO). Die Eintragung in das Wählerver-
zeichnis ist gemäß § 14 Abs. 1 Bundeswahlgesetz
(BWG) grundsätzlich Voraussetzung für die Ausübung
des Wahlrechts. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 BWO sind alle
Wahlberechtigten von Amts wegen in das Wählerver-
zeichnis einzutragen, die am 35. Tage vor der Wahl
(Stichtag) bei der Meldebehörde für eine Wohnung ge-

meldet sind. Bei mehreren Wohnungen ist die für die
Hauptwohnung zuständige Gemeinde für die Eintragung
in das Wählerverzeichnis zuständig (§ 17 Abs. 1 Nr. 1
BWO). Der Einspruchsführer war zum maßgeblichen
Stichtag sowohl in der Stadt Langelsheim als auch in der
Stadt Göttingen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Dies hatte
zur Folge, daß er von den zuständigen Meldebehörden in
das jeweilige Wählerverzeichnis eingetragen worden ist
und dementsprechend auch zwei Wahlbenachrichtigun-
gen erhalten hat.
Das Melderegister ist die Grundlage für die Erstellung
des Wählerverzeichnisses. Das Melderechtsrahmenge-
setz (MRRG) regelt u. a. die Mitteilungspflichten zwi-
schen den Meldebehörden, wenn sich ein Einwohner bei
einer Meldebehörde angemeldet hat. Die Datenüber-
mittlung zwischen den Meldebehörden gemäß § 17
MRRG erfolgte im vorliegenden Fall zwar ordnungsge-
mäß, jedoch ist durch menschliches Fehlverhalten die
Korrektur der melderechtlichen Daten des Einspruchs-
führers in der Datenerfassung der Stadt Langelsheim
unterblieben. Dem Einspruchsführer war dieser melde-
rechtliche Fehler bekannt, weil er bereits zur Landtags-
wahl in Niedersachsen 1998 zwei Wahlbenachrichtigun-
gen bekommen hat. Ob die Mutter des Einspruchsführers
– wie von ihm behauptet – bereits damals die Stadt Lan-
gelsheim mündlich über diesen melderechtlichen Fehler
informiert hat, kann im nachhinein nicht mehr festge-
stellt werden.
Da der Einspruchsführer sein Wahlrecht jedoch nur ein-
mal ausgeübt hat, ist ein Einfluß des festgestellten Wahl-
fehlers auf die Mandatsverteilung im Bundestag ausge-
schlossen.
Soweit der Einspruchsführer vermutet, daß andere
Wahlberechtigte ebenfalls wegen Mißständen bei der Er-
fassung von melderechtlichen Daten bei den Meldebe-
hörden zwei Wahlbenachrichtigungen bekommen und
auch zweimal gewählt haben könnten, hat er hierzu kei-
nerlei konkrete Tatsachen vorgetragen, die seinen Ein-
spruch näher erläutern würden. Dies ist wegen der oben
erläuterten Mitteilungspflichten zwischen den Meldebe-
hörden gemäß § 17 MRRG im Regelfall ausgeschlossen
und kann nur ausnahmsweise durch menschliches Ver-
sagen – wie im vorliegenden Fall – oder auch techni-
sches Versagen geschehen. Mangels konkret benannter
Fälle sieht sich der Wahlprüfungsausschuß an einer nä-
heren Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung findet
weder von Amts wegen statt noch erfolgt sie stets in Ge-
stalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr
erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung
nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung
muß mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substanti-
ierte Tatsachen enthalten (BVerfGE 40, 11, 30).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65 – Drucksache 14/1560

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 66 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 67 – Drucksache 14/1560

Anlage 24

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 104/98 –
des Herrn Dieter Vogel

wohnhaft: Simsonstraße 2/613, 04107 Leipzig
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 25. November 1998, das am

1. Dezember 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten. Der Poststempel auf dem Umschlag der Ein-
spruchsschrift trägt das Datum vom 27. November
1998. Mit Schreiben vom 16. und 20. Dezember 1998
hat der Einspruchsführer seine Ausführungen ergänzt.
Zur Begründung führt er aus, dem Bundestag gehör-
ten Mitglieder einer Partei – der PDS – an, die als
verfassungswidrig eingestuft sei und vom Verfas-
sungsschutz beobachtet werde. Der Einspruchsführer
vertritt die Ansicht, diese Abgeordneten hätten gegen
Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte ver-
stoßen und seien noch heute nicht zur Mitarbeit
an der Aufarbeitung dieser Menschenrechtsverletzun-
gen bereit. Damit stehe fest, daß sie nicht gemäß Ar-
tikel 21 und 38 des Grundgesetzes ihre Aufgaben als
Abgeordnete wahrnehmen könnten. Als Beispiele
hierfür benennt der Einspruchsführer drei Abgeord-
nete namentlich.
Darüber hinaus sieht der Einspruchsführer die Ar-
beitsfähigkeit des Bundestages als nicht gegeben an.
Er meint, es würden notwendige Arbeitsprozesse ge-
stört, fänden nicht statt oder würden auf „Ersatzpar-
lamente“ verlagert. Als Beispiel hierfür bezieht sich
der Einspruchsführer auf die angeblich öffentlichen
Äußerungen zweier Mitglieder des Bundestages, wo-
nach diese sich einer notwendigen Abstimmung im
Bundestag verweigern wollten.
In einem weiteren Schreiben zieht der Einspruchsfüh-
rer mehrere Veröffentlichungen zum Beleg der Be-
rechtigung seines Wahleinspruchs heran. Eine Ana-
lyse der Wahlvorbereitung und des Wahlergebnisses
zeige, daß die Bundestagswahl am 27. September
1998 nicht dem Grundgesetz und dem Einigungsver-
trag entspreche, sondern „eine Wahl der erneuten

Spaltung Deutschlands in zwei Teile“ sei. Außerdem
sieht der Einspruchsführer in einer in diesen Veröf-
fentlichungen enthaltenen Aussage über die Anhän-
gerschaft der PDS „eine ungeheure Beleidigung und
Verleumdung“ seiner Person.
Der Einspruchsführer ist vom Sekretariat des Wahl-
prüfungsausschusses auf die Fristbestimmung des § 2
Abs. 4 Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) hingewiesen
worden. Daraufhin hat er eingewendet, von ihm sei
„rechtzeitig die Zusendung durchgeführt [worden], so
daß der Eingang beim Deutschen Bundestag am
27. November 1998 erfolgte“.
Der Einspruchsführer hat außerdem bereits am
16. Oktober 1998 eine Petition eingelegt, die am sel-
ben Tag beim Bundestag eingegangen ist. Gegenstand
dieses Petitionsverfahrens ist ausschließlich die an
diesem Tag getroffene Entscheidung des 13. Deut-
schen Bundestages über die deutsche Beteiligung an
dem von der NATO geplanten Einsatz im Kosovo-
Konflikt.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 des WPrüfG von der Anberaumung einer öf-
fentlichen mündlichen Verhandlung Abstand zu neh-
men.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist nicht fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist unzulässig.
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprü-
che binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem
Wahltag beim Bundestag eingehen. Bei der Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag lief die Einspruchsfrist
am 27. November 1998 ab. Der Einspruch des Ein-
spruchsführers ging jedoch erst am 1. Dezember 1998
beim Bundestag ein.

Drucksache 14/1560 – 68 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

An diesem Ergebnis ändert es auch nichts, daß sich der
Einspruchsführer auf die – angeblich – rechtzeitige Ab-
sendung seines Wahleinspruchs beruft. Der Wortlaut des
§ 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG stellt eindeutig auf den Ein-
gang des Wahleinspruchs beim Bundestag ab, so daß das
Risiko der Postlaufzeit von den Einspruchsführern zu
tragen ist. Im vorliegenden Fall bestehen allerdings auch
keine Anhaltspunkte für eine ungewöhnlich lange Post-
laufzeit, da die Einspruchsschrift erst vom 25. November
1998 datiert und auf dem Umschlag das Datum des Post-
stempels vom 27. November 1998 – einem Freitag –
deutlich erkennbar ist.
Die Einspruchsfrist wird auch nicht durch den Eingang
der gleichfalls vom Einspruchsführer eingelegten Peti-
tion beim Bundestag gewahrt. Zwar ging diese Petition
während der Frist des § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG beim
Bundestag ein. Gegenstand dieser Petition ist aber aus-
schließlich die Entscheidung des Bundestags zu dem ge-
nannten Bundeswehreinsatz und nicht die Anfechtung
der Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag. Es handelt

sich also um zwei getrennt voneinander zu betrachtende
Vorgänge, von denen der eine nicht zur Fristwahrung
des anderen herangezogen werden kann.
Der Einspruch ist daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69 – Drucksache 14/1560

Anlage 25

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 5/98 –
des Herrn Thomas Meyer-Falk c/o JVA

wohnhaft: Schönbornstraße 32, 76646 Bruchsal
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1. Mit Schreiben vom 28. September 1998, welches am
29. September 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer nennt mehrere Gründe, die ihn
zur Anfechtung der Bundestagswahl bewogen haben.
So beanstandet er die zahlreichen Überhangmandate,
für die es keine Ausgleichsmandate gebe, weshalb der
Wille des Volkes und das Prinzip der Stimmen-
gleichheit verletzt würden, „da von Partei zu Partei
unterschiedliche Stimmengewichtung entsteht“.
Außerdem sei das Prinzip der geheimen Wahl zum
einen bezüglich des Wahlrechts blinder Menschen
verletzt worden. Blinden Menschen werde ohne
sachlichen Grund ihr Grundrecht auf geheime Wahl
dadurch verweigert, daß sie – ohne eine Kontroll-
möglichkeit zu haben – genötigt würden, den Wahl-
zettel durch eine Vertrauensperson ankreuzen zu las-
sen. Der Einspruchsführer meint, daß Stimmzettel
ohne unverhältnismäßig großen Aufwand auch in
Blindenschrift hergestellt werden könnten. Dem Ein-
wand, in kleineren Gemeinden könnten die in Blin-
denschrift ausgefüllten Stimmzettel dem jeweiligen
Wähler zugeordnet werden, hält er entgegen, man
könne eine bestimmte Anzahl Stimmzettel in Blin-
den- und gleichzeitig in „Normalschrift“ ausgeben, so
daß auch eine größere Zahl nicht blinder Wähler da-
mit abstimmen könnte. Der Aufwand hierfür wäre
gemessen an den Gesamtwahlkosten nicht unverhält-
nismäßig groß, zumal nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts die Vereitelung von
Grundrechten nicht mit finanzielllen Aspekten be-
gründbar sei.
Zum anderen sei der Grundsatz der geheimen Wahl
auch für inhaftierte Menschen, zu denen der Ein-
spruchsführer zur Zeit gehört, insoweit verletzt, als

gemäß § 29 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz (StVollzG)
die inhaltliche Kontrolle von „Post an das Wahllokal“
nicht ausgeschlossen werden könne. Die Justizvoll-
zugsanstalt (JVA) könne „Gesinnungsschnüffelei“
betreiben, indem sie aus „Behandlungsgründen“ die
Stimmabgabe überwache. Ein von dem Einspruchs-
führer namentlich genannter „Vollzugsabteilungslei-
ter“ habe ihm die Auskunft erteilt, daß § 29 Abs. 2
StVollzG abschließend regele, welche Post die JVA
nicht „zensieren“ dürfe. Wahlbriefe seien nicht in
dieser Vorschrift aufgeführt, woraus der Einspruchs-
führer folgert, daß diese von der JVA überwacht wer-
den könnten. Diese nach Auffassung des Einspruchs-
führers mögliche Überwachung von Wahlbriefen be-
treffe zahlreiche an der Briefwahl teilnehmende Ge-
fangene in der gesamten Bundesrepublik Deutsch-
land.
Der Einspruchsführer beantragt deshalb, die gesamte
Bundestagswahl für ungültig zu erklären. Falls dies
nicht möglich sei, müsse die Bundestagswahl in den
Wahlkreisen, in denen die JVA Bruchsal und die JVA
Straubing liegen, für ungültig erklärt werden.
Zu dem Einspruch hat die JVA Straubing in ihrer
Stellungnahme erklärt, die Durchführung der Bun-
destagswahl sei nach den Verwaltungsvorschriften für
Inhaftierte im Bayerischen Strafvollzug (JMS vom
7. Juli 1998) erfolgt. Danach würden die verschlosse-
nen roten Briefwahlumschläge der an der Briefwahl
teilnehmenden Gefangenen nach der Stimmabgabe
bei der Poststelle gesammelt und ungeöffnet dem
jeweiligen Wahlamt zugeleitet. Wahlbriefe unterlägen
gemäß Ziffer 7.2 des JMS nicht der Briefüberwa-
chung.
Die von dem Einspruchsführer erwähnte Auskunft ei-
nes Vollzugsbeamten, aus der er im Umkehrschluß
gefolgert habe, Wahlbriefe unterlägen der Briefwahl-
überwachung, gehe ins Leere. Der Einspruchsführer
sei zwar von dem Vollzugsbeamten anläßlich der
Überwachung des Schriftwechsels mit einem bei dem
Einspruchsführer nicht zugelassenen Verteidiger auf

Drucksache 14/1560 – 70 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

die Bestimmungen des § 29 StVollzG hingewiesen
worden, die Bundestagswahl sei jedoch nicht Gegen-
stand dieser Belehrung gewesen.
Die von dem Einspruchführer angeforderten Brief-
wahlunterlagen seien zudem erst nach dessen Verle-
gung in die JVA Bruchsal am 3. September 1998 ein-
getroffen. Die Unterlagen seinen umgehend an die
JVA Bruchsal weitergeleitet worden. Nach Auskunft
des Wahlamtes der Stadt Sraubing haben dem Ein-
spruchsführer die Briefwahlunterlagen am 14. Sep-
tember 1998 in der JVA Bruchsal vorgelegen.
Auf die dem Einspruchsführer zur Kenntnis gegebene
Stellungnahme hat dieser nicht mehr geantwortet.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil der vom Einspruchsführer
vorgetragene Sachverhalt keine Wahlfehler erkennen läßt.
Die Einwände des Einspruchsführers bezüglich der
Überhangmandate, die durch die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag entstanden sind, können dem Einspruch
nicht zum Erfolg verhelfen, weil sie keinen Wahlfehler
begründen. Die Entstehung der Überhangmandate beruht
auf gültigen Wahlrechtsvorschriften, insbesondere auf
§ 6 Abs. 5 und § 7 Abs. 3 Bundeswahlgesetz (BWG).
Diese Regelungen zu den Überhangmandaten waren erst
kürzlich Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Prü-
fung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Ent-
scheidung vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335, 349)
festgestellt, daß diese Vorschriften mit dem Grundgesetz
(GG) vereinbar sind. Das Gericht hat in diesem Zusam-
menhang darauf hingewiesen, daß der Verfassungsge-
setzgeber bewußt darauf verzichtet habe, ein Wahlsy-
stem und dessen Durchführung verfassungsrechtlich
vorzuschreiben. Er habe damit ein Stück materiellen
Verfassungsrechts offengelassen, das vom Wahlgesetz-
geber auszufüllen sei. Diesem sei hierbei ein weiter Ge-
staltungsspielraum eingeräumt (BVerfGE 95, 335, 349),
der auch die Regelungen zu den Überhangmandaten um-
faßt. Ausdrücklich hat das Gericht festgestellt, daß die
Entstehung von Überhangmandaten, ohne daß andere
Parteien Ausgleichsmandate erhalten, die Anforderungen
der Wahlgleichheit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG er-
füllt und die Chancengleichheit der Parteien wahrt
(BVerfGE 95, 335, 357).
Zuvor hatte sich auch der Bundestag intensiv mit den
Regelungen im Bundeswahlgesetz zu den Überhang-
mandaten beschäftigt und sie unter Hinzuziehung von
Sachverständigen auf ihre Verfassungsmäßigkeit über-

prüft. Die bereits in der 13. Wahlperiode eingesetzte
Reformkommission zur Größe des Bundestages war zu
dem Ergebnis gekommen, die bestehenden Regelungen
des Bundeswahlgesetzes, die zum Auftreten von Über-
hangmandaten führen können, seien verfassungsgemäß,
und es bestehe auch keine verfassungsrechtliche Not-
wendigkeit, Überhangmandate durch ergänzende Re-
gelungen auszugleichen, etwa durch Ausgleichsman-
date oder eine Verrechnung bei den verbundenen Lan-
deslisten. Die Kommission hat dem Bundestag keine
Änderungen der §§ 6 Abs. 5 und 7 Abs. 3 BWG emp-
fohlen (vgl. Drucksache 13/4560). Diesen Empfehlun-
gen ist der Bundestag gefolgt; Gesetzentwürfe der
13. Wahlperiode, die die Kompensation von Über-
hangmandaten vorsahen, fanden keine Mehrheit
(s. hierzu Drucksache 13/5750, StenProt 13/129 vom
11. Oktober 1996; S. 11631 ff).
Auch der Vortrag des Einspruchsführers zur gegenwärti-
gen Praxis der Ausübung des Wahlrechts durch blinde
Wahlberechtigte kann nicht zur Feststellung eines Wahl-
fehlers führen. Gemäß § 33 Abs. 2 BWG kann ein Wäh-
ler, der durch körperliche Gebrechen, wie z.B. Blindheit,
nicht in der Lage ist, den Stimmzettel selbst zu kenn-
zeichnen, sich der Hilfe einer anderen Person bedienen.
Bei der Tätigkeit der Hilfsperson handelt es sich ledig-
lich um eine „technische“ Hilfeleistung bei der Kundga-
be des Wählerwillens, nicht um eine Stellvertretung. Der
Wahlberechtigte kann sich gemäß § 57 Abs. 1 Bundes-
wahlordnung (BWO) die Hilfsperson selbst aussuchen;
sie darf ihm nicht aufgezwungen werden. Die Hilfsper-
son ist zur Geheimhaltung der Kenntnisse verpflichtet,
die sie bei der Hilfeleistung von der Wahl eines anderen
erlangt hat (§ 57 Abs. 3 BWO). Diese Regelungen be-
einträchtigen weder die Wahlfreiheit in unzulässiger
Weise, noch verletzten sie den Grundsatz der geheimen
Wahl. Das Wahlgeheimnis und die Wahlfreiheit dürfen
im Interesse der Verwirklichung des Grundsatzes der
Allgemeinheit der Wahl in beschränktem Maß gelockert
werden, um so u.a. auch blinden Wahlberechtigten die
Möglichkeit zu geben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch
zu machen (vgl. Schreiber, Kommentar zum Bundes-
wahlgesetz, 6. Auflage, § 33 Abs. 2, RdNr. 4).
Soweit der Einspruchsführer vorschlägt, Stimmzettel in
Blindenschrift zur Verfügung zu stellen, hat er selbst
ausgeführt, daß in kleineren Gemeinden wegen der ge-
ringen Anzahl blinder Wähler anhand der Stimmzettel
auf das Stimmverhalten dieser Wähler geschlossen wer-
den könnte. Schon damit werden Zweifel erweckt, ob
durch das vorgeschlagene Verfahren der Grundsatz der
geheimen Wahl eingehalten werden kann. Diese Beden-
ken könnten auch nicht – wie vom Einspruchsführer
empfohlen – durch die Ausgabe einer größeren Anzahl
Stimmzettel, die den Text sowohl in Blindenschrift als
auch in normaler Schrift enthalten, ausgeräumt werden.
Denn auch bei derartigen Stimmzetteln würde ein blinder
Wähler nur den Teil in Blindenschrift und ein sehender
Wähler nur den Teil des Stimmzettels in normaler
Schrift ausfüllen, so daß wiederum wegen der geringen
Zahl blinder Wähler deren Stimmverhalten kontrolliert
werden könnte.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 71 – Drucksache 14/1560

Zu der Frage der Herstellung von Stimmzetteln in Blin-
denschrift lag dem Bundestag in der 13. Wahlperiode
eine Petition einer blinden Petentin vor. Der Petitions-
ausschuß war der Ansicht, daß unter Abwägung der be-
einträchtigten Rechtsgüter die Rückführung des Wahler-
gebnisses auf den tatsächlichen Willen des einzelnen von
größerer Bedeutung für das Demokratieprinzip und so-
mit schützenswerter als die Geheimheit der Wahl ist. Die
Verwendung von Blindenwahlzetteln sei deshalb aus
rechtlichen Gründen dem Einsatz einer Hilfsperson vor-
zuziehen. Der Petitionsausschuß hat daher empfohlen,
die Petition zum einen der Bundesregierung – dem BMI
– zu überweisen, um auf dieses Anliegen besonders
aufmerksam zu machen, und zum anderen den Fraktio-
nen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben,
weil sie für eine parlamentarische Initiative geeignet er-
scheine (Drucksache 13/9624 S. 5). Bisher ist die Emp-
fehlung des Petitionsausschusses indes nicht aufgegrif-
fen worden, vielmehr hat sich an der oben dargestellten
Rechtslage nichts geändert.
Die vom Einspruchsführer vermutete inhaltliche Kon-
trolle von Wahlbriefen von Gefangenen durch Bedien-
stete der JVA kann ebenfalls nicht den Erfolg des Ein-
spruchs begründen. Er hat hierzu auch keine konkreten
Tatsachen vorgetragen, die seinen Einspruch untermau-
ern würden, sondern diese angebliche Kontrolle anhand
der Regelung des § 29 StVollzG und einer angeblichen
Aussage eines Vollzugsbeamten lediglich abstrakt be-
hauptet. Der sowohl in Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG als
auch in § 1 Abs. 1 Satz 2 BWG festgelegte Grundsatz
der geheimen Wahl gilt selbstverständlich auch für die
Briefwahl von Gefangenen. Einer ausdrücklichen Rege-
lung des Verbots der Kontrolle von Wahlbriefen von
Gefangenen bedarf es deshalb nicht. Gemäß § 66 Abs. 4
BWO ist jedoch bei der Stimmabgabe durch Briefwahl
in Justizvollzugsanstalten Vorsorge zu treffen, daß der
Stimmzettel unbeobachtet gekennzeichnet und in den
Wahlumschlag gelegt werden kann. Der Wahlberechtigte
hat den Stimmzettel persönlich und unbeobachtet zu

kennzeichnen, in den amtlichen Wahlumschlag zu legen
und diesen zu verschließen (§ 36 Abs. 1 Buchstabe b
BWG i.V.m. § 66 Abs. 1 BWO). Die verschlossenen
Wahlumschläge werden dann ungeöffnet dem jeweiligen
Wahlamt zugeleitet. Die Wahlbriefe gehören nicht zu
dem Schriftverkehr, der von der JVA überwacht werden
kann. Das Bundesland Bayern hat in der Verwaltungs-
vorschrift zur Durchführung der Bundestagswahl in den
Justizvollzugsanstalten (JMS vom 7. Juli 1998) in Zif-
fer 7.2 vorsorglich auf diese Tatsache hingewiesen, die
sich aus dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Grund-
satz der geheimen Wahl ergibt.
Der von dem Einspruchsführer aus der Auskunft des
Vollzugsbeamten, § 29 StVollzG lege abschließend fest,
welcher Schriftverkehr nicht überwacht werden dürfe,
gezogene Umkehrschluß, daß Wahlbriefe demnach über-
wacht werden dürften, ist aus den genannten Gründen
falsch. Dementsprechend sieht der Wahlprüfungsaus-
schuß keine Veranlassung, die Bundestagswahl insge-
samt oder in den vom Einspruchsführer genannten
Wahlkreisen für ungültig erklären zu lassen.
Der Einspruch ist nach alledem gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 72 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 73 – Drucksache 14/1560

Anlage 26

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 38/98 –
des Herrn Alfred Mayer

wohnhaft: Waldtruderinger Straße 6, 81827 München
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 15. Oktober 1998, das am 16. Okto-

ber 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen Bun-
destag am 27. September 1998 angefochten.
Zur Begründung führt er aus, die Zusammensetzung
des neuen Bundestages werde von dem Umstand be-
einflußt, daß bei den Versammlungen fast aller Par-
teien zur Aufstellung der Kandidaten das im Wahlge-
setz zwingend vorgeschriebene Wahlgeheimnis nicht
gewahrt gewesen sei. Die Stimmzettel seien in meist
enger Sitzordnung offen ausgefüllt worden, so daß
die Tischnachbarn das Stimmverhalten hätten beo-
bachten können.
Die Aufstellung der Kandidaten sei ein wesentlicher
Punkt der verfassungsrechtlichen Funktion der politi-
schen Parteien. Sie müsse demokratischen Grundre-
geln entsprechen. Wer nicht ausschließen könne,
beim Ausfüllen der Stimmzettel beobachtet und damit
auch kontrolliert zu werden, könne sich nicht mehr
frei entscheiden. Lediglich die Möglichkeit, die Hand
vorzuhalten oder den Körper so weit vorzubeugen,
daß eine Beobachtung der Stimmabgabe nicht mög-
lich sei, werde der Bedeutung des Wahlgeheimnisses
nicht gerecht.
Mit Schreiben vom 13. November 1998 hat die
Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses den Ein-
spruchsführer aufgefordert, bis spätestens zum
27. November 1998 konkret mitzuteilen, bei welchen
Parteien zu welchem Zeitpunkt die beschriebenen
Mängel bei der Kandidatenaufstellung vorgekommen
sein sollen. Zuvor hatte bereits das Sekretariat des
Wahlprüfungsausschusses den Einspruchsführer auf
das Begründungserfordernis des § 2 Abs. 3 Wahlprü-
fungsgesetz (WPrüfG) hingewiesen und ihn aufgefor-
dert, konkret die Vorfälle zu benennen, auf die er sei-
nen Einspruch stütze.
Solch konkrete Vorfälle hat der Einspruchsführer je-
doch nicht mehr mitgeteilt. Er hat in einem Schreiben

vom 14. November 1998 lediglich erwidert, alle Ab-
geordneten des Bundestages würden seine Ausfüh-
rungen bestätigen und er benenne „die sich aus den
vorgelegten Wahlunterlagen ergebenden Vertrauens-
leute“.
In einem weiteren Schreiben vom 4. Juni 1999, das
am 7. Juni 1999 beim Bundestag eingegangen ist, be-
anstandet der Einspruchsführer darüber hinaus die
Fünfprozentklausel des § 6 Abs. 6 Bundeswahlgesetz
(BWG) als verfassungswidrig. Sie führe dazu, daß
wichtige Anliegen weiter Bevölkerungskreise im
Bundestag nicht vertreten würden. Ein Stimmenanteil
von 4,99 % entspreche einer Anzahl von bis zu drei
Millionen Wählern oder dem Potential für über
30 Bundestagsmandate. Die Klausel sorge zwar für
stabilere Mehrheitsverhältnisse, aber auch für eine
unter Umständen existenzbedrohende Erstarrung in
zwei fast identische Machtblöcke, deren Handeln die
beständige Angst bestimme, durch die Nichtberück-
sichtigung von höchst egoistischen Gruppeninteres-
sen zugunsten der Zukunftssicherung die Mehrheit zu
verlieren. Weimar wäre nach Ansicht des Einspruchs-
führers auch mit Fünfprozentklausel gescheitert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 und 2 WPrüfG von der Anberaumung einer öf-
fentlichen mündlichen Verhandlung Abstand zu neh-
men.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist unzulässig.
Soweit der Einspruchsführer das Verfahren der Kandi-
datenaufstellung bei den politischen Parteien beanstan-
det, entspricht sein Vortrag nicht dem Begründungser-
fordernis des § 2 Abs. 3 WPrüfG. Denn die Wahlprüfung
findet weder von Amts wegen statt (Offizialprinzip),
noch erfolgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der

Drucksache 14/1560 – 74 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gesamten Wahl (Totalitätsprinzip). Sie erfolgt vielmehr
nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung
muß mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substanti-
ierte Tatsachen enthalten. Ihr Umfang richtet sich also
nach dem Einspruch, durch den der Einspruchsführer
den Anfechtungsgegenstand bestimmt. Der Prüfungsge-
genstand ist nach dem erklärten, verständig zu würdi-
genden Willen des Einspruchsführers unter Berücksich-
tigung des gesamten Einspruchsvorbringens sinngemäß
abzugrenzen. Aus der Begründungspflicht folgt, daß
diese Abgrenzung auch danach vorzunehmen ist, wie-
weit der Einspruchsführer seinen Einspruch substantiiert
hat. Nur im Rahmen des so bestimmten Anfechtungsge-
genstandes haben die Wahlprüfungsorgane dann den
Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, von
Amts wegen zu erforschen und alle auftauchenden
rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen (BVerf-
GE 40, 11 [30]).
Der Einspruchsführer hat lediglich pauschal Verstöße
gegen das Gebot geheimer Abstimmungen für die Kan-
didatenaufstellungen den Parteien (§ 21 Abs. 3 BWG)
behauptet. Dies genügt der wahlprüfungsrechtlichen
Substantiierungspflicht nicht. Er hätte vielmehr konkrete
Fälle benennen müssen. Ohne solch konkreten Sachvor-
trag besteht jedoch keinerlei Ansatz, aufgrund dessen
überprüft werden könnte, ob bei der Vorbereitung oder
der Durchführung der Bundestagswahlen wahlrechtliche
Vorschriften tatsächlich verletzt worden sind. Ebenso-
wenig ist es ausreichend, anstelle des eigenen Sachvor-
trags pauschal auf das Zeugnis Dritter – hier der Abge-
ordneten des Bundestages – zu verweisen. Es ist nicht
Aufgabe der Wahlprüfungsorgane, durch die Verneh-
mung von Zeugen überhaupt erst den Prüfungsgegen-
stand zu ermitteln. Eine Zeugenvernehmung im Wahl-
prüfungsverfahren (§ 5 Abs. 3 und § 7 Abs. 2 WPrüfG)
setzt vielmehr einen zulässigen und damit ausreichend
begründeten Einspruch voraus.

Soweit der Einspruchsführer daneben auch die Fünfpro-
zentklausel des § 6 Abs. 6 BWG angreifen will, ist sein
Vortrag verspätet. Denn diese Beanstandungen hat er
erstmals mit seinem Schreiben vom 4. Juni 1999 erho-
ben, also zu einem Zeitpunkt, als die zweimonatige Ein-
spruchsfrist des § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG bereits abge-
laufen war. Daran ändert es auch nichts, daß der Ein-
spruchsführer seine Beanstandungen zur Kandidatenauf-
stellung bereits während der Einspruchsfrist vorgetragen
hatte. Die während der Einspruchsfrist eingegangenen
Schreiben des Einspruchsführers betreffen einen völlig
anderes Thema und erwähnen die Fünfprozentklausel
mit keinem Wort. Wahleinsprüche sind jedoch nur inso-
weit zulässig, als alle formellen Voraussetzungen wäh-
rend der Einspruchsfrist vorliegen bzw. vorgetragen
werden. Deshalb muß während der Einspruchsfrist auch
eine ausreichende Begründung für den jeweils angegrif-
fenen Sachverhalt vorgetragen werden, und ein fristwah-
rendes Schreiben zu einem Sachverhalt kann nicht die
Fristversäumnis eines Schreibens zu einem anderen
Sachverhalt heilen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 und 2
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75 – Drucksache 14/1560

Anlage 27

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache - Az: WP 71/98 –
1. des Herrn Michael Langer

wohnhaft: Frankfurter Straße 198, 65779 Kelkheim
– bevollmächtigt –

2. der Frau Brigitte Schmidt
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 30. Oktober 1998, welches am

6. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
haben die Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Bei dem Einspruchsführer zu 1. handelt es sich um
den Vorsitzenden des Main-Taunus-Kreises der Partei
DIE REPUBLIKANER. Die Einspruchsführerin zu 2.
war die Direktkandidatin für DIE REPUBLIKANER
im Wahlkreis 138. Die Einspruchsführerin zu 2. hat
mit Schreiben vom 9. Dezember 1998 den Ein-
spruchsführer zu 1. für das Wahlprüfungsverfahren
bevollmächtigt.
Die Einspruchsführer beanstanden die Feststellung
des Wahlergebnisses in dem Wahlkreis 138 (Main-
Taunus), Wahlbezirk 04. Nach dem veröffentlichten
amtlichen Endergebnis hat die Partei DIE REPU-
BLIKANER in dem Wahlbezirk 04 des Wahlkreises
138 keine Zweitstimmen erhalten. Ausweislich einer
eidesstattlichen Versicherung, die die Einspruchsfüh-
rer vorgelegt haben, haben jedoch zwei Wähler in
diesem Wahlbezirk mit der Erst- und Zweitstimme
für DIE REPUBLIKANER gestimmt. Diese Wähler
behaupten in ihrem Schreiben an den Landesverband
der REPUBLIKANER von Hessen, daß ihre Stimm-
zettel nachträglich verändert oder vernichtet worden
seien. Die Einspruchsführer fordern deshalb die Neu-
auszählung der Stimmen in dem genannten Wahlbe-
zirk. In einem ähnlich gelagerten Fall in Gießen habe
eine Nachzählung 18 Zweitstimmen für DIE REPU-
BLIKANER ergeben.
Die Wahlniederschrift des Wahlbezirks 4 der Stadt
Eschborn, die dem Wahlprüfungsausschuß im Origi-
nal vorgelegen hat, weist keine Zweitstimmen für
DIE REPUBLIKANER aus. In diesem Wahlbezirk

waren 1093 Wahlberechtigte im Wählerverzeichnis
ohne Sperrvermerk „W“ eingetragen, von denen 878
Wähler ihre Stimme abgegeben haben. Von den ab-
gegebenen Zweitstimmen waren 868 gültig und
10 Stimmen ungültig.
Der Magistrat der Stadt Eschborn hat zu dem Ein-
spruch mitgeteilt, daß eine Überprüfung der Wahlnie-
derschrift des Wahlbezirks 4 keine Unstimmigkeiten
ergeben habe. Die beiden Personen, die entsprechend
ihrer eidesstattlichen Erklärung in diesem Wahlbezirk
DIE REPUBLIKANER gewählt haben wollen, haben
im Wählerverzeichnis des Wahlbezirkes einen
Stimmabgabevermerk erhalten, woraus zu schließen
sei, daß sie dort tatsächlich ihre Stimme abgegeben
haben.
Nach der Stellungnahme des Wahlvorstehers des
Wahlvorstandes 4 der Stadt Eschborn hat der Wahl-
vorstand die Auszählung der Stimmzettel sorgfältig
vorgenommen. Es könne ausgeschlossen werden, daß
Stimmzettel beiseite geschafft worden seien, weil sich
zu keinem Zeitpunkt Differenzen hinsichtlich der An-
zahl der Stimmzettel und der Anzahl der ausgezählten
Stimmen ergeben hätten. Die Behauptung einer an-
geblichen nachträglichen Veränderung oder Ver-
nichtung von Stimmen sei definitiv falsch. Diese
Unterstellung weise er für sich und alle Mitglieder
des Wahlvorstandes entschieden zurück. Bei den ge-
ringsten Zweifeln an der Arbeit des Wahlvorstandes
sollte nach Ansicht des Wahlvorstehers eine erneute
Auszählung der Stimmzettel erfolgen, um die Be-
hauptung der Manipulation zu widerlegen.
Auch der stellvertretende Wahlvorsteher, der Schrift-
führer und eine Beisitzerin haben erklärt, daß die Er-
mittlung des Wahlergebnisses in diesem Wahlbezirk
unter Einbeziehung der Öffentlichkeit rechtmäßig und
korrekt durchgeführt worden sei und keine Unregel-
mäßigkeiten vorgekommen seien. Die Stimmzettel

Drucksache 14/1560 – 76 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

seien zweimal ausgezählt und über ungültige Stim-
men sei gesondert abgestimmt worden.
Die Einspruchsführer haben sich zu den Stellung-
nahmen, die ihnen bekanntgegeben worden sind,
nicht mehr geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Anhand des ermittelten Sachverhaltes kann nicht ent-
schieden werden, ob bei der Auszählung der Stimmen im
Wahlbezirk 4 des Wahlkreises 138 (Main-Taunus) ein
Wahlfehler vorgekommen ist oder nicht. Diese Frage
kann jedoch offen bleiben, weil es für den vorliegenden
Fall im Ergebnis nicht darauf ankommt. Selbst wenn ein
Wahlfehler vorgekommen sein sollte, könnte dieser
mangels Mandatsrelevanz dem Einspruch nicht zum Er-
folg verhelfen. Denn wären die zwei Zweitstimmen für
DIE REPUBLIKANER in diesem Wahlbezirk tatsäch-
lich in gültiger Form abgegeben worden, hätten sie das
Wahlergebnis des Wahlkreises nicht in der Weise verän-
dert, daß die Sitzverteilung im Bundestag beeinflußt
worden wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets ange-
schlossen hat, können aber nur solche Wahlfehler einen
Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die Man-
datsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein können.
Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vornherein als
unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, [372] ständige
Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die die Er-
mittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann uner-
heblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnisses
keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben können.
Unter Berücksichtigung dieses Aspektes hat der Wahl-
prüfungsausschuß davon abgesehen, eine erneute Stim-
menauszählung zu veranlassen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 77 – Drucksache 14/1560

Anlage 28

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 80/98 –
des Herrn Alfred Dagenbach

wohnhaft: Großgartacher Straße 220, 74080 Heilbronn
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 8. November 1998, das am

13. November beim Bundestag eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag am 27. September
1998 Einspruch eingelegt. Er beanstandet in seinem
Einspruch das Ergebnis der Stimmenauszählung für
die Partei DIE REPUBLIKANER (REP) im Wahl-
kreis 171 (Heilbronn).
Zur näheren Begründung seines Einspruchs führt der
Einspruchsführer aus, die REP habe in der Gemeinde
Jagsthausen bei der Briefwahl 15 Stimmen errungen,
was einem Anteil von 13,4 % entspreche. Bei der
Wahl durch Stimmabgabe im Wahllokal habe die
REP jedoch nur 29 Stimmen erhalten, was einem
Anteil von lediglich 3,7 % entspreche, so daß das
Wahlergebnis für diese Partei insgesamt 4,9 % betra-
gen habe. Aufgrund der im Vergleich zu den Wahl-
ergebnissen der umliegenden Orte deutlichen Diskre-
panz zwischen den per Briefwahl und den ohne
Briefwahl abgegebenen Stimmen vermutet der Ein-
spruchsführer Unkorrektheiten bei der Stimmenaus-
zählung und fordert deshalb eine Überprüfung der
Auszählung. Diese Forderung habe er bereits telefo-
nisch an den Kreiswahlleiter gerichtet. Die Richtig-
keit der Stimmenzahl für die Briefwahl sei ihm vom
Kreiswahlleiter bestätigt worden, nicht jedoch die der
anderen Stimmen, die angeblich nicht nachgezählt
worden seien. Der Kreiswahlleiter habe das Verlan-
gen des Einspruchsführers auf Stimmennachzählung
verweigert. Daraufhin habe er telefonisch beim Kreis-
wahlleiter Einspruch gegen die Bundestagswahl „zur
Niederschrift“ eingelegt und um Weiterleitung des
Einspruchs gebeten. Diese Weiterleitung sei ihm je-
doch mit Schreiben des Kreiswahlleiters vom 5. No-
vember 1998 verweigert worden.
Seine Forderung nach erneuter Stimmenzählung der
für die REP im Wahlkreis 171 abgegebenen Stimmen
begründet der Einspruchsführer außerdem damit, daß
er in der Vergangenheit immer wieder habe feststel-

len müssen, daß Stimmzettel „aus Versehen“ beim
Auszählen auf dem „falschen Stoß“ abgelegt und dort
mitgezählt worden seien. Sein Einspruch sei deshalb
wegen der im Gegensatz zur bisher „unter anderer
Wahlleitung noch nie verweigerten Nachzählung“
begründet.
Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 171 (Heilbronn)
hat zu dem Einspruch folgende Stellungnahme abge-
geben:
Nach Angaben des Bürgermeisters von Jagsthausen
ist am Wahlabend während der Stimmenauszählung
aufgefallen, daß der Anteil der Wähler, die DIE RE-
PUBLIKANER gewählt haben, im Briefwahlbezirk
deutlich größer als in den Wahllokalen gewesen sei.
Die Wahl sei jedoch von den Mitarbeitern der Ge-
meinde Jagsthausen ordnungsgemäß durchgeführt
und ausgewertet worden, weshalb es keinen Anlaß
gebe, am Ergebnis zu zweifeln. Auch aus Sicht des
Kreiswahlleiters gebe es keinen Anlaß, am Wahler-
gebnis in dieser Gemeinde zu zweifeln. Der Landes-
wahlleiter habe ebenfalls keine erneute Auszählung
der Stimmen empfohlen. Dies sollte nur auf Anord-
nung der Wahlprüfungsbehörde geschehen.
Der Kreiswahlleiter verwies im übrigen darauf, daß
Einsprüche gegen die Bundestagswahl schriftlich
beim Bundestag einzureichen sind. Er sei deshalb zur
Weiterleitung des telefonisch übermittelten Wahlein-
spruches weder berechtigt noch verpflichtet gewesen.
Der Einspruchsführer hat nach Bekanntgabe der
Stellungnahme des Kreiswahlleiters seine Bedenken
gegen das Wahlergebnis mit der gleichen Begrün-
dung wie in seinem Einspruch wiederholt und außer-
dem geäußert, man könne „in aller Regel bei jeder
Dienststelle eine Eingabe für eine andere abgeben“.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 78 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Anhand des Vortrages des Ein-
spruchsführers konnte kein Wahlfehler festgestellt
werden.
Gemäß § 2 Abs. 3 WPrüfG ist der Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahlen zum Bundestag schriftlich beim
Bundestag einzureichen und zu begründen. Der Wahl-
prüfungsausschuß hat solche Wahleinsprüche, die nicht
unmittelbar beim Bundestag, sondern bei anderen amt-
lichen Stellen eingelegt und dem Bundestag innerhalb
der gesetzlichen Wahleinspruchsfrist zugeleitet worden
sind, in der Vergangenheit stets anerkannt (vgl. Druck-
sache 8/263, Anlage 5 und 13/2800, Anlage 9). Das Er-
fordernis der Schriftlichkeit kann auch dann als erfüllt
angesehen werden, wenn der Einspruchsführer seinen
Einspruch vor einem Wahlorgan zu dessen Niederschrift
des Wahlorgans erklärt, zumindest wenn darin auf eine
bereits vorliegende schriftliche Äußerung des Ein-
spruchsführers verwiesen (Drucksache 11/1805, An-
lage 1) oder wenn der Einspruch handschriftlich unter-
zeichnet wird, so daß die Identität des Einspruchsführers
erkennbar ist.
Im vorliegenden Fall hat der Einspruchsführer seinen
Einspruch zunächst nur telefonisch beim Kreiswahlleiter
eingelegt und dessen Weiterleitung verlangt. Diese
mündliche Form des Einspruchs genügt dem gesetzlich
vorgeschriebenen Schriftformerfordernis jedoch nicht,
weil weder eine vorherige schriftliche Äußerung noch
die handschriftliche Unterschrift des Einspruchsführers
vorgelegen hat, so daß eine Identifizierung der Person
des Einspruchsführers nicht möglich war. Die Verweige-
rung der Weiterleitung des Einspruchs an den Bundestag
durch den Kreiswahlleiter war deshalb rechtmäßig. Mit
seinem daraufhin am 8. November 1998 an den Bun-
destag gerichteten Schreiben hat der Einspruchsführer
die notwendigen Formerfordernisse erfüllt.
Die wegen der Abweichung des Briefwahlergebnisses
zum Wahlergebnis ohne Briefwahl für DIE REPUBLI-
KANER geäußerte Vermutung des Einspruchsführers,
die Stimmenauszählung sei nicht korrekt erfolgt, ist für
die Anordnung einer erneuten Stimmenauszählung in der
Gemeinde Jagsthausen nicht ausreichend. Allein die
Abweichung der mit Briefwahl und ohne Briefwahl für
DIE REPUBLIKANER erzielten Stimmen bietet keine
konkreten Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Stimmen-
auszählung durch den Wahlvorstand. Weitere konkrete
Tatsachen, die eventuell vorgekommene Fehler bei der
Stimmenauszählung untermauern würden, hat der Ein-
spruchsführer jedoch nicht dargetan. Der Wahlprüfungs-
ausschuß sieht sich deshalb mangels hinreichend be-

stimmtem Anfechtungsgegenstand an einer näheren Prü-
fung gehindert. Denn die Wahlprüfung findet weder von
Amts wegen statt, noch erfolgt sie stets in Gestalt einer
Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr erfolgt nach
§ 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung nur auf Ein-
spruch, der zu begründen ist. Die Begründung muß min-
destens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt
wird, erkennen lassen und genügend substantiierte Tat-
sachen enthalten (BVerfGE 40, 11, 30). Selbst wenn ein
Wahlfehler vorläge, könnte der Einspruch keinen Erfolg
haben, weil durch die vom Einspruchsführer benannte
Fehlermöglichkeit in der Gemeinde Jagsthausen weder
das Wahlergebnis im Wahlkreis Heilbronn noch im
Bundesland Baden-Württemberg verändert worden wäre.
Für die Mandatsverteilung unerhebliche Wahlfehler
können aber nicht zum Erfolg des Einspruchs führen.
Im übrigen gilt für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses ebenso wie für die eigentliche Wahl-
handlung gemäß § 54 Bundeswahlordnung (BWO) der
Öffentlichkeitsgrundsatz, d. h. jedermann hat während
der Stimmenauszählung Zutritt zum Wahlraum, soweit
das ohne Störung des Wahlgeschäftes möglich ist. Der
Einspruchsführer hätte danach der Stimmenauszählung
in der Gemeinde Jagsthausen – zumindest in einem
Wahllokal – persönlich beiwohnen und deren Ordnungs-
mäßigkeit überwachen können, zumal er nach eigenem
Vortrag in der Vergangenheit hatte feststellen müssen,
daß Stimmzettel „aus Versehen“ beim Auszählen auf
dem „falschen Stoß“ abgelegt und dort mitgezählt wor-
den seien. Derartige Vorkommnisse hat er jedoch für die
von ihm beanstandete Stimmenauszählung nicht vorge-
tragen. Der Wahlprüfungsausschuß hat deshalb ebenso
wie der Kreiswahlleiter von Heilbronn und der Landes-
wahlleiter von Baden-Württemberg keinen Anlaß, an
dem von der Gemeinde Jagsthausen festgestellten Wahl-
ergebnis zu zweifeln.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79 – Drucksache 14/1560

Anlage 29

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 91/98 –
des Herrn Roland Fischer

wohnhaft: Dahlweg 60, 48153 Münster
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 23. November 1998, das am

25. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer die Wahlen zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten. Zur Begründung führt er aus, die nach dem
Wahlergebnis angefallenen Überhangmandate ver-
letzten die Grundsätze der Gleichheit und der Freiheit
der Wahl.
Der Einspruchsführer trägt vor, auf dem Stimmzettel
werde die Zweitstimme als „maßgebende Stimme für
die Verteilung der Sitze insgesamt auf die einzelnen
Parteien“ bezeichnet. Wenn der Gesetzgeber selbst
entscheide, diesen Satz auf die Stimmzettel schreiben
zu lassen, belege dies, daß er sich streng an die
Grundgesetzvorgabe der Gleichheit der Wahl halten
wolle. Dennoch seien Überhangmandate ohne Aus-
gleichssitze möglich. Dies liege wohl daran, daß bis
zum Jahr 1994 Überhangmandate nicht in einer so
bedeutenden Anzahl entstanden seien. Das Ergebnis
der Wahl zum 13. Deutschen Bundestag am 16. Ok-
tober 1994 hätte jedoch einen Auftrag an den Gesetz-
geber ergeben, da seinerzeit 16 Überhangmandate an-
gefallen seien. Das Wahlgesetz hätte daraufhin nach
Ansicht des Einspruchsführers so verändert werden
müssen, daß die Sitzverteilung „nicht unbegrenzt
vom Verhältniswahlprinzip abweichen“ könne. Der
Einspruchsführer schlägt hierzu die Schaffung von
Ausgleichsmandaten zumindest für solche Par-
teien vor, die die 5 %-Sperrklausel überschritten
hätten.
Außerdem meint der Einspruchsführer, der Hinweis
auf dem Stimmzettel verletze auch den Grundsatz der
Freiheit der Wahl. Die Aussage, die Zweitstimme sei
die „maßgebende Stimme für die Verteilung der Sitze
insgesamt auf die einzelnen Parteien“ stimme nicht
mehr, weil durch die veränderten Wahlgewohnheiten
eine größere Anzahl von Überhangmandaten ent-
stehe. Um jedoch frei entscheiden zu können, wie er
seine zwei Stimmen einsetze, müsse der Wähler auch

die Konsequenzen kennen. Zwar habe der Staat nicht
die Verpflichtung, den Wahlberechtigten über jede
Regelung zu unterrichten, aber wenn er es tue, müsse
es auch stimmen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers läßt keine Wahlfehler erkennen. Die Sitzverteilung
im 14. Deutschen Bundestag mit den 13 Überhangman-
daten beruht auf einer korrekten Anwendung gültiger
Wahlrechtsvorschriften.
Der vom Einspruchsführer beanstandete Hinweis auf
den Stimmzetteln zur Bundestagswahl entspricht den
Anordnungen in § 45 i.V.m. Anlage 26 der Bundeswahl-
ordnung (BWO). Die dagegen vorgebrachten Bedenken
des Einspruchsführers teilt der Wahlprüfungsausschuß
nicht.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden
nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl ver-
bundenen Verhältniswahl gewählt (§ 1 Abs. 1 Satz 2
Bundeswahlgesetz – BWG). Diese Verbindung von
Mehrheits- und Verhältniswahlsystem findet in § 1
Abs. 2 und § 4 BWG ihren Niederschlag: Jeder Wähler
hat zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines
Wahlkreisabgeordneten und eine Zweitstimme für die
Wahl einer Landesliste einer Partei. Die Hälfte der Ab-
geordneten wird in den Wahlkreisen nach den Grundsät-
zen der relativen Mehrheitswahl bestimmt (§ 5 BWG).
Die andere Hälfte wird en bloc aufgrund der Landes-
listen der Parteien in den Ländern nach den Grundsätzen
der Verhältniswahl gewählt (§ 6 BWG).

Drucksache 14/1560 – 80 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Grundprinzip des Verhältniswahlsystems ist es, daß die
Mandate den Wahlvorschlagsträgern grundsätzlich im
(gleichen) Verhältnis zugeteilt werden, wie sie bei der
Wahl Stimmen erzielt haben (Schreiber, Wahlrecht, § 1
Rdnr. 30). Bei der Berechnung der danach zu vergeben-
den Listenmandate werden nach Maßgabe des § 6 BWG
die gemäß § 5 BWG erzielten Direktmandate abgezogen.
Aus diesem Grund bestimmt sich die Zahl der auf die
einzelnen Parteien entfallenden Sitze fast ausschließlich
nach den abgegebenen Zweitstimmen, also nach den
Grundsätzen der Verhältniswahl.
Die Zweitstimme erscheint somit als die maßgebliche
Stimme, da sie das zahlenmäßige Gesamtwahlergebnis
der einzelnen Parteien bestimmt. Allerdings wird beim
Entstehen von Überhangmandaten die Sitzverteilung im
Bundestag auch durch die abgegebenen Erststimmen be-
einflußt. Von Überhangmandaten spricht man, wenn die
Gesamtzahl der einer Partei in einem Land – nach dem
Verhältnis der auf ihre Landesliste entfallenden Zweit-
stimmen – zugefallenen Sitze geringer ist als die Zahl
der von ihr – auf Grund der Erststimmen nach den
Grundsätzen der Mehrheitswahl – direkt errungenen
Sitze (Schreiber, Wahlrecht, § 6 Rdnr. 12).
Der im vorliegenden Wahleinspruch gerügte Hinweis auf
den amtlichen Stimmzetteln wird durch die Möglichkeit
zur Entstehung solcher Überhangmandate nicht falsch
oder irreführend. Da es sich bei den Überhangmandaten
lediglich um Ausnahmefälle handelt, bleibt „maßge-
bend“ für die Sitzverteilung weiterhin die Zweitstimme.
Der in Rede stehende Hinweis dient dem Zweck, den
Wähler im Augenblick der Wahlhandlung nochmals
schlaglichtartig auf die Bedeutung der Zweitstimme hin-
zuweisen. Es soll der Eindruck vermieden werden, sie
sei durch ihre Bezeichnung als Zweitstimme für die Be-
stimmung der politischen Kräfteverhältnisse weniger
wichtig als die Erststimme. In Anbetracht der grund-
legenden Bedeutung der Zweitstimme erscheint der
Hinweis auch sachgerecht. Der Hinweis auf den Stimm-
zetteln ist 1985 deshalb eingeführt worden, weil in vor-
hergehenden Wahlprüfungsfällen immer wieder Klage
darüber erhoben worden ist, daß die Wähler nicht ein-
deutig hätten erkennen können, daß es für die Berech-
nung wesentlich („maßgeblich“) auf die Ergebnisse der
Zweitstimmenwahl ankomme, also auf den Bereich
des Verhältniswahlsystems (vgl. u. a. Drucksache 9/316,
Anlage 28).
Darüber hinaus greifen auch verfassungsrechtliche Be-
denken gegen die Existenz von Überhangmandaten an
sich nicht durch. Denn die einschlägigen Regelungen in
§ 6 Abs. 5 i. V. m. § 7 Abs. 3 BWG sind erst kürzlich
vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als verfas-
sungsgemäß bestätigt worden.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-
dung vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff) festge-
stellt, daß die Vorschriften des Bundeswahlgesetzes zu
den Überhangmandaten mit dem Grundgesetz vereinbar
sind. Ausdrücklich hat das Gericht ausgeführt, daß die

Entstehung von Überhangmandaten ohne Ausgleich für
die anderen Parteien den Anforderungen der Wahl-
gleichheit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG genügt und
die Chancengleichheit der Parteien wahrt (BVerfGE 95,
335, 357). Zwar hat das Gericht ebenfalls betont, daß der
Grundcharakter der Wahl als Verhältniswahl eine Diffe-
renzierung des Gewichts der für die Parteien abgegebe-
nen Stimmen nicht unbeschränkt zulasse und daß sich
die Zahl der Überhangmandate in Grenzen halten müsse
(BVerfGE 95, 335, 365). Die vom Gericht für eine
solche Grenze ins Auge gefaßte Größe von 5 % der Ge-
samtzahl der Parlamentssitze ist jedoch im 14. Deut-
schen Bundestag mit den angefallenen 13 Überhang-
mandaten (1,9 % der Gesamtsitzzahl) noch lange nicht
erreicht.
Vor dieser Entscheidung hatte sich auch der Bundestag
intensiv mit den Regelungen im Bundeswahlgesetz zu
den Überhangmandaten beschäftigt und sie unter Hinzu-
ziehung von Sachverständigen auf ihre Verfassungsmä-
ßigkeit überprüft. Bereits die in der 13. Wahlperiode
eingesetzte Reformkommission zur Größe des Bundes-
tages war zu dem Ergebnis gekommen, die bestehenden
Regelungen des Bundeswahlgesetzes, die zum Auftreten
von Überhangmandaten führen können, seien verfas-
sungsgemäß, und es bestehe auch keine verfassungs-
rechtliche Notwendigkeit, Überhangmandate durch er-
gänzende Regelungen auszugleichen, etwa durch Aus-
gleichsmandate oder eine Verrechnung bei den verbun-
denen Landeslisten. Die Kommission hat dem Bundestag
keine Änderungen der §§ 6 und 7 BWG empfohlen
(s. Drucksache 13/4560). Diesen Empfehlungen ist der
Bundestag gefolgt; Gesetzentwürfe der 13. Wahlperiode,
die die Kompensation von Überhangmandaten vorsahen,
fanden keine Mehrheit (s. hierzu Drucksache 13/5750,
StenProt 13/129 vom 11. Oktober 1996; S. 11631 ff).
An dieser Auffassung hält der Bundestag auch in Anse-
hung des vorliegenden Wahleinspruchs weiterhin fest.
Darüber hinaus sehen sich der Bundestag und der Wahl-
prüfungsausschuß nicht berufen, im Wahlprüfungsver-
fahren die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvor-
schriften festzustellen. Sie haben diese Kontrolle stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 81 – Drucksache 14/1560

Anlage 30

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 96/98 –
des Herrn Dr. August Böckmann

wohnhaft: Bagelstraße 113, 40479 Düsseldorf
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird teilweise als unzulässig, im übrigen als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 25. November 1998, das am

26. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten.
In seiner Begründung wendet sich der Einspruchs-
führer gegen vier der im 14. Deutschen Bundestag
angefallenen Überhangmandate. Dazu führt er aus,
der Wahl habe eine im Verhältnis zum Bevölkerungs-
anteil ungleiche Wahlkreisverteilung zwischen den
Ländern zugrunde gelegen. Dies verstößt nach An-
sicht des Einspruchsführers gegen das Gebot der
Wahlgleichheit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 des
Grundgesetzes. Aus der ungleichen Wahlkreisvertei-
lung hätten sich „vier zusätzliche und damit verfas-
sungswidrige“ Überhangmandate ergeben. Insoweit
sei der 14. Deutsche Bundestag verfassungswidrig
zusammengesetzt und müsse „unverzüglich geeignete
Maßnahmen ergreifen, um seine verfassungsgemäße
Zusammensetzung wiederherzustellen oder den ver-
fassungswidrigen Auswirkungen seiner nicht verfas-
sungsgemäßen Zusammensetzung abzuhelfen.“
Im einzelnen beanstandet der Einspruchsführer die
Anzahl der Wahlkreise in den Ländern Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thü-
ringen. Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil hätten
diese Länder jeweils einen Wahlkreis zuviel besessen.
Da dort Überhangmandate angefallen sind, hätte eine
nach Ansicht des Einspruchsführers korrekte Wahl-
kreiseinteilung zu vier Überhangmandaten weniger
im 14. Deutschen Bundestag geführt.
In einem weiteren Schreiben vom 15. März 1999, das
am 22. März 1999 beim Bundestag eingegangen ist,
führt der Einspruchsführer aus, er wolle die Begrün-
dung seines Wahleinspruchs ergänzen, „wodurch die-
ser auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit
aller 13 bei der letzten Bundestagswahl angefallenen
Überhangmandate gerichtet ist“.

Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag sind auf-
grund der Bestimmungen in § 6 Abs. 5 und § 7 Abs. 3
des Bundeswahlgesetzes (BWG) 13 Überhangman-
date entstanden, und zwar eins in Hamburg, zwei
in Mecklenburg-Vorpommern, drei in Brandenburg,
vier in Sachsen-Anhalt und drei in Thüringen. Alle
13 Überhangmandate begünstigen die SPD.
Bereits vor der Wahl hatte im Januar 1996 die Wahl-
kreiskommission gemäß § 3 BWG ihren Bericht für
die 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages vor-
gelegt (Drucksache 13/3804). In diesem Bericht
machte die Kommission Vorschläge für die Eintei-
lung der Wahlkreise zum 14. Deutschen Bundestag,
die sich an den gesetzlichen Vorgaben des § 3 Abs. 2
BWG in der seinerzeit geltenden Fassung orientieren.
Dazu gehört insbesondere der Grundsatz, daß die
Zahl der Wahlkreise in den einzelnen Ländern deren
Bevölkerungsanteil soweit wie möglich entsprechen
soll (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 BWG a. F.). Gemäß § 3 Abs. 2
Nr. 2 BWG a. F. soll die Bevölkerungszahl eines
Wahlkreises von der durchschnittlichen Bevölke-
rungszahl der Wahlkreise nicht um mehr als 25 v. H.
nach oben oder unten abweichen; beträgt die Abwei-
chung mehr als 33 1/3 v. H. ist eine Neuabgrenzungvorzunehmen. Unter Berücksichtigung dessen schlug
die Wahlkreiskommission eine Umverteilung der
Wahlkreise zwischen den Ländern vor; die Länder
Berlin, Hessen und Niedersachsen sollten danach je
einen, Baden-Württemberg zwei und Bayern drei
Wahlkreise zusätzlich erhalten. Hamburg, Nordrhein-
Westfalen, Saarland und die fünf neuen Länder soll-
ten jeweils einen Wahlkreis verlieren.
Diesen Empfehlungen folgte der Bundestag jedoch
nicht. Mit dem 13. Gesetz zur Änderung des Bun-
deswahlgesetzes vom 15. November 1996 (BGBl.
1996 I, S. 1712) beschloß er vielmehr, für die Wahl
zu 14. Deutschen Bundestag nur die Wahlkreise mit
einer Abweichung nach oben oder unten von mehr als
33 1/3 v. H. vom Durchschnitt zu korrigieren. Gleich-

Drucksache 14/1560 – 82 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

zeitig beschloß der Bundestag, mit Wirkung von der
15. Wahlperiode, die Zahl der Mitglieder des Bun-
destages auf 598 und dementsprechend die Zahl der
Wahlkreise auf 299 zu verringern. Für die Einteilung
der Wahlkreise ist künftig eine Abweichung von der
durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise
um maximal 25 v. H. zulässig; bereits ab einer Ab-
weichung um mehr als 15 v. H. soll eine Neuabgren-
zung vorgenommen werden.
Dieser Entscheidung war eine entsprechende Emp-
fehlung der in der 13. Wahlperiode eingesetzten „Re-
formkommission zur Größe des Bundestages“ vor-
ausgegangen (Drucksache 13/4560). Vor dem Hin-
tergrund der Entscheidung, die Größe des Parlaments
mit Wirkung von der 15. Wahlperiode auf unter 600
Abgeordnete zu verkleinern, hatte diese Kommission
den Auftrag, eine Stellungnahme zu allen im Zusam-
menhang mit einer Verkleinerung des Parlaments ent-
scheidungserheblichen Fragen, wie insbesondere die
des Neuzuschnitts der Wahlkreise, zu erarbeiten.
Hierzu und zu anderen aktuellen Fragen des Wahl-
rechts führte die Kommission im Dezember 1995 zu-
nächst eine öffentliche Anhörung mit acht namhaften
Sachverständigen durch. Im Ergebnis ihrer Über-
legungen empfahl die Kommission, für die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag nur diejenigen Wahlkreise
neu abzugrenzen, deren Bevölkerung um mehr als
33 1/3 v. H. von der durchschnittlichen Bevölkerungs-zahl der Wahlkreise nach oben oder unten abweicht,
sowie die sich daraus ergebenden Folgeänderungen
vorzunehmen. Im übrigen empfahl die Reformkom-
mission, keine Neuabgrenzung der Wahlkreise vor-
zunehmen und auch die Verteilung der Wahlkreise
auf die Länder nicht zu verändern.
Gegen diesen Entscheidungsprozeß wendet sich der
vorliegende Wahleinspruch in seiner ursprünglichen
Fassung. Der Einspruchsführer trägt vor, wäre der
Bundestag den Empfehlungen der Wahlkreiskommis-
sion gefolgt, so wären im 14. Deutschen Bundestag
vier Überhangmandate weniger angefallen. Der Ge-
setzgeber in der 13. Legislaturperiode habe im 13. Ge-
setz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes die in
Artikel 38 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerte
Wahlrechtsgleichheit sowie das Gebot der möglichst
gleichgroßen Wahlkreise in § 3 Abs. 2 Nr. 3 BWG
wissentlich nicht beachtet und auch keine gesetz-
lichen Regelungen beschlossen, durch die die mit
dem Anfall von Überhangmandaten verbundene Ver-
schiebung des Stimmgewichts der Wähler ausgegli-
chen werden könnten. Deshalb seien die genannten
vier Überhangmandate und insoweit auch die Zu-
sammensetzung des 14. Deutschen Bundestages ver-
fassungswidrig.
Das Bundesverfassungsgericht habe in laufender und
damit gefestigter Rechtsprechung festgestellt, daß
(ausgleichslose) Überhangmandate grundsätzlich ver-
fassungswidrig seien, soweit sie sich aus ungleichge-
wichtiger bzw. im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil
nicht proportionaler Verteilung der Wahlkreise auf
die Länder ergäben. Damit habe der Gesetzgeber
spätestens dann die Pflicht zur Anpassung bzw. Kor-

rektur der Wahlkreisverteilung zwischen den Län-
dern, wenn die Wahrscheinlichkeit bestehe bzw. es
nicht mehr ausgeschlossen werden könne, daß durch
die ungleichgewichtige Wahlkreisverteilung bei der
nächsten Wahl Überhangmandate entstünden. Dieser
Tatbestand habe hinsichtlich der neuen Länder späte-
stens seit der Bundestagswahl 1994 offenkundig vor-
gelegen. Zumindest hätte dem Vorschlag der Wahl-
kreiskommission zu einer eingeschränkten Korrektur
der Wahlkreiseinteilung gefolgt werden müssen.
Dann wäre lediglich in den neuen Ländern jeweils ein
Wahlkreis gestrichen worden, ohne diese Wahlkreise
anderen Ländern wieder zuzuordnen.
Zur Untermauerung seiner Argumentation führt der
Einspruchsführer Stimmen aus der Opposition im
13. Deutschen Bundestag und die verfassungsrecht-
lichen Bedenken der Wahlkreiskommission sowie der
von der Reformkommission herangezogenen Staats-
rechtslehrer an. Wegen der weiteren Einzelheiten sei-
ner Argumentation wird auf die umfangreiche Ein-
spruchsschrift verwiesen.
In seinem Schreiben vom 15. März 1999 mit dem
Titel „Ergänzende Begründung zum Wahleinspruch“
greift der Einspruchsführer darüber hinaus die Exi-
stenz von Überhangmandaten an sich an. Zur Be-
gründung dessen bezieht er sich in erster Linie auf
das Sondervotum von vier Richtern des 2. Senats des
Bundesverfassungsgerichts zum Urteil vom 10. April
1997 zur Verfassungsmäßigkeit von Überhangman-
daten (2 BvF 1/95 – BVerfGE 95, 335, 367 ff.). Auch
insoweit wird wegen der weiteren Einzelheiten auf
den Akteninhalt verwiesen.
In zwei weiteren Schreiben vom 29. April 1999 und
23. Mai 1999 hat der Einspruchsführer schließlich die
nach seiner Ansicht zu lange Dauer des Wahlprü-
fungsverfahrens beanstandet. Er hat in diesem Zu-
sammenhang die Ansicht vertreten, beim Anfall einer
größeren Anzahl von Wahleinsprüchen müßten Prio-
ritäten gesetzt werden, wobei sein Einspruch „auf-
grund von Begründung und Mandatsrelevanz von
hoher Dringlichkeit“ sein dürfte.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von
der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist zulässig, soweit der Einspruchsführer
mit seinem Schreiben vom 25. November 1998 die Exi-
stenz jeweils eines Überhangmandats aus den Ländern
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt
und Thüringen im 14. Deutschen Bundestag angreift. In-
soweit ist der Einspruch form- und fristgerecht beim
Deutschen Bundestag eingegangen.
Der Einspruch ist jedoch unzulässig, soweit der Ein-
spruchsführer mit seinem weiteren Schreiben vom

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 83 – Drucksache 14/1560

15. März 1999 auch die neun weiteren Überhangmandate
im 14. Deutschen Bundestag anfechten will. Denn hierin
liegt eine Erweiterung des mit der Einspruchsschrift vom
26. November 1998 bestimmten Anfechtungsgegenstan-
des, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgenommen
werden konnte.
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wahlein-
spruchs ist zunächst, daß er binnen einer Frist von zwei
Monaten nach dem Wahltag beim Bundestag eingeht
(§ 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG). Weitere Voraussetzungen
für die Zulässigkeit sind die Schriftform des Einspruchs
sowie das Vorhandensein einer Begründung (§ 2 Abs. 3
WPrüfG). Durch die Begründung des Wahleinspruchs
wird der Anfechtungsgegenstand bestimmt, denn die
Wahlprüfung findet weder von Amts wegen statt, noch
erfolgt sie stets in der Gestalt einer Durchprüfung der ge-
samten Wahl. Vielmehr richtet sich ihr Umfang nach
dem Einspruch, durch den der Einspruchsführer den An-
fechtungsgegenstand bestimmt. Der Prüfungsgegenstand
ist nach dem erklärten, verständig zu würdigenden Wil-
len des Einspruchsführers unter Berücksichtigung des
gesamten Einspruchsvorbringens sinngemäß abzugren-
zen (BVerfGE 40, 11, 30). Wahleinsprüche sind also nur
insoweit zulässig, als alle formellen Voraussetzungen
während der Einspruchsfrist vorliegen bzw. vorgetragen
werden. Daraus folgt, daß auch der Anfechtungsgegen-
stand eines Wahleinspruchs nur während dieser Frist be-
stimmt bzw. erweitert werden kann.
Das erst nach Ablauf der Einspruchsschrift eingegangene
Schreiben vom 15. März 1999 enthält jedoch eine solche
Erweiterung des Anfechtungsgegenstandes, nicht nur
eine „ergänzende Begründung“, wie es der Einspruchs-
führer suggerieren will. Denn er hat den Gegenstand
seiner Wahlanfechtung in der Einspruchsschrift vom
26. November 1998 ausdrücklich auf vier Überhang-
mandate aus den Ländern Sachsen-Anhalt, Brandenburg,
Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern beschränkt.
Ganz präzise hat der Einspruchsführer formuliert, „inso-
weit“ sei der Bundestag verfassungswidrig zusammen-
gesetzt. Auch die gesamte weitere Begründung der Ein-
spruchsschrift enthält keinen Hinweis darauf, daß sich
der Angriff über diese vier Mandate hinaus gegen die in
der 14. Wahlperiode angefallenen Überhangmandate
schlechthin richten solle. Solches hat der Einspruchsfüh-
rer erstmals in seinem Schreiben vom 15. März 1999
vorgetragen.
Soweit der Einspruch zulässig ist, ist er offensichtlich
unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsführers läßt
einen Wahlfehler nicht erkennen, denn die Sitzverteilung
im 14. Deutschen Bundestag mit den vier angegriffenen
Überhangmandaten beruht auf einer korrekten Anwen-
dung gültiger Wahlrechtsvorschriften. Überhangmandate
sind in § 6 Abs. 5 und § 7 Abs. 3 BWG ausdrücklich
vorgesehen. Für die Wahlkreiseinteilung enthält § 3 Abs.
2 Nr. 2 BWG in der für die Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag geltenden Fassung nur einen Auftrag zur
Neuabgrenzung für solche Wahlkreise, die um mehr als
331/3 v. H. von der durchschnittlichen Wahlkreisgrößeabweichen. Diese Vorgabe wurde für die Wahl zum 14.
Deutschen Bundestag eingehalten – und zwar ungeachtet
der Tatsache, daß sich nach dem Wortlaut des § 3 BWG

a. F. der genannte Auftrag nur auf die von der Wahl-
kreiskommission vorzulegenden Vorschläge bezieht.
Soweit der Einspruchsführer gegen diese Regelungen
verfassungsrechtliche Bedenken geltend macht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, daß der Bundestag sich in der
bereits dargestellten Diskussion der 13. Wahlperiode
ausführlich mit diesen auch von anderer Seite vorge-
brachten Einwendungen auseinandergesetzt hat. Er ist
jedoch im Ergebnis zu einer anderen Auffassung gelangt
als der Einspruchsführer und hat für die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag nur die unabweislich notwen-
digen Änderungen in der Wahlkreiseinteilung vorge-
nommen. Dies geschah vor dem Hintergrund, daß eine
doppelte Neueinteilung der Wahlkreise in der Bundes-
republik vermieden werden sollte. Für die Wahl zum
15. Deutschen Bundestag müssen nämlich aufgrund der
beschlossenen Verringerung der Wahlkreiszahl die
Wahlkreise ohnehin neu geschnitten werden.
Die Reformkommission zur Größe des Bundestages hat
dies in ihrem Bericht vom 8. Mai 1996 (Drucksache
13/4560) wie folgt begründet: „Die ersatzlose Streichung
von zwischen 29 und 42 Wahlkreisen für die Wahl zum
15. Deutschen Bundestag wird zu einem Neuzuschnitt
fast aller verbleibenden Wahlkreise führen. Als Folge
müssen die mit den Wahlen befaßten staatlichen Stellen
und vor allem auch die Organe der Parteien umstruktu-
riert werden. Alle Erfahrungen lehren, daß dies einen
außerordentlichen Aufwand verursachen wird. Ange-
sichts dieser Tatsachen erscheint es nicht vertretbar und
auch nicht vermittelbar, nur vier Jahre vor dieser grund-
legenden Umstrukturierung bereits weitergehende Ände-
rungen in den vorhandenen Strukturen vorzunehmen, die
dann nur bis zur nächsten Wahl Bestand haben. Dazu
würden beispielsweise die Vorschläge der Wahlkreis-
kommission führen. Die darin vorgesehenen Maßnah-
men, die Umverteilung von acht Wahlkreisen zwischen
den Ländern und der Neuzuschnitt von 30 Wahlkreisen
würden Änderungen bei insgesamt 138 der 328 Wahl-
kreise zur Folge haben.
Die von der Reformkommission zu beantwortende Frage
lautet dementsprechend, ob für die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag Wahlkreise zwingend neu abgegrenzt
werden müssen, weil ihre Bevölkerung um zwischen 25
und 331/3 v. H. vom Bevölkerungsdurchschnitt abweicht.Die Reformkommission verneint sie. Sowohl einfachge-
setzlich wie auch verfassungsrechtlich besteht kein ab-
soluter Zwang, Wahlkreise neu zu schneiden, deren Be-
völkerungsungleichgewicht sich innerhalb der genannten
Marge bewegt. Neuabgrenzungen müssen (...) erst ab der
Grenze von 331/3 v. H. erfolgen.“
Die Reformkommission hat sodann ausgeführt, der un-
terlassene Neuzuschnitt der Wahlkreise mit einer Ab-
weichung zwischen 25 und 331/3 v. H. rechtfertige sichinsbesondere aus dem Gesichtspunkt der Kontinuität und
– damit zusammenhängend in dem nur kurzfristigen Be-
stand der Wahlkreiseinteilung für die nächste Wahl-
periode. Dieser Gesichtspunkt „ergibt sich aus der auch
vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorge-
hobenen Erwägung, daß in einem System einer mit der
Personenwahl verbundenen Verhältniswahl eine engere
persönliche Beziehung der Wahlkreisabgeordneten zu

Drucksache 14/1560 – 84 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

dem Wahlkreis, in dem sie gewählt worden sind, ge-
knüpft werden soll. Diese im politischen System der
Bundesrepublik Deutschland bewährte und in ihrer Be-
deutung für das Funktionieren dieses Systems kaum zu
überschätzende persönliche Beziehung eines Wahlkreis-
abgeordneten zu der Wahlkreisbevölkerung entsteht
nicht von selbst und sofort. Sie muß vielmehr langfristig
aufgebaut und ständig gepflegt werden. Voraussetzung
dafür, daß diese wichtige Aufgabe des Wahlkreisabge-
ordneten gelingt, ist die Kontinuität des Wahlkreiszu-
schnitts über längere Zeit hinweg.“
Des weiteren hat die Reformkommission auch geprüft,
ob ein Ausgleich oder eine Kompensation von Über-
hangmandaten erforderlich ist und ob eine nur einge-
schränkte Korrektur der Wahlkreiseinteilung vorge-
nommen werden sollte. Auch diese Möglichkeiten hat
sie im Ergebnis verworfen.
Diesen Einschätzungen der Reformkommission, denen
sich der 13. Bundestag mit Mehrheit angeschlossen hat,
finden auch ihre Stütze in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts. So hat das Gericht in seiner
auch vom Einspruchsführer zitierten Entscheidung vom
10. April 1997 (BVerfGE 95, 335, 357) festgestellt, daß
die Vorschriften des Bundeswahlgesetzes zu den Über-
hangmandaten mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Aus-
drücklich hat das Gericht ausgeführt, daß die Entstehung
von Überhangmandaten ohne Verrechnung und ohne
Ausgleich für die anderen Parteien den Anforderungen der
Wahlgleichheit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG genügt
und die Chancengleichheit der Parteien wahrt. Hiergegen
kann der Einspruchsführer auch nicht einwenden, daß vier
Richter des erkennenden Senats anderer Meinung gewe-
sen sind. Denn diese abweichende Auffassung hat die Ent-
scheidung des Gerichts gerade nicht getragen.
In einer älteren Entscheidung aus dem Jahr 1963
(BVerfGE 16, 131, 140 f.) hat das Gericht darüber hinaus
auch die nach § 3 BWG a. F. äußerstenfalls zulässige
Abweichung von der durchschnittlichen Wahlkreisgröße
um 33 1/3 v. H. als verfassungskonform bestätigt. Wegender den Erfolgswert der Wählerstimmen verzerrenden
Wirkung der Überhangmandate müßten im Rahmen des
technisch Möglichen Wahlkreise mit annähernd gleich
großen Bevölkerungszahlen gebildet werden. Denn wenn
alle Wahlkreise etwa gleich groß und deren angemessene
Verteilung auf die Bundesländer gewährleistet sei, wäre
der Anfall von Überhangmandaten auf das verfassungs-
rechtlich zulässige Mindestmaß beschränkt. Das verfas-
sungsrechtliche Gebot, die Wahlkreise bevölkerungs-
mäßig am Prinzip der Gleichheit der Wahl zu orientie-
ren, lasse sich in der Praxis aber nur unvollkommen
verwirklichen. Der Bundesgesetzgeber trage diesen in
der Natur der Sache begründeten Schwierigkeiten in § 3
Abs. 3 Nr. 2 BWG [a. F.] Rechnung, indem er die äußer-
stenfalls zulässige Abweichung von der durchschnitt-
lichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise auf 33 1/3 v. H.nach unten und oben begrenze. Damit sei der Grundsatz
der gleichen Wahl für diesen Bereich unter Beachtung
der der Freiheit des Gesetzgebers gezogenen Grenzen
verfassungskonform konkretisiert.
Diese Aussagen hat das Gericht in der Entscheidung
vom 10. April 1997 in gewissem Umfang ergänzt und

revidiert (BVerfGE 95, 335, 363 ff.). Es hat dargelegt,
wenn der Gesetzgeber sich dafür entscheide, daß nicht
alle errungenen Wahlkreismandate nach dem Proporz
der für die Parteien abgegebenen Zweitstimmen verrech-
net würden, sondern daß nicht ausgleichsfähige Wahl-
kreismandate die Gesamtzahl des Bundestages erhöhten
und damit die Frage von Mehrheit oder Minderheit be-
einflussen könnten, müsse er zugleich auch die besonde-
ren Anforderungen der Wahlgleichheit in ihrer Ausprä-
gung für die Mehrheitswahl beachten. Deshalb werde die
gleiche Größe der Wahlkreise sowohl für den einzelnen
Wahlkreis als auch berechnet auf die Bevölkerungs-
dichte jedes Landes zu einer Bedingung der Wahlgleich-
heit.
Das Gericht hat weiter ausgeführt, gegenwärtig sei die
Größe der Wahlkreise deutlich ungleich; ihre Zahl in den
einzelnen Ländern entspreche nicht mehr hinreichend
deren Bevölkerungsanteil. Dabei sei davon auszugehen,
daß es unter dem Gesichtspunkt der Wahlgleichheit
künftig nicht genüge, die vom Bundesverfassungsgericht
bisher zugelassene Abweichungsgrenze von 33 1/3 v. H.,bezogen auf die durchschnittliche Bevölkerungszahl der
Wahlkreise, einzuhalten.
Gleichzeitig hat das Gericht aber die Entscheidung des
Bundestages bestätigt, im Hinblick auf die für die Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag bestehende Sondersitua-
tion von einer umfangreichen Änderung der bestehenden
Wahlkreiseinteilung abzusehen. Es hat dazu ausdrück-
lich festgestellt: „Gleichwohl besteht keine Veranlas-
sung, die gegenwärtige Einteilung und Verteilung der
Wahlkreise verfassungsgerichtlich zu beanstanden. Die
Neueinteilung des Bundesgebiets in möglichst gleich
große Wahlkreise und deren Zuteilung auf die Länder ist
bereits in Angriff genommen. Da zugleich das Ziel ver-
folgt wird, die Gesamtzahl der Abgeordneten des Deut-
schen Bundestages und – damit verbunden – die Zahl der
Wahlkreise zu verringern, ist es einleuchtend, daß die
derzeitigen Größenunterschiede und die Verteilung der
Wahlkreise auf die Länder nicht kurzfristig zur nächsten
[sc. zur 14.] Bundestagswahl korrigiert werden. Es ist
vielmehr im Blick auf die (...) Belange einer kontinuier-
lichen Repräsentation der Bevölkerung in den Wahlkrei-
sen durch ihre Abgeordneten gerechtfertigt und nahelie-
gend, den gebotenen Ausgleich der Wahlkreisgrößen und
der Wahlkreisverteilung auf die Länder erst im Zusam-
menhang mit der genannten Gesamtreform des Bundes-
tages vorzunehmen.“
Der Wahlprüfungsausschuß hat dem der Sache nach
nichts hinzuzufügen und kann nur ergänzend darauf
hinweisen, daß er und der Deutsche Bundestag als Ge-
setzgeber es in ständiger Praxis abgelehnt haben, im
Wahlprüfungsverfahren die Verfassungswidrigkeit von
Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Sie haben diese
Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten.
Soweit der Einspruchsführer schließlich die Gestaltung
und Durchführung des Wahlprüfungsverfahrens rügt,
liegt hierin ebenfalls kein Wahlfehler, auch wenn ihm
die Zeit bis zur Beschlußfassung über seinen Wahlein-
spruch als zu lang vorkommen mag. Eine gesetzliche
Frist zur Durchführung der Wahlprüfung besteht nämlich

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 85 – Drucksache 14/1560

nicht. Zwar ist der Bundestag bestrebt, die Wahlprüfung
innerhalb eines möglichst kurzen Zeitraums nach dem
Wahltag durchzuführen; ein gewisser Zeitverlust ist je-
doch unvermeidbar durch die Natur des Wahlprüfungs-
verfahrens sowie die begrenzten Ressourcen an Arbeits-
kraft bedingt. Zeit beansprucht bereits die zweimonatige
Einspruchsfrist des § 2 Abs. 4 BWG, vor deren Ablauf
die Wahlprüfung ohnehin nicht abgeschlossen werden
kann. Hinzu kommt die Zeit, die für die Aufklärung der
Sachverhalte, insbesondere das Einholen von Stellung-
nahmen und ggf. weitere Nachfragen an die Wahlorgane
benötigt wird. Darüber hinaus steht den Mitgliedern des
Wahlprüfungsausschusses auch nur ein begrenzter Anteil
an Arbeitszeit für die Wahlprüfung zur Verfügung. Die
Vorstellung, sie hätten sich in der Zeit der Wahlprüfung
lediglich mit Wahleinsprüchen zu befassen und seien
von anderen Mandatsaufgaben freigestellt, entspricht
nicht der verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung des
Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder sowie der
daraus folgenden parlamentarischen Wirklichkeit. Die
Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses haben inner-
halb und außerhalb des Tätigkeitsbereiches des Aus-
schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord-
nung umfangreiche und ebenfalls wichtige und zeitge-
bundene Aufgaben zu erledigen.
In diesem Zusammenhang kann der Einspruchsführer
auch nicht die nach seiner Ansicht vorliegende beson-

dere Wichtigkeit und Dringlichkeit seines Einspruchs
einwenden. Denn aus der Sicht des Wahlprüfungs-
ausschusses sind alle Wahleinsprüche gleichermaßen
wichtig und dringlich. Im übrigen gehört die Reihen-
folge ihrer Bearbeitung und die Festlegung der Ent-
scheidungstermine ebenso wie bei allen anderen parla-
mentarischen Aufgaben zu den inneren Angelegenheiten
des Parlaments, über die dieses autonom entscheiden
kann.
Der Einspruch ist deshalb teilweise als unzulässig gemäß
§ 6 Abs. 1a Nr. 1 und teilweise als offensichtlich unbe-
gründet gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 86 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 87 – Drucksache 14/1560

Anlage 31

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 99/98 –
des Herrn Matthias Cantow

wohnhaft: Immenbarg 65, 18109 Rostock
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. November 1998, das am

selben Tag beim Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen Bun-
destag am 27. September 1998 angefochten.
In seiner Begründung vertritt er die Ansicht, die Re-
gelungen in § 6 Abs. 5 Satz 2 und § 7 Abs. 3 Satz 2
des Bundeswahlgesetzes (BWG) zu den Überhang-
mandaten verstießen gegen den Grundsatz der Wahl-
rechtsgleichheit in Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG).
Der Einspruchsführer trägt vor, dem Gesetzgeber sei
mit Artikel 38 Abs. 3 GG die Entscheidung über das
Wahlsystem und seine nähere Ausgestaltung überlas-
sen. Dabei habe er sich allerdings an die Wahlrechts-
grundsätze des Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG zu halten.
Bei dem Wahlverfahren, für das sich der Gesetzgeber
im Bundeswahlgesetz entschieden habe, handele es
sich um ein personalisiertes Verhältniswahlrecht. Der
Verhältniswahl werde lediglich eine nach den Regeln
einer Mehrheitswahl durchgeführte Auswahl der ei-
nen Hälfte der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten
vorgeschaltet, die aber durch die Verrechnung nicht
die politische Zusammensetzung des Parlamentes
verändere. Demzufolge müsse der Gesetzgeber ge-
mäß dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit in Ar-
tikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG die Erfolgswertgleichheit
gewährleisten.
Bei der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag habe
die durchschnittliche Stimmenzahl je Mandat rund
70 745 betragen. Ohne Überhangmandate hätten sich
von dieser durchschnittlichen Stimmenzahl lediglich
Abweichungen zwischen 905 Stimmen mehr und
871 Stimmen weniger je Mandat ergeben; diese seien
infolge des Verteilverfahrens unvermeidlich. Mit den
13 Überhangmandaten benötige die SPD allerdings
nur 67 722 Stimmen je Mandat und damit insgesamt
rund 491 000 Stimmen weniger als andere Parteien
für 298 Mandate gebraucht hätten. Dies sei eine er-
hebliche Abweichung, die sich nicht mehr mit dem

Erfordernis der Erfolgswertgleichheit vereinbaren
lasse.
Die Zuteilung dieser 13 Überhangmandate außerhalb
des Zweitstimmenproporzes sei auch nicht zur Ge-
währleistung des Anliegens der personalisierten Ver-
hältniswahl notwendig. Die Anzahl der über die Wahl-
kreise gewählten Abgeordneten ändere sich durch die
Überhangmandate nicht. Die personalisierte Verhält-
niswahl könnte somit auch bei einer bundesweiten
Verrechnung der Direktmandate mit den zustehenden
Zweitstimmen realisiert werden. Bei einer solchen
Verrechnung wären bei allen bisherigen Bundestags-
wahlen keine Überhangmandate angefallen.
Der Einspruchsführer rügt darüber hinaus „hilfs-
weise“ auch die ungleiche Größe der Wahlkreise.
Diese sei bereits 1994 bekanntgewesen und lasse
sich deswegen auch nicht mit Blick auf den jetzt
erfolgten Wahlkreisneuzuschnitt rechtfertigen. Durch
früheres Handeln wären nach Ansicht des Ein-
spruchsführers einige Überhangmandate zu vermei-
den gewesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers läßt keine Wahlfehler erkennen. Die Sitzverteilung
im 14. Deutschen Bundestag mit den 13 Überhangman-
daten beruht auf einer korrekten Anwendung gültiger
Wahlrechtsvorschriften.
Die Regelungen des Bundeswahlgesetzes zu den Über-
hangmandaten waren erst kürzlich Gegenstand der ver-

Drucksache 14/1560 – 88 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

fassungsgerichtlichen Prüfung. Das Bundesverfassungs-
gericht hat in seiner Entscheidung vom 10. April 1997
(BVerfGE 95, 335 ff) festgestellt, daß die Vorschriften
des Bundeswahlgesetzes zu den Überhangmandaten mit
dem Grundgesetz vereinbar sind. Ausdrücklich hat das
Gericht ausgeführt, daß die Entstehung von Überhang-
mandaten ohne Verrechnung und ohne Ausgleich für die
anderen Parteien den Anforderungen der Wahlgleich-
heit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG genügt und die
Chancengleichheit der Parteien wahrt. (BVerfGE 95,
335, 357).
Vor dieser Entscheidung hatte sich auch der Bundes-
tag intensiv mit den Regelungen im Bundeswahl-
gesetz zu den Überhangmandaten beschäftigt und sie
unter Hinzuziehung von Sachverständigen auf ihre
Verfassungsmäßigkeit überprüft. Bereits die in der
13. Wahlperiode eingesetzte Reformkommission zur
Größe des Bundestages war zu dem Ergebnis ge-
kommen, die bestehenden Regelungen des Bundes-
wahlgesetzes, die zum Auftreten von Überhangman-
daten führen können, seien verfassungsgemäß, und es
bestehe auch keine verfassungsrechtliche Notwendig-
keit, Überhangmandate durch ergänzende Regelungen
auszugleichen, etwa durch Ausgleichsmandate oder eine
Verrechnung bei den verbundenen Landeslisten. Die
Kommission hat dem Bundestag keine Änderungen
der §§ 6 und 7 BWG empfohlen (s. Drucksache
13/4560). Diesen Empfehlungen ist der Bundestag
gefolgt; Gesetzentwürfe der 13. Wahlperiode, die die
Kompensation von Überhangmandaten vorsahen, fanden
keine Mehrheit.
Soweit der Einspruchsführer auch die Einteilung der
Wahlkreise rügt, ist darauf hinzuweisen, daß § 3 Abs. 2
Nr. 2 BWG in der für die Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag geltenden Fassung einen verbindlichen Auf-
trag zur Neuabgrenzung nur für solche Wahlkreise ent-
hält, die um mehr als 33 1/3 v. H. von der durchschnitt-lichen Wahlkreisgröße abweichen. Diese Vorgabe wurde
für die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag eingehal-
ten – und zwar ungeachtet der Tatsache, daß sich § 3
BWG a. F. seinem Wortlaut nach gar nicht direkt an den
Gesetzgeber wendet.
Zwar herrschte in der 13. Wahlperiode im Bundestag
Einvernehmen darüber, daß der Zuschnitt der Wahlkreise
nicht mehr optimalen Anforderungen entspricht und daß
grundsätzlich bereits bei einer Abweichung von mehr als
25 v. H. vom Durchschnitt eine Neuabgrenzung der
Wahlkreise erfolgen sollte. Dementsprechend hatte auch
die Wahlkreiskommission gemäß § 3 BWG a. F. einen
weitgehenden Neuzuschnitt der Wahlkreise vorgeschla-
gen. Dennoch hat der Bundestag für die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag Veränderungen in der Wahl-
kreiseinteilung auf das Notwendigste beschränkt. Dies
geschah vor dem Hintergrund, daß eine doppelte
Neueinteilung der Wahlkreise in der Bundesrepublik
Deutschland vermieden werden sollte. Für die Wahl zum
15. Deutschen Bundestag müssen nämlich die Wahl-
kreise ohnehin neu geschnitten werden, weil die Anzahl
der Abgeordneten des Bundestages von da an auf 598
und die Anzahl der Wahlkreise dementsprechend auf 299
gesenkt wird.

Auch diese Entscheidung erfolgte aufgrund einer ent-
sprechenden Empfehlung der Reformkommission (vgl.
Drucksache 13/4560), die hierzu insbesondere ausge-
führt hatte, sowohl einfachgesetzlich wie auch ver-
fassungsrechtlich bestehe kein absoluter Zwang, Wahl-
kreise neu zuzuschneiden, deren Bevölkerungsanteil
zwischen 25 und 33 1/3 v. H. von der durchschnittlichenWahlkreisgröße abweiche. Neuabgrenzungen müßten
erst ab der Grenze von 33 1/3 v. H. erfolgen. Der für die14. Wahlperiode unterlassene Neuzuschnitt der Wahl-
kreise innerhalb der genannten Marge rechtfertige sich
insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Kontinuität und
– damit zusammenhängend – dem nur kurzfristigen Be-
stand einer solchen Wahlkreiseinteilung für die nächste
Wahlperiode.
Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits
erwähnten Entscheidung vom 10. April 1997 (BVerfGE
95, 335, 363 ff.) ebenfalls unbeanstandet gelassen. Das
Gericht hat dort zur Wahlkreiseinteilung ausgeführt,
wenn der Gesetzgeber sich dafür entscheide, daß nicht
alle errungenen Wahlkreismandate nach dem Proporz
der für die Parteien abgegebenen Zweitstimmen verrech-
net würden, sondern daß nicht ausgleichsfähige Wahl-
kreismandate die Gesamtzahl des Bundestages erhöhten
und damit die Frage von Mehrheit oder Minderheit be-
einflussen könnten, müsse er zugleich auch die besonde-
ren Anforderungen der Wahlgleichheit in ihrer Ausprä-
gung für die Mehrheitswahl beachten. Deshalb werde die
gleiche Größe der Wahlkreise sowohl für den einzelnen
Wahlkreis als auch berechnet auf die Bevölkerungs-
dichte jedes Landes zu einer Bedingung der Wahlgleich-
heit.
Das Gericht hat weiter ausgeführt, gegenwärtig sei die
Größe der Wahlkreise deutlich ungleich; ihre Zahl in den
einzelnen Ländern entspreche nicht mehr hinreichend
deren Bevölkerungsanteil. Dabei sei davon auszugehen,
daß es unter dem Gesichtspunkt der Wahlgleichheit
künftig nicht genüge, die vom Bundesverfassungsgericht
bisher zugelassene Abweichungsgrenze von 33 1/3 v. H.,bezogen auf die durchschnittliche Bevölkerungszahl der
Wahlkreise, einzuhalten.
Gleichzeitig hat das Gericht aber ausdrücklich festge-
stellt: „Gleichwohl besteht keine Veranlassung, die ge-
genwärtige Einteilung und Verteilung der Wahlkreise
verfassungsgerichtlich zu beanstanden. Die Neueintei-
lung des Bundesgebiets in möglichst gleich große Wahl-
kreise und deren Zuteilung auf die Länder ist bereits in
Angriff genommen. Da zugleich das Ziel verfolgt wird,
die Gesamtzahl der Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages und – damit verbunden – die Zahl der Wahl-
kreise zu verringern, ist es einleuchtend, daß die derzei-
tigen Größenunterschiede und die Verteilung der Wahl-
kreise auf die Länder nicht kurzfristig zur nächsten
[sc. zur 14.] Bundestagswahl korrigiert werden. Es ist
vielmehr im Blick auf die (...) Belange einer kontinuier-
lichen Repräsentation der Bevölkerung in den Wahlkrei-
sen durch ihre Abgeordneten gerechtfertigt und nahelie-
gend, den gebotenen Ausgleich der Wahlkreisgrößen und
der Wahlkreisverteilung auf die Länder erst im Zusam-
menhang mit der genannten Gesamtreform des Bundes-
tages vorzunehmen.“

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 89 – Drucksache 14/1560

Der Wahlprüfungsausschuß hat dem der Sache nach
nichts hinzuzufügen und kann nur ergänzend darauf
hinweisen, daß er und der Deutsche Bundestag als Ge-
setzgeber es in ständiger Praxis abgelehnt haben, im
Wahlprüfungsverfahren die Verfassungswidrigkeit von
Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Sie haben diese
Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 90 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91 – Drucksache 14/1560

Anlage 32

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 100/98 –
des Herrn Dr. Helmut Nicolaus

wohnhaft: Karlsruher Straße 13, 10711 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. November 1998, das am

selben Tag beim Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen Bun-
destag am 27. September 1998 angefochten.
In seiner Begründung beanstandet der Einspruchsfüh-
rer die 13 bei der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
zugunsten der SPD angefallenen Überhangmandate
als verfassungswidrig. Der Einspruchsführer führt aus,
alle 13 Überhangmandate seien dadurch entstanden,
daß zu einer Listenverbindung zusammengeschlosse-
ne Landeslisten der SPD mehr Direktmandate ge-
wonnen hätten, als ihnen nach ihrem Zweitstimmen-
anteil der Bundestagssitze zuständen. Anstatt jedoch
einen – nach Ansicht des Einspruchsführers – von
Verfassungs wegen erforderlichen wahlgebietsweiten
Verhältnisausgleich durchzuführen und die „überhän-
genden“ Direktmandate von den auf die verbundenen
Landeslisten der SPD entfallenen Listenmandaten vor
deren Verteilung gemäß § 7 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 2
und 4 Bundeswahlgesetz (BWG) abzuziehen (Anrech-
nungsgrundsatz), hätten die Wahlorgane die Anzahl
der Bundestagssitze in entsprechender Anwendung
des § 6 Abs. 5 Satz 2 BWG auf 669 Mandate erhöht.
Dies verstoße gegen die Grundsätze der Gleichheit
und Unmittelbarkeit der Wahl (Artikel 38 Abs. 1
Satz 1 GG), gegen das Demokratieprinzip des Arti-
kels 20 Abs. 1 GG sowie gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 und
§ 7 Abs. 2 BWG.
Die Wahl der 13 SPD-Abgeordneten mit jeweils der
höchsten Listenziffer, die über die SPD-Landeslisten
mit den jeweils niedrigsten Zahlenbruchteilen gemäß
§ 6 Abs. 1 Satz 4 BWG in den Bundestag einge-
zogen seien, ist daher nach Ansicht des Einspruchs-
führers ungültig. Niemand habe diese Abgeordneten
gewählt; sie seien weder durch den Zweitstimmen-
anteil der SPD und damit durch die Verhältniswahl
legitimiert, noch durch die Personen- bzw. Mehr-
heitswahl in den Wahlkreisen, da es sich um Listen-
bewerber handele.

Zur weiteren Begründung dessen bezieht sich der
Einspruchsführer auf mehrere Veröffentlichungen aus
seiner Feder, die er seinem Wahleinspruch beigefügt
hat. Hierin setzt sich der Einspruchsführer u. a. mit
Fragen der Wahlrechtsgleichheit und mit der seiner
Ansicht nach verfehlten Auslegung und Anwendung
des § 7 Abs. 2 und 3 BWG in der ständigen Rechts-
praxis auseinander und befürwortet eine landeslisten-
übergreifende Verrechnung von Direktmandaten in-
nerhalb einer Listenverbindung. Er stützt sich außer-
dem auf das Votum der vier Richter des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts, die im Urteil
vom 10. April 1997 – 2 BvF 1/95 – Überhangman-
date ohne Verrechnung oder Ausgleich für unzulässig
hielten. Aber auch nach den Wahlrechtsgrundsätzen,
die die vier anderen Richter dem Urteil zugrunde ge-
legt hätten, ergebe sich, so der Einspruchsführer, die
Ungültigkeit der Wahl der genannten 13 Abgeordne-
ten – allerdings nur unter Aufgabe der bisherigen
ständigen Rechtsprechung beider Senate des Bundes-
verfassungsgerichts.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers läßt keine Wahlfehler erkennen. Die Sitzverteilung
im 14. Deutschen Bundestag mit den 13 Überhangman-
daten beruht auf einer korrekten Anwendung gültiger
Wahlrechtsvorschriften.
Die Regelungen zu den Überhangmandaten mit der vom
Einspruchsführer beanstandeten Anwendung des § 7
Abs. 2 und 3 BWG waren erst kürzlich Gegenstand der

Drucksache 14/1560 – 92 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

verfassungsgerichtlichen Prüfung. Das Bundesverfas-
sungsgericht hat in der auch vom Einspruchsführer zi-
tierten Entscheidung vom 10. April 1997 (BVerfGE 95,
335 ff.) festgestellt, daß die Regelung in § 6 Abs. 5 und
§ 7 Abs. 3 BWG, wonach die in den Wahlkreisen errun-
genen Sitze auch dann einer Partei verbleiben, wenn sie
die Zahl ihrer Landeslistenmandate übersteigen, ohne
daß andere Parteien Ausgleichsmandate erhalten, den
Anforderungen der Wahlgleichheit nach Artikel 38
Abs. 1 Satz 1 GG genügt und die Chancengleichheit der
Parteien wahrt (BVerfGE 95, 335, 357). Das Gericht hat
dabei ausgeführt, der seiner Entscheidung zugrundelie-
gende Normenkontrollantrag der Regierung des Landes
Niedersachsen stütze sich auf eine zutreffende Ausle-
gung des § 7 Abs. 3 BWG. Ausdrücklich und unter Zitie-
rung von Veröffentlichungen u. a. des Einspruchsführers
hat das Gericht eine in der Literatur vertretene Auffas-
sung verworfen, wonach schon § 7 Abs. 2 BWG die Re-
gelung treffe, die die Antragstellerin in dem Verfahren
vor dem Bundesverfassungsgericht – ebenso wie der
Einspruchsführer mit dem vorliegenden Wahleinspruch –
von Verfassungs wegen gefordert hatte.
Das Gericht hat hierzu ausgeführt, die herrschende Auf-
fassung und ständige Rechtspraxis verstünden die Ver-
weisungen des § 7 Abs. 3 BWG auf § 6 BWG so, daß
die Anrechnung von Direktmandaten auf den nach dem
Zweitstimmenergebnis ermittelten Sitzanteil der jeweili-
gen Partei (Verhältnisausgleich) erst stattfinden solle,
nachdem die bei der Oberverteilung für die verbundene
Liste ermittelte Sitzzahl auf die einzelnen Landeslisten
unterverteilt worden sei. Gegen die abweichende Auffas-
sung, die dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 BWG die
Anordnung entnehme, angefallene Überhangmandate mit
dem Sitzanteil der Listenverbindung zu verrechnen,
sprächen der Wortlaut dieser Norm sowie historische
und systematische Gründe (BVerfGE 95, 335, 347 f.).
Damit hat das Bundesverfassungsgericht die vom Ein-
spruchsführer vertretene Auffassung ausdrücklich abge-
lehnt und im übrigen Überhangmandate – auch solche,
die erst bei der Unterverteilung auf die einzelnen Lan-
deslisten der Parteien anfallen – für verfassungsgemäß
erachtet. Hiergegen kann der Einspruchsführer auch

nicht einwenden, daß vier Richter des erkennenden Se-
nats im Endergebnis – nicht hinsichtlich der Auslegung
des § 7 Abs. 2 und 3 BWG – anderer Meinung gewesen
sind. Denn die abweichende Auffassung dieser vier
Richter hat die Entscheidung des Gerichts gerade nicht
getragen.
Vor dieser Entscheidung hatte sich auch der Bundestag
intensiv mit den Regelungen im Bundeswahlgesetz zu
den Überhangmandaten beschäftigt und sie unter Hinzu-
ziehung von Sachverständigen auf ihre Verfassungs-
mäßigkeit überprüft. Bereits die in der 13. Wahlperiode
eingesetzte Reformkommission zur Größe des Bundes-
tages war zu dem Ergebnis gekommen, die bestehenden
Regelungen des Bundeswahlgesetzes, die zum Auftreten
von Überhangmandaten führen können, seien verfas-
sungsgemäß, und es bestehe auch keine verfassungs-
rechtliche Notwendigkeit, Überhangmandate durch er-
gänzende Regelungen auszugleichen, etwa durch Aus-
gleichsmandate oder eine Verrechnung bei den verbun-
denen Landeslisten. Die Kommission hat dem Bundestag
keine Änderungen der §§ 6 und 7 BWG empfohlen
(s. Drucksache 13/4560). Diesen Empfehlungen ist der
Bundestag gefolgt; Gesetzentwürfe der 13. Wahlperiode,
die die Kompensation von Überhangmandaten vorsahen,
fanden keine Mehrheit (s. hierzu Drucksache 13/5750,
StenProt 13/129 vom 11. Oktober 1996; S. 11631 ff.).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 93 – Drucksache 14/1560

Anlage 33

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 3/98 –
des Herrn Wolfgang Wenske

wohnhaft: Ravensburger Str. 5, 50739 Köln
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 15. November 1998, das am

17. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten. Er hat seine Ausführungen mit Schreiben vom
4. März, 1. und 18. April 1999 ergänzt; zur Wahl-
prüfungsakte hinzugezogen wurde auch ein vor Be-
ginn der Einspruchsfrist eingegangenes Schreiben
vom 18. September 1998.
Der Einspruchsführer behauptet, er sei Mitglied der
Partei „Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“. Er
wendet sich sowohl gegen die Zulassung dieser Partei
zur Bundestagswahl als auch gegen die Zulassung des
Bundesvorsitzenden Dr. F. als Kandidaten.
„Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“ wurde am
29. Juni 1997 in Kassel gegründet. Am 2. August
1997 fand in Kassel eine weitere Mitgliederver-
sammlung statt, auf der beschlossen wurde, an der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag teilzunehmen.
Am 17. Juli 1998 erkannte der Bundeswahlausschuß
gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) die Parteieigenschaft der Vereinigung für die
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag an. Die Partei
kandidierte in Nordrhein-Westfalen mit einer Lan-
desliste und stellte in den Wahlkreisen 45 (Braun-
schweig), 64 (Rhein-Sieg-Kreis I), 65 (Rhein-Sieg-
Kreis II), 166 (Nürtingen) und 189 (Rottweil-
Tuttlingen) Direktkandidaten auf. Der Parteivorsit-
zende, Dr. F., kandidierte im Wahlkreis 64 direkt und
auf Platz 2 der Landesliste von Nordrhein-Westfalen.
Das Wahlergebnis weist für „Ab jetzt ... Bündnis für
Deutschland“ im Bundesdurchschnitt nur Anteile von
weniger als 0,1 % der Erst- und Zweitstimmen aus;
keiner ihrer Kandidaten wurde in den Bundestag ge-
wählt.
Der Einspruchsführer trägt vor, sowohl die Grün-
dungsversammlung der Partei am 29. Juni 1997 als
auch die Mitgliederversammlung am 2. August 1997,

in deren Verlauf drei Landesverbände gegründet
wurden, seien undemokratisch und rechtswidrig
durchgeführt worden. Wie den teilweise etwas schwer
verständlichen Ausführungen des Einspruchsführers
zu entnehmen ist, behauptet dieser, daß die bei Grün-
dung der Partei erstellten Protokolle nicht den Tat-
sachen entsprächen und daß deren Zweitschriften sat-
zungswidrig nicht an die dafür vorgesehenen Stellen
weitergegeben worden seien. Sowohl zum Zeitpunkt
der Gründung der Partei als auch bei der Gründung
der Landesverbände habe es bereits wesentlich mehr
Mitglieder gegeben als in den jeweiligen Protokollen
vermerkt sei. Da die Parteisatzung die Beschlußfä-
higkeit an die Anwesenheit von mehr als die Hälfte
der stimmberechtigten Mitglieder knüpfe, seien die
Versammlungen nicht beschlußfähig gewesen.
Hinsichtlich der Mitgliederversammlung am 2. Au-
gust 1997 behauptet der Einspruchsführer außerdem,
hierzu sei nicht ordnungsgemäß eingeladen worden.
Deshalb sei auch die an diesem Tag erfolgte Grün-
dung von drei Landesvorständen (Nordrhein-
Westfalen, Hessen und Rheinland Pfalz) „undemo-
kratisch und satzungswidrig“. In einem weiteren Tref-
fen des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen am
24. August 1997 sei dann die Landesliste für die
Bundestagswahl aufgestellt und beschlossen worden.
Zusätzlich sei der Vorstand durch drei einstimmig
gewählte Referatsleiter ergänzt worden und die
Schriftführerin sei zurückgetreten. Diese „demokrati-
schen Entscheidungen der Mitglieder“ seien später
durch Einwirkung des Bundesvorstandes manipuliert
worden. In einer „undemokratisch“ einberufenen
Vorstandssitzung am 31. Oktober 1997 habe es den
„Versuch der Ausschaltung von demokratischen Vor-
standsmitgliedern und einer neuen Landesliste“ gege-
ben. In diesem Zusammenhang beanstandet der Ein-
spruchsführer auch, daß die „Minigruppe der Macht-
ergreifer“ gleichzeitig Mitglieder der Partei „Bund
Gesamt-Deutschland“ seien, obwohl nach der Sat-
zung dieses „BGD“ Doppelmitgliedschaften verboten
wären.

Drucksache 14/1560 – 94 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Zu diesem Vorbringen hat der Bundeswahlleiter eine
Stellungnahme abgegeben, die dem Einspruchsführer
zur Kenntnis gegeben worden ist. Der Bundeswahl-
leiter führt aus, es beständen keine Anhaltspunkte da-
für, daß die Gründung der Partei „Ab jetzt ... Bündnis
für Deutschland“ nicht ordnungsgemäß erfolgt wäre.
Nach dem Gründungsprotokoll hätten 51 Personen
an der Gründungsversammlung teilgenommen. Die
Gründungsmitglieder hätten die Satzung, die Ge-
schäftsordnung und das Kurzprogramm der Partei be-
schlossen und den Bundesvorstand gewählt. Die Par-
tei habe gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes beim
Bundeswahlleiter Satzung, Programm und die Namen
und Funktionen der Mitglieder des Bundesvorstandes
eingereicht und sei am 22. Juli 1997 in die Sammlung
der Parteien aufgenommen worden.
Auch hinsichtlich der weiteren Mitgliederversamm-
lung am 2. August 1997 lägen keine Anhaltspunkte
für ein undemokratisches und satzungswidriges Zu-
standekommen vor. An dieser Mitgliederversamm-
lung hätten 35 stimmberechtigte Mitglieder teilge-
nommen. Nach Kenntnis des Bundeswahlleiters habe
die Partei zu diesem Zeitpunkt über 57 Mitglieder
verfügt, so daß nach der vorliegenden Aktenlage die
Beschlußfähigkeit gegeben gewesen sei.
Mit Schreiben vom 6. April und vom 25. Mai 1998
habe die Partei gemäß § 18 Abs. 2 BWG ihre Beteili-
gung an der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag an-
gezeigt. Die Prüfung des Bundeswahlleiters nach § 18
Abs. 3 BWG habe keine Beanstandungen ergeben.
Die Beteiligungsanzeige sei form- und fristgerecht
eingereicht worden. Nach Anhörung des Vertreters
der Vereinigung und Gesamtwürdigung der tatsäch-
lichen Verhältnisse habe der Bundeswahlausschuß
die Voraussetzungen der Parteieigenschaft nach § 2
Abs. 1 des Parteiengesetzes bejaht, insbesondere da
sie über zehn Landesverbände und nach eigenen An-
gaben über 436 Mitglieder verfüge.
Der Bundeswahlleiter hat dem Wahlprüfungsaus-
schuß die Protokolle der Versammlungen am 29. Juni
und 2. August 1997 vorgelegt.
Der Einspruchsführer beanstandet außerdem die Kan-
didatur des Parteivorsitzenden Dr. F. auf der Landes-
liste von Nordrhein-Westfalen sowie als Direktkan-
didat im Wahlkreis 64. Hierzu behauptet der Ein-
spruchsführer, der Bundesvorsitzende sei nicht ge-
schäfts- und prozeßfähig. Er benötige einen „Vor-
mund“, aufgrund dessen müsse Dr. F. die Parteifüh-
rung entzogen und das passive Wahlrecht aberkannt
werden. Der Einspruchsführer verweist die Wahlprü-
fung in diesem Zusammenhang auf Akten der Staats-
anwaltschaften in Bonn und in Stade, von denen er
behauptet, sie bestätigten seinen Vortrag. Im übrigen
stützt sich die Aussage lediglich auf eine kaum lesba-
re Kopie einer Anfrage eines weiteren Parteimitglieds
an die Staatsanwaltschaft Bonn. Soweit erkennbar,
wird in dieser Anfrage eine Auskunft über die
Schuldfähigkeit bzw. die Geschäftsunfähigkeit des
Herrn Dr. F. „nach § 105 BGB“ gefordert und ein
„wissenschaftliches Gutachten“ erwähnt, wonach

„Zweifel, ob der Beschuldigte zur Tatzeit wegen
einer Erkrankung schuldfähig ist“ bestehen sollen.
Die Zulassung des Bewerbers Dr. F. auf der Landes-
liste der Partei „Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“
durch den Landeswahlausschuß in Nordrhein-
Westfalen war bereits Gegenstand einer Beschwerde
dieses Parteimitgliedes an den Bundeswahlausschuß.
Der Bundeswahlausschuß hat diese Beschwerde in
seiner 2. Sitzung am 6. August 1998 als unzulässig
zurückgewiesen. In den Gründen hierzu wird ausge-
führt, der Beschwerdeführer sei nicht gemäß § 28
Abs. 2 Satz 2 BWG beschwerdebefugt. Zudem könne
gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 BWG nur der Landes-
wahlleiter gegen die Zulassung einer Landesliste Be-
schwerde erheben.
Ebenso erfolglos blieb ein Antrag des Einspruchsfüh-
rers auf Feststellung der Nichtwählbarkeit des Dr. F.
vor dem Verwaltungsgericht Köln. Das Gericht lehnte
mit Beschluß vom 1. März 1999 den Antrag ab, da
„dem Antragsteller unter keinem denkbaren Ge-
sichtspunkt ein Anspruch auf die begehrte Feststel-
lung zustehen kann“ und verwies im übrigen auf das
Wahlprüfungsverfahren.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers läßt keine Wahlfehler erkennen.
Zunächst begründen die Rügen des Einspruchsführers im
Hinblick auf die Gründungsversammlung der Partei „Ab
jetzt ... Bündnis für Deutschland“ am 29. Juni 1997 und
die Mitgliederversammlung am 2. August 1997 keinen
Wahlfehler. Sein Vortrag zu angeblich unvollständigen
Einladungen und Verstößen gegen Protokollierungsvor-
schriften wird weder von der eingeholten Stellungnahme
des Bundeswahlleiters noch von den dem Wahlprü-
fungsausschuß vorliegenden Protokollen der fraglichen
Versammlungen untermauert. Selbst wenn aber hier tat-
sächlich Verstöße gegen die Parteisatzung vorgekommen
sein sollten, wären diese unter wahlprüfungsrechtlichen
Gesichtspunkten unerheblich. Ebenso unerheblich wäre
– falls er tatsächlich vorläge – der vom Einspruchsführer
hinsichtlich der Doppelmitgliedschaften behauptete Ver-
stoß gegen das Satzungsrecht einer anderen Vereinigung.
Ziel des Wahlprüfungsverfahrens ist ausschließlich, die
ordnungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu
gewährleisten. Gegenstand der Wahlprüfung ist deshalb
die Einhaltung der rechtlichen Regelungen für die Vor-
bereitung und Durchführung der Bundestagswahlen. Das
Wahlprüfungsverfahren ist jedoch nicht dazu bestimmt,
eine „Oberaufsicht“ über die zu den Wahlen kandidie-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 95 – Drucksache 14/1560

renden Parteien vorzunehmen. Vielmehr sind die Par-
teien für ihre inneren Angelegenheiten selbst verant-
wortlich und können diese weitgehend autonom gestal-
ten (BVerfGE 89, S. 243, 252). Parteien können deshalb
nur insoweit im Wahlprüfungsverfahren feststellbare
Wahlfehler begehen, als sie unter Bindung an wahlge-
setzliche Anforderungen kraft Gesetzes Aufgaben bei
der Organisation einer Wahl erfüllen (BVerfGE 89, 243.
251). Bloße Verstöße gegen das Satzungsrecht von Par-
teien sind dagegen wahlrechtlich unerheblich.
Einen Verstoß der Partei „Ab jetzt ... Bündnis für
Deutschland“ gegen wahlgesetzliche Anforderungen für
die Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl
hat der Einspruchsführer jedoch nicht vorgetragen. Zwar
ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts die Einreichung von Kandidatenvorschlägen für
die Wahl in Wahlkreisen und für Landeslisten ein Ge-
biet, auf dem die Parteien kraft Gesetzes Aufgaben der
Wahlvorbereitung zu erfüllen haben ist (§§ 18, 27 Abs. 1
Satz 1 BWG). Das Bundesverfassungsgericht hat hierin
einen wesentlichen Bereich der Wahlvorbereitung gese-
hen, in dem eine notwendige Voraussetzung für die
Wahl selbst geschaffen und das aktive und passive
Wahlrecht unmittelbar berührt werden. In diesem Zu-
sammenhang hat das Bundesverfassungsgericht auch
eine ordnungsgemäße Einladung zu den Mitgliederver-
sammlungen, in denen Wahlkandidaten aufgestellt wer-
den, für erforderlich und wahlprüfungsrechtlich relevant
gehalten (BVerfGE 89, 243, 255 ff.).
Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich jedoch dem Vor-
trag des Einspruchsführers – selbst wenn man ihn als
wahr und in sich schlüssig unterstellt – ein für das Wahl-
prüfungsverfahren relevanter Fehler nicht entnehmen.
Denn daß während der von ihm hauptsächlich beanstan-
deten Versammlungen am 29. Juni und am 2. August
1997 Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt
worden wären, behauptet er selbst nicht. Es ist auch
nicht ersichtlich, daß während dieser Versammlungen
sonstige gesetzliche Vorschriften mit Relevanz für die
Wahlvorbereitung verletzt worden sein sollten.
Ein Wahlfehler käme allenfalls dann in Betracht, wenn
bei der späteren Aufstellung der Landesliste und der Di-
rektkandidaten ein Gesetzesverstoß unterlaufen wäre.
Auch insoweit ist zu betonen, daß in der Wahlprüfung
die Verfahrensweise der Parteien allein an den hierfür
von den Wahlgesetzen bestimmten Anforderungen zu
messen ist. Etwaige bei der Kandidatenwahl begangene
Verstöße gegen das Satzungsrecht der Parteien sind unter
dem Blickwinkel des Wahlrechts unerheblich. Die de-
mokratische Grundlage der Bundestagswahl wird nicht
allein dadurch verfälscht, daß eine Partei bei der Kandi-
datenaufstellung die Vorschriften ihrer Satzung, die sie
aufgrund ihrer Autonomie zur Regelung ihrer inneren
Ordnung aufgestellt hat, nicht einhält (BVerfGE 89, 243,
255).
Aus dem Vortrag des Einspruchsführers ist jedoch auch
kein Verstoß gegen die einschlägigen Regelungen der
§§ 21 und 27 BWG bei der Kandidatenaufstellung zu
ermitteln. Zwar ist die Rede davon, daß nach dem
Treffen des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen am
24. August 1997 – das der Einspruchsführer nicht bean-

standet – „eine neue Liste zur Wahl mit neuen Ver-
trauensleuten“ gebildet worden sei und es den „Versuch
der Ausschaltung von demokratischen Vorstandsmitglie-
dern und einer neuen Landesliste“ gegeben habe. Der
teilweise bereits grammatikalisch unvollständige Vortrag
des Einspruchsführers gibt aber keinerlei konkrete Hin-
weise, die auf eine Gesetzesverletzung schließen lassen
könnten. Der Wahlprüfungsausschuß sieht sich deshalb
mangels hinreichend bestimmtem Anfechtungsgegen-
stand an einer näheren Prüfung der Umstände um die
Aufstellung der Wahlbewerber gehindert. Denn die
Wahlprüfung findet weder von Amts wegen statt, noch
erfolgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der ge-
samten Wahl. Vielmehr erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3
WPrüfG die Wahlprüfung nur auf Einspruch, der zu be-
gründen ist. Die Begründung muß mindestens den Tat-
bestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen
lassen und genügend substantiierte Tatsachen enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30). Solch substantiierte Tatsachen
fehlen jedoch im vorliegend erörterten Zusammenhang.
Weiterhin begründet auch die Anerkennung der Vereini-
gung „Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“ als Partei
durch den Bundeswahlausschuß keinen Wahlfehler.
Denn die dafür allein maßgeblichen Voraussetzungen
des § 18 BWG und des § 2 Parteiengesetz liegen vor,
wie sich aus der vorliegenden Stellungnahme des Bun-
deswahlleiters ergibt. Die vom Einspruchsführer vorge-
tragenen angeblichen Verstöße gegen die Parteisatzung
waren für diese Anerkennung ebenso unerheblich wie sie
es nach dem oben Ausgeführten für das Wahlprüfungs-
verfahren sind. Erst Recht unbeachtlich bleibt der vom
Einspruchsführer beklagte angebliche Verstoß gegen das
in der Satzung einer anderen Vereinigung verankerte
Verbot einer Doppelmitgliedschaft von Parteiangehöri-
gen.
Schließlich begründet auch der Vortrag des Einspruchs-
führers betreffend die Person des Bundesvorsitzenden
der Partei „Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“ keinen
Wahlfehler. Der Einspruchsführer hat auch insoweit kei-
nerlei konkrete Tatsachen vorgetragen, die auf einen
Verlust der Wählbarkeit des Dr. F. hinweisen würden.
Insbesondere sind solche Tatsachen nicht in der vorge-
legten Kopie eines Schreibens an die Staatsanwaltschaft
in Stade enthalten. Dort wird lediglich die Existenz eines
wissenschaftlichen Gutachtens erwähnt, das angeblich
Zweifel an der Schuldfähigkeit des Dr. F. äußert. Dieses
erfüllt die dem Einspruchsführer obliegende Substan-
tiierungspflicht jedoch nicht und gibt auch keinen Anlaß,
Akten der Staatsanwaltschaft in Stade oder anderer
Staatsanwaltschaften zum Wahlprüfungsverfahren hin-
zuzuziehen. Denn selbst wenn das erwähnte Gutachten
tatsächlich vorliegen sollte und es die Voraussetzungen
einer verminderten Schuldfähigkeit tatsächlich bejahte,
erlaubte dies keine Rückschlüsse auf die Wählbarkeit des
Parteivorsitzenden. Der Einspruchsführer geht fehl in
der Annahme, daß eine Schuldunfähigkeit im Sinne des
von ihm mehrfach zitierten § 20 Strafgesetzbuch (StGB)
automatisch auch zum Verlust des passiven Wahlrechts
führen müßte. § 20 StGB hat ausschließlich Bedeutung
für die Beurteilung der Strafbarkeit einer konkreten
rechtswidrigen Handlung. Die Vorschrift entfaltet aber
keine Wirkungen für das Wahlrecht. Das aktive und pas-

Drucksache 14/1560 – 96 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

sive Wahlrecht sowie auch die Gründe für deren Verlust
sind vielmehr in §§ 12 bis 15 BWG geregelt. In Fällen
seelischer Störungen schließt § 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m
§ 13 Nr. 2 und 3 BWG das passive Wahlrecht nur für
solche Personen aus, für die zur Besorgung aller ihrer
Angelegenheiten ein Betreuer bestellt worden ist oder
die sich auf Grund einer Anordnung nach den §§ 20 und
63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus befin-
den. Hierfür finden sich jedoch im Vortrag des Ein-
spruchsführers keinerlei Anhaltspunkte.
Es sei deshalb nur ergänzend darauf hingewiesen, daß
der Wahleinspruch des Einspruchsführers auch dann un-
begründet wäre, wenn der Parteivorsitzende Dr. F. tat-
sächlich das passive Wahlrecht verloren hätte. Zwar läge
dann ein Wahlfehler vor, dieser könnte dem Wahlein-
spruch jedoch ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets
angeschlossen hat, können nur solche Wahlfehler einen
Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die Man-
datsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein können.
Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vornherein als
unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, 372 ständige
Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die die Er-
mittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann uner-
heblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnisses
keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben können.
Im vorliegenden Fall kann ausgeschlossen werden, daß
der in Frage stehende Wahlfehler – so er denn tatsächlich
vorläge – Einfluß auf die Mandatsverteilung im Bun-

destag gehabt hätte. Denn der Parteivorsitzende Dr. F.
wurde nicht in den Bundestag gewählt und angesichts
des äußerst geringen Stimmenanteils der Partei „Ab jetzt
... Bündnis für Deutschland“ kann auch ausgeschlossen
werden, daß an seiner Stelle ein anderer Kandidat dieser
Partei erfolgreich gewesen wäre.
Dieses Ergebnis ist ebenfalls eine Folge des bereits er-
wähnten Grundsatzes, wonach die Wahlprüfung ledig-
lich dazu dient, die ordnungsgemäße Zusammensetzung
des Bundestages zu gewährleisten. Das Wahlprüfungs-
verfahren taugt deshalb nicht zur Schlichtung von Strei-
tigkeiten um die Person von Parteivorsitzenden. Solche
Angelegenheiten muß jede Partei kraft der ihr zukom-
menden Autonomie selbst regeln.
Der Einspruch ist nach alledem gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 97 – Drucksache 14/1560

Anlage 34

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 54/98 –
des Herrn Joachim Ringwald

wohnhaft: Parkstraße 3, 60322 Frankfurt a.M.
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1998, das am

26. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 angefochten.
Er begründet seinen Einspruch mit einem „Verdacht
der Rechtswidrigkeit der hessischen Landesliste von
Pro D-Mark“ und verweist dazu auf sein Schreiben an
den Bundesvorstand der Partei. In diesem Schreiben
rügt der Einspruchsführer eine Verletzung des Wahl-
geheimnisses zur Listenplätze-Reihenfolge gemäß
§ 27 Abs. 5 Bundeswahlgesetz (BWG) beim Landes-
verband Hessen. Nach seiner Auffassung hätte auch
die Festlegung der Reihefolge der Bewerber in der
Landesliste durch geheime Wahl erfolgen müssen.
Sein Vorschlag sei von dem Versammlungsleiter mit
dem Hinweis, dies sei zu kompliziert, „abgebürstet“
worden. Es sei dann der „Pseudokompromiß“ aufge-
griffen worden, die Listenplätze in der selben Reihen-
folge des Eintreffens der Versammlungsteilnehmer
im Schloßhotel Wilhelmshöhe (Versammlungsraum)
wählen zu lassen, wie dies auch parallel in der Abfol-
ge der Anwesenheitsliste dokumentiert worden sei.
Damit sei die Listenplatzabstimmung lediglich auf
die Feststellung reduziert worden, ob der undemokra-
tisch Nominierte im jeweils geheimen Wahlgang am
Ende nicht doch noch mehr Nein-Stimmen erhalten
habe, was kein einziges Mal der Fall gewesen sei.
Zu dem Wahleinspruch liegt eine Stellungnahme des
Landeswahlleiters für Hessen vor. Danach war der
Einspruchsführer ein Bewerber auf der für die Bun-
destagswahl in Hessen zugelassenen Landesliste der
Partei „Initiative Pro DM – neue liberale Partei
(Pro DM)“. Diese Partei hat nach dem amtlichen End-
ergebnis des Landes 23 190 (0,7 %) Zweitstimmen er-
halten. Er – der Landeswahlleiter – gehe davon aus,
daß sich die Einwände des Einspruchsführers gegen
das parteiinterne Nominierungsverfahren richten. Der
Einspruchsführer habe allerdings selbst vorgetragen,
daß über jede Listenplatznominierung geheim abge-

stimmt worden sei, was sich mit den Informationen in
der „Niederschrift über die Mitgliederversammlung zur
Aufstellung der Bewerber für die Landeslisten“ vom
28. Mai 1998 sowie dem Inhalt der Versicherungen an
Eides Statt vom gleichen Tage decke.
Die Stellungnahme wurde dem Einspruchsführer zur
Kenntnis gegeben. Mit Schreiben vom 5. Dezember
1998 hat dieser erneut vorgetragen, daß sowohl die
Wahl der Bewerber als auch die Festlegung ihrer
Reihenfolge jeweils in geheimer Wahl hätte erfolgen
müssen. Die Angabe in der Niederschrift vom
28. Mai 1998 auf Seite 2 Nr. 4, wonach über die Be-
werber einzeln abgestimmt worden sei, sei falsch.
Auf dem Stimmzettel hätte für den zur Einzelwahl
anstehenden Kandidaten jeweils nur mit „Ja“ oder
„Nein“ votiert werden dürfen. Bei der konkreten
Wahl habe die Reihenfolge „ohne Wahl“ bereits fest-
gestanden. Darüber hinaus sei das Wahlgeheimnis
auch nicht gewährleistet gewesen. Da die Stimmzettel
nicht verschlossen worden seien, habe der Wahlvor-
stand bei 12 Stimmberechtigten anhand der Art und
Farbe der verwendeten Schreibstifte sowie der Hand-
schriften auf dem Stimmzettel die Abstimmung später
„reproduzieren“ können.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Ein Wahlfehler bei der parteiinternen Aufstellung der Li-
stenkandidaten der Partei „Pro D-Mark“ in Hessen läßt
sich aus dem Vortrag des Einspruchsführers nicht ablei-

Drucksache 14/1560 – 98 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ten. Den Anforderungen des § 27 BWG ist entsprochen
worden. Eine Gesamtwahl, bei der verschiedene Einzel-
wahlen für gleichrangige Funktionen in einem Wahlgang
zusammengefaßt werden, ist wahlrechtlich nicht grund-
sätzlich zu beanstanden (BVerfGE 89, 243 ff.). Der Vor-
trag des Einspruchsführers enthält keine Anhaltspunkte
für die Annahme, daß nach dem Beschluß über den Wahl-
vorschlag und dessen Reihung der Kandidaten beim wei-
teren Abstimmungsverfahren Gegenkandidaturen nicht
zugelassen worden seien. Eine Verletzung des Grundsat-
zes der geheimen Wahl ist zwar behauptet worden. Wenn
aber bei einer Gesamtwahl ein Stimmzettel unbeobachtet
ausgefüllt und ohne die Möglichkeit der konkreten Zuord-
nung zu einem Stimmberechtigten abgegeben werden
kann, reicht dies für die Einhaltung des Schutzes einer
Pfreien und geheimen Wahl bei der parteiinternen Kandi-
datenaufstellung aus. Zur Sicherung des Wahlgeheimnis-
ses sind besondere Schutzvorrichtungen wie bei der staat-
lichen Wahl grundsätzlich nicht erforderlich (so schon
Drucksache 13/3927, Anlage 20).
Die dem Landeswahlleiter zugeleiteten Erklärungen des
Landesvorsitzenden der Partei „Pro D-Mark“ sind – of-
fensichtlich auch nach dem Vortrag des Einspruchsfüh-

rers – zutreffend und im Einklang mit den Anforderun-
gen aus § 27 BWG gewesen, so daß die Landesliste die-
ser Partei ohne Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften
zugelassen worden ist. Jedenfalls lagen für den Landes-
wahlleiter keine Anhaltspunkte vor, aus denen er auf ei-
ne fehlerhafte Kandidatenaufstellung hätte schließen
können.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 99 – Drucksache 14/1560

Anlage 35

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 60/98 –
des Herrn Horst Hesse

wohnhaft: Erwin-Haack-Weg 12, 17491 Greifswald
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 10. Oktober und 5. November

1998 hat der Einspruchsführer das Ergebnis der Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag im Wahlkreis 268
(Greifswald – Wolgast – Demmin) angefochten.
Der Einspruchsführer erhebt Vorwürfe gegen den
Abgeordneten Ulrich Adam, der mit der Mehrheit der
im Wahlkreis 268 abgegebenen Erststimmen direkt in
den Bundestag gewählt wurde, sowie gegen den
damaligen Ministerpräsidenten von Mecklenburg-
Vorpommern, Dr. Seite. Der Einspruchsführer for-
dert, die Bürger über angeblich begangene „Lügen“
dieser Politiker zu informieren und sodann die Wahl
im Wahlkreis 268 zu wiederholen.
Zur Begründung dessen kritisiert der Einspruchsfüh-
rer im wesentlichen die Finanzierung des TRANS-
RAPID mit Steuermitteln und die seiner Ansicht nach
zu langen Bauzeiten für Ortsumgehungen von Bun-
desstraßen in Mecklenburg-Vorpommern. Insbeson-
dere wendet er sich dagegen, daß die bereits im Jahr
1995 begonnene Ortsumgehung Greifswald erst im
Jahr 2003 fertiggestellt werden soll. Der Einspruchs-
führer trägt vor, hierfür seien bereits 723 Millionen
DM bereitgestellt worden, und bei einer Konzentrati-
on dieser Mittel hätte die Ortsumgehung bereits 1998
fertiggestellt werden können. Ministerpräsident Dr.
Seite habe jedoch – so behauptet der Einspruchsfüh-
rer – „von 1992 bis 1998 723 Millionen zweckbe-
stimmt für den Bundesfernstraßenbau zu Wahlkampf-
zwecken eingesetzt und nicht zur Verbesserung der
Infrastruktur.“
Zu diesem Thema hatte der Einspruchsführer im
September 1998 einen Brief an den NDR, Redaktion
„Transrapid“ geschickt. Eine Kopie dieses Schreibens
ging an den Ostsee-Anzeiger Greifswald mit der Bitte
um Veröffentlichung als Leserzuschrift. Der Ein-
spruchsführer behauptet nun einen groben Verstoß
gegen die Pressefreiheit, da der verantwortliche Re-
dakteur des Ostsee-Anzeigers den Leserbrief nicht
vor der Wahl veröffentlicht und ihm das Manuskript

entgegen seiner Bitte erst nach der Wahl zurückge-
schickt habe.
Er beanstandet weiterhin, daß im Gegensatz dazu der
Bundestagsabgeordnete Ulrich Adam in eben dieser
Zeitung am 27. September 1998 die Möglichkeit ge-
habt habe, in einer Anzeige seine Verdienste um die
Ortsumgehung Greifswald vorzutragen. Der Ein-
spruchführer behauptet, damit habe der Abgeordnete
„vorsätzlich die Bürger belogen, um sich Wähler-
stimmen von den nicht Eingeweihten zu sichern“.
Der Einspruchsführer ist seitens des Wahlprüfungs-
ausschusses auf den Zweck des Wahlprüfungsverfah-
rens hingewiesen und gebeten worden, konkret die
Umstände mitzuteilen, durch die er die Wahlrechts-
vorschriften verletzt sehe. Mit Schreiben vom 5. No-
vember 1998 hat der Einspruchsführer daraufhin ge-
äußert, es sei nicht sein Ziel, Wahlfehler zu beanstan-
den. Wenn seine Anliegen nach der geltenden
Rechtslage nicht erfüllt werden könnten, dann müsse
das Wahlrecht geändert werden.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Eine Verletzung wahlrechtlicher
Vorschriften ist aus dem vorgetragenen Sachverhalt
nicht ersichtlich.
Wie dem Einspruchsführer bereits mitgeteilt worden ist,
setzt das Wahlprüfungsverfahren eine Rüge von Män-
geln bei der Anwendung der für die Wahl geltenden
Vorschriften voraus (BVerfGE 89, 243, 251). Als Wahl-
fehler überprüfbar sind deshalb nur Mängel bei der Vor-

Drucksache 14/1560 – 100 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

bereitung, Organisation und Durchführung der Wahl.
Solche Fehler sind hier jedoch nicht ersichtlich.
Zu dem Vortrag der Einspruchsführers kann deswegen
nur allgemein auf folgendes hingewiesen werden:
Es ist in einer Demokratie die ureigenste Aufgabe der
Wähler selbst, die Leistungen und das Verhalten von
Kandidaten für die Volksvertretungen zu würdigen. Es
sind die Wähler, die daraufhin entscheiden, wer sie im
Bundestag oder in einem Landtag vertritt. Diese Ent-
scheidung ist von den Staatsorganen zu respektieren. Das
Grundgesetz bestimmt in Artikel 38, daß die gewählten
Abgeordneten des Bundestages Träger eines freien Man-
dats sind und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Der Bundestag ist deshalb grundsätzlich gehindert, im
Rahmen einer Kollegialenquete die Legitimität seiner
Mitglieder in Abrede zu stellen und ein der Wahl vor-
ausliegendes Verhalten zum Gegenstand öffentlicher
Untersuchung zu machen. (BVerfGE 94, 351, 366). So-
weit das Verhalten eines Abgeordneten gegen die
Rechtsordnung verstößt, ist es Aufgabe der Gerichte,
nicht des Bundestags und seines Wahlprüfungsausschus-
ses, hiergegen vorzugehen. Einen Verlust des Mandats
vor Ablauf der Legislaturperiode sieht die Rechtsord-
nung dabei allerdings nur in eng begrenzten Ausnahme-
fällen vor, beispielsweise bei einer Verurteilung zu min-
destens einem Jahr Freiheitsstrafe wegen eines Verbre-
chens (§ 45 Abs. 1 Strafgesetzbuch).
Ein Mandatsverlust wegen vermeintlicher „Lügen“ sieht
die Rechtsordnung dagegen nicht vor – schon gar nicht
ohne gerichtliche Prüfung derartiger Vorwürfe. Eine Än-
derung des Bundeswahlgesetzes im Sinne des Ein-
spruchsführers würde gegen die Verfassung verstoßen.
Sie liefe auf eine staatliche Kontrolle der Wahlwerbung
(zukünftiger) Mitglieder des Bundestags hinaus, was mit
dem Grundsatz der Mandatsfreiheit nicht zu vereinbaren
wäre.
Ebensowenig ist des Aufgabe der Wahlprüfung oder
sonstiger staatlicher Stellen, für die Veröffentlichung be-

stimmter Informationen in der Presse zu sorgen. Zwar ist
eine ausreichende und ausgewogene Information der
Bürger über die Ziele und das Verhalten der Kandidaten
für die Volksvertretung eine wichtige Voraussetzung für
eine verantwortungsbewußte Wahlentscheidung. Es ist
aber in erster Linie Sache der Medien, solche Informa-
tionen zur Verfügung zu stellen; wobei diese eigenver-
antwortlich und ohne staatliche Aufsicht darüber ent-
scheiden können, was sie veröffentlichen. Der Grundsatz
der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 GG), besagt le-
diglich, daß der Staat niemandem den Zugang zu den
vorhandenen Medien verwehren und daß er niemanden
daran hindern darf, seine Meinung frei zu äußern und zu
verbreiten. Es besteht aber kein Anspruch gegen staatli-
che Stellen, für die Veröffentlichung bestimmter Infor-
mationen zu sorgen. Ebensowenig existiert ein solcher
Anspruch – von presserechtlichen Ausnahmefällen abge-
sehen – gegenüber den Medien. Einem Bürger, der auf
die Verbreitung bestimmter Informationen Wert legt und
hierbei nicht die Unterstützung des zunächst gewählten
Mediums gewinnt, steht es frei, sich an ein anderes Pres-
seunternehmen zu wenden oder auf sonstige Weise ei-
genverantwortlich seine Ansichten zu verbreiten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101 – Drucksache 14/1560

Anlage 36

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 78/98 –
des Herrn Helmut Köhler

wohnhaft: Holländischestr. 45, 34379 Calden
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 9. November 1998 hat der Ein-

spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag eingelegt.
Der Einspruchsführer wendet sich in seinem Ein-
spruch dagegen, daß der Abgeordnete Hartenbach,
der sich als ehemaliger Direktor und Richter am
Amtsgericht in Hofgeismar mehrfach der Rechtsbeu-
gung schuldig gemacht habe, wieder in den Bundes-
tag gewählt worden sei.
Der Abgeordete Alfred Hartenbach wurde im Wahl-
kreis 124 (Waldeck), in dem die SPD einen Stimmen-
anteil von 53,0 % erhielt, als Direktkandidat in den
14. Deutschen Bundestag gewählt. Er war unter ande-
rem Richter und Direktor des Amtsgerichts Hofgeis-
mar in Hessen.
Der Einspruchsführer erhebt in seinem Einspruch
schwere Vorwürfe gegen den Abgeordneten Harten-
bach. Dieser habe in seiner Eigenschaft als Amts-
gerichtsdirektor gegen den Einspruchsführer zwei
Strafurteile erlassen, aus denen der Einspruchsführer
schließt, daß der Abgeordnete Hartenbach diesbezüg-
lich „geisteskrank“ gewesen sein müsse, denn „seine
Rechtsbeugungen“ seien für einen „Normaldenken-
den unvorstellbar“. An die Berufungen gegen diese
Urteile traue sich kein Richter heran, weshalb sie be-
reits seit vier Jahren „auf Eis“ lägen. Vor der Bun-
destagswahl habe er – der Einspruchsführer – bei der
Staatsanwaltschaft Bonn Strafantrag gegen den „Be-
schuldigten“ gestellt und gegen einen nicht näher be-
zeichneten Bescheid bei der Staatsanwaltschaft am
OLG Köln Beschwerde erhoben. Außerdem habe er
beim Kreiswahlleiter in Waldeck vergeblich Ein-
spruch eingelegt, wogegen ließ der Einspruchsführer
offen. Dem Kanzlerkanditaten Gerhard Schröder habe
er ein Flugblatt „Fahren auf dem Gehweg“ zuge-
schickt.
Der weitere Vorwurf des Einspruchsführers, in dem
dieser einen „Instanzenweg“ das genannte Flugblatt

betreffend im Zusammenhang mit dem 13. Bundestag
erwähnt, an dem 35 Mitglieder des Rechtsausschus-
ses, 35 Mitglieder des Petitionsausschusses, die Bun-
destagspräsidentin und der Bundesjustizminister be-
teiligt gewesen seien, ist mangels Schlüssigkeit nicht
näher darstellbar. Auch hier beantrage er die Wahl-
prüfung, da „derartige Vergehen die denkbar schwer-
sten Verbrechen“ seien.
Mit Schreiben vom 18. November 1998 wurde der
Einspruchsführer gebeten, ganz konkret die Um-
stände mitzuteilen, durch die er die Wahlrechtsvor-
schriften verletzt sieht.
Außerdem wurde er darauf hingewiesen, daß das er-
wähnte Flugblatt dem Einspruch nicht beilag.
Eine Antwort des Einspruchsführers ist nicht mehr er-
folgt.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch mangels
Feststellung eines Wahlfehlers offensichtlich unbegrün-
det.
Der Wahleinspruch muß gemäß § 2 Abs. 3 WPrüfG
schriftlich begründet werden. Eine solche Begründung
muß zumindest den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substan-
tiierte Tatsachen enthalten (BVerfGE 48, 271 [276]), wie
dem Einspruchsführer mit der Eingangsbestätigung vom
18. November 1998 mitgeteilt worden ist. Die Ein-
spruchsschrift läßt zwar erkennen, daß der Einspruch
wegen einer angeblichen Rechtsbeugung eines Richters,

Drucksache 14/1560 – 102 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der nunmehr Abgeordneter des 14. Deutschen Bundesta-
ges ist, eingelegt wurde. Es fehlen jedoch genügend sub-
stantiierte Tatsachen, die erkennen lassen, welcher wahl-
fehlerhafte Tatbestand gerügt wird. Im Wahlprüfungs-
verfahren sind aber nur solche tatsächlichen Angaben
hinreichend, aus denen konkrete Anhaltspunkte für
mögliche Wahlfehler abgeleitet werden können. Der
Einspruchsführer hat indes lediglich pauschalisierte
Vorwürfe erhoben, ohne näher darzulegen, inwieweit er
oder ein anderer durch bestimmte Träger öffentlicher
Gewalt in seinem Wahlrecht verletzt worden ist. Er hat
seinen Einspruch auch nach schriftlicher Aufforderung
nicht konkretisiert.
Aufgabe der Wahlprüfung ist es jedoch festzustellen, ob
durch Verletzung der Wahlrechtsbestimmungen das
Wahlergebnis beeinflußt worden ist und diese Verlet-
zung Einfluß auf die Mandatsverteilung gehabt hat oder
hätte haben können. Die Ausführungen des Einspruchs-
führers zur Begründung des vorliegenden Einspruchs

sind in sich entweder schwer oder gar nicht verständlich,
so daß sie eine Verletzung von Wahlrechtsbestimmun-
gen nicht begründen können.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 103 – Drucksache 14/1560

Anlage 37

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 85/98 –
des Herrrn Bernd Müsken

wohnhaft: Frankenhof 11, 45883 Gelsenkirchen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1998, das am

13. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer das Ergebnis der Bundes-
tagswahl vom 27. September 1998 in Gelsenkirchen
(Wahlkreis 93-94) angefochten. Mit einem weiteren
Schreiben ohne Datum, das am 1. Dezember 1998
beim Bundestag eingegangen ist, hat er seinen Ein-
spruch ergänzt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor, er
habe in Gelsenkirchen nicht als Kandidat auf dem
Stimmzettel gestanden. Nachdem der Einspruchsfüh-
rer vom Sekretariat des Wahlprüfungsausschusses zur
Substantiierung seines Einspruchs aufgefordert wor-
den ist, hat er diesen auf einem Quittungsvordruck im
Format A6 in kleiner, schwer lesbarer Handschrift um
folgende Angaben ergänzt:
Am 22. Juli 1998, ca. 10.00 Uhr, habe er im Rat-
haus die Information bekommen, daß das „Amt für
Ratsangelegenheiten/Wahldurchführung“ in Gelsen-
kirchen bis 18.00 Uhr geöffnet sei. Um ca. 16.30 bis
16.40 Uhr sei das Amt jedoch geschlossen gewesen,
so daß er keine „Wahlunterschriftenvordrucke“ habe
erhalten können und damit auch keine Möglichkeit
gehabt habe, bis 18.00 Uhr 200 Unterschriften beizu-
bringen. Mitte August habe er versucht, mit dem
Oberbürgermeister zu sprechen. Durch „irritierendes
Taktieren“ im Rathaus sei kein Termin und somit
auch kein Gespräch zustande gekommen. Anstatt
sachlicher Klärung sei er schriftlich informiert wor-
den, daß mangels Bezug zu einem Wahlkreis eine
Kandidatur nicht mehr möglich sei. Der Zettel des
Einspruchsführers enthielt weiterhin die Worte „Ver-
waltungsgericht Gelsenkirchen mit nicht verständ-
lichen Landesausführungsverordnungen zum Wahl-
gesetz/zur Wahlordnung“.
Die Stadt Gelsenkirchen hat in ihrer Stellungnahme
zu dem Einspruch mitgeteilt, daß der Einspruchsfüh-
rer am Vormittag des 23. Juli 1998, dem letzten Tag
der Einreichungsfrist für die Wahlvorschläge, im

Sachgebiet Wahlen vorstellig geworden sei und mit-
geteilt habe, daß er bei der bevorstehenden Bundes-
tagswahl als Einzelbewerber kandidieren möchte.
Dem Einspruchsführer seien daraufhin die Vorausset-
zungen für eine Kandidatur mit dem Hinweis erläutert
worden, daß die Einreichungsfrist für Wahlvor-
schläge am gleichen Tag um 18.00 Uhr ablaufe. Am
Nachmittag des selben Tages sei der Einspruchsfüh-
rer erneut erschienen und habe nochmals seine Ab-
sicht, bei der bevorstehenden Bundestagswahl zu
kandidieren, mitgeteilt. Er sei wiederum über alle
Einzelheiten der Voraussetzungen für eine Kandida-
tur aufgeklärt und darauf hingewiesen worden, daß
die ihm zur Verfügung stehende Zeit aller Voraus-
sicht nach nicht ausreichen werde. Das daraufhin vom
Einspruchsführer verlangte Gespräch mit dem Leiter
des Sachgebietes Wahlen des Amtes für Ratsangele-
genheiten sei nicht mehr zustande gekommen, weil
der Einspruchsführer zwischenzeitlich zu diesem Ge-
spräch nicht mehr bereit gewesen sei.
Mit Schreiben vom 13. August 1998 habe der Ein-
spruchsführer nochmals angekündigt, daß er für die
Wahl am 27. September 1998 kandidieren wolle. Ihm
sei daraufhin geantwortet worden, daß eine Kandida-
tur nicht mehr möglich sei, da die Einreichungsfrist
für Wahlvorschläge am 23. Juli 1998, 18.00 Uhr, ab-
gelaufen sei.
Zu der Stellungnahme hat sich der Einspruchsführer
nicht mehr geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch mangels

Drucksache 14/1560 – 104 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

eines festgestellten Wahlfehlers offensichtlich unbe-
gründet.
Kreiswahlvorschläge sind gemäß § 19 Bundeswahlge-
setz (BWG) spätestens am sechsundsechzigsten Tag vor
der Wahl bis 18 Uhr schriftlich beim Kreiswahlleiter
einzureichen. Sofern es sich um sog. andere Kreiswahl-
vorschläge im Sinne des § 20 Abs. 3 BWG handelt, d. h.
um solche, die nicht von politischen Parteien eingereicht
werden, müssen sie von mindestens 200 Wahlberechtig-
ten des Wahlkreises persönlich und handschriftlich un-
terzeichnet sein. Die Wahlberechtigung der Unterzeich-
ner eines solchen Kreiswahlvorschlages muß im Zeit-
punkt der Unterzeichnung gegeben sein und ist bei Ein-
reichung desselben nachzuweisen (§ 20 Abs. 3 Satz 2
i. V. m. Absatz 2 Satz 2 BWG). Der Nachweis der
Wahlberechtigung ist vom Träger des Wahlvorschlags,
d. h. vom Unterzeichner, durch Vorlage von Bescheini-
gungen der Gemeindebehörden zu erbringen.
Im vorliegenden Fall hat der Einspruchsführer sich erst
am letzten Tag der Frist für die Einreichung des Kreis-
wahlvorschlags (§ 19 BWG), dem 23. Juli 1998, beim
zuständigen Amt für Ratsangelegenheiten der Stadt Gel-
senkirchen nach den Voraussetzungen einer Kandidatur
zur Bundestagswahl erkundigt. Er selbst hat zwar vorge-
tragen, er habe am 22. Juli 1998 gegen 16.30 Uhr ver-
geblich versucht, die Formblätter für eine Unterstüt-
zungsunterschrift zu bekommen. Aus dem weiteren
Vortrag des Einspruchsführers, es sei ihm deshalb nicht
mehr möglich gewesen, bis 18.00 Uhr 200 Unterschrif-
ten beizubringen, ergibt sich jedoch, daß er das Amt am
letzten Tag der Frist aufgesucht haben muß, sonst hätte
er die Unterschriften nicht bis 18.00 Uhr beibringen
müssen. Dies wird auch durch die Ausführungen in der
Stellungnahme des Kreiswahlleiters der Stadt Gelsenkir-
chen bestätigt, wonach der Einspruchsführer bei seinem
Besuch ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wor-
den ist, daß die Frist am gleichen Tag um 18 Uhr ab-
laufe.
Zu diesem Zeitpunkt, ca. 90 Minuten vor Ablauf der
Frist, war es nahezu unmöglich, die oben genannten
Voraussetzungen für die Einreichung des Kreiswahlvor-
schlages noch rechtzeitig zu erfüllen. Hierzu hätten
von den jeweiligen Gemeindebehörden für mindestens
200 Personen Bescheinigungen ihrer Wahlberechtigung
auf der Rückseite der Formblätter für Unterstützungs-
unterschriften (vgl. Anlage 14 zu § 34 Abs. 4 Bundes-
wahlordnung – BWO) erbracht werden müssen. Abgese-
hen davon erscheint schon allein das Ausfüllen der
Formblätter in dieser Größenordnung innerhalb von
ca. 90 Minuten als schwer erfüllbar.

Es handelt sich bei der in § 19 BWG festgelegten Frist
um eine Ausschlußfrist, bei der „Nachsicht“ wegen
Fristversäumnis grundsätzlich nicht möglich ist (vgl.
Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 6. Auf-
lage, § 19, Rdnr. 3). Nach Ablauf der Einreichungsfrist
können gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 BWG nur noch Män-
gel an sich gültiger Wahlvorschläge behoben werden.
Ein gültiger Wahlvorschlag liegt jedoch nicht vor, wenn
z. B. die Frist des § 19 BWG nicht gewahrt ist oder die
nach § 20 Abs. 3 BWG erforderlichen Unterstützungs-
unterschriften mit dem Nachweis der Wahlberechtigung
der Unterzeichner fehlen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2
BWG). Bei Nichterfüllung dieser Voraussetzungen ist
der Wahlvorschlag ungültig. Im übrigen kann ein Man-
gel eines ansonsten gültigen Wahlvorschlags nur bis zur
Entscheidung über die Zulassung der Kreiswahlvor-
schläge durch den Kreiswahlausschuß, also bis zum
achtundfünfzigsten Tag vor der Wahl, behoben werden
(§ 25 Abs. 3 i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 BWG).
Der Einspruchsführer hat trotz Kenntnis dieser Um-
stände, über die er bei seinem Besuch im Amt für Rats-
angelegenheiten am 23. Juli 1998 zweimal informiert
worden ist, mit Schreiben vom 13. August 1998 wie-
derum seine Absicht erklärt, für die Bundestagswahl
zu kandidieren. Er hat damit weder die Frist für die
Einreichung von Kreiswahlvorschlägen eingehalten noch
eine notwendige weitere Voraussetzung, mindestens
200 Unterstützungsunterschriften beizubringen, erfüllt.
Somit lag kein ansonsten gültiger Wahlvorschlag vor,
dessen Mängel noch hätten beseitigt werden können,
zumal auch die Frist für die Mängelbeseitigung (bis zum
58. Tag vor der Wahl) am 13. August 1998 abgelaufen
war. Die Ablehnung dieses Vorschlages entsprach somit
der geltenden Rechtslage.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 105 – Drucksache 14/1560

Anlage 38

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 89/98 –
des Herrn Mario Mester

wohnhaft: Rehrstieg 16 c, 21147 Hamburg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 12. und 25. November 1998, er-

gänzt durch ein Schreiben vom 22. Dezember 1998,
hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten. Zur Begründung führt er aus, er sei von seiner
zuständigen Gemeindebehörde „widerrechtlich“ von
der Teilnahme an den Bundestagswahlen ausge-
schlossen worden.
Der Einspruchsführer trägt vor, obwohl er seit Jahren
um den Erhalt einer Legitimation kämpfe, verweigere
ihm die Gemeindebehörde die Herausgabe seines
ersten Reisepasses und sei auch nicht bereit, einen
zweiten Reisepaß auszustellen. Auch sein Personal-
ausweis werde „nicht nach Erstattung des hier erlitte-
nen Schadens in Höhe von 1 001 DM“ herausgege-
ben.
Die Bundeswahlordnung besage jedoch, daß jeder
Wähler einen Personalausweis oder Reisepaß sowie
die Wahlbenachrichtigungskarte zur Wahl mitbringen
müsse. Ein entsprechender Hinweis sei auch auf der
ihm von der Gemeindebehörde übersandten Wahlbe-
nachrichtigungskarte enthalten gewesen.
Zu dem Wahleinspruch liegt eine Stellungnahme des
zuständigen Kreiswahlleiters vor, die dem Ein-
spruchsführer zur Kenntnis gegeben wurde. Daraus
ergibt sich, daß der Einspruchsführer in das Wähler-
verzeichnis eingetragen war und vor der Wahl auch
darüber informiert wurde, daß er ggf. auch ohne Paß
oder Ausweis wählen könne. Hierzu teilte ihm der
Kreiswahlleiter in einem Schreiben vom 19. August
1998 mit, zur Teilnahme an der Wahl beständen
– abgesehen von der Briefwahl – drei Möglichkeiten:
Der Einspruchsführer könne sich entweder seinen
Personalausweis abholen oder er könne einen Reise-
paß beantragen, was allerdings ordnungsgemäß ent-
sprechend den gesetzlichen Vorgaben erfolgen müsse,
oder er könne auf beides verzichten und ohne diese
Ausweisdokumente zur Wahl gegen. Wie schon bei

den vergangenen Wahlen werde der Wahlvorstand
entsprechend informiert werden.
Der Einspruchsführer hat bereits die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Juni
1994 und die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag am
16. Oktober 1994 angefochten. Die Begründung die-
ser Einsprüche ähnelte der des vorliegenden. Der
Bundestag hat beide Einsprüche als offensichtlich
unbegründet zurückgewiesen (Drucksache 13/2029,
Anlage 27; Drucksache 13/3035, Anlage 20). Auf
diese Entscheidungen wird zur Verdeutlichung der
Hintergründe auch des vorliegenden Wahleinspruchs
Bezug genommen.
Mit seinem neuerlichen Anliegen hat sich der Ein-
spruchsführer auch an den Bundeswahlleiter, an den
Landeswahlleiter sowie an Abgeordnete des Bundes-
tages gewandt.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Vortrag des Einspruchsführers läßt einen Fehler bei
der Anwendung der für die Wahl geltenden rechtlichen
Regelungen nicht erkennen. Der Einspruchsführer wurde
bereits mehrfach, und zwar sowohl in den vorangegan-
genen Entscheidungen des Bundestages zu seinen Wahl-
einsprüchen, als auch vom Bundeswahlleiter und vom
Kreiswahlleiter darauf hingewiesen, daß die Vorlage
eines Personalausweises oder eines Reisepasses nicht
unbedingt zur Teilnahme an der Wahl erforderlich ist.

Drucksache 14/1560 – 106 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

§ 56 Abs. 3 der Bundeswahlordnung (BWO) bestimmt,
daß ein Wähler sich bei der Stimmabgabe lediglich „auf
Verlangen“ über seine Person auszuweisen hat. Dement-
sprechend handelt es sich bei der in § 19 Abs. 5 BWO
enthaltenen Aufforderung, zur Wahl einen Personalaus-
weis oder Reisepaß bereitzuhalten, nur um eine „Soll-
Vorschrift“, die dazu dient, ggf. zusätzliche Sicherheit
bei der Prüfung der Identität des Wählers mit dem im
Wählerverzeichnis aufgeführten Wahlberechtigten und
seiner Wahlberechtigung zu erlangen. Dies gilt insbe-
sondere dann, wenn er seine Wahlbenachrichtigung nicht
vorlegt oder aus sonstigen Gründen Zweifel an seiner
Identität bestehen. Nach geltendem Recht ist deshalb die
Stimmabgabe im Wahllokal ohne Vorlage von Ausweis-
papieren möglich und auch durchaus üblich.
Der Einspruchsführer hat auch nicht vorgetragen, auf der
Grundlage des § 56 Abs. 3 BWO im Wahllokal tatsäch-
lich von der Stimmabgabe zurückgewiesen worden zu
sein. Wie sich aus dem Schreiben des Kreiswahlleiters
vom 19. August 1998 ergibt, haben die Wahlbehörden
vielmehr durch Information des Wahlvorstands dafür
Sorge getragen, daß Zweifel an der Identität des Ein-
spruchsführers bei der Stimmabgabe ausgeschlossen sein
würden. Es war demnach sichergestellt, daß dieser auf
jeden Fall auch ohne Vorlage seiner Ausweispapiere die
Möglichkeit zur Stimmabgabe hatte. Wenn der Ein-

spruchsführer dennoch nicht an den Wahlen zum
14. Deutschen Bundestag teilgenommen hat, beruht dies
auf seiner eigenen Entscheidung und nicht auf einem
Fehler der Wahlbehörden.
Die Auseinandersetzung des Einspruchsführers mit der
Gemeindebehörde über die Ausstellung eines Reisepas-
ses und bzw. Entgegennahme eines Personalausweises
ist für das Wahlprüfungsverfahren ohne Belang.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107 – Drucksache 14/1560

Anlage 39

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 105/98 –
des Herrrn Arthur Winter

wohnhaft: Langer Hagen 30, 31134 Hildesheim
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 22. November 1998, das am

2. Dezember 1998 beim Deutschen Bundestag einge-
gangen ist, hat der Einspruchsführer gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am
27. September 1998 Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer bezweifelt die Rechtmäßigkeit
der Bundestagswahl. Er trägt vor, die Präambel zum
Grundgesetz sage aus, daß das Deutsche Volk im
Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den
Menschen lebe. Jeder Bundestagsabgeordnete habe
eine große Verantwortung zu tragen und müsse
deshalb eine sehr gute Ausbildung vorweisen können
und zugleich christlich und religiös sein. Da ein
Bundestagsabgeordneter auch über Gymnasien und
Universitäten „regiere“, sollte er Abitur und eine
erfolgreich abgeschlossene Universitätsausbildung
haben. Ein Volks- oder Realschüler habe nicht den
„geistigen Horizont“, um über Menschen mit Abitur
und Universitätsausbildung zu regieren oder als
Bundestagsabgeordneter einen Bundeskanzler zu
wählen. Die Wahl des Bundeskanzlers sollte nur
Abgeordneten mit Abitur und Universitätsausbil-
dung vorbehalten sein. Die Bundestagsabgeordneten
sollten religiös, christlich und mindestens 42 Jahre alt
sein.
Der Einspruchsführer bittet, die Bundestagswahl zu
wiederholen, weil auch Volks- und Realschüler im
Bundestag vertreten seien, die die vom Einspruchs-
führer geforderten Voraussetzungen nicht erfüllen.
Bundeskanzler Schröder, der auch von Real- und
Volksschülern gewählt worden sei, sei nicht religiös
genug und damit nicht tugendhaft genug, weshalb der
Einspruchsführer kein Vertrauen zu ihm habe und

darum bittet, Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl wieder
regieren zu lassen.
In seinen weiteren Ausführungen schlägt der Ein-
spruchsführer vor, zur Festigung der deutschen Ein-
heit und aus Dankbarkeit, daß die Wiedervereinigung
ohne Blutvergießen verlaufen sei, Gott in Berlin ei-
nen Kirchenbau zu weihen. Ferner schwäche der
„EURO“ die europäische Kultur. Er sei nicht göttli-
cher Wille, weshalb jede Nation ihre nationale Wäh-
rung behalten solle. Wer einen Bundeskanzler wähle,
der nicht religiös bzw. christlich sei, gefährde die
Freiheit des deutschen Volkes. Wer Freiheit genießen
wolle, müsse im Bewußtsein leben, Gott in seinen
Gedanken, Worten und Werken zu dienen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist nicht fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist unzulässig.
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprü-
che binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem
Wahltag beim Bundestag eingehen. Bei der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag lief die Einspruchsfrist am
27. November 1998 ab. Der Einspruch des Einspruchs-
führers ging jedoch erst am 2. Dezember 1998 beim
Bundestag ein.
Der Einspruch ist daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Drucksache 14/1560 – 108 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109 – Drucksache 14/1560

Anlage 40

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 106/98 –
des Herrn Johann Emil Moehring

wohnhaft: Rather Straße 39, 51149 Köln
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand

1. Mit Schreiben vom 1. Dezember 1998, das am 7. De-
zember 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer gibt in seiner Einspruchsschrift
folgende Gründen für die Anfechtung der Bundes-
tagswahl an:
– wegen „Verletzung von Menschenrecht und Wahl-

betrug“ (Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz: Die Würde
des Menschen ist unantastbar)

– wegen „falscher Verdächtigung und Schuldunfä-
higkeit“.

Der Einspruchsführer beanstandet die Zustellung der
Wahlbenachrichtigung und „die persönliche Beteili-
gung an der Wahl“. Er sieht darin neben der Verlet-
zung der Menschenrechte einen Wahlbetrug.
Ausweislich der in Kopie vom Einspruchsführer
übersandten Wahlbenachrichtigung war dieser für den
Stimmbezirk 70401 unter der Nummer 0434 im Wäh-
lerverzeichnis der Stadt Köln eingetragen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist nicht fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist unzulässig.
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprü-
che binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem
Wahltag beim Bundestag eingehen. Bei der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag lief die Einspruchsfrist am
27. November 1998 ab. Der Einspruch des Einspruchs-
führers ging jedoch erst am 7. Dezember 1998 beim
Bundestag ein.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 110 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 111 – Drucksache 14/1560

Anlage 41

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 107/98 –
der Frau Anneliese Wenzel

wohnhaft: Masttal 15, 37431 Bad Lauterberg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 25. November 1998 an die Stadt-

verwaltung Bad Lauterberg hat die Einspruchsführe-
rin Einspruch gegen die Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 eingelegt. Dieses
Schreiben ist von der Stadt Bad Lauterberg an den
Bundestag weitergeleitet worden und hier am
8. Dezember 1998 eingegangen.
In der Begründung ihrer Einspruchsschrift wendet
sich die Einspruchsführerin gegen eine ihrer Meinung
nach rechtswidrig erfolgte Abmeldung aus dem Mel-
deregister der Stadt Bad Lauterberg. Mit Schreiben
vom 11. November 1998 habe ihr die Stadt Bad Lau-
terberg bestätigt, daß eine neue Anmeldung verlangt
werde, anstatt die nach Ansicht der Einspruchsführe-
rin widerrechtlich erfolgte Aufhebung ihrer Anmel-
dung zurückzunehmen. Dadurch habe die Stadt
„planmäßig und vorsätzlich“ die Teilnahme der Ein-
spruchsführerin an der Bundestagswahl verhindert.
Die Stadt Bad Lauterberg hat sich zu dem Vorbringen
der Einspruchsfüherin geäußert und in einem Schrei-
ben vom 17. Dezember 1998 zunächst erläutert, war-
um die Einspruchsführerin von Amts wegen abge-
meldet worden war. Sie habe sich zum 1. Januar 1997
in Bad Lauterberg angemeldet. Nach eigenen Anga-
ben hätte sie sich nach längerem Auslandsaufenthalt
wieder überwiegend in Deutschland aufgehalten. Es
seien dann aber erhebliche Zweifel an den Angaben
der Einspruchsführerin entstanden, so daß sie unter
dem Datum 20. Januar 1998 mit Wirkung vom 1. De-
zember 1997 von Amts wegen abgemeldet worden
sei. Gleichzeitig sei die Einspruchsführerin mehrfach
gebeten worden, ihre melderechtlichen Verhältnisse
im Bürgerbüro zu klären, was bislang jedoch nicht
geschehen sei. Dies habe zur Folge gehabt, daß sie
nicht in das Wählerverzeichnis der Stadt Bad Lauter-
berg eingetragen worden sei und auch keine Wahlbe-
nachrichtigung erhalten habe. Das Wählerverzeichnis
für die Bundestagswahl habe in der Zeit vom 7. bis
11. September 1998 zur Einsichtnahme ausgelegen.

Die Einspruchsführerin habe von ihren Rechten zur
Einsichtnahme bzw. zum Einspruch gegen das Wäh-
lerverzeichnis keinen Gebrauch gemacht und gegen-
über dem Wahlamt auch nicht beanstandet, daß sie
keine Wahlbenachrichtigungskarte erhalten habe. Sie
habe sich erst mit der Stadt in Verbindung gesetzt,
nachdem sie mangels Hauptwohnsitzes keine
Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 erhalten habe.
In einem weiteren Schreiben vom 21. Januar 1999 hat
die Stadt Bad Lauterberg mitgeteilt, sie habe zwi-
schenzeitlich die von Amts wegen erfolgte Abmel-
dung der Einspruchsführerin aufgehoben, weil das
Abmeldeverfahren ohne die erforderliche Anhörung
durchgeführt worden sei. Gleichzeitig habe sie das
Abmeldeverfahren neu eröffnet, weil weiterhin er-
hebliche Zweifel an dem Wohnsitz der Einspruchs-
führerin beständen.
Die Einspruchsführerin ist seitens des Wahlprüfungs-
ausschusses auf den Ablauf der Einspruchsfrist des
§ 2 Abs. 4 Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) am 27.
November 1998 hingewiesen worden. Sie hat darauf
erwidert, ein Wahleinspruch könne nicht binnen einer
Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag eingelegt
werden, „wenn bis zu diesem Zeitpunkt die willkürli-
che Aussperrung eines deutschen Bürgers von der
Wahl noch nicht bekannt sein konnte“.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 WPrüfG von der Anberaumung einer öffentli-
chen mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist nicht fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist unzulässig.
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprü-
che binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem
Wahltag beim Bundestag eingehen. Bei der Wahl zum

Drucksache 14/1560 – 112 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

14. Deutschen Bundestag lief die Einspruchsfrist am
27. November 1998 ab. Der Einspruch der Einspruchs-
führerin ging jedoch erst am 8. Dezember 1998 beim
Bundestag ein.
Soweit die Einspruchsführerin dagegen einwendet, die
zur Begründung ihres Wahleinspruchs maßgeblichen
Umstände seien ihr nicht rechtzeitig während der Ein-
spruchsfrist bekanntgeworden, kann dies nicht zu einer
anderen Entscheidung führen. Das Wahlprüfungsgesetz
kennt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht.
Das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Klarheit
über die Gültigkeit der Wahl erfordert vielmehr eine In-
terpretation des § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG im Sinne
einer strengen Ausschlußfrist (s. dazu Schreiber, Wahl-
recht, § 49 Rdnr. 18; Drucksache 8/3579, Anlage 17;
Drucksache 9/316, Anlagen 24, 56, 57, Drucksache
13/3770, Anlage 63).
Darüber hinaus kann der Vortrag der Einspruchsführerin
auch inhaltlich nicht nachvollzogen werden. Zum einen
hatte sie, wie der Stellungnahme der Stadt Bad Lauter-
berg zu entnehmen ist, bereits vor der Wahl die Mög-
lichkeit, das Wählerverzeichnis einzusehen und festzu-

stellen, daß sie dort nicht eingetragen war. Zum anderen
hätte sie dies spätestens am Wahltag bemerken können,
da sie mangels Eintrag in das Wählerverzeichnis bei der
Stimmabgabe im Wahllokal hätte zurückgewiesen wer-
den müssen. Die Einspruchsführerin hat deswegen ihre
Unkenntnis selbst zu vertreten.
Der Einspruch ist daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 113 – Drucksache 14/1560

Anlage 42

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 108/98 –
des Herrn Dieter L. Amrein

wohnhaft: Oberdorfstraße 7, 53859 Niederkassel
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand

1. Mit mehreren Schreiben, die vom 2. Juli 1991 datie-
ren, aber erst am 8. Dezember 1998 beim Bundestag
eingegangen sind, hat der Einspruchsführer die Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag am 27. September
1998 angefochten.
Der Einspruchsführer behauptet, er sei Mitglied der
Partei „Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“. Er
wendet sich mit seinem Einspruch gegen die Zulas-
sung des Bundesvorsitzenden dieser Partei, Dr. F., als
Kandidaten zur Bundestagswahl.
„Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“ wurde am
29. Juni 1997 in Kassel gegründet und vom Bundes-
wahlausschuß am 17. Juli 1998 gemäß § 18 Abs. 4
Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) als Partei für
die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag anerkannt.
Die Partei kandidierte in Nordrhein-Westfalen mit
einer Landesliste und stellte in den Wahlkreisen 45
(Braunschweig), 64 (Rhein-Sieg-Kreis I), 65 (Rhein-
Sieg-Kreis II), 166 (Nürtingen) und 189 (Rottweil-
Tuttlingen) Direktkandidaten auf. Der Parteivorsit-
zende, Dr. F., kandidierte im Wahlkreis 64 direkt und
auf Platz 2 der Landesliste von Nordrhein-Westfalen.
Das Wahlergebnis weist für „Ab jetzt ... Bündnis für
Deutschland“ im Bundesdurchschnitt nur Anteile von
weniger als 0,1 % der Erst- und Zweitstimmen aus;
keiner ihrer Kandidaten wurde in den Bundestag ge-
wählt.
Der Einspruchsführer stützt seine Wahlanfechtung
auf das „Gedächtnisprotokoll“ eines Gutachtens, das
ein „Prof. Dr. Th. Vogel“ für die Staatsanwaltschaft
bei dem Landgericht Stade erstattet haben soll. Es
habe Dr. F. eine „partielle Geschäfts- und Prozeß-
unfähigkeit“ attestiert. Dieses „Gedächtnisprotokoll“
enthält des weiteren diverse, zum Teil schwer lesbare
Randnotizen, in denen u. a. behauptet wird, gegen
Dr. F. werde wegen Volksverhetzung sowie Verbrei-

tung rechtsradikaler Schriften und rechtsradikalen
Gedankenguts ermittelt.
Der Einspruchsführer vertritt offenbar die Auffas-
sung, Dr. F. habe das passive Wahlrecht verloren und
hätte deswegen nicht zur Bundestagswahl kandidieren
dürfen.
Die Zulassung des Bewerbers Dr. F. auf der Landes-
liste der Partei „Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“
durch den Landeswahlausschuß in Nordrhein-
Westfalen war bereits Gegenstand einer Beschwerde
des Einspruchsführers an den Bundeswahlausschuß.
Der Bundeswahlausschuß hat diese Beschwerde in
seiner 2. Sitzung am 6. August 1998 als unzulässig
zurückgewiesen. In den Gründen hierzu wird ausge-
führt, der Beschwerdeführer [sc. der Einspruchsfüh-
rer] sei nicht gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 BWG be-
schwerdebefugt. Wie der stellvertretende Landes-
wahlleiter Nordrhein-Westfalens glaubhaft berichte,
sei die Bestellung des Beschwerdeführers zum Ver-
trauensmann der Landesliste der Partei „Ab jetzt ...
Bündnis für Deutschland“ im Januar 1998 wirksam
widerrufen worden. Zudem könne gemäß § 28 Abs. 2
Satz 3 BWG nur der Landeswahlleiter gegen die Zu-
lassung einer Landesliste Beschwerde erheben. Aus-
weislich des Protokolls erteilte der Bundeswahlleiter
am Ende dieser Sitzung des Bundeswahlausschusses
eine Rechtsmittelbelehrung, in der ausdrücklich auf
die zweimonatige Einspruchsfrist des Wahlprüfungs-
gesetzes hingewiesen wurde.
Der Einspruchsführer hat vorgetragen, er hätte seinen
Einspruch bereits vor dem 8. Dezember 1998, wäh-
rend der Einspruchsfrist, per Telefax an den Bundes-
tag gesandt. Ein entsprechender Eingang ist jedoch
nicht registriert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 114 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist nicht fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist unzulässig. Gemäß § 2
Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprüche binnen
einer Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag
beim Bundestag eingehen. Bei der Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag lief die Einspruchsfrist am 27. Novem-
ber 1998 ab. Der Einspruch des Einspruchsführers ging
jedoch erst am 8. Dezember 1998 beim Bundestag ein.
Die Behauptung des Einspruchsführers, bereits zu einem
Zeitpunkt während der Einspruchsfrist seine Wahlan-
fechtung an den Bundestag gesandt zu haben, kann nicht
zu einer anderen Beurteilung führen. Ein solcher Ein-
gang wäre beim Bundestag registriert worden; der Ein-
spruchsführer hat auch keinerlei Belege für seine Be-
hauptung vorgewiesen.

Der Einspruch ist daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115 – Drucksache 14/1560

Anlage 43

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 109/98 –
des Herrn Karsten Hoffmann, Geversstr. 38, P.O.Box 90133,

Windhoek / Namibia
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 6. Dezember 1998, das am 17. De-

zember 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer die Wahlen zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 angefochten. Zur
Begründung führt er an, daß er wegen eines Ver-
säumnisses der Gemeindeverwaltung Herrstein sein
Wahlrecht nicht habe ausüben können.
Der Einspruchsführer trägt vor, er habe als Deutscher
mit Wohnsitz im Ausland im Juli 1998 bei der für ihn
zuständigen Gemeindeverwaltung Herrstein die Ein-
tragung in das Wählerverzeichnis beantragt. Nach-
dem er bis zum 21. September 1998 ohne Rückmel-
dung geblieben sei, habe er telefonisch nachgefragt.
In diesem Telefonat und auch in einem späteren Tele-
fax habe die Gemeindeverwaltung ihm mitgeteilt, bei
der Bearbeitung seines Antrags sei ein Fehler unter-
laufen; die Wahlunterlagen seien jedoch nunmehr per
Eilbrief unterwegs. Er – der Einspruchsführer – habe
diese Unterlagen jedoch erst am 30. September 1998
erhalten und deswegen sein Wahlrecht nicht ausüben
können.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist nicht fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist unzulässig.
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahlein-
sprüche binnen einer Frist von zwei Monaten nach
dem Wahltag beim Bundestag eingehen. Bei der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag lief die Ein-
spruchsfrist am 27. November 1998 ab. Der Ein-
spruch des Einspruchsführers datiert jedoch erst vom
6. Dezember 1998 und ging am 17. Dezember 1998
beim Bundestag ein.
Der Einspruch ist daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 116 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 117 – Drucksache 14/1560

Anlage 44

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 111/98 –
1. der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Kreisverband Krefeld

vertreten durch den Vorstand,
dieser vertreten durch die Bevollmächtigte des Vorstandes, Frau Rita Thies

2. der Christlichen Demokratischen Union, Kreisverband Krefeld
vertreten durch den Vorsitzenden, Herrn Winfried Schittges
3. der Sozialdemokratischen Partei, Unterbezirk Krefeld
vertreten durch den Vorsitzenden, Herrn Jürgen Hengst

Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Goebels, Pokorny, Kählers, Schmidt und Partner

Wilhelmshofallee 79-81, 47800 Krefeld
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit drei Schreiben vom 5. Januar 1999, die am selben

Tag beim Bundestag eingegangen sind, haben die
Einspruchsführer über ihren Bevollmächtigten Wahl-
einspruch eingelegt. Sie wenden sich gegen die mit
dem Wahlkreisneueinteilungsgesetz vorgenommene
Aufteilung des Gebiets der Stadt Krefeld auf zwei
Wahlkreise.
Das Gesetz zur Neueinteilung der Wahlkreise für die
Wahl zum Deutschen Bundestag (Wahlkreisneuein-
teilungsgesetz) vom 1. Juli 1998 (BGBl. I S. 1698)
teilt die Wahlkreise im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland neu ein. Die Anzahl der Wahlkreise wird
von bisher 328 auf 299 verringert. Das Gebiet der
Stadt Krefeld, das bisher den Wahlkreis 79 bildete,
wird auf die Wahlkreise 111 (Krefeld I – Neuss II)
und 115 (Krefeld II – Wesel II) aufgeteilt. Das Gesetz
wird erstmals Wirkung für die kommende Bundes-
tagswahl – die Wahl zum 15. Deutschen Bundestag –
entfalten.
Hiergegen haben die Einspruchsführer, die Kreisver-
bände bzw. der Unterbezirk Krefeld der Parteien
Bündnis 90/Die Grünen, CDU und SPD „alle zulässi-
gen Rechtsbehelfe und zulässigen Rechtsbeschwer-
den eingelegt“ und gebeten, ihre Eingabe auch als
„Wahlprüfungsbeschwerde“ zu behandeln. Sie ver-
treten die Auffassung, die Wahlkreiseinteilung für das
Gebiet der Stadt Krefeld verletze ihre Rechte aus Ar-
tikel 21 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und
verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach
Artikel 3 Abs. 1 i. V. m. Artikel 19 Abs. 3 GG.

Die Einspruchsführer tragen vor, die vorgenommene
Aufteilung des Wahlgebietes behindere sie in ihrer
Mitwirkung an der politischen Willensbildung in der
Bundesrepublik Deutschland für ihre Mitglieder und
für die Bürger der Stadt Krefeld. Es sei ihnen nicht
mehr uneingeschränkt möglich, die politischen An-
liegen ihrer Mitglieder und der Bürger der Stadt Kre-
feld durch die Nominierung von Kandidaten für Di-
rektmandate oder Landeslistensitze zu vertreten. Die
Einspruchsführer vertreten die Ansicht, um die Rele-
vanz der Parteien als „wesentliche Träger der politi-
schen Willensbildung in der Gesellschaft“ und als
„verfassungsrechtlich notwendige Bestandteile der
freiheitlich demokratischen Grundordnung“ zu schüt-
zen sowie zur Durchsetzung der wahlrechtlichen Ga-
rantie, daß jeder Wahlkreis durch einen mit den poli-
tischen Anliegen der dortigen Bevölkerung vertrauten
Abgeordneten repräsentiert werde, sei es notwendig,
bei der Einteilung von Wahlkreisen zumindest die
Grenzen der kreisfreien Städte als Zentren, auf wel-
che hin sich die Region richte, einzuhalten. Dies sei
in der Vergangenheit bei der Einteilung der Wahl-
kreise beachtet worden. Kreisfreie Städte seien je-
weils einem oder mehreren Wahlkreisen zugeordnet
worden, in denen sie den Schwerpunkt gebildet hät-
ten. Falls Städte wegen ihrer Größe auf mehrere
Wahlkreise verteilt worden seien, sei jeweils der
Schwerpunkt in dieser Stadt geblieben.
Krefeld hingegen werde lediglich gespalten, wodurch
es seine Bedeutung als Schwerpunkt verliere. Diese
Neueinteilung mache eine adäquate Vertretung der
Interessen der Bevölkerung der Stadt Krefeld im

Drucksache 14/1560 – 118 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bundestag unmöglich. Durch die Teilung befinde sich
nun der nördliche Teil der Stadt im Einflußbereich
der Stadt Duisburg, der südliche Teil hingegen im
Einflußbereich der Stadt Düsseldorf. Somit seien die
von den Bundestagsabgeordneten der künftigen
Wahlkreise 115 und 111 wahrzunehmenden Interes-
sen zu gegensätzlich, um ihnen Abwägungen zu er-
lauben, die auch den Anliegen der Stadt Krefeld ent-
sprächen. Diese Aussicht, im Bundestag nicht ent-
sprechend vertreten zu werden, stelle einen demoti-
vierenden Faktor für die wahlberechtigte Bevölke-
rung der Stadt Krefeld dar.
Diese durch die Neueinteilung bedingten Umstände
bedeuteten für die Parteien in ihrer politischen Ar-
beit organisatorische Schwierigkeiten und eine
deutliche Mehrbelastung gegenüber anderen Kreis-
verbänden, zumal davon auszugehen sei, daß die be-
nachbarten Kreisparteien bei der Aufstellung der
Kandidaten in den entscheidenden Bereichen eine
dominierende Rolle spielen würden. Dies stelle eine
Verletzung der Gleichheitsrechte gegenüber anderen
Parteien dar.
Schließlich meinen die Einspruchsführer, eine Tei-
lung der Stadt Krefeld sei nicht erforderlich gewesen,
um die gesetzlichen Vorgaben für die Wahl-
kreiseinteilung einzuhalten. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3
Bundeswahlgesetz solle die Bevölkerungszahl eines
Wahlkreises nicht um mehr als 15 % von der durch-
schnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise ab-
weichen. Bei einer Abweichung von 25 % müsse eine
Neueinteilung vorgenommen werden. Gemäß des
Vortrags der Einspruchsführer liegt die Bevölke-
rungszahl in Krefeld um 15,55 % unterhalb der
durchschnittlichen Wahlkreisgröße. Sie meinen des-
halb, Krefeld hätte als eigener Wahlkreis bestehen-
bleiben können, gegebenenfalls nach einer Anreiche-
rung durch Hinzunahme benachbarter Gebiete. Statt
dessen sei jedoch die unvertretbare Spaltung des
Wahlkreises Krefeld beschlossen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der
Einspruchsführer wird auf den Akteninhalt verwie-
sen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist nicht fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist unzulässig.
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprü-
che binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem
Wahltag beim Bundestag eingehen. Bei der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag lief die Einspruchsfrist am
27. November 1998 ab. Der Einspruch der Einspruchs-
führer datiert jedoch erst vom 5. Januar 1999 und ging
am selben Tag beim Bundestag ein.
Auch eine „vorbeugende“ Anfechtung der Wahlen zum
15. Deutschen Bundestag ist nicht möglich. Wahlein-
sprüche müssen innerhalb der gesetzlichen Frist einge-
legt werden. Diese beginnt nach dem Wortlaut des § 2
Abs. 4 Satz 1 WPrüfG erst mit dem Wahltag. Das Wahl-
prüfungsverfahren ist streng formalisiert und erlaubt kei-
ne Abweichung von diesen Verfahrensvorschriften.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 1
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 119 – Drucksache 14/1560

Anlage 45

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 4/98 –
des Herrn Günter Bartel

wohnhaft: Kölner Str. 75, 45145 Essen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 28. September 1998, welches am

29. September 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt. Zur Begründung seines
Einspruchs beruft er sich auf diverse Schreiben,
die bereits vor der Bundestagswahl und damit vor
Beginn der Einspruchsfrist eingegangen sind. Diese
Schreiben wurden zur Wahlprüfungsakte hinzugezo-
gen.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch
damit, daß die Bundestagswahl 1998 gegenüber allen
vorangegangenen Bundestagswahlen insofern eine
Besonderheit aufweise, als die Demokratie der Bun-
desrepublik Deutschland keine „korrekte“ Demokra-
tie sondern eine „Pseudo-Demokratie“ sei. Dies erge-
be sich aus einem sogenannten Prüfbericht über den
Demokratie-Status der Bundesrepublik Deutschland
vom 4. März 1998 (nachfolgend Prüfbericht), auf den
der Einspruchsführer seine Auffassung stützt.
Der Wahltermin 27. September 1998, welcher vom
Präsidenten einer Pseudo-Demokratie festgelegt wor-
den sei, hätte von Amts wegen verschoben werden
müssen, bis die Frage über den Demokratie-Status der
Bundesrepublik Deutschland durch den Bundestag
geklärt worden sei. Aus dem oben genannten Prüfbe-
richt ergebe sich „eine massive und gravierende Ver-
letzung der Vorschriften von § 16 Bundeswahlge-
setz“. Die Verfügung des Bundespräsidenten vom
27. Februar 1998 über die Festsetzung des Wahlter-
mins sei deshalb rechtsunwirksam und nichtig. Der
Wahltermin hätte vom Bundestag unverzüglich für
„null und nichtig“ erklärt werden müssen.
Der Einspruchsführer hat schließlich mit Schreiben
vom 22. März 1999 den von ihm mehrfach zitierten
Prüfbericht, der dreizehn Seiten umfaßt und einen
Gerd Wegener als Verfasser ausweist, an den Wahl-

prüfungsausschuß übersandt. Wegen des Inhaltes die-
ses Berichtes wird auf die Akte verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler anhand des
vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden
konnte.
Aufgabe der Wahlprüfung ist es, die Gültigkeit der Wahl
zum Bundestag, insbesondere die Einhaltung der recht-
lichen Regelungen über die Vorbereitung und Durchfüh-
rung der Wahl zu prüfen und im Falle der Ungültigkeit,
die sich daraus ergebenden Folgen festzustellen (§ 1
WPrüfG). Der Einspruchsführer hat keine Verletzung
von Vorschriften des Wahlrechts dargetan, die geeignet
wäre, einen Wahleinspruch erfolgreich zu begründen.
Der Wahltermin ist ordnungsgemäß bestimmt worden.
Gemäß § 16 Satz 1 Bundeswahlgesetz (BWG) bestimmt
der Bundespräsident den Tag der Hauptwahl (Wahltag).
Für die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag hat der
Bundespräsident am 27. Februar 1998 den 27. Septem-
ber 1998 als Wahltag angeordnet (Bundesgesetzblatt
1998 I S. 389). Die Aufhebung bzw. Verschiebung eines
einmal festgelegten und bekanntgemachten Wahltermins
ist nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher
Umstände, wie z.B. Naturereignissen, Unruhen, Seuchen
oder Streiks größeren Umfangs zulässig, wobei die
Gründe für die Terminverlegung keine sachfremden Er-
wägungen enthalten dürfen und so gewichtig sein müs-
sen, daß ihnen gegenüber der durch die ursprüngliche
Wahltagsbestimmung geschaffene Vertrauenstatbestand

Drucksache 14/1560 – 120 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

auf den Fortbestand des festgelegten Termins zurücktritt
(vgl. Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz,
6. Auflage, § 16, Rdnr. 2). Dem einzelnen Bürger ist in-
soweit kein Antragsrecht an den Bundespräsidenten oder
den Bundestag zur Verlegung des Wahltermins einge-
räumt worden. Der Einspruchsführer hat im übrigen auch
keine derart triftigen Gründe genannt, die bei Erfüllung
der aufgezählten Voraussetzungen eine Verschiebung
des Wahltermins gerechtfertigt hätten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 121 – Drucksache 14/1560

Anlage 46

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 28/98 –
des Herrn Frank Jenczmionka

wohnhaft: Brauerstr. 66, 46236 Bottrop
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1998 an den Präsi-

denten des Deutschen Bundestages, welches am
7. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag einge-
legt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch
damit, daß in mehreren Wahlbezirken in den Wahl-
kabinen ausschließlich Bleistifte zur Ausübung der
Wahl zur Verfügung gestanden hätten. Diese seien
nicht dokumentenecht und ließen sich „nicht aus-
schließlich einmal auf den amtlichen Stimmzetteln fi-
xieren“.
Jedes andere offizielle Dokument sei dokumentensi-
cher zu kennzeichnen und aufgrund dieser Doku-
mentenechtheit manipulationssicher. Dagegen führten
leicht aufgedrückte Kennzeichen, z.B. durch Wähler,
die durch körperliche Gebrechen behindert seien, ge-
gebenenfalls zur Nichtlesbarkeit der amtlichen
Stimmzettel und somit zur Ungültigkeit der Stimm-
abgabe gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 Bundeswahlgesetz
(BWG). Nach Ansicht des Einspruchsführers sei es
deshalb zwingend notwendig, § 52 BWG um einen
Passus über die Bestimmung und Zweckmäßigkeit
solcher Stifte zu ergänzen, da hier ausschließlich Be-
lange von mehreren Wählern berührt würden und so-
mit bundesweit angesichts einer Wahlbeteiligung von
81,5 % einer „wahlentscheidenden Einflußnahme“
vorgebeugt werden könne.
Des weiteren führt der Einspruchsführer an, der
Wähler sei durch die alleinige Auslegung von Blei-
stiften in den Wahlkabinen in der Ausübung des
Wahlrechts „beschnitten“, da durch das Einfordern
eines Stiftes direkte Rückschlüsse auf den Wähler
aufgrund seiner vorhergegangenen Austragung aus
dem Wählerverzeichnis möglich seien und somit das
Wahlgeheimnis in Frage gestellt würde. Ferner sei

nicht auszuschließen, daß bei der Auszählung der
Stimmen aufgrund der Dokumentation mit Kugel-
schreiberkreuzen weitere direkte Rückschlüsse er-
möglicht würden. Zudem bestünde somit die Mög-
lichkeit, daß aus den genannten Gründen viele Wäh-
ler die amtlichen Stimmzettel nicht ausfüllten oder
um einen Zusatz oder Vorbehalt ergänzten, was zur
Ungültigkeit der Stimmen nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 und
6 BWG führen könne.
Gemäß § 33 BWG besteht nach Ansicht des Ein-
spruchsführers die rechtsverbindliche Pflicht, dem
Wähler gegenüber Vorkehrungen zu treffen, die eine
unbeobachtete und nicht rückverfolgbare Stimmab-
gabe ermöglichten. Einen groben Verstoß gegen die
Wahrung des Wahlgeheimnisses sieht der Ein-
spruchsführer darin, daß schon durch die Einforde-
rung eines Kugelschreibers ein Rückschluß auf die
abgegebene Stimme ermöglicht würde.
Der Beschwerde des Einspruchsführers in seinem
Wahllokal, in dem ausschließlich Bleistifte ausgele-
gen hätten, und dem Begehren nach Beseitigung des
Mangels sei nicht entsprochen worden. Er habe noch
am gleichen Tage dem Landeswahlleiter den Ver-
stoß angezeigt. Die Anzeige sei jedoch u.a. wegen
der freien Interpretierbarkeit der Rechtsvorschrif-
ten der Bundeswahlordnung „abgeschmettert“ wor-
den.
Der Einspruchsführer fordert die Prüfung der Voll-
ständigkeit des § 52 BWG und gegebenenfalls eine
Änderung der Rechtsvorschriften dahin gehend, daß
entsprechende dokumentenechte Schreibstifte einge-
führt würden, durch die das Wahlgeheimnis jedes
einzelnen Wählers gewährleistet werde.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 122 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Die Verwendung von radierfähigen, nicht dokumenten-
echten Bleistiften als Schreibgerät in der Wahlzelle be-
gründet keinen Wahlfehler.
§ 50 Abs. 2 Bundeswahlordnung (BWO) bestimmt le-
diglich, daß in der Wahlzelle ein Schreibstift bereitliegen
soll. Aus dem Umstand, daß der Begriff des Schreibstif-
tes nicht näher präzisiert ist, folgt, daß jede Art von
funktionsfähigem Schreibstift zur Kennzeichnung des
Stimmzettels verwendet werden darf. Voraussetzung für
die Stimmabgabe ist lediglich, daß mittels eines Schreib-
stiftes deutlich kenntlich gemacht wird, welchem Wahl-
vorschlag die Erst- und welchem die Zweitstimme gelten
soll. Als Schreibstift gelten Bleistift, Farbstift, Kopier-
stift, Tintenstift, Kugelschreiber, Faserstift sowie Filz-
stift (vgl. Drucksachen 11/1805 vom 10. Februar 1988,
Anlagen 5 und 21 sowie 11/7209 vom 21. März 1990,
Anlage 2; WahlprGer. beim Hessischen Landtag, Staats-
anzeiger Hessen 1984, S. 1178, 1182 – dort auch zur
Fälschungsgefahr bei Benutzung von Bleistiften, die
verneint wird).
Daß nicht lediglich eine bestimmte Form des Schreibge-
rätes zulässig ist, folgt schon daraus, daß es dem Wähler
frei steht, das bereitliegende Schreibmittel zu benutzen
oder den Stimmzettel auch mit einem eigenen, mitge-
brachten Schreibgerät zu kennzeichnen. In aller Regel ist
auch die Verwendung eines eigenen Schreibwerkzeugs
ebenso wie die Einforderung eines Stiftes beim Wahl-
vorstand nicht geeignet ist, das Wahlgeheimnis zu ver-
letzen. Aus diesem Grund erscheint es abwegig, daß aus
den nicht mit den ausliegenden Stiften ausgefüllten
Stimmzetteln direkte Rückschlüsse auf den jeweiligen
Wähler gezogen werden könnten, weil man anhand des
Stimmzettels nicht erkennen kann, ob dieser mit einem

eigenen oder einem eingeforderten Stift gekennzeichnet
worden ist.
Auch die Schriftstärke (etwa kleine/,,schwache“ Kenn-
zeichen, die nach Ansicht des Einspruchsführers durch
körperliche Gebrechen eines Wählers entstehen könnten)
beeinträchtigt die Gültigkeit der Stimmabgabe grund-
sätzlich nicht; in besonderen Fällen kann hier allerdings
der Wille des Wählers zweifelhaft sein (§ 39 Abs. 1 Satz
1 Nr. 5 BWG). Dies dürfte jedoch nur in Einzelfällen
vorkommen, weil der für die Kennzeichnung des Stimm-
zettels notwendige Kraftaufwand unabhängig von der
Verwendung eines Kugelschreibers oder Bleistiftes ver-
gleichsweise sehr gering ist. Im übrigen rügt Einspruchs-
führer einen solchen Fall lediglich abstrakt und aus-
drücklich nicht konkret.
Des weiteren ist eine Fälschung der Stimmzettel im
Rahmen der Ermittlung und Feststellung des Wahler-
gebnisses im Wahlbezirk aufgrund der Zusammenset-
zung der Wahlvorstände und der Öffentlichkeit der Aus-
zählung unwahrscheinlich.
Der Einspruch ist daher als offensichtlich unbegründet
im Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123 – Drucksache 14/1560

Anlage 47

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 32/98 –
1. des Herrn Gerhard Rodenwald
Wahlvorst. Coswig Wahlbezirk IV

wohnhaft: Rosenstraße 64, 06869 Coswig
– bevollmächtigt –

2. der Frau Verena Tylsch
wohnhaft: Friederikenstraße 31, 06869 Coswig

3. der Frau Ellen Grasshof
wohnhaft: Damaschkeweg 6, 06869 Coswig

4. des Herrn Johannes Lindemann
wohnhaft: Eisenbahnstraße 19, 06869 Coswig

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
vom 27. September 1998

hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998, das am

8. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist, ha-
ben die Einspruchsführer zu 1. bis 4. die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998 an-
gefochten. Der Einspruchsführer zu 1. hat sich mit
Schreiben vom 12. Dezember 1998 als Bevollmäch-
tigter der Einspruchsführer zu 2. bis 4. benannt.
Die Einspruchsführer wenden sich mit ihrem Ein-
spruch dagegen, daß in dem Wahlbezirk IV des
Wahlkreises 288 (Wittenberg – Gräfenhainichen –
Jessen – Roßlau – Zerbst) 122 ohne amtlichen Um-
schlag abgegebene Stimmen als ungültig gewertet
worden seien. Sie halten es für demokratisch, unter
den gegebenen Umständen diese Stimmen entgegen
der Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 1 Bundeswahlge-
setz (BWG) als gültig zu werten. Falls dies nicht
möglich sei, halten es die Einspruchsführer für not-
wendig, in dem Wahlbezirk IV dieses Wahlkreises
Neuwahlen durchzuführen.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Einspruchsführer waren alle Mitglieder des
Wahlvorstandes des Wahlbezirks IV (Schützenhaus)
in dem Wahlkreis 288. Sie hatten als Wahlvorstand
am Wahltag einstimmig beschlossen, den Wählern
„zur Vereinheitlichung des Verfahrens“ keine Wahl-
umschläge auszuhändigen. Die Wahlvorsteherin be-
gründete diesen Beschluß später damit, daß die Um-
schläge zu klein gewesen seien und somit kein zügi-
ger Wahlablauf gewährleistet gewesen sei. Der

Kreiswahlleiter wurde ca. 10.15 Uhr von dem Wahl-
beauftragten der Stadt Coswig über die Vorgehens-
weise in dem Wahllokal „Schützenhaus“ informiert.
Nachdem die Wahlvorsteherin auf die Regelung des
§ 39 Abs. 1 Nr. 1 BWG (der die Ungültigkeit von
Stimmen regelt, wenn der Stimmzettel nicht in einem
amtlichen Umschlag abgegeben worden ist) hinge-
wiesen worden ist, wurden wieder amtliche Umschlä-
ge an die Wähler ausgehändigt. Bei der Stimmenaus-
zählung wurde durch eine Beauftragte des Kreis-
wahlbüros darauf geachtet, daß die ohne Umschlag
abgegebenen Stimmzettel als ungültig gewertet wer-
den.
Die Einspruchsführer sehen im nachhinein ihren Be-
schluß, die Stimmzettel ohne amtlichen Umschlag
auszuhändigen, als einen Verstoß gegen das Bundes-
wahlgesetz und die Bundeswahlordnung an, durch
den 122 Wähler von 1001 Wählern in diesem Wahl-
lokal keine gültige Stimme abgeben konnten. Sie er-
läuterten in einem weiteren Schreiben an den Wahl-
prüfungsausschuß, daß sie mit ihrem Einspruch vor
allem auf die Folgen der Verwendung von Wahlum-
schlägen hinweisen wollten, die ihrer Ansicht nach
die Wahlhandlung unnötig erschwerten, die Wahlhel-
fer über Gebühr belasteten und somit die Gewinnung
von Wahlhelfern für zukünftige Wahlen schwieriger
werden würde.
Nach der Stellungnahme des Kreiswahlleiters, der im
übrigen den Sachverhalt bestätigt, hätte sich am Wahl-
ergebnis, selbst wenn die 122 Stimmen als gültig ge-
wertet worden wären, insgesamt nichts geändert.

Drucksache 14/1560 – 124 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Nach der in der Niederschrift der 3. Sitzung des Bun-
deswahlausschusses vertretenen Ansicht des Bun-
deswahlleiters hätten in dem vorliegenden Fall die
ohne Umschlag abgegebenen Stimmen entgegen dem
Wortlaut des § 39 Abs. 1 Nr. 1 BWG nach Sinn und
Zweck der Regelung des BWG über die Ungültigkeit
von Stimmen nicht als ungültig gewertet werden dür-
fen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Die Wahl ohne die gesetzlich
vorgeschriebenen Umschläge stellt einen Wahlfehler dar,
der jedoch mangels Mandatsrelevanz nicht zum Erfolg
des Einspruchs führt.
Gemäß § 34 Abs. 1 BWG wird mit amtlichen Stimm-
zetteln in amtlichen Umschlägen gewählt. Die Benut-
zung von Wahlumschlägen, die der Gewährleistung des
Wahlgeheimnisses i.S. des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
Grundgesetz dient, ist zwar nicht zwingend erforderlich
(vgl. Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz,
6. Auflage 1998, § 34 Abs. 1 Rdnr. 1), sie empfiehlt
sich aber aus wahlpsychologischen Gründen als zusätzli-
che Sicherung für die Geheimhaltung der Stimme, insbe-
sondere wenn die Stimmzettel leicht durchsichtig sind.
Nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 Nr. 1 BWG sind die
Stimmen ungültig, wenn der Stimmzettel nicht in einem
amtlichen Umschlag abgegeben worden ist. Die Ungül-
tigkeit muß jedoch, ebenso wie die anderen formellen
Ungültigkeitsgründe in § 39 BWG, vom Wähler herbei-
geführt worden sein, indem er z.B. den Stimmzettel nicht
in den Umschlag gesteckt hat. In dem hier gerügten Fall
wurde aber der Verstoß von amtlicher Seite gesetzt, da
keine Umschläge ausgegeben worden sind. Die Ent-
scheidung über die Gültigkeit dieser Stimmen hängt vom
Einzelfall ab, wobei die Stimmen der Wähler soweit wie
möglich „aufrechtzuerhalten“ sind. Entscheidend ist, ob
der Wille des Wählers festgestellt werden kann und ob
das Wahlgeheimnis gewahrt ist (vgl. Schreiber, Kom-
mentar zum Bundeswahlgesetz, 6. Auflage 1998, § 39,
Rdnr. 4, 5).
Der Kreiswahlausschuß des Wahlkreises 288 (Witten-
berg – Gräfenhainichen – Jessen – Roßlau – Zerbst) hat
diese Stimmen als ungültig gewertet. Nach der Feststel-
lung des Bundeswahlleiters hatte dies jedoch keinen Ein-
fluß auf die Sitzverteilung im Bundestag. Obwohl für

den Wahlkreis 288 (Wittenberg – Gräfenhainichen – Jes-
sen – Roßlau – Zerbst) eine nachträgliche Berechnung
für die Stimmen der 122 Wähler, die keinen Wahlum-
schlag bekommen hatten, nicht mehr möglich war, weil
der Wahlvorstand des Wahlbezirks diese Stimmen nicht
ausgezählt, sondern von vornherein als ungültig behan-
delt hatte, kann wegen der geringen Anzahl der betroffe-
nen Stimmen ausgeschlossen werden, daß sie bei Gültig-
keit die Verteilung der Sitze im Bundestag verändert
hätten.
In dem Wahlkreis hat der Direktkandidat der SPD mit
50 352 Stimmen gewonnen, gefolgt von dem Kandidaten
der CDU mit 45 946 Stimmen und der Kandidatin der
PDS mit 26 560 Stimmen. Der Abstand des SPD-
Kandidaten zum CDU-Kandidaten beträgt somit 4 406
Stimmen und der Abstand des CDU-Kandidaten zur
PDS-Kandidatin beträgt 19 386 Stimmen. Bei den
Zweitstimmen hat die SPD 49 616 Stimmen, die CDU
39 038 Stimmen, die PDS 26 349 Stimmen, die F.D.P.
5 789 Stimmen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4 323
errungen. Der Abstand zwischen den einzelnen Parteien
ist somit auch hier deutlich größer als 122. Selbst wenn
also diese 122 Stimmen als gültig gewertet worden wä-
ren, hätten sie das Wahlergebnis des Wahlkreises nicht
geändert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets ange-
schlossen hat, können nämlich nur solche Wahlfehler ei-
nen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein
können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vorn-
herein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, [372]
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 125 – Drucksache 14/1560

Anlage 48

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 34/98 –
des Herrn Klaus Becker

wohnhaft: Asternweg 30, 04209 Leipzig
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 27. September 1998 an den Bun-

deswahlleiter, das am 14. Oktober 1998 beim Deut-
schen Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer sieht in der „namentlichen Re-
gistrierung bei der Wahlabgabe“ eine Behinderung
der freien, geheimen und uneingeschränkten Aus-
übung des Wahlrechts der Bürger. Er glaubt, daß die
Verfahrensweise des Abhakens der Namen der Wäh-
ler in den Registrierlisten mit demokratischen Ge-
pflogenheiten ebensowenig zu tun habe, wie die Ab-
gabe der Wahlbenachrichtigungen, auch wenn diese
Vorgehensweise vielleicht gesetzlich legitimiert sei.
Es kann seiner Ansicht nach nicht angehen, daß es
während oder nach der Wahl möglich ist, die Stimm-
abgabe eines bestimmten Bürgers nachzuvollziehen
oder sogar zu dokumentieren. Auch wenn die Listen
entsprechend dem Bundeswahlgesetz geheim geführt
würden, reicht das seiner Meinung nach bei einem so
wichtigen gesellschaftlichen Ereignis mit derart weit-
reichenden Auswirkungen nicht aus. Der „saubere
und sichere Wahlablauf“ ließe sich auch mit anderen
und einfacher zu handhabenden Maßnahmen sichern,
ohne das Erscheinen im Wahllokal und die Stimm-
abgabe zu registrieren.
Der Einspruchsführer will in keiner Form einen be-
merkten Regelverstoß irgendeines Wahlvorstandes
oder Helfers rügen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-

lich unbegründet, weil ein Wahlfehler anhand des vorge-
tragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden konnte.
Bevor der Wahlumschlag mit dem gekennzeichneten
Stimmzettel in die Urne geworfen wird, muß der Wähler
beim Wahlvorstand seine Wahlbenachrichtigung abge-
ben. Auf Verlangen, insbesondere wenn er diese nicht
vorlegt, hat er sich über seine Person auszuweisen (§ 56
Abs. 3 Bundeswahlordnung - BWO), z.B. durch Vorlage
des Personalausweises oder eines sonstigen amtlichen
Papiers. Diese Vorschrift ermöglicht zum einen die
Überprüfung der Wahlberechtigung des Wählers in die-
sem Wahllokal, der dort im Wählerverzeichnis ohne ei-
nen Sperrvermerk (wegen Erteilung eines Wahlscheins)
und ohne einen Stimmabgabevermerk eingetragen sein
muß. Zum anderen muß die Identität des Wählers fest-
stellbar sein, falls er seine Wahlbenachrichtigung nicht
vorlegt oder diesbezüglich Zweifel bestehen.
Der Schriftführer vermerkt gemäß § 58 BWO die
Stimmabgabe neben dem Namen des Wählers im Wäh-
lerverzeichnis in der dafür bestimmten Spalte. Aufgrund
dieses Vermerks im Wählerverzeichnis wird verhindert,
daß jemand mehrfach wählt, indem er später wieder das
Wahllokal aufsucht und nochmals seine Stimme abgibt.
Hierin liegt keine Verletzung des Wahlgeheimnisses,
weil die Kenntnis der Wahlteilnahme eines bestimmten
Wählers keine Schlüsse darüber ermöglicht, welchem
Wahlvorschlag er seine Stimme gegeben hat (vgl.
Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 6. Auf-
lage, § 34, Rdnr. 6). Die Stimmabgabe selbst erfolgt
anonym in der Wahlzelle. Der Stimmzettel wird in dem
Wahlumschlag in die Urne geworfen, dort mit anderen
vermischt und erst nach Abschluß der Wahlhandlung
wieder aus der Urne geholt. Ein Rückschluß darüber,
wer welchen Stimmzettel ausgefüllt hat, ist deshalb aus-
geschlossen. Anhand des Wählerverzeichnisses ist nach
der Wahl lediglich die Feststellung möglich, wer an der
Wahl teilgenommen bzw. nicht teilgenommen hat, was
weder gegen das Prinzip der Wahlfreiheit noch gegen
den Grundsatz der Geheimhaltung der Wahl verstößt
(vgl. Schreiber, a.a.O.). Hierfür spricht auch, daß nur
Behörden, Gerichte oder sonstige amtliche Stellen des

Drucksache 14/1560 – 126 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wahlgebietes Auskünfte aus dem Wählerverzeichnis er-
halten, sofern sie im Zusammenhang mit der Wahl erfor-
derlich sind (§ 89 Abs. 2 BWO).
Der Einspruchsführer geht deshalb fehl in der Annahme,
man könne durch das Abhaken des Namens eines Wäh-
lers in dem Wählerverzeichnis und durch die Überprü-
fung seiner Identität und Wahlberechtigung dessen
Stimmabgabe nachvollziehen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127 – Drucksache 14/1560

Anlage 49

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: Wp 41/98 –
des Herrn Heinz Röbke

wohnhaft: Leobschützer Straße 3, 27578 Bremerhaven
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 6. Oktober 1998, welches am

9. Oktober 1998 beim Deutschen Bundestag einge-
gangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag eingelegt und seine Ausführungen mit
einem weiteren Schreiben vom 10. November 1998
ergänzt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch
damit, daß in seinem Bremerhavener Wahllokal
136/01 Bredenmoorweg 277 Stimmzettel wegen
Ausgabe falscher Stimmzettel für ungültig erklärt
worden seien. Er als Betroffener fühle sich dadurch
in der Ausübung des Wahlrechts behindert, da er
nachweislich um 10.00 Uhr morgens gewählt habe,
der Fehler aber erst in der Mittagszeit entdeckt wor-
den sei. Somit liege es nahe, daß auch sein Stimm-
zettel für ungültig erklärt worden sei. Das „Recht
auf demokratische Wahlausübung“ sei dadurch für
ihn und 276 weitere Teilnehmer „verhindert“ wor-
den.
Mit Schreiben vom 3. November 1998 hat der Kreis-
wahlleiter Bremerhaven zu dem Vorbringen des
Einspruchsführers folgende Stellungnahme abgege-
ben:
Der Landeswahlleiter sei mit Schreiben vom
30. September 1998 über den Vorfall unterrichtet
worden. Diesem Bericht an den Landeswahlleiter
und der Stellungnahme des Wahlvorstehers dieses
Wahlbezirks ist zu entnehmen, daß die Stimmzettel
für den Wahlkreis 52 durch das Wahlamt Bremen
geliefert worden sind. Alle 280 gelieferten Stimm-
zettelkartons hätten die Außenbeschriftung „52“ ge-
habt. Es habe kein Zweifel bestanden, daß die
Außenbeschriftung und der Inhalt nicht überein-
stimmen würden. Tatsächlich hätten sich aber in ei-
nem Stimmzettelkarton mit der Außenbeschriftung
„52“ Stimmzettel des Wahlkreises 50 (Bremen Ost)
befunden. Als dieser Fehler aufgrund des Hinweises

eines Wählers um ca. 13:15 Uhr bemerkt worden
sei, seien im Wahlbezirk 136/01-3 bereits 277 der
für den Wahlkreis 50 geltenden Stimmzettel ausge-
geben worden. Der Wahlvorsteher des Wahlbezirks
136/01-3 habe darauf hin sofort das Wahlamt unter-
richtet, welches die sofortige Einziehung des Kar-
tons mit den falschen Stimmzetteln angeordnet
habe.
Er als Kreiswahlleiter habe veranlaßt, daß nach dem
Öffnen der Wahlurne um 18.00 Uhr am Wahltage bei
der Auszählung alle Stimmzettel des Wahlkreises 50
separiert und sowohl die Erst- als auch die Zweit-
stimmen der 277 Stimmzettel nach § 39 Abs. 1 Nr. 3
des Bundeswahlgesetzes (BWG) für ungültig erklärt
worden seien. Nach seiner Einschätzung sei durch
diesen bedauerlichen Fehler weder das Ergebnis der
Erst- noch der Zweitstimmen entscheidend mit Fol-
gewirkung verändert worden.
In der Niederschrift über die 3. Sitzung des Bundes-
wahlausschusses vom 14. Oktober 1998 ist protokol-
liert, daß in einem Wahlbezirk des Wahlkreises 52
Bremerhaven – Bremen-Nord 277 Stimmzettel eines
anderen Wahlkreises ausgegeben worden seien und
der Kreiswahlausschuß die mit diesen Stimmzetteln
abgegebenen Erst- und Zweitstimmen als ungültige
Stimmen gezählt habe.
Nach Kenntnisnahme der Stellungnahme des Kreis-
wahlleiters hat sich der Einspruchsführer dahinge-
hend geäußert, daß er sich trotzdem in seiner „demo-
kratischen Verantwortung behindert“ fühle. Zudem
könne eine Einschätzung über die Folgewirkung im
günstigsten Fall für die Bremerhavener Parteien
schon eine Veränderung in ihren „Stimmprozentbe-
reichen“ bringen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 128 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Trotz des festgestellten Wahlfehlers kann der Einspruch
mangels Einfluß auf die Sitzverteilung im Deutschen
Bundestag keinen Erfolg haben. Nach ständiger Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der
Wahlprüfungsausschuß stets angeschlossen hat, können
nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch er-
folgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung von
Einfluß sind oder hätten sein können. Infolgedessen
scheiden alle Verstöße von vornherein als unerheblich
aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berüh-
ren (seit BVerfGE 4, 370, [372] ständige Rechtspre-
chung). Selbst solche Wahlfehler, die die Ermittlung des
Wahlergebnisses betreffen, sind dann unerheblich, wenn
sie angesichts des Stimmenverhältnisses keinen Einfluß
auf die Mandatsverteilung haben können.
Die Ausgabe von 277 Stimmzetteln eines anderen Wahl-
kreises in einem Wahlbezirk des Wahlkreises 52 Bre-
merhaven-Bremen-Nord begründet einen Wahlfehler.
Die damit abgegebenen Stimmen wurden sowohl hin-
sichtlich der Erst- als auch hinsichtlich der Zweitstimme
als ungültig gewertet. In diesem Wahlkreis beträgt der
Abstand zwischen dem CDU-Kandidaten und dem SPD-
Kandidaten, der diesen Wahlkreis gewonnen hat,
38 573 Stimmen und hinsichtlich der Zweitstimmen zwi-

schen der SPD und der CDU 37 468 Stimmen. Der Ab-
stand zwischen den folgenden Parteien ist ebenfalls grö-
ßer als 277, so daß eine Wertung dieser Stimmen die
Mandatsverteilung im Bundestag nicht verändert hätte.
Die vom Einspruchsführer vermutete Veränderung des
Wahlergebnisses in diesem Wahlkreis ist deshalb ausge-
schlossen.
Dennoch ist das Vorkommnis für die betroffenen Wäh-
ler, deren Stimmen wegen des Wahlfehlers nicht gewer-
tet worden sind, unbefriedigend und gibt Anlaß für die
Wahlvorstände, bei zukünftigen Wahlen darauf zu ach-
ten, daß vor Öffnung des Wahllokals die Richtigkeit der
Stimmzettel überprüft wird.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129 – Drucksache 14/1560

Anlage 50

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 44/98 –
des Herrn Axel Südmersen

wohnhaft: Dr. Neuhäußer-Straße 26, 32545 Bad Oeynhausen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998 an den

Kreiswahlleiter des Wahlkreises Minden-Lübbecke,
welches am 16. Oktober 1998 beim Bundestag einge-
gangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundes-
tag eingelegt. Er hat seine Ausführungen mit Schrei-
ben vom 24. Oktober 1998 ergänzt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch
damit, daß am Wahltag im Wahllokal Bad Oeynhau-
sen, Charlottenplatz – wie bei allen vorangegangenen
Wahlen – wieder nur Bleistifte für die Stimmabgabe
bereitgelegen hätten. Diese seien nicht dokumenten-
echt und öffneten bei der Stimmenauszählung „Tür
und Tor“ für Manipulationen und Wahlfälschungen.
Möglicherweise sei dies auch beabsichtigt. Als er den
anwesenden Aufsichtsführenden im Wahllokal hier-
auf angesprochen habe sei dieser „noch frech“ ge-
worden, anstatt ihm – dem Einspruchsführer – die
Vorschrift zu zeigen, nach der nicht dokumentenechte
Schreibmittel zur Wahl zugelassen seien.
Auch in anderen Teilen der Stadt Bad Oeynhausen sei
es gängige Praxis, für die Stimmabgabe Bleistifte zu
verwenden. Deshalb bestünde durchaus die Möglich-
keit der Wahlfälschung durch Manipulation und da-
mit der Mandatsverschiebung in diesem Wahlkreis.
Der Einspruchsführer fordert die Wiederholung der
Wahl in dem von ihm genannten Wahllokal sowie die
Mitteilung des Namens und der Parteizugehörigkeit
des verantwortlichen Wahlvorstehers. Darüber hinaus
erwartet er vom Wahlprüfungsausschuß, die Verant-
wortlichen der Stadt Bad Oeynhausen und des Wahl-
kreises Minden-Lübbecke „unter Srafandrohung“
darüber zu informieren, daß in demokratischen Staa-
ten wie der Bundesrepublik Deutschland mit fäl-
schungssicheren Schreibmitteln gewählt werden müs-
se. Der Einspruchsführer schlägt vor, durch eine
Rundverfügung an alle Wahlkreise die Benutzung
dokumentenechter Schreibstifte vorzuzschreiben.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Die Verwendung von radierfähigen, nicht dokumenten-
echten Bleistiften als Schreibgerät in der Wahlzelle be-
gründet keinen Wahlfehler.
§ 50 Abs. 2 Bundeswahlordnung (BWO) bestimmt le-
diglich, daß in der Wahlzelle ein Schreibstift bereitliegen
soll. Aus dem Umstand, daß der Begriff des Schreibstif-
tes nicht näher präzisiert ist, folgt, daß jede Art von
funktionsfähigem Schreibstift zur Kennzeichnung des
Stimmzettels verwendet werden darf. Voraussetzung für
die Stimmabgabe ist lediglich, daß mittels eines Schreib-
stiftes deutlich kenntlich gemacht wird, welchem Wahl-
vorschlag die Erst- und welchem die Zweitstimme gelten
soll. Als Schreibstift gelten Bleistift, Farbstift, Kopier-
stift, Tintenstift, Kugelschreiber, Faserstift sowie Filz-
stift (vgl. Drucksachen 11/1805 vom 10. Februar 1988,
Anlagen 5 und 21 sowie 11/7209 vom 21. März 1990,
Anlage 2; WahlprGer. beim Hessischen Landtag, Staats-
anzeiger Hessen 1984, S. 1178, 1182 – dort auch zur
Fälschungsgefahr bei Benutzung von Bleistiften, die
verneint wird).
Daß nicht lediglich eine bestimmte Form des Schreibge-
rätes zulässig ist, folgt schon daraus, daß es dem Wähler
frei steht, das bereitliegende Schreibmittel zu benutzen
oder den Stimmzettel auch mit einem eigenen, mitge-
brachten Schreibgerät zu kennzeichnen. In aller Regel ist
auch die Verwendung eines eigenen Schreibwerkzeugs
nicht geeignet, das Wahlgeheimnis zu verletzen.

Drucksache 14/1560 – 130 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ein Wahlfehler liegt auch insofern nicht vor, als der Ein-
spruchsführer anführt, es könne durch die Verwendung
nicht dokumentenechter Bleistifte zu Wahlfälschungen
oder –manipulationen gekommen sein, die Einfluß auf
die Mandatsverteilung gehabt haben könnten. Der Ein-
spruchsführer hat hierzu keinerlei konkrete Tatsachen
vorgetragen, sondern mögliche Wahlfälschungen ledig-
lich abstrakt behauptet. Der Wahlprüfungsausschuß sieht
sich mangels hinreichend bestimmtem Anfechtungsge-
genstand an einer näheren Prüfung gehindert. Denn die
Wahlprüfung findet weder von Amts wegen statt noch
erfolgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der ge-
samten Wahl. Vielmehr erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3
WPrüfG die Wahlprüfung nur auf Einspruch, der zu be-
gründen ist. Die Begründung muß mindestens den Tat-
bestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen
lassen und genügend substantiierte Tatsachen enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30). Hinreichende konkrete Anhalts-
punkte für tatsächlich vorgekommene Wahlfälschungen
bietet der Vortrag des Einspruchsführers jedoch nicht.
Im übrigen ist eine Fälschung der Stimmzettel im Rah-
men der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnis-
ses im Wahlbezirk aufgrund der Zusammensetzung der
Wahlvorstände und der Öffentlichkeit der Auszählung
unwahrscheinlich.
Da die Verwendung von Bleistiften im Wahllokal von
§ 50 Abs. 2 BWO gedeckt ist, entbehren die Forderun-
gen des Einspruchsführers nach einer Wiederholungs-

wahl im Wahllokal Bad Oeynhausen, Charlottenplatz
sowie die Versendung eines Runderlasses an alle Wahl-
lokale jeglicher Grundlage.
Der Wahlprüfungsausschuß hat ebenfalls keine Veran-
lassung, dem Einspruchsführer Namen und Parteizuge-
hörigkeit des Wahlvorstehers in dem bezeichneten
Wahllokal mitzuteilen. Er wäre hierzu auch gar nicht be-
rechtigt. Aufgabe der Wahlprüfung ist es lediglich, die
Gültigkeit der Wahl zu prüfen und im Falle der Ungül-
tigkeit die sich hieraus ergebenden Folgen festzustellen
(§ 1 WPrüfG). Der Wahlprüfungsausschuß fungiert je-
doch nicht als „Dienstaufsichtsbehörde“ gegenüber den
eingesetzten Wahlvorständen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131 – Drucksache 14/1560

Anlage 51

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 48/98 –
des Herrn Johannes Rey

wohnhaft: Kastanienweg 4, 61440 Oberursel
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 12. Oktober 1998, das am

22. Oktober 1998 beim Deutschen Bundestag einge-
gangen ist, hat der Einspruchsführer gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag Ein-
spruch eingelegt. Er hat das Ergebnis im Wahl-
kreis 276 angefochten.
Zur Begründung trägt er vor, am Wahltag seien bis
um 8.00 Uhr, also rechtzeitig vor Beginn der Öffnung
der Wahllokale, in einem Abstand von mindestens
20 Metern vor jedem der 100 Potsdamer Wahllokale
jeweils ein Ständer mit seinem Foto und einem Hin-
weis auf seine Liste aufgestellt worden. Am 25. Sep-
tember 1998 habe er dem Kreiswahlleiter zwei Anla-
gen in 100facher Ausfertigung überreicht mit der
Bitte, diese auf die Koffer der Wahlleiter zu verteilen
und die Potsdamer Wahlleiter zu unterrichten. Aus
der Stellungnahme des Kreiswahlleiters ergibt sich,
daß es sich hierbei um den Gesetzestext des § 32
Bundeswahlgesetz (BWG) sowie die Randnum-
mer 180 aus einer nicht näher bezeichneten Veröf-
fentlichung handelte.
Als der Einspruchsführer um 9.00 Uhr mit seiner Kon-
trollfahrt begonnen habe, seien bereits vor 26 Wahl-
lokalen die Ständer unauffindbar beseitigt worden.
Drei weitere Ständer seien in eine Nebenstraße trans-
portiert worden. Als Beweis hat der Einspruchsführer
mehrere Fotos beigefügt.
Des weiteren trägt er vor, seine Rückfrage bei einigen
der zuständigen Wahlleitern habe ergeben, daß diese
zwar darüber informiert worden seien, daß in einem
Mindestabstand von 20 Metern geworben werden
dürfe, sie dies aber abgelehnt hätten.
Da diese Ständer ein unverzichtbarer Bestandteil sei-
ner Wahlkampfstrategie gewesen seien, weil er in der
Plakatierung in den Straßen fast ausschließlich mit
seinen Zielen und nicht mit einem Hinweis auf seine
Liste geworben habe, sei das Wahlergebnis stark ver-
fälscht worden.

Der Einspruchsführer bittet schließlich um die Ermitt-
lung der Parteizugehörigkeit „aller Wahlleiter in Pots-
dam“ (gemeint sind wahrscheinlich die Wahlvorsteher,
denn es gibt für jeden Wahlkreis jeweils nur einen
Kreiswahlleiter), weil er sich davon Rückschlüsse auf
mögliche Anweisungen von Parteien an diese in bezug
auf den Umgang mit seinen Wahlplakaten erhofft.
Der Kreiswahlleiter der Stadt Potsdam hat in seiner
Stellungnahme ausgeführt, der Einspruchsführer habe
in der Stadt Potsdam, die Teil des Wahlkreises 276
sei, schon im Vorfeld der Wahlen eine „aggressive“
Wahlwerbung, die zu einer Vielzahl von Beschwer-
den durch die Bevölkerung bei der Stadtverwaltung
geführt habe, vollzogen. Der Einspruchsführer habe
dem Kreiswahlleiter frühzeitig in einem Gespräch
angekündigt, daß er beabsichtige, am Wahltag vor
den Wahllokalen Wahlpropaganda zu betreiben. Dar-
auf hin sei in ein Schulungsheft, das der Wahlvorste-
her, sein Stellvertreter und der Schriftführer erhalten
hätten, der genaue Gesetzestext zur unzulässigen
Wahlpropaganda aus § 32 Abs. 1 BWG aufgenom-
men worden. Außerdem seien in Schulungen der
Wahlvorständen dazu Erläuterungen gegeben worden.
Ferner seien der Gesetzestext des § 32 BWG sowie
die Randnummer 180 aus einer nicht näher bezeich-
neten Veröffentlichung, die der Einspruchsführer dem
Kreiswahlleiter am 25. September 1998 übergeben
hatte, dem Hefter mit dem Wählerverzeichnis beige-
legt worden, so daß jeder Wahlvorstand nochmals
über die gesetzlichen Grundlagen zur unzulässigen
Wahlpropaganda informiert worden sei. In der Rand-
nummer 180 sei u. a. dargestellt worden, daß nach
Ausführungen des Wahlprüfungsausschusses des
Deutschen Bundestages je nach den Umständen des
Einzelfalles zu verfahren, jedenfalls aber ein Min-
destabstand von 20 Metern zum Zugang zum Wahl-
lokal einzuhalten sei.
Am Wahlsonntag habe es massive Beschwerden von
Wählern über die Wahlpropaganda des Einspruchs-
führers gegeben, die verdeutlicht hätten, daß in vielen
Fällen die Wahlplakate direkt an die Zugänge gestellt

Drucksache 14/1560 – 132 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

worden seien. Er als Kreiswahlleiter habe den Wahl-
vorstehern nochmals mitgeteilt, daß sie darauf zu
achten hätten, daß der Mindestabstand von 20 Metern
zum Zugang zu dem Wahllokal je nach örtlicher Ge-
gebenheit einzuhalten sei. Als Zugang sei bei einem
Gebäude, das auf einem eingezäunten Grundstück
stehe, das Gartentor zu verstehen.
Auf eine vom Kreiswahlleiter durchgeführte Befra-
gung der Wahlvorsteher der 29 vom Einspruchsführer
aufgelisteten Wahllokale haben 24 Wahlvorsteher
folgendermaßen geantwortet:

– In sechs Fällen habe der Einspruchsführer die Wahl-
ständer unmittelbar im Zugangsbereich zum Tor des
Zaunes bzw. zur Tür des Gebäudes zum Wahllokal
plaziert. Diese Wahlwerbung sei entfernt worden, da
sie gegen den § 32 Abs. 1 BWG verstoßen habe.

– In weiteren elf Fällen sei die unmittelbar im Zugangs-
bereich postierte Wahlwerbung durch den Wahlvor-
stand bzw. Beauftragte in einem Abstand von minde-
stens 20 Metern zum Zugangsbereich aufgestellt wor-
den. In einigen Fällen sei die Werbung später ohne Tä-
tigwerden der Wahlvorstände verschwunden.

– In einem der genannten Wahlbezirke sei die Wahl-
werbung ordnungsgemäß aufgestellt worden, so daß
hier für den Wahlvorstand kein Handlungsbedarf be-
standen habe.

– In weiteren sechs Wahlbezirken sei von den Wahl-
vorständen keine Wahlpropaganda vor dem Wahllo-
kal bemerkt worden.
Nach Auffassung des Kreiswahlleiters hat der Ein-
spruchsführer das Ziel verfolgt, die Wähler unmittel-
bar beim Gang in das Wahllokal in ihrer Wahlent-
scheidung zu beeinflussen, während die Wahlvor-
stände korrekt handelten, indem sie eine unzulässige
Wahlpropaganda im unmittelbaren Zugangsbereich
verhindert hätten. Eine Verfälschung des Wahlergeb-
nisses könne nicht festgestellt werden, da der Ein-
spruchsführer in der Stadt Potsdam, in der er diese
„aggressive“ Werbung betrieben habe, nur einen
Stimmenanteil von 0,83 % erreicht habe. Dagegen
habe er in den 55 Umlandgemeinden des Landkrei-
ses Potsdam-Mittelmark, die ebenfalls zum Wahl-
kreis 276 gehörten und in denen er im Vorfeld kaum
und am Wahltag seines Wissens nach keine Wahl-
werbung betrieben habe, 1,24 % der gültigen Erst-
stimmen erhalten.
Nach der Stellungnahme des Kreiswahlleiters hat die
Parteizugehörigkeit bei der Gewinnung von Wahl-
helfern einschließlich der Wahlvorsteher, die sehr
schwierig gewesen sei, absolut keine Rolle gespielt.
Die Stellungnahme wurde dem Einspruchsführer zur
Kenntnis gegeben. Er hat sich dazu jedoch nicht ge-
äußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Einspruch kann trotz festzustellender Wahlfehler
keinen Erfolg haben, weil diese für die Mandatsvertei-
lung im Bundestag nicht erheblich sind.
Die Entfernung von Werbetafeln durch die jeweiligen
Wahlhelfer oder Beauftragten, die in gebührendem Ab-
stand vor dem Zugang zu einem Wahllokal aufgestellt
worden sind, begründet einen Wahlfehler.
Sofern der Einspruchsführer seine Werbetafeln in einer
Entfernung von weniger als zehn bis zwanzig Metern
zum Zugang von mehreren Wahllokalen aufgestellt hat,
verstößt dies gegen das Verbot unzulässiger Wahlpropa-
ganda (§ 32 Abs. 1 BWG). Die Entfernung dieser Wahl-
plakate durch den Wahlvorstand begründet keinen Wahl-
fehler, weil sie der geltenden Rechtslage entspricht.
Das Verbot der Wählerbeeinflussung in § 32 Abs. 1
1. Alt. BWG dient der Gewährleistung der freien Aus-
übung der Wahl im Sinne des Artikels 38 Abs. 1
Satz 1 Grundgesetz, § 1 Abs. 1 Satz 2 BWG sowie der
Sicherung des Prinzips der Wahlgleichheit. Die Vor-
schrift untersagt am Wahltage während der Wahlzeit
nicht nur im Wahlraum und im gesamten Gebäude, in
dem sich der Wahlraum befindet, sondern auch im un-
mittelbaren Zugangsbereich zum Wahlgebäude jegliche
Art der Wahlpropaganda. Ein Rechtsverstoß liegt vor,
wenn Plakatwerbung unmittelbar am Gebäude oder ne-
ben dem Gebäude erfolgt (WahlprGer. beim Hess. LT,
Staatsanzeiger Hessen 1992, S. 1554, 1571). Dem
Grundgedanken der Vorschrift entsprechend ist Wahl-
propaganda in unmittelbarer Umgebung des Wahlgebäu-
des dann unzulässig, wenn sie nach Form und Inhalt ge-
eignet ist, die Wähler bei dem Akt der Stimmabgabe zu
beeinflussen (BVerfGE 4, 370, 373). Der Wahlprüfungs-
ausschuß hat hierzu in der 13. Wahlperiode ausdrücklich
festgestellt, daß es zwar es keine „Bannmeile“ um das
Wahllokal gibt; für den Zugangsbereich jedoch eine
generell zu beachtende „befriedete Zone“ von etwa
10 bis 20 Metern bis zum Wahllokal als nicht antastbarer
Sperrbereich für notwendig, aber auch für ausreichend
erachtet wird (vgl. Drucksache 13/2800 vom 26. Oktober
1995, Anlagen 2, 9 und 17; Drucksache 13/3035 vom
20. November 1995, Anlage 1 sowie Hess. VGH,
ESVGH Band 41, S. 126, 129).
Im übrigen ist die Wahlwerbung zulässig. Wann der
Tatbestand „unmittelbar vor dem Zugang zum Wahlge-
bäude“ erfüllt ist, hängt von den örtlichen Gegebenheiten
des Einzelfalles ab (vgl. Hess. VGH, a.a.O.). Entschei-
dend ist, daß die Wähler den Wahlraum betreten können,
ohne unmittelbar zuvor durch Propaganda behindert oder
beeinflußt zu werden. Entgegen der Auffassung des
Kreiswahlleiters der Stadt Potsdam ist als Zugang bei
einem Gebäude, welches auf einem eingezäunten Grund-
stück liegt, in der Regel nicht das Zauntor zu verstehen,
sondern nur der unmittelbare Zugang zum Gebäude. Der
Wahlprüfungsausschuß hat in seinen oben genannten
Entscheidungen zur Plazierung von Werbetafeln aus-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 133 – Drucksache 14/1560

drücklich auf die Entfernung von 10 bis 20 Metern zur
Eingangstür des Wahllokals abgestellt und diese als
Wahlfehler angesehen.
Je nach Fallgestaltung (z. B. wenn es sich um ein Schul-
grundstück handelt oder wenn nur ein ganz bestimmter
Weg von den Wahlberechtigten benutzt werden muß
– Engpaß –, um in den Wahlraum zu gelangen und sie
sich deshalb dem Einfluß der Wahlwerbung nicht entzie-
hen können, kann auch dieser Bereich des umzäunten
Grundstücks in die Verbotsregelung einbezogen sein
(vgl. Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 6.
Auflage, § 32 Abs. 1, Rdnr. 1 und Drucksache 13/2800
Anlagen 2 und 17). Ob dies im vorliegenden Fall zutraf,
ist im nachhinein nicht mehr feststellbar. Die Entfernung
der Wahlständer, die unmittelbar im Zugangsbereich
zum Tor des Zaunes aufgestellt waren, begründet nur
dann einen Wahlfehler, wenn das umzäunte Grundstück
nach den örtlichen Gegebenheiten nicht in den Verbots-
bereich für unzulässige Wahlpropaganda einbezogen
werden kann.
Im vorliegenden Fall konnte weder eindeutig festgestellt
werden, in wie vielen Fällen der Einspruchsführer seine
Wahlplakate tatsächlich im unmittelbaren Zugangsbe-
reich zum Gebäude des Wahllokals aufgestellt hatte noch
vor wie vielen Wahllokalen die ordnungsgemäß aufge-
stellten Wahlplakate unzulässiger Weise entfernt worden
sind. Darauf kommt es im Ergebnis auch nicht an, weil
der Wahleinspruch trotz der festgestellten Wahlfehler
keinen Erfolg haben kann. Nach der ständigen Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der
Wahlprüfungsausschuß stets angeschlossen hat, können
nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch er-

folgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung von
Einfluß sind oder hätten sein können. Infolgedessen
müssen alle Verstöße von vornherein als unerheblich
ausscheiden, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren (seit BverfGE 4, 370, [372] ständige
Rechtsprechung). Dies trifft im vorliegenden Fall ange-
sichts der deutlichen Stimmenabstände zwischen dem
Einspruchsführer und dem in diesem Wahlkreis gewähl-
ten Direktkandidaten zu. Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
konnten.
Im übrigen ist es nicht Aufgabe des Wahlprüfungsaus-
schusses, die Parteizugehörigkeit von Wahlvorstehern
oder Wahlhelfern zu ermitteln.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 134 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135 – Drucksache 14/1560

Anlage 52

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 58/98 –
der Frau Klaudia Regnery

wohnhaft: Kreuzburg 8, 51503 Rösrath
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998, welches am

27. Oktober 1998 beim Deutschen Bundestag einge-
gangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bun-
destag eingelegt.
Die Einspruchsführerin äußert ihr Befremden dar-
über, daß bei einer so wichtigen Angelegenheit wie
der Bundestagswahl in den Wahlkabinen auf doku-
mentenechte Stifte verzichtet werde. „Bei jeder Be-
hörde, jedem Vertrag, in der Uni, ja sogar in der
Schule“ sei es Pflicht, dokumentenechte Stifte zu be-
nutzen, ansonsten werde das Schriftstück wegen Fäl-
schungsgefahr nicht anerkannt und sei somit ungültig.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Die Verwendung von radierfähi-
gen, nicht dokumentenechten Bleistiften als Schreibgerät
in der Wahlzelle begründet keinen Wahlfehler.
§ 50 Abs. 2 Bundeswahlordnung (BWO) bestimmt ledig-
lich, daß in der Wahlzelle ein Schreibstift bereitliegen soll.
Aus dem Umstand, daß der Begriff des Schreibstiftes nicht
näher präzisiert ist, folgt, daß jede Art von funktionsfähi-
gem Schreibstift zur Kennzeichnung des Stimmzettels
verwendet werden darf. Voraussetzung für die Stimmab-
gabe ist lediglich, daß mittels eines Schreibstiftes deutlich
kenntlich gemacht wird, welchem Wahlvorschlag die Erst-
und welchem die Zweitstimme gelten soll. Als Schreibstift
gelten Bleistift, Farbstift, Kopierstift, Tintenstift, Kugel-
schreiber, Faserstift sowie Filzstift (vgl. Drucksachen
11/1805 vom 10. Februar 1988, Anlagen 5 und 21 sowie

11/7209 vom 21. März 1990, Anlage 2; WahlprGer. beim
Hessischen Landtag, Staatsanzeiger Hessen 1984, S. 1178,
1182 – dort auch zur Fälschungsgefahr bei Benutzung von
Bleistiften, die verneint wird).
Die Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs zur Verwen-
dung von dokumentenechten Schreibstiften können nicht
auf die Bundestagswahl übertragen werden. Zum einen
ist hier auf den Wortlaut des § 50 Abs. 2 BWO zu ver-
weisen. Zum anderen ist eine Fälschung der Stimmzettel
im Rahmen der Ermittlung und Feststellung des Wahler-
gebnisses im Wahlbezirk aufgrund der Zusammenset-
zung der Wahlvorstände und der Öffentlichkeit der Aus-
zählung unwahrscheinlich. Im übrigen ist die Stimmab-
gabe bei der Wahl keine dem normalen Rechtsverkehr
gleichstehende Handlung. Die Verwendung von doku-
mentenechten Schreibstiften soll der Erbringung des
Beweises dienen, daß die in dem Dokument benannte
Person auch tatsächlich selbst das betreffende Dokument
ausgefüllt hat. Es ist mithin einer konkreten Person zure-
chenbar. Dies stellt sich indes im Falle der Wahl gerade
anders dar. Hier wird im Wahllokal lediglich festgestellt,
ob der jeweilige Wahlberechtigte in das Wählerver-
zeichnis eingetragen und somit zur Stimmabgabe befugt
ist. Die dann folgende Stimmabgabe ist wegen des ver-
fassungsrechtlichen Grundsatzes der geheimen Wahl an-
onym, d.h. der Stimmzettel darf gerade nicht Rück-
schlüsse auf die ihn kennzeichnende Person ermögli-
chen. Es muß nur erkennbar sein, welchem der Wahlvor-
schläge die Erst- bzw. Zweitstimme gelten soll. Diesem
Zweck werden aber Bleistifte ebenso gerecht wie andere
Stifte, so daß es nicht darauf ankommt, ob sie doku-
mentenecht sind oder nicht.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß es dem Wähler
frei steht, das in der Wahlzelle bereitliegende Schreibmit-
tel zu benutzen. Er kann den Stimmzettel auch mit einem
eigenen, mitgebrachten Schreibgerät kennzeichnen. In al-
ler Regel ist die Verwendung eines eigenen Schreibwerk-
zeugs nicht geeignet, das Wahlgeheimnis zu verletzen.
Der Einspruch ist daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Drucksache 14/1560 – 136 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 137 – Drucksache 14/1560

Anlage 53

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 76/98 –
der Frau Martina Schindler

wohnhaft: Böckhstraße 33, 10967 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1998 hat die Ein-

spruchsführerin gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
Zur Begründung ihres Einspruchs trägt sie vor, sie sei
am Wahltag um 13.15 Uhr direkt vor dem Zugang
des Wahllokals 122 des Bezirkes Berlin-Kreuzberg
zum „Zwangsmitrauchen genötigt worden“, indem
sie Toxine des Tabakrauches habe einatmen müs-
sen. Der Tabakrauch habe sofort spürbare gesund-
heitliche Beschwerden, wie Atembeschwerden, Übel-
keit, Schwindel und Kopfschmerzen bei ihr hervorge-
rufen und somit ihr Konzentrationsvermögen stark
beeinträchtigt. Dies habe dazu geführt, daß die Ein-
spruchsführerin im Wahllokal ihre Wahlentscheidung
nicht mehr mit der gewünschten Sorgfalt habe treffen
können. Nach dem Einwerfen des Stimmzettels in
die Urne sei ihr bewußt geworden, daß sie ihre Erst-
und Zweitstimme bei längerem Nachdenken anders
verteilt hätte. Die Einspruchsführerin habe noch
am Wahltag gegen den Wahlhelfer, der sie durch
Tabakrauch geschädigt habe, eine Strafanzeige ge-
stellt.
Dem Einspruch lag ein ärtzliches Attest bei, aus
dem hervorgeht, daß die Einspruchsführerin am
Tag nach der Wahl einen Arzt aufgesucht hat. Nach
dessen Angaben hat sie über akute Luftknappheit
geklagt, die durch Zigarettenrauch im Wahllokal
hervorgerufen worden sei. Er habe eine „asth-
moide Bronchitis“ festgestellt, die er auch behandelt
habe.
Die Einspruchsführerin wurde von dem Sekretariat
des Wahlprüfungsausschusses aufgefordert, die Tat-
sachen mitzuteilen, durch die sie Vorschriften des
Wahlrechts verletzt sieht. Sie hat daraufhin auf ihren
Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung ge-
gen den rauchenden Wahlhelfer unter Hinweis auf
§ 107 StGB verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler nicht festge-
stellt werden konnte.
Der Umstand, daß die Einspruchsführerin vor dem
Wahllokal Tabakrauch eines rauchenden Wahlhelfers
einatmen mußte, ist für die Feststellung der Begründet-
heit eines Wahleinspruchs gegen die Bundestagswahl
nicht geeignet. Das Wahlprüfungsverfahren zielt darauf
ab, festzustellen, ob im konkreten Fall ein Verstoß gegen
Wahlrechtsvorschriften vorliegt. Hierzu zählen solche
Rechtsvorschriften, die die Vorbereitung, Durchführung
und Feststellung des Ergebnisses der Bundestagswahl
betreffen, insbesondere das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung. Vorschriften über das Rauchverbot
in und vor öffentlichen Gebäuden, sofern sie denn
existieren, stehen in keinerlei Zusammenhang mit der
Bundestagswahl.
Im übrigen hat die Einspruchsführerin selbst vor-
getragen, daß sie „bei längerem Nachdenken“ ihre
Stimmen anders verteilt hätte. Auch bei Beeinträch-
tigung ihres Konzentrationsvermögens durch das Ein-
atmen des Rauches vor dem Eingang zum Wahllokal
hätte sie bei der Abgabe ihrer Stimme länger nachden-
ken können. Für die Kennzeichnung des Stimmzettels
in der Wahlkabine ist keine Zeit vorgegeben, so daß
dem Wähler, sofern er nicht bereits vorher seine
Entscheidung für einen Kandidaten und eine Partei ge-
troffen hat, auch noch in der Wahlkabine genügend
Zeit zur Verfügung steht, um seine Entscheidung zu
treffen.

Drucksache 14/1560 – 138 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Des weiteren ist der Wahlprüfungsausschuß nicht für die
Aufklärung und Verfolgung von Straftaten zuständig.
Nach dem Prinzip der Gewaltenteilung obliegt diese
Aufgabe den Organen der Judikative, also der Recht-
sprechung. Durch ihre Strafanzeige gegen den rauchen-
den Wahlhelfer hat die Einspruchsführerin dieses Ver-
fahren eingeleitet. Die Entscheidung über diese Straf-
anzeige obliegt den dafür zuständigen Organen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 139 – Drucksache 14/1560

Anlage 54

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 81/98 –
der Frau Gesa Ferch

wohnhaft: Stierstraße 7, 12159 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 28. September 1998 hat die Ein-

spruchsführerin die Wahl zum 14. Deutschen Bun-
destag am 27. September 1998 angefochten. Sie be-
anstandet, daß sie im Wahllokal nicht zur Stimmab-
gabe zugelassen wurde.
Die Einspruchsführerin hatte für die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag einen Wahlschein des
Wahlkreises 255 (Berlin-Kreuzberg-Schöneberg) er-
halten. Sie führt aus, ursprünglich habe sie an der
Briefwahl teilnehmen wollen. Aufgrund terminlicher
Verschiebungen sei sie am Wahltag jedoch bereits
vor 18.00 Uhr wieder in Berlin gewesen und habe di-
rekt wählen wollen. Dabei habe sie sich an einem mit
den Wahlunterlagen übersandten Merkblatt orientiert,
nach dem die Stimmabgabe „in einem beliebigen
Wahlbezirk des auf dem Wahlschein bezeichneten
Wahlkreises“ möglich wäre.
Das nächstliegende Wahllokal sei für sie die Fried-
rich-List-Schule in der Klixsraße gewesen, das sie um
ca. 17.45 Uhr betreten habe. Dort sei ihr jedoch die
Stimmabgabe verweigert worden. In einem daraufhin
geführten Telefonat mit der stellvertretenden Leiterin
des Wahlkreises 255 sei ihr die Auskunft gegeben
worden, sie – die Einspruchsführerin – könne nicht in
der Klixstraße wählen, da sie dort nicht im Wähler-
verzeichnis eingetragen sei. Eine Stimmabgabe sei
nur in dem für sie vorgesehenen Wahllokal oder im
Rathaus möglich. Da dieses Telefonat aber bis 17.59
Uhr gedauert habe, hätte sie die genannten Orte nicht
mehr rechtzeitig erreichen können. Eine anschließen-
de Rücksprache mit der stellvertretenden Kreiswahl-
leiterin im Rathaus Schöneberg habe ebenfalls zu
keiner Lösung des Problems geführt.
Zu dem Wahleinspruch liegt eine Stellungnahme der
stellvertretenden Kreiswahlleiterin vor. Diese führt
aus, die Beschwerde der Einspruchsführerin sei be-
rechtigt. Sie – die Kreiswahlleiterin – habe eine fal-
sche Entscheidung getroffen. Als ihr dies klar gewor-

den sei, habe sie aufgrund der fortgeschrittenen Zeit
keine Korrektur mehr vornehmen können.
Die stellvertretende Kreiswahlleiterin hat sich bei
der Einspruchsführerin entschuldigt. Zugleich hat sie
darauf hingewiesen, daß bestehende Überlastungen
zu Fehlreaktionen und -entscheidungen führen kön-
nen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Wahleinspruch kann trotz
eines festzustellenden Wahlfehlers keinen Erfolg ha-
ben.
Wie die stellvertretende Kreiswahlleiterin bereits einge-
räumt hat, hätte der Einspruchsführerin die Stimmabgabe
im Wahllokal in der Klixstraße nicht verweigert werden
dürfen, da sie im Besitz eines gültigen Wahlscheins für
den Wahlkreis 255 war. § 14 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) bestimmt, daß der Inhaber eines Wahlscheins
seine Stimme auch in einem beliebigen Wahlbezirk des
Wahlkreises, in dem der Wahlschein ausgestellt ist, ab-
geben kann. Entsprechende Hinweise sind in dem Merk-
blatt enthalten, welches gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 4 der
Bundeswahlordnung (BWO) und der Anlage 12 zur
BWO den Wahlberechtigten zusammen mit den Brief-
wahlunterlagen zuzusenden ist, und auf das sich die Ein-
spruchsführerin zu Recht berufen hat.
Der Wahleinspruch kann jedoch trotz dieses Wahlfehlers
keinen Erfolg haben, da er sich nicht auf die Mandats-
verteilung im Bundestag auswirkt. Das Wahlprüfungs-

Drucksache 14/1560 – 140 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

verfahren ist ausschließlich dazu bestimmt, die richtige
Zusammensetzung des Bundestages zu gewährleisten.
Daher sind nur solche Wahlfehler beachtlich, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluß sind oder sein können.
Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vornherein als
unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren. Aber auch Wahlfehler, die die Ermittlung
des Wahlergebnisses betreffen, können einen Wahlein-
spruch dann nicht rechtfertigen, wenn sie angesichts des
Stimmenverhältnisses keinen Einfluß auf die Mandats-
verteilung haben konnten (seit BVerfGE 4, 370, 372
ständige Rechtsprechung). Letzteres ist hier der Fall. Ei-
ne Stimmabgabe der Einspruchsführerin hätte das Er-
gebnis der Bundestagswahlen nur so geringfügig verän-
dert, daß ein Einfluß auf die Mandatsverteilung ausge-
schlossen werden kann.

Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141 – Drucksache 14/1560

Anlage 55

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 27/98 –
des Herrn Axel W. Schröder

wohnhaft: Menzenberger Straße 57, 53604 Bad Honnef
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 27. September 1998 an den Stadt-

wahlleiter Bad Honnef, das am 9. Oktober 1998 beim
Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch mit
massiver Wahlbehinderung. Obwohl sein Grundstück
ca. 250 m in Richtung Innenstadt von einem Wahl-
büro entfernt liege, sei er zum Wählen in den Außen-
bezirk Selhof geschickt worden, zumal er auf hal-
bem Wege dorthin an einem weiteren Wahllokal
vorbeigekommen sei. Der Einspruchsführer sieht
darin für sich als älterem Bürger und seine behin-
derte Frau eine ernsthafte und bewußte Wahlbehinde-
rung.
Der Wahlleiter der Stadt Bad Honnef hat in seiner
Stellungnahme mitgeteilt, gemäß § 12 Bundeswahl-
gesetz (BWG) sei das Gebiet der Stadt Bad Honnef in
insgesamt 17 Wahlbezirke eingeteilt worden. Daß da-
bei auf Grund der vorgegebenen Kriterien irgendwo
eine Grenze gezogen werden müsse, liege auf der
Hand. Im Hinblick auf die Auswahl der Wahllokale
in den einzelnen Wahlbezirken sei er gehalten, bevor-
zugt öffentliche bzw. städtische Einrichtungen in An-
spruch zu nehmen, die nur in begrenzter Anzahl
zur Verfügung ständen. Der Einspruchsführer habe
auch die Möglichkeit gehabt, sein Wahlrecht in Form
der Briefwahl auszuüben oder einen der von den
Parteien angebotenen Fahrdienste in Anspruch zu
nehmen.
Die Stellungnahme des Wahlleiters Bad Honnef
wurde dem Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben.
Er hat sich dazu jedoch nicht mehr geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der

Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler nicht festge-
stellt werden konnte.
Gemäß § 2 Abs. 3 BWG wird jeder Wahlkreis für die
Stimmabgabe in Wahlbezirke eingeteilt. In Gemeinden
mit mehr als 2.500 Einwohnern werden mehrere Wahl-
bezirke gebildet, die nach den örtlichen Verhältnissen so
abgegrenzt werden sollen, daß möglichst allen Wahlbe-
rechtigten die Teilnahme an der Wahl erleichtert wird
(§ 12 Abs. 1, 2 Bundeswahlordnung – BWO). Dies kann
jedoch nicht in jedem Einzelfall eingehalten werden, so
daß es – wie im Falle des Einspruchsführers – dazu
kommen kann, daß längere Wege zu einem Wahllokal
zurückgelegt werden müssen. Offensichtlich liegt der
Wohnsitz des Einspruchsführers genau an der Grenze zu
einem anderen Wahlbezirk, dessen Wahllokal wiederum
nur 250 Meter von seiner Wohnung entfernt ist.
Der Einspruchsführer hätte jedoch anhand seiner Wahl-
benachrichtigung feststellen können, daß er in einem
weit entfernten Wahllokal wählen soll. Aufgrund dessen
hätte er einen Wahlschein beantragen können, der dazu
berechtigt, in einem beliebigen Wahlbezirk seines Wahl-
kreises seine Stimme abzugeben oder sein Wahlrecht
durch Briefwahl auszuüben (§ 14 Abs. 3 BWG). Gemäß
§ 25 Abs. 1 Nr. 3 BWO erhält ein Wahlberechtigter, der
in das Wählerverzeichnis eingetragen ist, auf Antrag
einen Wahlschein, wenn er z.B. infolge Krankheit, hohen
Alters oder eines körperlichen Gebrechens den Wahl-
raum nicht oder nur unter nicht zumutbaren Schwierig-
keiten aufsuchen kann.
Der Einspruch ist nach alledem gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Drucksache 14/1560 – 142 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143 – Drucksache 14/1560

Anlage 56

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 30/98 –
des Herrn Horst Günther

wohnhaft: Peter-Vischer-Str. 15, 90403 Nürnberg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1998 an den Wahl-

leiter des Wahlkreises 232, das am 9. Oktober 1998
beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruches trägt er vor, die
Wahlergebnisse für die Direktkandidaten und die
Zweitstimmen der Parteien von CSU und SPD seien
wegen Wählerbestechung nichtig.
Nach den Angaben des Einspruchsführers haben Mit-
glieder bzw. Parteianhänger der CSU am 26. Septem-
ber 1998 an einem mit „CSU“ gekennzeichneten
Stand Geschenke in Form von Kugelschreibern, Kar-
tenspielen und sonstigen Dingen an Passanten im
wahlfähigen Alter verteilt. Einige Tage vorher seien
am gleichen Ort von Parteimitgliedern der SPD
Rosen, Schlüsselmarken u. ä. an Passanten verteilt
worden. Nach Ansicht des Einspruchsführers erfüllen
diese Vorkommnisse den Tatbestand der Wählerbe-
stechung, weil sie kurz vor der Bundestagswahl statt-
gefunden haben.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler anhand des
vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden
konnte.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Bundeswahlgesetz (BWG)
werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in

allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer
Wahl von den wahlberechtigten Deutschen gewählt. Der
Grundsatz der Freiheit der Wahl bedeutet vor allem, daß
jeder Wahlberechtigte sein aktives Wahlrecht ohne
Zwang oder sonstige unzulässige direkte oder indirekte
Einflußnahme auf seine Willensbildung von außen, also
auch durch politische Parteien und ihre Wahlwerber,
ausüben können muß. Besondere Bedeutung hat der
Grundsatz der Wahlfreiheit im Wahlkampf, der auch die
Wahlwerbung einschließt. Die Wahlwerbung für eine
gezielte Stimmabgabe ist in einer „Massendemokratie“
wie der Bundesrepublik Deutschland für das Funktionie-
ren einer Wahl unerläßlich. Sie ist in der Regel nicht ge-
gen die Entschließungsfreiheit der Wähler gerichtet,
sondern macht diese vielmehr erst möglich (vgl. Schrei-
ber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 6. Auflage, § 1
Rdnr. 15). Nach § 32 Abs. 1 BWG ist eine Beeinflus-
sung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild
lediglich während der Wahlzeit, d. h. am Wahltag von
8.00 bis 18.00 Uhr (§ 47 Bundeswahlordnung – BWO)
ausdrücklich verboten.
Es ist jedoch durchaus üblich und entspricht der gängi-
gen Praxis, daß die politischen Parteien vor der Wahl
zum Zwecke der Wahlwerbung auf öffentlichen Plätzen
Informations- oder Werbestände errichten, an denen sie
für ihre Partei mit unterschiedlichen Mitteln werben und
hierbei auch sog. Werbegeschenke, wie Kugelschreiber,
Schlüsselanhänger, Einkaufstaschen und ähnliches, auf
denen der jeweilige Slogan oder das Logo der Partei
abgedruckt ist, verteilen. Hierdurch wird der Grundsatz
der Wahlfreiheit nicht verletzt. Die Wähler werden nicht
– wie vom Einspruchsführer behauptet – durch die An-
nahme dieser Geschenke, die regelmäßig einen geringen
Wert haben, in ihrer Stimmabgabe beeinflußt oder gar
„bestochen“, weil mit der Annahme derartiger Geschen-
ke keinerlei Verpflichtung verbunden ist, die jeweilige
Partei zu wählen. Der Einspruchsführer hat auch nicht
konkrete Fälle dargetan, in denen sich Wahlberechtigte
durch die Annahme von Werbegeschenken politischer
Parteien derart beeinflußt fühlten, daß sie diese Partei
allein wegen des Geschenkes gewählt haben. Er hat dies
lediglich abstrakt behauptet. Im übrigen kann man einem

Drucksache 14/1560 – 144 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

mündigen Staatsbürger zutrauen, daß er seine politische
Willensbildung nicht von Kugelschreibern oder anderen
Gegenständen mit Parteiaufdruck abhängig macht.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 145 – Drucksache 14/1560

Anlage 57

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 35/98 –
des Herrn Helmut Palmer

wohnhaft: Untere Hauptstraße 20, 73630 Geradstetten i.R.
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit den Schreiben vom 5. und 6. Oktober 1998 hat

der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 angefochten.
Der Einspruchsführer kandidierte bei der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag als parteiloser Bewerber im
Wahlkreis 172 (Schwäbisch Hall-Hohenlohe). Er er-
reichte 4,7 % der in diesem Wahlkreis abgegebenen
Erststimmen. In seinem Einspruch macht er geltend,
er sei gegenüber den Kandidaten der Parteien be-
nachteiligt worden, was gegen das Prinzip der
Gleichheit der Wahl verstoße.
Der Einspruchsführer beklagt zunächst, er sei bei öf-
fentlichen Podiumsdiskussionen mit anderen Wahl-
kandidaten während des Wahlkampfes nicht gehört
bzw. nicht eingeladen worden. Er beschwert sich ins-
besondere darüber, bei Veranstaltungen der evangeli-
schen Kirche nicht als Teilnehmer auf das Podium
gebeten worden zu sein. Dies stellt seiner Ansicht
nach eine besonders wesentliche Ungleichbehandlung
dar, da es sich bei der Kirche um eine von Staats- und
Steuergeldern getragene Institution handele, die alle
in Betracht kommenden Personen berücksichtigen
müsse. In diesem Zusammenhang beanstandet der
Einspruchsführer auch, von einer Veranstaltung mit
dem ehemaligen Staatsminister beim Bundeskanzler,
Bernd Schmidbauer, ausgeschlossen worden zu sein.
Diese Veranstaltung sei zunächst als öffentliche an-
gekündigt worden; als er jedoch das als Veranstal-
tungsort ausgewiesene Gasthaus betreten habe, sei
ihm gesagt worden, es finde nur eine nichtöffentliche
Zusammenkunft des Staatsministers mit dem örtli-
chen CDU-Wahlkreiskandidaten statt, von der er –
der Einspruchsführer – ausgeschlossen sei. Der Ein-
spruchsführer vertritt die Ansicht, ein Minister müsse
sich für alle Bürger dem Wahlkampf stellen und dürfe
davon niemanden ausschließen.
Ferner sei ihm von den Medien, insbesondere dem öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunk, keine Sendezeit für
Wahlwerbespots zur Verfügung gestellt worden, wäh-

rend alle Parteien darüber hätten verfügen können.
Angesichts des Eindrucks, den insbesondere Fernseh-
auftritte bei den Zuschauern hinterließen, ist dies
nach Ansicht des Einspruchsführers ein „absoluter
schwerwiegender Rechtsbruch“.
Der Einspruchsführer beanstandet weiterhin, daß
„Minister und Ministerpräsidenten“ zur Unterstüt-
zung des Wahlkampfes, auch über weite Strecken
hinweg „in riesigen Staatskarossen“, zu Wahlkampf-
veranstaltungen gefahren würden. Der Einspruchsfüh-
rer hält dies wegen der dafür eingesetzten Steuermit-
tel für rechtswidrig.
Eine Verletzung der Chancengleichheit sieht der Ein-
spruchsführer auch in den geltenden Regelungen zur
Wahlkampfkostenerstattung. Er beanstandet, „die
Parteien“ hätten „in ihrer Machtbesessenheit“ die
Hürde für die Kostenerstattung für parteilose Kandi-
daten um das 20fache höhergelegt als für Parteien,
was „wieder ein eindeutiger Rechtsbruch“ sei.
Schließlich behauptet der Einspruchsführer, von meh-
reren Politikern seines Wahlkreises aufgrund seiner
Abstammung verleumdet, diskriminiert und sogar mit
Schlägen bedroht worden zu sein, was seines Erach-
tens nach seine Wählerschaft ungünstig beeinflußt
habe und für ihn eine weitere Benachteiligung be-
deute. Andere hätten sich „ekelhaft wegsehend, un-
demokratisch und unsolidarisch verhalten“. Mit sei-
nem Schreiben vom 6. Oktober 1997 trägt der Ein-
spruchsführer in diesem Zusammenhang umfangreich
zu sogenannten „Terror-Prozessen“ vor, die angeblich
gegen ihn durchgeführt werden und wirft Staatsan-
waltschaften, Richtern, Polizisten sowie seinem
Rechtsanwalt unredliches Verhalten und Rechtsbrü-
che vor. Auch hierin sieht der Einspruchsführer Bele-
ge für einen „charakterlosen, verlogenen Wahl-
kampf“.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 146 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der vorgetragene Sachverhalt läßt
keine Wahlfehler erkennen.
Zwar ist es richtig, daß sich aus den in Artikel 38 des
Grundgesetzes (GG) mit Verfassungsrang ausgestatteten
Grundsätzen der allgemeinen und gleichen Wahl auch
der Grundsatz der Wettbewerbs- und Chancengleichheit
aller Wahlvorschlagsträger ableitet. Dies ist in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus-
drücklich anerkannt. Die Gewährleistung gleicher Chan-
cen im Wahlwettbewerb ist ein unabdingbares Element
des vom Grundgesetz gewollten freien und offenen Pro-
zesses der Meinungs- und Willensbildung des Volkes
(BVerfGE 44, 125, 145; 51, 222, 235). Der Grundsatz
der Gleichheit der Wahl bezieht sich somit auch auf das
passive Wahlrecht. Neben den Parteien untereinander
haben alle Aktivbürger, denen Artikel 38 Abs. 2 GG die
Wählbarkeit ausdrücklich garantiert, als Wahlbewerber
ein Recht auf Chancengleichheit, das eine Differenzie-
rung nur aus zwingenden Gründen zuläßt (BVerfGE 41,
399, 413; 78, 350, 358). Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers begründet jedoch keinen Verstoß gegen diese
Grundsätze.
Zunächst ist das Prinzip der Chancengleichheit nicht
durch die vom Einspruchsführer gerügte Einladungspra-
xis zu Wahlveranstaltungen verletzt. In diesem Zusam-
menhang ist zu betonen, daß zur Gewährleistung der
Chancengleichheit nur Träger öffentlicher Gewalt, ins-
besondere der (Wahl)gesetzgeber und die Wahlorgane
verpflichtet sind. Das Gebot richtet sich jedoch nicht an
Privatpersonen oder an nicht-staatliche Institutionen –
und zwar auch dann nicht, wenn sie mit öffentlichen
Mitteln unterstützt werden. Aus diesem Grund waren
auch die Veranstalter der vom Einspruchsführer gerügten
Wahlkampfveranstaltungen nicht zur Ausgewogenheit
und Neutralität im politischen Wettbewerb verpflichtet;
im Gegenteil, sie können sich auf die in den Artikeln 4
und 5 GG garantierte Meinungs-, Glaubens- und Be-
kenntnisfreiheit berufen. Dies gilt insbesondere für die
– weltanschaulich gerade nicht neutralen – Kirchen.
Allein die Tatsache, daß ihnen Steuermittel zugewendet
werden, macht sie auch nicht zu einem den Wahlorganen
vergleichbaren Träger öffentlicher Gewalt. Soweit diese
sich am politischen Meinungsbildungsprozeß beteiligen
– durch die Ausrichtung von Wahlveranstaltungen oder
auf sonstige Weise – können sie dies nach eigenem Er-
messen und aufgrund ihrer eigenen Überzeugungen tun,
ohne das staatlichen Organen obliegende Neutralitätsge-
bot beachten zu müssen. Darüber hinaus besteht auch
kein Anspruch auf Öffentlichkeit von Wahlveranstaltun-
gen. Auch wenn sich Personen, die gleichzeitig öffent-
liche Ämter bekleiden, im Wahlkampf engagieren, kön-
nen sie nach eigenem Ermessen darüber entscheiden,
inwieweit sie sich einer öffentlichen Diskussion stellen
und inwieweit sie private Gespräche führen wollen.
Der Einspruchsführer ist auch nicht dadurch rechtswidrig
benachteiligt worden, daß ihm Fernseh- und Rundfunk-
anstalten keine Sendezeit für Wahlkampfzwecke zur

Verfügung gestellt haben. Die Rundfunk- und Fernseh-
anstalten müssen zwar im Grundsatz allen politischen
Tendenzen Raum geben, damit die Vielfalt der vorhan-
denen Meinungen und Zielsetzungen zum Ausdruck
kommen kann. Die Rechtsprechung hat in diesem Be-
reich jedoch Differenzierungen aus zwingenden überge-
ordneten Gründen zugelassen. So ist für die Parteien der
Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit anerkannt,
die bei der Zuteilung von Sendezeiten Unterschiede ent-
sprechend dem politischen Gewicht der einzelnen Partei-
en erlaubt. Parteiunabhängige Bewerber haben in der
Konsequenz dieses Gedankens bei Bundestagswahlen
grundsätzlich keinen Anspruch auf Zuteilung von Sen-
dezeiten. Im Hinblick auf die Funktion der Rundfunkan-
stalten, die auf eine Ausgewogenheit des Programms
Bedacht zu nehmen und die Bedeutung des Gegenstan-
des und die Allgemeinheit des Interesses zu würdigen
haben, wäre eine Vergabepflicht auch an unabhängige
Wahlbewerber nicht mehr zu vertreten. Die Rundfunkan-
stalten können vielmehr selbst darüber entscheiden, ob
sie im Rahmen der zur Verfügung stehenden Sendezeiten
unter Beachtung des Gewichts der übrigen im Sendege-
biet zugelassenen Landeslisten und Wahlbewerber auch
einem Einzelbewerber Sendezeit zur Verfügung stellen
(vgl. dazu Schreiber, Wahlrecht, § 1 Rdnr. 23 j ff.).
Auch der Vortrag des Einspruchsführers zur Teilnahme
von Mitgliedern der Bundesregierung bzw. von Landes-
regierungen läßt die Feststellung eines Wahlfehlers nicht
zu. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts den Staatsorganen von Verfassungs
wegen versagt, sich im Hinblick auf Wahlen mit politi-
schen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren
und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen
oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die
Entscheidung des Wählers zu beeinflussen. Das Gericht
hat aber gleichzeitig betont, dies schließe nicht aus, daß
Regierungsmitglieder außerhalb ihrer amtlichen Funk-
tionen für eine Partei in den Wahlkampf eingreifen
(BVerfGE 44, 125, 141; 63, 230, 243)
Aus dem Vortrag des Einspruchsführers läßt sich jedoch
nicht entnehmen, daß Mitglieder der Bundes- oder einer
Landesregierung bzw. ihre Staatssekretäre über diese
Grenzen hinausgegangen wären, indem sie in amtlicher
Funktion Wahlwerbung betrieben hätten. Allein der
Vortrag, bestimmte Regierungsangehörige seien unter
Verwendung von Dienstkraftfahrzeugen zu Wahlveran-
staltungen angereist, vermag eine solche Annahme nicht
zu begründen. Im übrigen enthält das Vorbringen des
Einspruchsführers keinerlei Hinweise auf eine verbotene
Ausnutzung „amtlicher“ Autorität.
Der Grundsatz der Chancengleichheit wird auch nicht
durch die bestehenden Regelungen zur Wahlkampfko-
stenerstattung verletzt. Es ist zwar zutreffend, daß die
geltende Rechtslage für parteiangehörige Wahlbewerber
andere Regeln trifft als für parteilose. Die Kostenerstat-
tung für Parteien richtet sich nach § 18 des Parteienge-
setzes und setzt voraus, daß die betreffende Partei min-
destens 0,5 % der Stimmen bei den letzten Europa- oder
Bundestagswahlen bzw. mindestens 1 % der Stimmen
einer Landtagswahl erreicht hat. Wenn in einem Land
eine Liste für die betreffende Partei nicht zugelassen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 147 – Drucksache 14/1560

war, beträgt der Mindeststimmenanteil 10 % der in ei-
nem Wahl- oder Stimmkreis abgegebenen gültigen
Stimmen. Die Wahlkampfkostenerstattung für „andere
Kreiswahlvorschläge“, also für parteilose Bewerber,
richtet sich demgegenüber nach § 49b Bundeswahlgesetz
(BWG). Hier beträgt der zu erreichende Mindeststim-
menanteil 10 % der in einem Wahlkreis abgegebenen
gültigen Erststimmen.
Diese Regeln mitsamt der darin vorgenommenen Diffe-
renzierungen sind auch in Ansehung des Grundsatzes der
Chancengleichheit zulässig. Zwar haben auch parteilose
Wahlbewerber grundsätzlich einen Anspruch auf Teilha-
be an der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung. Die
Sicherung des Charakters der Wahl als eines entschei-
denden Integrationsvorgangs rechtfertigt es aber, der
Stimmenzersplitterung und Bildung von Kleinstparteien
vorzubeugen. Diesem Zweck dient nach der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur die
Fünfprozentklausel des § 6 Abs. 6 BWG; auch im Vor-
feld der Wahl kann der Gesetzgeber der Stimmenzer-
splitterung durch eine angemessene Beschränkung der
Erstattung von Wahlkampfkosten entgegentreten. Dies
dient dem legitimen Ziel sicherzustellen, daß die Be-
teiligung am Wahlkampf ernst gemeint, d. h. allein auf
den Wahlerfolg und nicht lediglich auf eine Beteiligung
an der Wahlkampfkostenerstattung gerichtet ist.
(BVerfGE 41, 399, 421, 422).
Dabei liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts in gewissen Grenzen im Ermessen des
Gesetzgebers, wie hoch er den Mindeststimmenanteil für
die Teilhabe des unabhängigen Bewerbers an der Wahl-
kampfkostenerstattung festsetzen will. Einerseits ist
zwingend geboten, dafür Sorge zu tragen, daß die Betei-
ligung am Wahlkampf ernst gemeint ist. Andererseits
wäre es mit den Grundsätzen der gleichen und freien
Wahl nicht vereinbar, den Mindeststimmenanteil so hoch
heraufzusetzen, daß der unabhängige Bewerber auch bei
einem beachtlichen Wahlerfolg leer ausginge. Unter die-
sen Umständen hat das Gericht einen Mindeststimmen-
anteil von 10 vom Hundert als „nicht unverhältnismä-
ßig“ angesehen (BVerfGE 41, 399, 424, 425).
Dies entspricht der geltenden Rechtslage in § 49b BWG.
Es entspricht auch dem Mindeststimmenanteil, den ge-
mäß § 18 BWG Wahlkreisbewerber solcher Parteien er-
reichen müssen, für die keine Landesliste zugelassen ist.
Eine unangemessene Benachteiligung gegenüber solchen
Parteien, für die Mindeststimmenanteile von 0,5 bzw.
1 % gelten, liegt schon deswegen nicht vor, weil sich

diese Größen auf die im gesamten Bundesgebiet bzw. im
Gebiet einer Landtagswahl abgegebenen Stimmen bezie-
hen, während die vom Einspruchsführer beanstandeten
10 % lediglich die wesentliche geringere Anzahl der in
dem eng begrenzten Gebiet eines Wahlkreises abgege-
benen Stimmen als Bezugsgröße haben. Im übrigen se-
hen sich der Wahlprüfungsausschuß und der Deutsche
Bundestag als Gesetzgeber auch nicht berufen, die Ver-
fassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften festzu-
stellen. Sie haben diese Kontrolle stets dem Bundesver-
fassungsgericht vorbehalten.
Ein Wahlfehler liegt schließlich auch nicht in den be-
haupteten Diskriminierungen des Einspruchsführers
durch Bewerber anderer Parteien. Das Wahlprüfungsver-
fahren hat die Wahl als solche zu überprüfen, nicht die
Verletzung subjektiver Rechte. Grundsätzlich muß jeder
Wahlbewerber im politischen Meinungskampf mit schar-
fen Äußerungen rechnen. Die Grenzen dieser politischen
Auseinandersetzung unter den Bewerbern um ein Di-
rektmandat für den Bundestag werden durch das Maß
des Persönlichkeitsschutzes gezogen, den die Rechtsord-
nung jedem Bürger bietet. Über die Wahrung dieses Per-
sönlichkeitsschutzes ist nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren, sondern von den zuständigen Gerichten zu wachen.
Ein Wahlfehler ist in diesem Zusammenhang bereits
vom Ansatz her nicht ersichtlich. Ähnliches gilt, soweit
der Einspruchsführer das Verhalten von Staatsanwalt-
schaften, Gerichten, Polizisten und sogar seines Rechts-
anwaltes beanstandet. Auch diese Personen bzw. Institu-
tionen unterliegen nicht der Kontrolle durch den Wahl-
prüfungsausschuß, da sie keine Aufgaben bei der Vorbe-
reitung und Durchführung der Wahl erfüllen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 148 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 149 – Drucksache 14/1560

Anlage 58

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 40/98 –
des Herrn Stephan Arndt

wohnhaft: Bernkasteler Str. 35, 53175 Bonn
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1998, das am

16. Oktober 1998 beim Deutschen Bundestag einge-
gangen ist, hat der Einspruchsführer die Gültigkeit
der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag angefochten.
Er hat seine Ausführungen mit Schreiben vom
21. November 1998 ergänzt.
Der Einspruchsführer beanstandet, daß der Fernseh-
sender RTL am Wahlsonntag bereits kurz vor Ablauf
der Wahlzeit Ergebnisse von Wählernachbefragungen
zum Ergebnis der Bundestagswahl gesendet hat.
Der Sender startete am 27. September 1998 bereits 30
bis 15 Sekunden vor 18.00 Uhr mit der Präsentation
seiner ersten Wahlprognose. Der Einspruchsführer
sieht darin einen Verstoß gegen § 32 Abs. 2 des Bun-
deswahlgesetzes (BWG). Diese Vorschrift verbietet
vor Ablauf der Wahlzeit die Veröffentlichung der Er-
gebnisse von Wählerbefragungen zum Inhalt der
Wahlentscheidung.
Der Einspruchsführer vertritt die Auffassung, es kön-
ne nicht ausgeschlossen werden, daß dieser Vorfall
zur Beeinflussung der Wähler und damit letztlich zu
einem Einfluß auf die Mandatsverteilung im Bun-
destag geführt habe. Die statistische Aussagekraft der
18.00 Uhr-Prognosen sei im Gegensatz zu den Pro-
gnosen nach dem Prinzip der „Wahlsonntagsfrage“
aus methodischen Gründen enorm hoch. Es sei denk-
bar, daß taktische Wähler ihren Entscheid vom Wahl-
ausgang abhängig gemacht hätten. Für eine solche
taktische Entscheidung sei keine echte Hochrechnung
notwendig; eine solche Prognose mit geringer Irr-
tumswahrscheinlichkeit reiche völlig aus.
Für die Übermittlung der Inhalte vorzeitiger Umfra-
geberichte in das Wahllokal bestehen nach Ansicht
des Einspruchsführers viele Möglichkeiten, z. B.
Rundfunkempfang mittels Ohrhörers oder auch eines
kleinen tragbaren Geräts, das Senden eines Klingel-
bzw. Vibrationscodes mittels Mobiltelefons, oder die

Übermittlung mit Handzeichen durch die Fenster des
Wahlraums.
Zu dem Wahleinspruch liegt eine Stellungnahme des
Bundeswahlleiters vor, die dem Einspruchsführer be-
kanntgegeben worden ist. Der Bundeswahlleiter führt
aus, es sei ihm am 28. September 1998 bekannt ge-
worden, daß der private Fernsehsender RTL Ergeb-
nisse von Wählernachbefragungen zum Ergebnis der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 kurz vor 18.00 Uhr gesendet hat. Auf seine
Nachfrage hätten der Chefredakteur und der Ge-
schäftsführer von RTL eingeräumt, daß die Präsenta-
tion der ersten, ausschließlich aus Meinungsumfragen
zusammengestellten Prognose aufgrund interner Ab-
läufe ca. 15 Sekunden zu früh gestartet worden sei.
Die Gesamtprognose sei jedoch erst deutlich nach
18.00 Uhr auf den Bildschirmen zu sehen gewesen.
Nach anderen Berichten habe diese Berichterstattung
allerdings bereits um 17 Uhr 59 Minuten und 30 Se-
kunden begonnen.
RTL habe sein Bedauern über den „Frühstart“ zum
Ausdruck gebracht und zugesichert, daß bei künftigen
Wahlen derartige Ablauffehler unterbleiben würden,
damit der Terimin 18.00 Uhr exakt eingehalten wer-
den könne.
Er, der Bundeswahlleiter habe nach Abwägung aller
in Betracht kommenden Umstände, insbesondere un-
ter Berücksichtigung dieser Zusage und in Ansehung
von Sinn und Zweck der Regelung des § 32 Abs. 2
BWG, die eine tatsächliche Beeinflussung der Wähler
durch vorzeitige Umfrageberichte ausschließen solle,
von der Verhängung einer Geldbuße nach § 49a
Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BWG abgesehen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 150 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch trotz
eines festzustellenden Wahlfehlers offensichtlich unbe-
gründet.
Das Verhalten des Fernsehsenders RTL begründet einen
Wahlfehler. Nach § 32 Abs. 2 BWG dürfen bei einer
Bundestagswahl Ergebnisse von Wählerbefragungen
nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlent-
scheidung vor Ablauf der Wahlzeit, d. h. vor 18.00 Uhr,
nicht veröffentlicht werden. Gemäß § 49a Abs. 1 Nr. 2
BWG handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 32 Abs. 2
BWG Ergebnisse von Wählerbefragungen nach der
Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung vor
Ablauf der Wahlzeit veröffentlicht.
Das Verbot der vorzeitigen Bekanntgabe von nach der
Stimmabgabe bei den Wählern durchgeführten Umfrage-
ergebnissen soll verhindern, daß Wahlberechtigte, die
ihre Stimme noch nicht abgegeben haben, in unzulässi-
ger Weise beeinflußt werden.
Der Einspruch kann dennoch keinen Erfolg haben, weil
der Einfluß des festgestellten Wahlfehlers auf die Man-
datsverteilung im Bundestag auszuschließen ist. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets ange-
schlossen hat, können nämlich nur solche Wahlfehler
einen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein
können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vorn-
herein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, [372]
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können.

Es kann im vorliegenden Fall mit an Sicherheit grenzen-
der Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, daß die
vorzeitige Ausstrahlung der Umfrageergebnisse Wahlbe-
rechtigte beeinflußt hat und sich damit auch auf das Er-
gebnis der Bundestagswahl ausgewirkt hat. Denn die
Ausstrahlung der ersten Prognose begann lediglich 30
bis 15 Sekunden vor 18.00 Uhr, und erst nach 18.00 Uhr
war die Gesamtprognose auf dem Bildschirm zu sehen.
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es sehr un-
wahrscheinlich, daß Wahlberechtigte im oder vor dem
Wahllokal auf die Übermittlung von Wahlprognosen
mittels Ohrhörern, Mobiltelefonen oder Handzeichen
gewartet haben, um daraufhin buchstäblich in letzter Se-
kunde ihre Stimme abzugeben, zumal sie gar nicht wis-
sen konnten, daß zufällig ein Fernsehsender seine Pro-
gnose versehentlich 15 Sekunden zu früh ausstrahlen
wird. Der Wahlprüfungsausschuß hält diese Vermutung
des Einspruchsführers für lebensfremd. Konkrete Fälle
hat der Einspruchsführer hierzu auch nicht vorgetragen
sondern lediglich abstrakt eine mögliche Wählerbeein-
flussung behauptet.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151 – Drucksache 14/1560

Anlage 59

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 46/98 –
des Herrn Hans-Peter Meyer

wohnhaft: Dhünnberg 51, 51375 Leverkusen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1998, das beim Deut-

schen Bundestag per Telefax am 5. Oktober 1998
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Wahleinspruchs trägt der Ein-
spruchsführer vor, er sei an der Ausübung seines
Wahlrechts gehindert worden. Das ihm zugewiesene
Wahllokal in der Schule Dhünnberg in Leverkusen
sei nur über eine Treppe mit mehreren Stufen zu be-
treten und somit für ihn, da er auf den Rollstuhl an-
gewiesen sei, nicht erreichbar gewesen. Er sei also,
ohne gewählt zu haben, zurückgefahren.
Zu diesem Wahleinspruch hat der zuständige Kreis-
wahlleiter wie folgt Stellung genommen:
Der Wahlvorstand in dem betreffenden Wahlraum
sei ebensowenig wie die Wahldienststelle der Stadt
Leverkusen am Wahltag über den vergeblichen Ver-
such des Einspruchsführers zur Erreichung des Wahl-
raumes unterrichtet worden. Nach seinen Ermittlun-
gen, insbesondere nach Befragung des Wahlvorste-
hers und seiner Stellvertreterin, müsse er, der Kreis-
wahlleiter, davon ausgehen, daß der Einspruchsführer
überhaupt nicht versucht habe, sich für das Betreten
des Wahlgebäudes Hilfe zu erbitten. Ebenso wie im
Falle zweier anderer schwer gehbehinderter Wahlbe-
rechtigter hätte sich sicherlich auch für ihn eine kurz-
fristige und effektive Hilfestellung organisieren las-
sen.
Es treffe zu, daß das ältere Schulgebäude, in dem
schon seit Jahrzehnten die Wahllokale für zwei
Wahlbezirke untergebracht seien, nur über eine Trep-
pe mit sechs Stufen erreichbar sei. Diese Treppe stellt
nach Auffassung des Kreiswahlleiters für ältere bzw.
leichter gehbehinderte Wahlberechtigte noch kein als
unüberwindlich zu bezeichnendes Hindernis dar. Be-
schwerden von solchen Wahlberechtigten seien bisher

gegenüber der Wahldienststelle bzw. den Wahlvor-
ständen noch nie geäußert worden.
Im Interesse der reibungslosen Vorbereitungen von
Wahlen sei die Wahldienststelle bestrebt, derart ak-
zeptierte Wahlgebäude beizubehalten, da die Wahlbe-
rechtigten in der Regel die mit der Neueinrichtung
von Wahllokalen verbundenen Wegeänderungen und
Umgewöhnungen beanstanden würden. Im fraglichen
Bereich stehe kein vom Platzangebot und von der La-
ge her vergleichbares öffentliches Gebäude mit einem
absolut ebenerdigen Zugang zur Verfügung. Auf-
grund des Beschwerdeschreibens des Einspruchsfüh-
rers seien inzwischen Maßnahmen ergriffen worden,
um den Zugang durch eine provisorische Rampe auch
für einen Rollstuhlfahrer zu verbessern.
Der Landeswahlleiter Nordrhein-Westfalen, der ge-
beten wurde mitzuteilen, ob in seinem Zuständig-
keitsbereich ähnliche Beschwerden bekanntgeworden
seien, hat wie folgt Stellung genommen:
In dem vom Innenministerium des Landes Nordrhein-
Westfalen für die Durchführung der Bundestagswahl
herausgegebenen Runderlaß vom 25. Mai 1998 (MBl.
NW. S. 616) seien die Gemeinden gebeten worden,
bei der Bestimmung der Wahllokale auch darauf zu
achten, daß immer ein Zugang für Rollstuhlfahrer
gewährleistet sei. Bei Inspektionen von Wahllokalen
am Wahltag habe er leider feststellen müssen, daß
trotz dieses Hinweises Wahllokale – insbesondere in
älteren Schulen – häufig nur über Treppenaufgänge
erreichbar gewesen seien. Die darauf angesprochenen
Wahlvorstände seien sich dessen bewußt gewesen,
hätten aber darauf aufmerksam gemacht, daß für
Rollstuhlfahrer geeignete Räumlichkeiten im Ort
nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden.
In Einzelfällen seien Rollstuhlfahrer auf die Möglich-
keit der Briefwahl hingewiesen worden.
Die Stellungnahme des Kreiswahlleiters ist dem Ein-
spruchsführer zur Kenntnis gegeben worden. Er hat
sich dazu nicht geäußert.

Drucksache 14/1560 – 152 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil anhand des vorgetragenen
Sachverhaltes kein Wahlfehler festgestellt werden kann.
Ein Wahlfehler wegen Verletzung des Grundsatzes der
allgemeinen Wahl gemäß Artikel 38 Grundgesetz bzw.
des Öffentlichkeitsgrundsatzes gemäß § 31 Bundeswahl-
gesetz (BWG) liegt nicht vor, wenn für einen Wahlbe-
zirk Wahlräume eingerichtet werden, die nur über Trep-
pen erreichbar sind. Ein Wahlraum in einem Gemeinde-
gebäude ist dann vorschriftsmäßig bestimmt, wenn zu
diesem Wahlraum jedermann freien Zutritt hat (§ 46
BWO i. V. m. § 31 BWG). Ein Anspruch auf behinder-
tengerechten Zugang zum Wahllokal besteht aber ange-
sichts der Möglichkeit der Briefwahl und der Inan-
spruchnahme einer Hilfsperson verfassungsrechtlich
nicht.
Allerdings ist zu berücksichtigen, daß der Zugang zu
einem nur über Treppen erreichbaren Wahlraum für geh-
behinderte Menschen, insbesondere solche, die im Roll-
stuhl sitzen, erschwert, wenn nicht gar ohne fremde Hilfe
unmöglich ist. Dies stellt zwar keine rechtliche Zugangs-
sperre, wohl aber ein tatsächliches Hindernis dar. Ande-
rerseits können die Wahlbehörden nur im Rahmen des
vorhandenen Angebots an öffentlichen Gebäuden mit
ausreichendem Raumangebot operieren. Auch die Bei-
behaltung von langjährig als solchen benutzen und damit
von der Bevölkerung akzeptierten Wahlgebäuden ist ein
Faktor, dem im Interesse eines reibungslosen Wahl-
ablaufs Gewicht beikommt.
Es gehört deshalb zu den Obliegenheiten der Wahlbe-
hörden, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten da-
für zu sorgen, daß die Wahllokale von behinderten Men-
schen ohne große Mühen erreicht werden können, damit

auch diese Bürger ihr Wahlrecht ohne tatsächliche Be-
hinderungen in einem zugänglichen Wahlraum ausüben
können. Dies kommt auch in dem Runderlaß des Lan-
deswahlleiters von Nordrhein-Westfalen zum Ausdruck,
in dem ausdrücklich darum gebeten wird, bei der Be-
stimmung der Wahllokale auch darauf zu achten, daß
immer ein Zugang für Rollstuhlfahrer – evtl. mittels
Rampe – gewährleistet ist. Der Wahlprüfungsausschuß
erwartet daher, daß die zuständigen Wahlbehörden künf-
tig bereits bei der Vorbereitung von Wahlen verstärkte
Aufmerksamkeit auf die Zugangsmöglichkeiten Behin-
derter zu den Wahllokalen richten und entsprechende
Vorkehrungen treffen.
So hätte sich möglicherweise auch im vorliegenden Fall
die von dem Einspruchsführer beklagte Situation ver-
meiden lassen. Wie aus der eingeholten Stellungnahme
des Kreiswahlleiters hervorgeht, wäre zumindest das
Anbringen einer provisorischen Rampe für Rollstuhlfah-
rer am Wahllokal möglich gewesen, was aber erst im
nachhinein aufgrund der Beschwerde des Einspruchsfüh-
rers erfolgte. Dies ist zu bedauern; ein förmlicher Wahl-
fehler ist angesichts der eingangs dargelegten verfas-
sungsrechtlichen Lage in diesem Versäumnis jedoch
nicht zu sehen. Bei allem Verständnis für die Frustration
des Einspruchsführers hätte dieser auch selbst um Hilfe
für das Betreten des Wahlgebäudes bitten können. In der
Stellungnahme des Kreiswahlleiters wird darauf hinge-
wiesen, daß der Wahlvorstand durchaus zu einer ent-
sprechenden Hilfestellung bereit gewesen wäre.
Der Einspruch ist nach alledem gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 153 – Drucksache 14/1560

Anlage 60

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 61/98 –
der Frau Helga Monika Schulz

wohnhaft: Am Driesenbusch 23, 47179 Duisburg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1998 an den Bun-
deswahlleiter, das am 29. Oktober 1998 beim Bun-
destag eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag Einspruch eingelegt.
Zur Begründung ihres Einspruchs trägt sie vor, sie
habe am 27. September 1998 das Wahllokal des
Wahlbezirks 931 in der Gesamtschule Duisburg-
Walsum in der Absicht der Stimmabgabe betreten. Da
sie blind sei, habe sie ihren Mann um Unterstützung
bei der Stimmabgabe gebeten. Dies sei ihr von dem
Wahlvorsteher verweigert worden. Statt dessen habe
sie ein ihr unbekannter Wahlhelfer in die Wahlzelle
begleitet und den Stimmzettel angeblich nach ihren
Vorgaben ausgefüllt. Auch eine nachfolgende Über-
prüfung des Stimmzettels durch ihren Mann sei ver-
hindert worden. Erst im nachhinein habe sie Kenntnis
von der Regelung des § 57 Bundeswahlordnung
(BWO) erhalten. Die Einspruchsführerin sieht sich
durch diesen Vorfall ganz erheblich in ihrem „Recht
der Heimlichkeit der Wahl“ behindert.
In ihrer Stellungnahme hat die Kreiswahlleiterin der
Stadt Duisburg mitgeteilt, eine Rücksprache mit dem
Wahlvorsteher des Wahlbezirks 931 habe ergeben,
daß die Angaben der Einspruchsführerin den Tatsa-
chen entsprechen. Entgegen den Bestimmungen des
§ 33 Abs. 2 Bundeswahlgesetz (BWG) und des § 57
Abs. 1 BWO sei der Wahlvorstand irrtümlicherweise
davon ausgegangen, daß die Auswahl einer Hilfsper-
son im Ermessen des Wahlvorstandes liege.
Die Entscheidung des Wahlvorstandes sei dadurch
zustande gekommen, daß die Einspruchsführerin das
Wahllokal zunächst alleine betreten habe und der
Ehemann erst kurz danach gefolgt sei. Hierdurch sei-
en beim Wahlvorstand Zweifel über den Grad der
Behinderung aufgekommen. Darüber hinaus habe der

Ehemann vor der Stimmabgabe im Wahllokal deutli-
che Aussagen über seine politischen Präferenzen ge-
macht, so daß der Wahlvorstand ihn als nicht geeignet
für die Hilfestellung bei der Stimmabgabe seiner Frau
angesehen habe. Der Wahlvorstand habe den Ein-
druck gehabt, daß bei einer Hilfestellung durch den
Ehemann das Wahlgeheimnis nicht gesichert gewesen
wäre. Da der Wahlvorsteher gemäß § 10 Abs. 3 BWG
zur unparteiischen Wahrnehmung seines Amtes und
zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, sei sicherge-
stellt, daß das Wahlgeheimnis nicht verletzt werde,
und man könne davon ausgehen, daß er den Stimm-
zettel entsprechend den Anweisungen der Einspruchs-
führerin ausgefüllt habe. Der Wahlvorsteher habe dies
bei einer Rücksprache ausdrücklich bestätigt.
Die Stellungnahme der Kreiswahlleiterin der Stadt
Duisburg wurde der Einspruchsführerin zur Kenntnis
gegeben. Sie hat mit Schreiben vom 18. Dezember
1998 den Ausführungen der Kreiswahlleiterin nach-
drücklich widersprochen und die darin vorkommen-
den Unterstellungen aufs schärfste zurückgewiesen.
Den mangelnden Kenntnissen des Wahlvorstandes
hätte durch einen kurzen Blick in die Bundeswahl-
ordnung abgeholfen werden können. Auch die Zwei-
fel über den Grad ihrer Behinderung seien durch ei-
nen kurzen Blick in ihren Behindertenausweis auszu-
räumen gewesen. Ferner sei das Wahlgeheimnis erst
durch ihre Offenbarung gegenüber dem Wahlhelfer
offen und deutlich für alle anwesenden Personen im
Wahllokal gebrochen worden. Die Einspruchsführerin
sieht in der Stellungnahme der Kreiswahlleiterin den
Versuch, durch Unterstellungen und falsche Darstel-
lungen von der eigenen Unfähigkeit abzulenken.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 154 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet, weil der vorliegende Wahlfehler keinen
Einfluß auf die Mandatsverteilung im Bundestag hat.
In der Verweigerung des Ehemannes als Hilfsperson der
blinden Einspruchsführerin liegt ein Verstoß gegen § 57
Abs. 1 BWO und damit ein Wahlfehler vor, denn entge-
gen der Auffassung des Wahlvorstandes des Wahlbe-
zirks 931 liegt die Auswahl der Hilfsperson nicht im
Ermessen des Wahlvorstandes, sondern im Ermessen des
Wählers (§ 57 Abs. 1 BWO). Der Wahlvorstand hätte
sich vor seiner Entscheidung über diese Regelung infor-
mieren können und müssen und dem Willen der Ein-
spruchsführerin, ihren Ehemann als Hilfsperson für die
Stimmabgabe einzusetzen, gemäß dieser Regelung ent-
sprechen müssen.
Auch die Argumente des Wahlvorstandes, man habe
Zweifel über den Grad der Behinderung der Einspruchs-
führerin gehabt und deren Ehemann wegen dessen politi-
scher Äußerungen vor der Stimmabgabe nicht als geeig-
nete Hilfsperson angesehen, rechtfertigen die Ablehnung
des Ehemannes als Hilfsperson nicht. Zum einen hätte
der Wahlvorstand die Zweifel über den Grad der Behin-
derung durch eine einfache Prüfung ausräumen können.
Zum anderen steht es dem Wahlvorstand nicht zu, politi-
sche Äußerungen von Wählern inhaltlich zu bewerten
und danach seine Auswahl einer Hilfsperson zu treffen.
Im übrigen hat der Wähler das Recht, vor und nach der
Wahlhandlung sein Stimmverhalten zu offenbaren. Das
Wahlgeheimnis wird hierdurch nicht verletzt. Er muß
sich nur bei der Wahlhandlung selbst an die Vorschriften
zur Sicherung des Wahlgeheimnisses halten.
Auch wenn kein Anlaß besteht, daran zu zweifeln, daß
der der Einspruchsführerin als Hilfsperson zugewiesene
Wahlvorsteher den Stimmzettel nicht entsprechend ihren
Wünschen gekennzeichnet hat, war die Einspruchsführe-

rin dennoch gezwungen, ihr Stimmverhalten einer ihr
unbekannten Person, zu der sie kein Vertrauensverhältnis
hatte, anzuvertrauen. Mit der zwangsweisen Zuweisung
dieser Hilfsperson wurde das Prinzip der Geheimhaltung
der Wahl unzulässiger Weise durchbrochen.
Der hierdurch begangene Wahlfehler führt jedoch nicht
zur Feststellung der Begründetheit des Einspruchs. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets ange-
schlossen hat, können nämlich nur solche Wahlfehler ei-
nen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein
können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vorn-
herein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, [372]
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 155 – Drucksache 14/1560

Anlage 61

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 77/98 –
des Herrn Friedrich Weber

wohnhaft: Neuenhöfer Allee 171, 50935 Köln
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 9. November 1998, welches am

11. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor, die
Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag hätten gegen
die in Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)
festgelegten Grundsätze der allgemeinen, unmittel-
baren, freien, gleichen und geheimen Wahl verstoßen.
Die Verletzung dieser Wahlgrundsätze würde die
Fortgeltung und Anwendung nationalsozialistischer
Ideologien, Vorstellungen und Rechtsanschauungen
offenbaren, was insbesondere durch Verletzungen der
Menschenrechte sowie demokratischer und rechts-
staatlicher Grundsätze belegt werden würde. Ohne
diese Verstöße wäre ein wesentlich anderes Wahl-
ergebnis zustande gekommen.
Der Einspruchsführer weist zunächst darauf hin, daß
er bereits die Wahlen zum 12. und zum 13. Deutschen
Bundestag in den Jahren 1990 und 1994 erfolglos an-
gefochten habe und äußert seine Zweifel an der Ord-
nungsmäßigkeit der diesbezüglich durchgeführten
Wahlprüfungsverfahren. Gegen beide aufgrund seiner
Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahlen zum
12. Deutschen Bundestag und zum 13. Deutschen
Bundestag gefaßten Beschlüsse des Bundestages habe
er Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein-
gelegt, die jeweils als unzulässig verworfen worden
seien. Bei der ersten Wahlprüfungsbeschwerde sei
nach Darstellung des Bundesverfassungsgerichts das
notwendige Unterschriftenquorum nicht erreicht wor-
den. Nach Ansicht des Einspruchsführers sind beide
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts falsch
gewesen, weil das Bundesverfassungsgericht sich
seiner Aufgabe entzogen habe, im ordentlichen
Wahlprüfungsverfahren „das Fortwirken national-
sozialistischer Rechtsanschauungen und Rechtsprak-
tiken zu erörtern“. Das Bundesverfassungsgericht

habe mit diesen Entscheidungen Recht und Verfas-
sung gebeugt und die „Integrität staatlichen Han-
delns“ eingeschränkt.
In weiteren Schreiben vom 12., 13. und 14. Novem-
ber 1998 führt der Einspruchsführer die Gründe für
die von ihm behauptete Verletzung der genannten
Wahlrechtsgrundsätze und anderer Bestimmungen
der Verfassung durch die gegenwärtige Praxis näher
aus:
1. Verstoß gegen den Grundsatz der allgemeinen Wahl
Es seien zahlreiche Menschen von der Wahl ausge-
schlossen worden, die in der Bundesrepublik
Deutschland lebten, heimisch geworden seien und
bleiben wollten, die aber am staatlichen Leben nicht
teilnehmen könnten. Dieser Personenkreis müßte zu-
mindest Abgeordnete ohne eigenes Stimmrecht wäh-
len können, wie das früher in Berlin möglich gewesen
sei. Der Ausschluß von „seit Jahrzehnten in
Deutschland seßhaft gewordenen ehemaligen Gästen“
vom staatlichen Leben müsse korrigiert werden.
2. Verstoß gegen den Grundsatz der unmittelbaren Wahl
Der Einspruchsführer nennt zahlreiche Gründe, die
seiner Ansicht nach die Unmittelbarkeit der Wahl
verletzen. So sei entgegen dem Wortlaut der Verfas-
sung tatsächlich die mittelbare Wahl gesetzlich gere-
gelt, was in der Vergangenheit immer wieder radika-
len Gruppen den Weg in das Parlament geebnet habe.
Der Bundestag, die Landtage der Länder und das
Bundesverfassungsgericht seien dafür verantwortlich,
daß „Instrumente der Propagandawerkstatt Hitlers
und Goebbels auch heute noch und immer wieder er-
folgreich“ eingesetzt werden könnten. Der Geist der
Verfassung werde dadurch verletzt.
Außerdem bedeute der Grundsatz der Unmittelbar-
keit, daß jede Form einer Stellvertretung ausgeschlos-
sen sei. Durch die Möglichkeit, mit der Zweitstimme
eine Landesliste zu wählen, würden die politischen
Parteien und nicht die Wähler für den Teil der auf den

Drucksache 14/1560 – 156 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Landeslisten vertretenen Kandidaten entscheiden, wer
gewählt werde. Für einen Teil der Kandidaten stehe
danach schon vor der Wahl fest, daß sie gewählt wer-
den. Die Wähler müßten deshalb auch die Entschei-
dung über die Kandidatenaufstellung treffen. Im Ver-
gleich zu der Zahl der Wahlberechtigten treffe jedoch
nur ein sehr kleiner Personenkreis die Entscheidung
über die Kandidatenaufstellung auf den Landeslisten,
was die Gefahr der „Käuflichkeit von Mandaten“ in
sich berge.
Die politischen Parteien seien nicht durch Artikel 21
Abs. 1 Satz 1 GG demokratisch legitimiert, den
Wahlberechtigten die Entscheidung über die Zusam-
mensetzung des Bundestages aus der Hand zu neh-
men, denn nach dem Wortlaut der Verfassung sei das
Volk der Souverän, der die oberste Staatsgewalt aus-
übe (Artikel 20 Abs. 2 GG). Der Wortlaut des Arti-
kels 21 Abs. 1 Satz 1 GG schließe jede Stellvertre-
tung des Wählers bei der Stimmabgabe durch die
Parteien aus, denn die Parteien könnten nur an der
politischen Willensbildung mitwirken. Wahlberech-
tigte, die keiner politischen Partei angehörten, hätten
keinerlei Einfluß auf die Zusammensetzung der Lan-
deslisten und würden dadurch zu Wählern „2. Klasse“
degradiert. Darin läge ein Verstoß gegen Artikel 1
Abs. 1, Artikel 3 Abs. 3, Artikel 20 Abs. 1 und Arti-
kel 28 Abs. 1 GG. Demgegenüber hätten diejenigen
Parteimitglieder, die die Zusammensetzung der Lan-
deslisten beeinflussen könnten, mehr als nur eine
Stimme, weshalb das Bundeswahlgesetz verletzt werde.
3. Verstoß gegen den Grundsatz der gleichen Wahl
Der Einspruchsführer meint, dieser Grundsatz werde
dadurch verletzt, daß der Zählwert der Stimmen der
Wähler nicht gleich gewesen sei, weil eine sachlich
nicht gerechtfertigte erhebliche Differenzierung des
Gewichts der Wählerstimmen erfolgt sei. Diese von
ihm behauptete Differenzierung sei darin begründet,
daß die Einteilung des Gebietes der Bundesrepublik
Deutschland in Wahlkreise nach der Bevölkerungs-
zahl und nicht nach der Zahl der wahlberechtigten
Bürger erfolge. Volk im Sinne des Artikels 20 Abs. 2
GG seien aber die wahlberechtigten Bürger, die dem
Deutschen Bundestag die Staatsgewalt übertragen.
Sie würden jedoch nur einen Teil der Bevölkerung
bilden.
Die nach Ansicht des Einspruchsführers dadurch ent-
standene Ungleichheit des Zählwerts der abgege-
benen Stimmen stützt dieser auf Zahlen, die er der
Veröffentlichung des Bundeswahlleiters „Endgültige
Ergebnisse nach Wahlkreisen“ (Fachserie 1, Heft 3)
entnommen hat. Ausgehend von 60 762 751 wahl-
berechtigten Bürgern ergebe sich für jeden der
328 Wahlkreise im Durchschnitt eine Größe von
185 252 Wahlberechtigten. Der Einspruchsführer hat
in einer Tabelle anhand der tatsächlich Wahlberech-
tigten der jeweiligen Wahlkreise die Differenz zu
dem oben angegebenen Durchschnitt der Wahlbe-
rechtigten eines Wahlkreises in absoluter Zahl und in
Prozent errechnet und gegenübergestellt. Daraus er-
gäben sich Abweichungen von 20 % bis 31,7 % zu
der Durchschnittsgröße der Wahlberechtigten, wobei

Nordrhein-Westfalen die meisten und größten Ab-
weichungen in beiden Richtungen aufweise, die sich
im wesentlichen auf das Ruhrgebiet konzentrieren
würden. Die Abweichungen der Wahlkreise vom
Durchschnittswert der Wahlberechtigten hat nach An-
sicht des Einspruchsführers Auswirkungen auf den
Zählwert der Stimmen, was er an den Wahlkreisen
Wuppertal II und Bielefeld demonstriert. Offensicht-
lich führt der Einspruchsführer die Abweichungen im
Wahlergebnis (SPD in Wuppertal II 53,1 % und in
Bielefeld 50,2 %; CDU in Wuppertal II 33,0 % und in
Bielefeld 37,0 %) auf die Differenz der in diesen
Wahlkreisen abgegebenen Stimmen von 117 035 zu-
rück.
Der Einspruchsführer rügt deshalb die Ermittlung der
Wahlkreisgrößen in Nordrhein-Westfalen, die grob
willkürlich und fehlerhaft durchgeführt worden sei,
weshalb das Wahlergebnis entscheidend verfälscht
worden sei.
Die Chancengleichheit werde aber auch durch Presse
und Rundfunk sowie durch die im Bundestag vertre-
tenen Parteien verletzt. So würden nicht alle zur Bun-
destagswahl zugelassenen Parteien und Bewerber an
der Auftragsvergabe für Meinungsforschungen an
Forschungsinstitute mitwirken, ebenso wie auch nicht
allen die Ergebnisse der Umfragen zur Verfügung
stünden. Sie würden deshalb gegenüber ihren Mitbe-
werbern erheblich benachteiligt, vor allem wenn die
Forschungseinrichtungen vom Staat finanziert wer-
den. Darüber hinaus suggeriere die Art der Veröf-
fentlichung der Umfrageergebnisse, daß nur die im
Bundestag vertretenen Parteien zur Bundestagswahl
zugelassen seien, weil die übrigen Mitbewerber nicht
erwähnt würden, was zu erheblichen Ungleichbe-
handlungen führe. Des weiteren bestehe eine Un-
gleichbehandlung auch darin, daß staatliche und poli-
tische Kräfte „erdrückend überproportional“ in den
Aufsichts- und Kontrollgremien der Rundfunkanstal-
ten vertreten seien, wo sie ihren Einfluß besonders
geltend machen könnten.
4. Verstoß gegen den Grundsatz der freien Wahl
Der Einspruchsführer vertritt die Ansicht, der Grund-
satz der freien Wahl bedeute nicht nur, frei von äuße-
ren und inneren Zwängen eine Auswahl treffen zu
können, sondern auch, sich frei und ohne Zensur aus
den allgemein zugänglichen Quellen informieren zu
können (Informationsfreiheit), denn nur der infor-
mierte Bürger könne seine Wahl frei treffen. Das
Grundrecht auf Informationsfreiheit könne nur ge-
währleistet werden, wenn Presse- und Meinungsfrei-
heit gewährleistet seien. Bei der Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag seien ebenso wie bei den Land-
tagswahlen in Nordrhein-Westfalen die Grundsätze
der freien und gleichen Wahl dadurch verletzt wor-
den, daß „die staatlichen und politischen Kräfte der
Bundesrepublik Deutschland äußeren und inneren
Zwang ... anwenden, die Presse- und Meinungsfrei-
heit einschränken und Zensur ausüben“.
Ferner seien die Grundsätze der freien, gleichen und
geheimen Wahl bereits durch die in seiner Klage

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157 – Drucksache 14/1560

gegen den Deutschen Bundestag vom 11. August
1993 genannten Vorkommnisse verletzt worden.
Der Einspruchsführer stützt deshalb seine weiteren
Ausführungen auf diese Klage und bittet darum,
diese Unterlagen vom Justitiariat des Bundestages
beizuziehen. Seiner Ansicht nach dauern die in der
damaligen Klageschrift geschilderten Verletzungen
der Informationsfreiheit, der Freiheit der Bericht-
erstattung, der Meinungsfreiheit und des Gleich-
heitssatzes an, weshalb er diese Tatsachen zum Ge-
genstand seines Einspruchs mache. Der weitere
Vortrag bezieht sich zum einen auf die angebliche
Übernahme von überzeugten Nationalsozialisten in
den Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen.
So seien z. B. alle mit der Aufklärung nationalso-
zialistischen Unrechts beauftragte Oberstaatsanwälte
der Staatsanwaltschaft Dortmund ehemalige Mit-
glieder der NSDAP gewesen.
Der Einspruchsführer behauptet insbesondere, Belege
dafür zu haben, daß wegen der von ihm bereits 1990
gerügten Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze mit-
tels der Anwendung von „nationalsozialistischen
Praktiken und Ideologien“ Vergeltung gegen ihn ge-
übt worden sei. Er führt u. a. folgende Beispiele an:
„Vollstreckungshandlungen ohne Vollstreckungstitel
und die Anwendung der Sippenhaft“. Genau diese
Vorkommnisse würden den Grundsatz der freien
Wahl verletzen.
Zum anderen rügt der Einspruchsführer die in einigen
Kommentaren des Grundgesetzes enthaltene These,
daß Grundrechte Abwehrrechte gegen den Staat
seien. Seiner Ansicht nach sind Grundrechte keine
Abwehrrechte, sondern Rechte, die sich aus der Stel-
lung des Bürgers als Souverän ergäben.
Er habe immer wieder erfolglos versucht, durch eine
Verfassungsbeschwerde ein Mindestmaß an richter-
licher Integrität beim Bundesverfassungsgericht zu
erreichen.
Wegen des weiteren Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Akteninhalt verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Wahlfehler ergeben sich aus dem Vortrag des Ein-
spruchsführers nicht. Wahlfehler liegen nur vor, wenn
Verstöße gegen Vorschriften zur Vorbereitung, Durch-
führung oder Stimmenauszählung bei Wahlen zum Deut-
schen Bundestag mit konkreten Nachweisen dargelegt
werden.

Die Wahlkreiseinteilung in Nordrhein-Westfalen läßt
einen Wahlfehler nicht erkennen. Wie der Einspruchs-
führer selbst vorträgt, darf gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 des
für die Wahlen zum 14. Deutschen Bundestages gelten-
den Bundeswahlgesetzes (BWG) die Bevölkerungszahl
eines Wahlkreises von der durchschnittlichen Bevölke-
rungszahl der Wahlkreise nicht mehr als 331/3 v. H. ab-weichen. Die vom Einspruchsführer aufgezählten Wahl-
kreise Nordrhein-Westfalens liegen jeweils in dem vom
Bundeswahlgesetz für die Wahlen zum 14. Deutschen
Bundestag tolerierten Grenzen.
Ein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften liegt auch
nicht in dem vom Einspruchsführer beklagten Umstand,
daß dem einzelnen Bürger nicht genügend Einfluß auf
die Auswahl der Abgeordneten eingeräumt sei, weil er
nur Parteilisten wählen könne. Die vom Bundeswahlge-
setz vorgeschriebene Listenwahl nach dem System der
„starren“ Liste ist indes verfassungskonform, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt hat (vgl. z. B.
BVerfGE 7, 63; ständige Rechtsprechnung). Einflußlos
ist ein Bürger indes bei der Aufstellung der Parteilisten
dann nicht, wenn er sich in einer Partei engagiert. Außer-
dem kann auch ein parteiloser Bürger für den Bundestag
kandidieren (vgl. § 20 Abs. 3 BWG).
Soweit der Einspruchsführer allgemeine Erwägungen zur
Verletzung von Wahlrechtsgrundsätzen oder zur Infor-
mationsfreiheit der Wähler vorträgt, hat er einen Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften nicht genügend substan-
ziert vorgetragen. Die von § 2 Abs. 3 WPrüfG vorge-
schriebene schriftliche Begründung eines Wahleinspru-
ches muß zumindest den Tatbestand, auf den die An-
fechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend
substantierte Tatsachen enthalten, die einen Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften darlegen könnten. Die Viel-
zahl der Schreiben des Einspruchsführers läßt zwar er-
kennen, daß der Einspruchsführer aus den vom Grundge-
setz vorgegebenen Wahlrechtsgrundsätzen Vorstellungen
ableitet, die für seine Auslegung des Wahlrechts ein an-
deres Wahlergebnis nahelegen. Es fehlt aber die Benen-
nung solcher Tatsachen, die darlegen könnten, welcher
wahlfehlerhafte Tatbestand die Wahlen zum 14. Deut-
schen Bundestag nicht unmittelbar, nicht frei, nicht
gleich und nicht geheim hätten werden lassen. Seine
Verweise auf historische Zusammenhänge und Angele-
genheiten, die außerhalb von Wahlen ihren Ursprung
haben und den Einspruchsführer im Verhältnis zu Be-
hörden und Gerichten belasten, eignen sich für den Beleg
eines Wahlfehlers nicht. Im Wahlprüfungsverfahren sind
nur solche tatsächlichen Angaben hinreichend, aus denen
konkrete Anhaltspunkte für Verstöße gegen Wahlrechts-
vorschriften abgeleitet werden können.
Der Einspruchsführer stützt seinen Einspruch im übrigen
auf verfassungsrechtliche Vorbehalte gegen die gelten-
den Regelungen des Bundeswahlgesetzes, insbesondere
gegen das in § 7 i.V.m. § 6 Abs. 4 und 5 des Bundes-
wahlgesetzes festgelegte Verfahren zur Berechnung der
Ergebnisse der Wahl nach Landeslisten. Hieraus läßt
sich jedoch kein Wahlfehler ableiten, der seinem Ein-
spruch zum Erfolg verhelfen könnte. Denn die Sitzver-
teilung im 14. Deutschen Bundestag beruht auf gültigen
Wahlrechtsvorschriften, die mit den vom Einspruchsfüh-

Drucksache 14/1560 – 158 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

rer angeführten Wahlrechtsgrundsätzen in Einklang ste-
hen und die auch korrekt angewendet wurden. Der
Wahlprüfungsausschuß und der Deutsche Bundestag ha-
ben es im übrigen stets abgelehnt, im Wahlprüfungsver-
fahren die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvor-
schriften festzustellen. Sie haben diese Kontrolle dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 159 – Drucksache 14/1560

Anlage 62

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 83/98 –
des Herrn Tobias Fleck

wohnhaft: Grülingstraße 40, 66113 Saarbrücken
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 9. November 1998, welches am

13. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt der Ein-
spruchsführer vor, der Staat habe ihm am ganzen
Körper, vor allem an den Sinnesorganen technische
Mittel implantiert, die über elektro-magnetische
Wellen ansteuerbar seien. Durch diese technischen
Mittel entnehme der Staat zum einen Daten aus seiner
Privatsphäre, zum anderen wirke er aber auch durch
„Elektroschocks, Stiche in den Körper und die inne-
ren Organe, Verzerrung der Muskulatur, Störung des
Blutkreislaufes und der Atemwege, Manipulation der
Körperfunktionen und viele Grausamkeiten mehr“ auf
seinen Körper ein. Dadurch würden außerdem seine
geistigen Fähigkeiten, wie z. B. die Konzentrations-
fähigkeit, empfindlich gestört. Durch diese Manipu-
lationen versuche der Staat gezielt, seine demokra-
tische Grundhaltung in eine totalitäre umzuwandeln.
Dieser grausame Prozeß, dem er seit längerer Zeit
unterworfen sei, diene dazu, ihn zu einem Leben ohne
Grundrechte zu zwingen.
Der Einspruchsführer gibt an, er habe mit Schreiben
vom 14. April 1998 den Bundeswahlleiter auf die
Maßnahmen des Staates, die die Wahlrechtsgrund-
sätze verletzen würden, aufmerksam gemacht, jedoch
keine Antwort erhalten.
Im folgenden erläutert der Einspruchsführer zunächst
anhand des Artikels 20 Abs. 1 und 2 des Grundgeset-
zes (GG) einige Grundsätze des Rechtsstaates und der
staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland
um zu beschreiben, was passieren würde, wenn der
Staat (der Einspruchsführer meint mit dem Begriff
Staat die Exekutive) seine durch das Grundgesetz und
die Rechtsordnung eingeräumten Kompetenzen über-
schreiten würde, indem er die Freiheitssphäre der

Bürger einschränke. Durch die Vielzahl von Behör-
den könne der Staat nur schwer kontrolliert werden
und stelle deshalb immer eine Gefahr für die Bürger
dar. Durchbreche die Exekutive das Prinzip der Ge-
waltenteilung, insbesondere um ihre eigene Kontrolle
zu verhindern, gebe es kein Halten mehr. Dies könne
soweit gehen, daß der Staat die Lebensgrundlage der
Bürger zerstöre. Die Menschen würden dann nur
noch der „Daseinsvorsorge des Staates und seiner Be-
amten“ dienen.
Seine weiteren umfangreichen Ausführungen erstrek-
ken sich auf den Schutzbereich des „Grundrechtes auf
freie Meinungsbildung“ sowie auf den Inhalt der
Grundsätze der freien und geheimen Wahl und deren
Bedeutung, wobei der Einspruchsführer zur Unter-
mauerung seiner Ansichten zahlreiche Fundstellen aus
der juristischen Literatur und der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes angibt. Demnach müsse
der Bürger, nachdem er sich vor der Wahl seine Mei-
nung frei gebildet habe, seine Stimme frei und ohne
Zwang abgeben können und müsse niemandem offen-
baren, wem er seine Stimme gegeben habe. Es sei
jedoch denkbar, daß ein totalitärer Staat die Demokra-
tie nur benutze, um den Bürger besser kontrollieren
und seine politische Gesinnung herausfinden zu kön-
nen. Durch die „Einwirkung der staatlichen totalitären
Technik“ auf den Körper des Bürgers werde dieser ge-
hindert, sich „körperlich zu Informationsquellen zu
bewegen“ und die Information könne manipuliert wer-
den. Der Staat könne sogar jede Wahlkundgebung
überwachen und die Kandidatenaufstellung manipulie-
ren. Die „Einwirkung der staatlichen totalitären Tech-
nik“, die ein staatliches Machtmittel sei, könne
schließlich soweit führen, daß die manipulierte Bevöl-
kerungsgruppe vollständig versklavt werde, bis ihre
Daseinsberechtigung nur noch der Dienst am Staat sei.
Ein freiheitlicher demokratischer Staat, der den Inter-
essen aller Bürger diene, sei deshalb zur Einhaltung der
Grundfreiheiten und Wahlgrundsätze verpflichtet.
Im seinem konkreten Fall habe der Staat durch Folter
Daten aus seiner Privatsphäre entnommen, um seine

Drucksache 14/1560 – 160 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

politische antitotalitäre Grundhaltung zu brechen.
Ihm – dem Einspruchsführer – sei es deshalb unmög-
lich gewesen, sich frei über die Kandidaten und Par-
teien zu informieren und sich ein objektives Bild zu
machen. Selbst in der Wahlkabine habe der Staat
durch seine totalitäre Technik versucht, bei der Ver-
teilung der Erst- und Zweitstimme seine Konzentra-
tionsfähigkeit zu stören. Dabei habe der Staat die
Daten seiner Stimmabgabe entnommen und wahr-
scheinlich an Dritte weitergegeben. Von diesen Per-
sonen habe er jetzt, sofern sie seine Stimmabgabe
mißbilligen, Nachteile zu erwarten. Die Grundsätze
der freien und geheimen Wahl seien dadurch vom
Staat gebrochen worden, weshalb er diesen Einspruch
eingelegt habe. Die Bundestagswahl sollte nach An-
sicht des Einspruchsführers ohne die staatliche tota-
litäre Technik stattfinden.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Ein-
spruchsführers wird auf den Akteninhalt verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Einspruchsführer hat keine Tatsachen vorgetragen,
die einen Wahlfehler begründen. Wahlfehler, die in er-
ster Linie den amtlichen Wahlorganen unterlaufen kön-
nen, liegen vor, wenn die rechtlichen Regelungen über
die Vorbereitung und Durchführung der Wahl nicht ein-
gehalten worden sind. Die Ausführungen des Ein-
spruchsführers, soweit sie die Manipulation seines Kör-
pers und Geistes durch den Einsatz „staatlicher totalitärer
Technik“ im Vorfeld der Bundestagswahl sowie bei der
Stimmabgabe“ betreffen, sind lediglich Behauptungen,
die mit den Maßstäben des Wahlrechts nicht überprüft
werden können. Die weiteren Ausführungen des Ein-

spruchsführers über die Gefahr eines totalitären Staates
sind rein theoretischer Natur und ebenfalls nicht geeig-
net, einen Wahlfehler zu begründen.
Der Wahlprüfungsausschuß sieht sich mangels hin-
reichend bestimmtem Anfechtungsgegenstand an einer
näheren Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung findet
weder von Amts wegen statt noch erfolgt sie stets in Ge-
stalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr
erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung
nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung
muß mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substan-
tiierte Tatsachen enthalten (BVerfGE 40, 11, [30]). Ihr
Umfang richtet sich also nach dem Einspruch, durch den
der Einspruchsführer den Anfechtungsgegenstand be-
stimmt. Der Prüfungsgegenstand ist nach dem erklärten,
verständig zu würdigenden Willen des Einspruchsführers
unter Berücksichtigung des gesamten Einspruchsvor-
bringens sinngemäß abzugrenzen. Aus der Begrün-
dungspflicht folgt, daß diese Abgrenzung auch danach
vorzunehmen ist, wieweit der Einspruchsführer seinen
Einspruch substantiiert hat. Nur im Rahmen des so be-
stimmten Anfechtungsgegenstandes haben die Wahlprü-
fungsorgane dann den Tatbestand, auf den die Anfech-
tung gestützt wird, von Amts wegen zu erforschen und
alle auftauchenden rechtserheblichen Tatsachen zu be-
rücksichtigen (BVerfGE 40, 11 [30]).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 161 – Drucksache 14/1560

Anlage 63

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 12/98 –
der Frau Ulrike Dutschke

wohnhaft: Stensholm/Vederhult , 57793 Hultsfred / Schweden
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 25. September 1998, welches

beim Bundestag am 5. Oktober 1998 eingegangen ist,
hat die Einspruchsführerin gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Die als Deutsche in Schweden lebende Einspruchs-
führerin begründet ihren Einspruch damit, sie habe
den „Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis
für im Ausland lebende Deutsche“ ordungsgemäß
ausgefüllt und am 24. Juni 1998 an das Wahlamt der
Stadt Dortmund zurückgesandt. Da in den folgenden
Wochen keine Wahlunterlagen eingetroffen seien,
habe sie ab Mitte August telefonisch versucht, diese
Unterlagen über das Generalkonsulat in Stockholm
sowie das Wahlamt in Dortmund zu bekommen, was
ihr nicht gelungen sei. Dafür habe sie am 7. Sep-
tember 1998 von dem Wahlamtsleiter in Dortmund
erfahren, daß ihr Antrag nicht eingegangen und sie
somit von der Wahl ausgeschlossen sei. Da ihr die er-
neute Zusendung einer Ablichtung ihres Antrags auf
Eintragung in das Wählerverzeichnis nicht erlaubt
worden sei, um doch noch in selbiges aufgenommen
zu werden, fechte sie die Bundestagswahl an.
Das Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Dort-
mund hat in seiner Stellungnahme zu dem Einspruch
erklärt, es seien im Rahmen der Durchführung der
Bundestagswahl in Dortmund ca. 73 000 Briefwahl-
anträge, darunter ca. 250 Anträge von sog. Auslands-
deutschen, bearbeitet worden. Der Bearbeitungspro-
zeß sei so organisiert gewesen, daß sämtliche Ein-
gänge termingerecht bearbeitet worden seien, wobei
Einzelfälle – wie der der Einspruchsführerin – nach-
träglich nicht aufgeklärt werden könnten, wenn keine
Unterlagen vorlägen. Es müsse davon ausgegangen
werden, daß die Unterlagen in diesem Fall gar nicht
eingegangen seien. Das von der Einspruchsführerin
erwähnte Telefonat vom 7. September 1998 könne
inhaltlich bestätigt werden. Insbesondere sei der Ein-
spruchsführerin dabei mitgeteilt worden, daß sie we-

gen Fristverstreichung nicht mehr in das Wählerver-
zeichnis aufgenommen werden könne.
Zu der ihr bekanntgegebenen Stellungnahme hat die
Einspruchsführerin ausgeführt, in dem Informations-
blatt des Bundeswahlleiters sei darauf verwiesen
worden, sich bei den jeweiligen Botschaften zu mel-
den, falls die Wahlunterlagen nicht eingehen. Von
dem Generalkonsulat in Stockholm habe sie jedoch
kaum Hilfe erhalten. Man habe ihr lediglich geraten,
auf die Unterlagen zu warten. Sie möchte deshalb für
die Zukunft darauf hinweisen, die Botschaften und
Konsulate diesbezüglich besser aufzuklären.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil der festgestellte Wahlfehler
mangels Mandatsrelevanz dem Einspruch nicht zum Er-
folg verhelfen kann.
Anhand des vorgetragenen Sachverhaltes konnte nicht
festgestellt werden, ob der von der Einspruchsführerin
rechtzeitig abgesandte Antrag auf Eintragung in das
Wählerverzeichnis auf dem Postweg oder beim Wahlamt
der Stadt Dortmund verlorengegangen ist. Da nach der
Stellungnahme des Kreiswahlleiters beim Wahlamt der
Stadt Dortmund keine Unterlagen der Einspruchsführe-
rin vorgelegen haben, liegt die Vermutung nahe, daß
diese auch nicht eingegangen sind. Sollte der Antrag je-
doch eingegangen und aus irgend einem Grund nicht
ordnungsgemäß bearbeitet worden sein, läge ein Wahl-
fehler vor.
Ein Wahlfehler liegt jedoch in der unterlassenen Infor-
mation der Einspruchsführerin über die Möglichkeit der

Drucksache 14/1560 – 162 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beantragung eines Wahlscheins bei versäumter Antrags-
frist gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 1 Bundeswahlordnung
(BWO) begründet. Die Einspruchsführerin wurde da-
durch um die Möglichkeit der Teilnahme an der Bun-
destagswahl durch Briefwahl gebracht.
Dieser Wahlfehler kann aber ebenso wie der eventuell
außerdem vorgekommene Wahlfehler dem Wahlein-
spruch nicht zum Erfolg verhelfen, weil ein Einfluß auf
die Mandatsverteilung im Bundestag angesichts der
deutlichen Stimmenabstände zwischen den einzelnen
Wahlbewerbern und Parteien ausgeschlossen ist. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets ange-
schlossen hat, können nämlich nur solche Wahlfehler ei-
nen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein
können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vorn-
herein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, [372]
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können.
Gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 BWO müssen Auslandsdeut-
sche, die ihr Wahlrecht wahrnehmen wollen, bei der zu-
ständigen Gemeindebehörde einen Antrag auf Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis stellen. Zuständig für
Wahlberechtigte gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bun-
deswahlgesetz (BWG) – dies ist die für die Einspruchs-
führerin einschlägige Regelung – ist gemäß § 17 Abs. 2
Nr. 5 BWO die Gemeinde in Deutschland, in der der
Wahlberechtigte vor seinem Fortzug zuletzt gemeldet
war. Vordrucke und Merkblätter für die Antragstellung
können bei den diplomatischen oder berufskonsulari-
schen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im
Ausland, beim Bundeswahlleiter und bei den Kreis-
wahlleitern angefordert werden. Der Antrag ist gemäß
§ 18 Abs. 1 BWO schriftlich bis spätestens zum 21. Tag
vor der Wahl bei der zuständigen Gemeindebehörde zu
stellen. Für die Bundestagswahl am 27. September 1998
hätte der Antrag dementsprechend spätestens am
6. September 1998 eingehen müssen.

Ein Wahlberechtigter, der nicht in das Wählerverzeichnis
eingetragen ist, erhält jedoch gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 1
BWO auf Antrag einen Wahlschein, wenn er nachweist,
daß er ohne Verschulden die Antragsfrist nach § 18
Abs. 1 BWO versäumt hat. Bei dem Telefonat der Ein-
spruchsführerin am 7. September 1998, also einen Tag
nach Ablauf der Antragsfrist für die Eintragung in das
Wählerverzeichnis, hätte die Einspruchsführerin von
dem Kreiswahlleiter auf die Möglichkeit der Beantra-
gung eines sog. selbständigen Wahlscheins hingewiesen
werden müssen. Die Voraussetzungen für ein unver-
schuldetes Versäumen der Antragsfrist haben in diesem
Fall vorgelegen, weil die Unterlagen von der Einspruchs-
führerin bereits am 24. Juni 1998 an das Wahlamt der
Stadt Dortmund abgesandt wurden, dort jedoch bis zum
6. September 1998 offensichtlich nicht angekommen
sind. Bei erneuter Übersendung einer Kopie des ur-
sprünglichen Antrages, z. B. per Telefax an das Wahlamt
Dortmund, hätten der Einspruchsführerin die Briefwahl-
unterlagen noch rechtzeitig zugestellt werden können.
Die Unterlassung dieser Information durch den Kreis-
wahlleiter begründet deshalb einen Wahlfehler, der je-
doch, wie bereits dargestellt, nicht zum Erfolg des Ein-
spruchs führen kann.
Die Kreiswahlleiter haben alle rechtlichen Möglichkeiten
des Bundeswahlgesetzes und der Bundeswahlordnung
auszuschöpfen, um Wahlberechtigten die Teilnahme an
der Bundestagswahl zu ermöglichen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 163 – Drucksache 14/1560

Anlage 64

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 14/98 –
1. des Herrn Walter Lohse

wohnhaft: Bachwisstraße 6, CH-9100 Herisau,
– bevollmächtigt –

2. der Frau Helga Dänzer
wohnhaft: Schlattstraße 22, CH-9435 Heerbrugg,

3. des Herrn Uwe Holder
wohnhaft: Gibelhalde 17, CH-9100 Herisau,

4. der Frau Ingrid Köthe
wohnhaft Grüntalstraße 22 B, CH-9303 Wittenbach,

5. der Frau Antonie Kordzumdieke
wohnhaft: Rorschacherstraße 161, CH-9000 St. Gallen,

6. des Herrn Kurt Kordzumdieke
wohnhaft: Rorschachesrstraße 161, CH-9000 St. Gallen,

7. der Frau Elfriede Kuster
wohnhaft: Splügenstraße 35, CH-98008 St. Gallen,

8. der Frau Klara Omasmeier
wohnhaft: Steigerstraße 4, CH-9000 St. Gallen,

9. des Herrn Karl-Heinz Ritter
wohnhaft: Seeblickweg 4, CH-9113 Degersheim,

10. der Frau Isolde Schulz
wohnhaft: Sanitätsstraße 10, CH-9430 St. Margrethen,

11. des Herrn Ulw Wurster
wohnhaft: Höhenstraße 16, CH-9230 Flawil

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
vom 27. September 1998

hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 23. August 1998, das beim Bun-

destag am 5. Oktober 1998 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer zu 1) die Wahlen zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten. Er hat seine Ausführungen mit Schreiben vom 1.,
22. und 25. November 1998 ergänzt. Mit gleichlau-
tenden Erklärungen, die vom 21. November 1998 da-
tieren und beim Bundestag am 24. November 1998
eingegangen sind, haben sich die Einspruchsführer zu
2) bis 11) dem Einspruch angeschlossen und zugleich
dem Einspruchsführer zu 1) eine Vollmacht für das
Wahlprüfungsverfahren erteilt.

In der Begründung ihres Wahleinspruchs vertreten
die als Deutsche in der Schweiz lebenden Einspruchs-
führer die Ansicht, Deutsche im Ausland würden
„von offizieller deutscher Seite“ falsch über ihre
Wahlberechtigung unterrichtet. Zum Beleg dessen be-
rufen sie sich in erster Linie auf einen Presseartikel,
der offenbar aus dem Axel-Springer-Verlag stammt
und als Autor Herrn Mainhardt Graf Nayhauß angibt.
In diesem Artikel mit dem Titel „Warum kämpft
niemand um die Stimmen aus dem Ausland?“ wird
berichtet, das Bundespresseamt habe vor der Wahl
450 000 Faltblätter mit Informationen zur Wahl im
Ausland verteilen lassen. Es lebten etwa 500 000
wahlberechtigte Deutsche im Ausland. Andere Natio-

Drucksache 14/1560 – 164 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

nen würden in ihren Auslandsvertretungen Wahlkabi-
nen aufstellten. Der Auslandsdeutsche müßte jedoch
bei seiner Vertretung Antragsformulare anfordern und
sie ausgefüllt an seine ehemalige Heimatgemeinde in
Deutschland schicken, damit diese ihm die Stimm-
zettel für die Briefwahl zusenden könne. In dem Arti-
kel wird weiter berichtet, das Wahlrecht für im Aus-
land lebende Deutsche bestände erst seit der Bundes-
tagswahl 1987. Deutsche, die länger als 25 Jahre im
Ausland lebten, seien indes nicht wahlberechtigt.
Dies betreffe auch den deutschen Generalkonsul in
Malaga.
Die Einspruchsführer beklagen nun, selbst wenn das
Bundespresseamt die in dem Artikel genannten
450 000 Faltblätter direkt den wahlberechtigten Deut-
schen im Ausland hätte zugehen lassen, so wären
nicht alle 500 000 Wahlberechtigten informiert wor-
den. Es dürfe aber „mit Fug und Recht bezweifelt
werden“, daß die Generalkonsulate und Botschaften
der Bundesrepublik Deutschland bei deren „mangel-
hafter Betreuung“ überhaupt über entsprechendes
Aktenmaterial verfügten.
In diesem Zusammenhang erheben die Einspruchs-
führer insbesondere Vorwürfe gegen die deutsche
Generalkonsulin in Zürich. Sie habe die Einspruchs-
führer nicht darauf hingewiesen, daß für das Wahl-
recht der in der Schweiz lebenden Deutschen die frü-
here zeitliche Begrenzung von 10 Jahren entfallen sei.
Ebensowenig habe sie die Einspruchsführer auf die
Bundestagswahl hingewiesen und ihnen auch keinen
Antrag auf Anforderung der Wahlunterlagen über-
sandt. Durch dieses Verhalten seien an sich Wahlbe-
rechtigte von der Wahl abgehalten worden.
Die Einspruchsführer sind durch das Sekretariat des
Wahlprüfungsausschusses sowie auch durch die Aus-
schußvorsitzende um Mitteilung gebeten worden,
welche Schritte sie selbst zur Wahrnehmung ihres
Wahlrechts unternommen, insbesondere ob sie beim
deutschen Generalkonsulat in Zürich Antragsformu-
lare zur Eintragung in das Wählerverzeichnis ihrer
letzten Heimatgemeinde in Deutschland angefordert
haben. Sie vertreten jedoch die Ansicht, hierauf
komme es nicht an. Sie hätten keine Schritte zur
Wahrnehmung ihres Wahlrechts unternehmen kön-
nen, da sie von offizieller deutscher Seite nicht über
die Änderung des Wahlrechts informiert worden
seien.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag der Einspruchsführer
läßt einen Fehler bei der Durchführung der Wahl zum

14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998 nicht
erkennen.
Zunächst liegt offenbar ein Mißverständnis betreffend
das Wahlrecht der im Ausland lebenden Deutschen vor.
Zwar wurde tatsächlich erst kurz vor der Wahl mit dem
Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgeset-
zes (BWG) vom 20. April 1998 (BGBl. I S. 706) die
Zehnjahresfrist des § 12 Abs. 2 Nr. 3 BWG auf
25 Jahre erweitert. Diese Änderung betrifft jedoch nur
Deutsche, die in Gebieten außerhalb der Mitgliedstaaten
des Europarates leben. Sie sind nunmehr bis zu einem
Zeitraum von 25 Jahren nach ihrem Fortzug aus
Deutschland wahlberechtigt.
Da aber die Schweiz ein Mitgliedstaat des Europarates
ist, betrifft diese Änderung die Einspruchsführer nicht.
Das Wahlrecht für Deutsche, die außerhalb Deutschlands
in Mitgliedstaaten des Europarates leben, ist seit seiner
Einführung durch das Siebte Gesetz zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes vom 8. März 1985 (BGBl. I S. 521)
unbefristet. Voraussetzung ist nur, daß die Betroffenen
nach dem 23. Mai 1949 und vor ihrem Fortzug minde-
stens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik
Deutschland eine Wohnung innegehabt oder sich sonst
gewöhnlich aufgehalten haben (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BWG).
Keine Frist besteht im übrigen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1
BWG auch für Beamte, Soldaten, Angestellte und Ar-
beiter im öffentlichen Dienst, die auf Anordnung ihres
Dienstherrn außerhalb Deutschlands leben, sowie die
Angehörigen ihres Hausstandes. Dies betrifft also insbe-
sondere die Angehörigen der diplomatischen und kon-
sularischen Vertretungen Deutschlands im Ausland, un-
abhängig davon, ob sie in einem Mitgliedstaat des Euro-
parates leben oder nicht.
Die Berichterstattung in dem Presseartikel, auf den sich
die Einspruchsführer berufen, ist deshalb insoweit feh-
lerhaft. Sie stammt aber nicht „von offizieller deutscher
Seite“. In Deutschland ist die Presseberichterstattung
von staatlichen Stellen unabhängig und fällt ausschließ-
lich in den Verantwortungsbereich der privaten Heraus-
geber. Eine fehlerhafte Information der im Ausland le-
benden Deutschen durch deutsche Behörden oder Aus-
landsvertretungen ist dagegen nicht ersichtlich und von
den Einspruchsführern auch nicht vorgetragen.
Auch die weiteren Ausführungen der Einspruchsführer
weisen nicht auf einen Wahlfehler hin. Insbesondere
kann eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften durch
das deutsche Generalkonsulat in Zürich nicht festgestellt
werden.
Gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 der Bundeswahlordnung
(BWO) müssen Auslandsdeutsche, die ihr Wahlrecht
wahrnehmen wollen, bei der zuständigen Gemeindebe-
hörde einen Antrag auf Eintragung in das Wählerver-
zeichnis stellen. Zuständig für Wahlberechtigte gemäß
§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BWG – dies ist die für die Einspruchs-
führer einschlägige Regelung – ist gemäß § 17 Abs. 2
Nr. 5 BWO die Gemeinde in Deutschland, in der der
Wahlberechtigte vor seinem Fortzug zuletzt gemeldet
war. Für den genannten Personenkreis bestimmt § 18
Abs. 5 BWO weiterhin, daß der Wahlberechtigte in sei-
nem Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis der

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 165 – Drucksache 14/1560

Gemeindebehörde gegenüber durch Abgabe einer Versi-
cherung an Eides Statt den Nachweis für seine Wahlbe-
rechtigung zu erbringen und zu erklären hat, daß er in
keiner anderen Gemeinde im Wahlgebiet einen Antrag
auf Eintragung in das Wählerverzeichnis gestellt hat.
Vordrucke und Merkblätter für die Antragstellung kön-
nen bei den diplomatischen oder berufskonsularischen
Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Aus-
land, beim Bundeswahlleiter und bei den Kreiswahllei-
tern angefordert werden.
Diese Regelungen gehen davon aus, daß die im Ausland
lebenden Deutschen zur Wahrnehmung ihres Wahlrechts
selbst aktiv werden müssen. Entgegen der Ansicht der
Einspruchsführer besteht keine Verpflichtung deutscher
Behörden oder Auslandsvertretungen, von sich aus die
Adressen der im Ausland lebenden Deutschen zu ermit-
teln und unaufgefordert dorthin Informationsmaterial zu
übersenden. Gemäß § 20 Abs. 2 BWO obliegt den di-
plomatischen und berufskonsularischen Vertretungen der
Bundesrepublik Deutschland im Ausland lediglich die
Verpflichtung, rechtzeitig vor der Wahl die Vorausset-
zungen und Modalitäten des Wahlrechts für Deutsche im
Ausland durch deutschsprachige Anzeigen in der Tages-
und Wochenpresse bekanntzugeben. Im übrigen sind die
Wahlberechtigten als mündige Bürger aufgefordert, sich
selbst an ihre Auslandvertretung, den Bundes- oder einen
Kreiswahlleiter zu wenden, um mit den nötigen Unter-
lagen und mit Informationen versorgt zu werden.
Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß das deutsche
Generalkonsulat in Zürich den Einspruchsführern „kei-
nen Antrag auf Anforderung der Wahlunterlagen“ zuge-
sandt hat. Auch nach mehrmaliger Anfrage seitens des
Wahlprüfungsausschusses haben die Einspruchsführer
nicht dargelegt, Vordrucke und Merkblätter für den An-
trag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis beim Ge-
neralkonsulat angefordert zu haben. Da ihnen diese
Pflicht aber nach den wahlrechtlichen Regelungen oblag,
kann auch nicht die Rede davon sein, daß „durch das
Verhalten der Generalkonsulin an sich Wahlberechtigte
von der Wahl abgehalten“ worden seien. Wenn die Ein-
spruchsführer nicht an der Wahl teilnehmen konnten, so
beruht dies vielmehr auf ihren eigenen Versäumnissen.

Für eine Verletzung der Vorschriften des § 20 Abs. 2
BWO durch das deutsche Generalkonsulat in Zürich lie-
fert dagegen der Wahleinspruch keinerlei Anhaltspunkte.
Der Wahlprüfungsausschuß hat deswegen auch keine
Veranlassung, diesem Aspekt weiter nachzugehen. Denn
die Wahlprüfung findet weder von Amts wegen statt
(Offizialprinzip), noch erfolgt sie stets in Gestalt einer
Durchprüfung der gesamten Wahl (Totalitätsprinzip). Sie
erfolgt vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist.
Die Begründung muß mindestens den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und
genügend substantiierte Tatsachen enthalten. Ihr Umfang
richtet sich also nach dem Einspruch, durch den der Ein-
spruchsführer den Anfechtungsgegenstand bestimmt.
Der Prüfungsgegenstand ist nach dem erklärten, verstän-
dig zu würdigenden Willen des Einspruchsführers unter
Berücksichtigung des gesamten Einspruchsvorbringens
sinngemäß abzugrenzen. Aus der Begründungspflicht
folgt, daß diese Abgrenzung auch danach vorzunehmen
ist, wieweit der Einspruchsführer seinen Einspruch sub-
stantiiert hat. Nur im Rahmen des so bestimmten An-
fechtungsgegenstandes haben die Wahlprüfungsorgane
dann den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt
wird, von Amts wegen zu erforschen und alle auftau-
chenden rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen.
(BVerfGE 40, 11 [30])
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 166 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167 – Drucksache 14/1560

Anlage 65

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 19/98 –
der Frau Kornelia Kulbatzki

wohnhaft: Schumannstraße 46, 40237 Düsseldorf
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1998, das beim Bun-

destag am 7. Oktober 1998 eingegangen ist, hat die
Einspruchsführerin die Wahlen zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 angefochten.
Zur Begründung führt sie aus, das System zur Be-
rechnung der Sitzverteilung im Bundestag sei nicht
geeignet, den Wählerwillen korrekt wiederzugeben.
Es könnten nämlich Parteien deshalb mehr Sitze be-
kommen, weil sie weniger Stimmen erzielt hätten und
umgekehrt.
So sei bei der Wahl am 27. September 1998 die SPD-
Kandidatin Kerstin Raschke deshalb nicht gewählt
worden, weil ihre Partei in Bremen 33 000 Zweit-
stimmen zuviel bekommen habe. Hätten jedoch
33 000 Bremer SPD-Wähler nicht die SPD gewählt,
säße Frau Raschke jetzt im Bundestag; sie sei somit
von den SPD-Wählern abgewählt worden.
Für die Wahl im Jahr 1994 gelte ähnliches. So hätte
die SPD insgesamt einen Sitz weniger gehabt, wenn
sie in Nordrhein-Westfalen 75 000 Stimmen mehr
erzielt hätte. Die CDU hätte bei einem um 33 000
Zweitstimmen schlechteren Ergebnis in Nordrhein-
Westfalen insgesamt einen Abgeordneten mehr in den
letzten Bundestag senden können.
Dies heiße aber, daß Stimmen für eine Partei Kandi-
daten dieser Partei abwählen könnten und die Wahl
somit zur Abwahl verkomme.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig. Er ist jedoch of-

fensichtlich unbegründet, weil anhand des vorgetragenen
Sachverhalts ein Wahlfehler nicht festgestellt werden
kann. Denn die Sitzverteilung im 14. Deutschen Bun-
destag beruht auf gültigen Wahlrechtsvorschriften, die
korrekt angewendet wurden.
Der auf den ersten Blick überraschende Effekt, wonach
ein Mehr an Stimmen im Ergebnis zu einem Weniger an
Sitzen für eine Partei führen kann, ist eine Folge der ge-
setzlich vorgesehenen Existenz von Überhangmandaten
(§ 6 Abs. 5 i.V.m. § 7 Abs. 3 Bundeswahlgesetz –
BWG). Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei
mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach dem Ergebnis
der Zweitstimmenwahl zustehen würden. Grundsätzlich
bestimmt sich das Stärkeverhältnis der Parteien, der
Parteienproporz, nämlich nach den für die einzelnen
Parteien abgegebenen Zweitstimmen. Die Anzahl der
einer Partei danach zustehenden Sitze im Bundestag wird
sodann zunächst mit den für diese Partei mit den Erst-
stimmen gewählten Direktkandidaten besetzt. Dies be-
deutet, daß die Anzahl der errungenen Direktmandate
mit dem Parteienproporz verrechnet wird. Wenn aber für
eine Partei mehr Direktkandidaten gewählt werden, als
ihr nach dem Proporz zustehen würden, entstehen Über-
hangmandate. Denn diese Sitze blieben der Partei auch
über ihren Verhältnisanteil hinaus erhalten, und die An-
zahl der Sitze im Bundestag erhöht sich entsprechend
(§ 6 Abs. 5 BWG).
In der Praxis entstehen solche Überhangmandate aller-
dings nicht schon bei der sogenannten Oberverteilung,
sondern erst bei der Unterverteilung der den jeweiligen
Parteien zustehenden Sitze auf die einzelnen Landes-
listen dieser Parteien. Diese Unterveteilung folgt gemäß
§ 7 Abs. 3 BWG denselben Prinzipien wie die Oberver-
teilung.
Der von Einspruchsführerin gerügte Effekt eines
„negativen Stimmengewichts“ ist nun untrennbar mit
der Existenz von Überhangmandaten verbunden. Bei
der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag entstanden
13 Überhangmandate, die alle der SPD zufielen. Deswe-
gen betreffen die von der Einspruchsführerin beklagten
Effekte auch nur Abgeordnete bzw. Wahlbewerberinnen

Drucksache 14/1560 – 168 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

dieser Partei. Überhangmandate entstehen – wie bereits
dargelegt – durch das Auseinanderfallen der Erst- und
Zweitstimmenanteile einer Partei. Wenn nun durch das
Anwachsen des Zweitstimmenanteils die Differenz an-
bzw. ausgeglichen wird, liegt es zwingend in der Logik
des Systems, daß das Überhangmandat wieder entfällt,
die Partei also im Ergebnis einen „überhängenden“ Sitz
wieder verliert.
An diesem grundsätzlichen Mechanismus ändert es auch
nichts, daß sich der gerügte Effekt in der Praxis nicht
schon bei der Oberverteilung, sondern erst bei der Un-
terverteilung der Stimmenanteile auf die Landeslisten
der Parteien auswirkt. Er kann zunächst auftreten, wenn
der (gedachte) Stimmenzuwachs für eine Partei in einem
Land auftritt, in dem diese Partei Überhangmandate er-
zielt. Bei gleicher Sitzzahl nach Zweitstimmen für diese
Partei insgesamt (Oberverteilung) entfällt bei der Auf-
teilung auf die Länder (Unterverteilung) auf das Land
des Stimmenzuwachses ein Sitz mehr auf Kosten eines
anderen Landes. Wegen der Verrechnung mit den Di-
rektmadaten wirkt sich der Gewinn eines Sitzes jedoch
nicht aus, so daß im Saldo ein Sitz verloren geht. Wei-
terhin kann es infolge des für die Sitzzuteilung ange-
wandten Berechnungsverfahrens nach Hare-Niemeyer
auch passieren, daß dieser Effekt auf andere Länder
„übertragen“ wird. Für das Entstehen von „negativen
Stimmgewichten“ ist es deshalb nicht unbedingt erfor-
derlich, daß das Land mit dem Überhangmandat und das
Land mit dem Stimmzuwachs identisch sind. Diese
Auswirkungen der Überhangmandate können in umge-
kehrter Weise dann auch bei einem (gedachten) Stim-
menverlust für eine Partei entstehen.
Diese Mechanismen begründen jedoch keinen Wahlfeh-
ler. Aufgabe der Wahlprüfung ist es, eventuelle Fehler
bei der Organisation und Durchführung der Wahl zu prü-
fen. Das Wahlprüfungsverfahren setzt deshalb die Rüge
von Mängeln bei der Anwendung der für die Wahl gel-
tenden wahlrechtlichen Regelungen voraus (BVerfGE
89, 243, 251). Die Kritik der Einspruchsführerin richtet
sich jedoch nicht gegen solche Mängel, sondern hat
letztlich die gesetzliche Regelung selbst zum Gegen-
stand. Der Wahlprüfungsausschuß und der Deutsche
Bundestag haben es indes stets abgelehnt, im Wahlprü-
fungsverfahren die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften festzustellen. Sie haben diese Kon-
trolle dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Unbeschadet dessen weist der Wahlprüfungsausschuß
darauf hin, daß die betroffenen Regelungen des Bundes-
wahlgesetzes zu den Überhangmandaten erst kürzlich
Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Prüfung wa-
ren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Ent-
scheidung vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335ff.)
festgestellt, daß diese Vorschriften mit dem Grundgesetz
vereinbar sind. Das Gericht hat in diesem Zusammen-
hang darauf hingewiesen, daß der Verfassungsgesetzge-
ber bewußt darauf verzichtet habe, ein Wahlsystem und
dessen Durchführung verfassungsrechtlich vorzuschrei-

ben. Er habe damit ein Stück materiellen Verfassungs-
rechts offengelassen, das vom Wahlgesetzgeber auszu-
füllen sei. Diesem sei hierbei ein weiter Gestaltungs-
spielraum eingeräumt (BVerfGE 95, 335, 349). Dieser
Gestaltungsspielraum umfaßt auch die Regelungen zu
den Überhangmandaten. Ausdrücklich hat das Gericht
festgestellt, daß die Entstehung von Überhangmandaten
ohne Ausgleich für die anderen Parteien den Anforde-
rungen der Wahlgleichheit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1
GG genügt und die Chancengleichheit der Parteien wahrt
(BVerfGE 95, 335, 357). Diese Entscheidung hat das
Gericht in Kenntnis des auch vom Einspruchsführers be-
schriebenen Effekts eines negativen Stimmengewichts
getroffen; die Niedersächsische Landesregierung hatte
im Verfahren hierauf ausdrücklich hingewiesen (BVerf-
GE 95, 335, 343).
Zuvor hatte sich auch der Bundestag intensiv mit den
Regelungen im Bundeswahlgesetz zu den Überhang-
mandaten beschäftigt und sie unter Hinzuziehung von
Sachverständigen auf ihre Verfassungsmäßigkeit über-
prüft. Bereits die in der 13. Wahlperiode eingesetzte Re-
formkommission zur Größe des Bundestages war zu dem
Ergebnis gekommen, die bestehenden Regelungen des
Bundeswahlgesetzes, die zum Auftreten von Überhang-
mandaten führen können, seien verfassungsgemäß, und
es bestehe auch keine verfassungsrechtliche Notwendig-
keit, Überhangmandate durch ergänzende Regelungen
auszugleichen. Die Kommission hat dem Bundestag kei-
ne Änderungen der §§ 6 und 7 BWG empfohlen
(s. Drucksache 13/4560). Diesen Empfehlungen ist der
Bundestag gefolgt; Gesetzentwürfe der 13. Wahlperiode,
die die Kompensation von Überhangmandaten vorsahen,
fanden keine Mehrheit (s. hierzu Drucksache 13/5750,
StenProt 13/129 vom 11. Oktober 1996 S. 11631ff).
An dieser Einschätzung hält der Bundestag auch in An-
sehung des vorliegenden Wahleinspruchs fest; die Ar-
gumente des Einspruchsführers berühren lediglich eine
Facette der in der 13. Wahlperiode geführten Diskussion.
Ihr Vortrag vermag deshalb keine Zweifel an der Gültig-
keit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag zu begrün-
den.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 169 – Drucksache 14/1560

Anlage 66

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 26/98 –
des Herrn Erwin Thierfelder

wohnhaft: Eulenhofstraße 25, 51645 Gummersbach
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 4. Oktober, 10. Oktober und

3. November 1998 hat der Einspruchsführer Ein-
spruch gegen den Erwerb der Mitgliedschaft im Deut-
schen Bundestag durch Herrn Friedhelm Julius Beu-
cher eingelegt. Der Abgeordnete Beucher wurde nach
dem amtlichen Ergebnis der Wahlen zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 mit der
Mehrheit der im Wahlkreis 66 (Oberbergischer Kreis)
abgegebenen Erststimmen direkt in den Bundestag
gewählt. Hiergegen wendet sich der Einspruchsfüh-
rer, der Mitglied in der Partei DIE GRAUEN – Graue
Panther ist.
Der Einspruchsführer hat seinen Einspruch auch
„namens der vorschlags- und wahlberechtigten Mit-
glieder der Partei DIE GRAUEN – Graue Panther
(Graue) (Kreisverband Oberberg im Landesverband
NRW)“ eingelegt. Er hat jedoch weder eine Voll-
macht anderer Personen vorgelegt, noch ist sein
Wahleinspruch von anderen Personen als dem Ein-
spruchsführer unterschrieben.
In der Begründung seines Einspruchs beanstandet er
in erster Linie die im Wahlkampf erfolgte Berichter-
stattung der „Oberbergischen Volks-Zeitung – Ober-
bergischer Kreis“ (OVZ), die nach Ansicht des Ein-
spruchsführers politisch zu einseitig die Parteien
CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
sowie deren Bewerber bevorzugt habe. Demgegen-
über sei es ihm, dem Einspruchsführer „durchgängig
und ausdrücklich verweigert“ worden, sich in der
OVZ „aus eigener Sicht äußern zu können“. Der Ein-
spruchsführer vertritt die Auffassung, bei der OVZ
handele es sich um die „Amtspresse“ bzw. „Amtliche
Presse“ des Kreiswahlleiters sowie der Wahlleiter der
Gemeinden Gummersbach, Wiehl, Engelskirchen und
Lindlar. Dies schließt er aus dem Umstand, daß die
OVZ ausweislich ihres Impressums auch als „Amt-
liches Bekanntmachungsorgan für den Oberbergi-
schen Kreis, die Städte Gummersbach und Wiehl so-
wie die Gemeinden Engelskirchen und Lindlar“ fun-

giert und die OVZ ihre regionale Berichterstattung
aus dem Oberbergischen Kreis in der Überschrift mit
dem Kreiswappen kennzeichnet. Der Einspruchsfüh-
rer meint, durch die einseitige Berichterstattung hät-
ten der Kreiswahlleiter und die genannten Gemeinden
gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen. In diesem
Zusammenhang beruft er sich auf ein Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1997 zur Neu-
tralitätspflicht der Bürgermeister kreisangehöriger
Gemeinden bei der Landratswahl.
Mehrere der solchermaßen beanstandeten Zeitungs-
artikel hat der Einspruchsführer in seiner Einspruchs-
schrift im einzelnen angesprochen und im übrigen
dem Wahlprüfungsausschuß zahlreiche Artikel der
OVZ in Kopie bzw. im Original vorgelegt. Bei dem
letzten dieser Artikel handelt es sich um einen Bericht
vom 10. Oktober 1998, der den Wahleinspruch des
Einspruchsführers zum Gegenstand hat. Der Ein-
spruchsführer sieht hierin einen unzulässigen Eingriff
in das schwebende Wahlprüfungsverfahren durch den
Kreiswahlleiter und die Wahlleiter der genannten
Gemeinden.
Darüber hinaus wirft der Einspruchsführer dem
Kreiswahlleiter in mehreren Fällen die Verletzung
wahlrechtlicher Vorschriften vor:
So vertritt er die Auffassung, die Wahl des Abge-
ordneten Beucher sei bereits wegen eines Formver-
stoßes bei der Einladung zur Sitzung des Kreiswahl-
ausschusses am 31. Juli 1998 nichtig. In dieser Sit-
zung entschied der Kreiswahlausschuß über die Zu-
lassung der Kreiswahlvorschläge im Wahlkreis 66.
Die Sitzung fand im Kreisgesundheitsamt, Am Wie-
denhof 1–3, in Gummersbach statt.
Der Einspruchsführer behauptet, der Kreiswahlleiter
habe zu dieser Sitzung nicht form- und fristgerecht
öffentlich eingeladen und damit gegen die Vorschrif-
ten der §§ 5 und 86 der Bundeswahlordnung (BWO)
verstoßen. Es sei nicht durch einen Aushang am Sit-
zungsgebäude eingeladen worden, sondern lediglich
durch einen Aushang im Sitzungsgebäude, und zwar

Drucksache 14/1560 – 170 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

an der Tür des Besprechungszimmers im 2. Oberge-
schoß. Auch sei dieser Aushang maximal eine Stunde
vor Sitzungsbeginn angebracht worden. Durch diese
Vorgehensweise sei die Öffentlichkeit faktisch ausge-
schlossen worden und habe nicht die Möglichkeit ge-
habt, sich von der Rechtmäßigkeit der Zulassungsent-
scheidungen zu überzeugen.
Zu diesem Vorwurf hat der Wahlprüfungsausschuß
eine Stellungnahme des Kreiswahlleiters erbeten.
Dieser führt aus, zu der Sitzung des Kreiswahlaus-
schusses am 31. Juli 1998 seien die Mitglieder des
Kreiswahlausschusses – in Anlehnung an die La-
dungsfristen des Kreistages und der kommunalen
Ausschüsse – mit einer Frist von 14 Tagen schrift-
lich eingeladen worden. Den stellvertretenden Kreis-
wahlausschußmitgliedern sei die Einladung zeitgleich
zur Kenntnis übersandt worden. Mit gleicher La-
dungsfrist seien auch die Vertrauenspersonen der bis
zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Kreiswahlvor-
schläge und deren Stellvertreter eingeladen worden.
Der Wahlvorschlag der Partei DIE GRAUEN, Graue
Panther sei von dem Einspruchsführer als Vertrauens-
person am 21. Juli 1998 eingereicht worden. Der Ein-
spruchsführer sei mündlich zu der Sitzung eingeladen
worden, ihm sei eine schriftliche Einladung ausge-
händigt und der stellvertretenden Vertrauensperson
am 27. Juli 1998 übersandt worden. Ebenfalls am
27. Juli 1998 sei der Einspruchsführer über das Er-
gebnis der Vorprüfung des Kreiswahlvorschlages in-
formiert und nochmals auf die Sitzung am 31. Juli
1998 hingewiesen worden.
Der Presse im Oberbergischen Kreis sei am 15. Juli
1998 gemäß dem üblichen Presseverteiler eine
schriftliche Einladung zu der Sitzung des Kreiswahl-
ausschusses übersandt worden. Die Presse habe teil-
weise im redaktionellen Teil auf die Sitzung des
Kreiswahlausschusses hingewiesen. Daneben sei
durch Aushang an der Bekanntmachungstafel des
Kreises in der Zeit vom 15. Juli bis 3. August 1998
die öffentliche Bekanntmachung gemäß § 86 Abs. 2
BWO vollzogen und die Bevölkerung auf die Sitzung
hingewiesen worden.
Die Kreisverwaltung sei in einem verschachtelten
Gebäudekomplex an der Moltkestraße sowie der an-
grenzenden Querstraße „Am Wiedenhof“ unterge-
bracht. Die Bekanntmachungstafel befinde sich am
Gebäude „Moltkestraße 36“ in einem Fenster im Erd-
geschoß, das von außen gut einsehbar sei. Unmittel-
bar vor dem Fenster befinde sich eine Bushaltestelle,
so daß der Standort der Bekanntmachungstafel auch
von vielen Bürgern frequentiert werde. Da das
Hauptgebäude in der Moltkestraße 42 zur Zeit saniert
werde und ein Teil der Verwaltung vorübergehend
ausgelagert sei, sei im Erdgeschoß des Gebäudes
„Moltkestraße 36“ zusätzlich ein Informationsschalter
eingerichtet. Das Gebäude „Am Wiedenhof 1–3“, in
dem sich das Gesundheitsamt und ein Sitzungsraum
befänden, könne entweder über das Gebäude „Molt-
kestraße 36“ oder unmittelbar durch den Seitenein-
gang in der Straße „Am Wiedenhof“ betreten werden.

Am Seiteneingang von der Straße „Am Wiedenhof“
sei kein zusätzliches Hinweisschild angebracht ge-
wesen.
Des weiteren vertritt der Einspruchsführer die Auf-
fassung, der Kreiswahlvorschlag betreffend den Ab-
geordneten Beucher habe nicht zugelassen werden
dürfen. Der Vorschlag sei schon deswegen nichtig,
weil Abg. Beucher bereits am 2. Oktober 1997 von
der Kreisdelegiertenkonferenz seiner Partei als Kan-
didat aufgestellt worden sei. Der Einspruchsführer
meint, zu diesem Zeitpunkt sei die Einteilung der
Wahlkreise noch nicht „in Rechtswirkung gesetzt“
gewesen. In diesem Zusammenhang rügt er auch die
Aufstellung des Kandidaten der CDU am 14. Sep-
tember 1997.
Darüber hinaus beanstandet der Einspruchsführer,
daß der Kreiswahlleiter vier der insgesamt sieben im
Wahlkreis 66 eingereichten Kreiswahlvorschläge be-
reits vor dem 28. März 1998 entgegengenommen ha-
be. Insbesondere rügt er die Entgegennahme der Vor-
schläge der CDU und der SPD, die bereits im Februar
1998 erfolgte. Ausweislich der vom Einspruchsführer
vorgelegten Unterlagen forderte der Kreiswahlleiter
durch öffentliche Bekanntmachung in mehreren Ta-
geszeitungen, die am 28. März 1998 erschienen, zur
Einreichung von Kreiswahlvorschlägen für den
Wahlkreis 66 auf. Unter Hinweis auf die Vorschrift
des § 22 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ver-
tritt der Einspruchsführer die Auffassung, erst durch
diese Aufforderung habe das „Verwaltungsverfahren
zur bloßen Einreichung von Kreiswahlvorschlägen
(...) begonnen“. Durch die Entgegennahme von
Kreiswahlvorschlägen vor diesem Termin seien die
übrigen Vorschlagsberechtigten benachteiligt worden.
Weitere Beanstandungen äußert der Einspruchsführer
im Zusammenhang mit einer Podiumsdiskussion,
die am 19. März 1998 im Aggertal-Gymnasium
der Gemeinde Engelskirchen stattfand. Zu dieser
Podiumsdiskussion hatte nach einem Bericht der
OVZ die Schülervertretung die Wahlkreiskandidaten
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, F.D.P. und
SPD eingeladen. Der Einspruchsführer rügt nun nicht
nur die darüber erfolgte Berichterstattung in der
OVZ, sondern auch die Durchführung der Veranstal-
tung an sich. Da der Träger des Gymnasiums, der
„Gemeinde-Hauptbeamte“, gleichzeitig auch der Ge-
meindewahlleiter sei, habe es sich um eine „amtliche
Wahlveranstaltung“ gehandelt, die gegen die Neutra-
litätspflicht verstoßen und überdies die genannten
Parteien finanziell begünstigt hätte.
Der Einspruchsführer behauptet außerdem eine „of-
fensichtlich illegale SPD/Beucher-Wahlkampf-Sub-
ventionierung aus öffentlichen Mitteln der Bundesan-
stalt für Arbeit.“ Dies steht im Zusammenhang mit
dem in Gummersbach eingetragenen „Verein der
Freunde und Förderer des Jugendzentrums / Bürger-
haus Bergneustadt Hackenberg e.V. und Verein für
Soziale Dienste“. Vorsitzender dieses Vereins, der
nach Angaben des Einspruchsführers mit Mitteln der
Bundesanstalt für Arbeit gefördert wird, ist der Ab-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171 – Drucksache 14/1560

geordnete Beucher. Über das Engagement des Abge-
ordneten wurde vor der Wahl in der OVZ berichtet.
Der Einspruchsführer meint deshalb, unbeschadet der
tatsächlich parteiübergreifenden Mitgliederstruktur
dieses Vereins vereinnahmten sowohl der SPD-
Unterbezirk Oberbergischer Kreis als auch der Abge-
ordnete Beucher den Verein unter dem verkürzten
Begriff „Verein für Soziale Dienste Bergneustadt
e.V.“ als SPD-Einrichtung. Darüber hinaus äußert der
Einspruchsführer den Verdacht, in der vereinseigenen
Holzwerkstatt seien Wahlkampfgerätschaften für die
SPD hergestellt worden. Er vertritt die Auffassung, es
sei Aufgabe der Wahlprüfungsorgane, diesen „Fort-
setzungs-Anfangsverdacht“ im Rahmen des Wahlprü-
fungsverfahrens aufzuklären.
Eine weitere Beschwerde richtet sich schließlich ge-
gen den Bundestag selbst. Der Einspruchsführer be-
anstandet, daß noch am 20. April 1998 das Bundes-
wahlgesetz geändert wurde und darauf folgend im
Mai 1998 die Bundeswahlordnung. Er sieht auch
hierdurch seine Partei benachteiligt, weil auf die bis
zum 20. April 1998 eingereichten Kreiswahlvor-
schläge noch das alte Recht zur Anwendung gekom-
men sei. Der Kreiswahlvorschlag seiner Partei habe
indes erst am 21. Juli 1998 vollständig vorgelegt
werden können, so daß auf ihn „ein völlig anderes
Gesetz“ zur Anwendung gekommen sei. Deshalb
könne nicht mehr die Rede davon sein, daß die Wah-
len entsprechend dem in Artikel 38 des Grundgeset-
zes (GG) normierten Grundsatz der gleichen Wahl
auf gleicher gesetzlicher Rechtsgrundlage stattgefun-
den hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vortrag des Ein-
spruchsführers, insbesondere wegen des Inhalts seiner
nachträglich eingegangenen Schreiben vom 14. April,
3. und 4. Mai 1999, wird auf den umfangreichen
Akteninhalt verwiesen.
Der Einspruchsführer hat bereits vor der Wahl Klage
beim Verwaltungsgericht Köln erhoben. Er hat dar-
über hinaus vorläufigen Rechtsschutz beantragt, was
das Gericht mit Beschluß vom 27. Juli 1998, der dem
Wahlprüfungsausschuß vorliegt, abgelehnt hat.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist zulässig, soweit der Einspruchsführer
ihn im eigenen Namen eingelegt hat. Er ist unzulässig,
soweit der Einspruchsführer die Befugnis zur Vertretung
weiterer Mitglieder der Partei DIE GRAUEN für das
Wahlprüfungsverfahren reklamiert. Der Einspruchsfüh-
rer hat trotz eines entsprechenden Hinweises des Wahl-
prüfungsausschusses weder ein von weiteren Personen
unterschriebenes Exemplar der Einspruchsschrift noch
eine auf ihn lautende Vollmacht weiterer Personen vor-

gelegt. Er hat sich vielmehr auf seine Eigenschaft als
Vertrauensperson des Kreiswahlvorschlages seiner Partei
berufen. In seinem Schreiben vom 3. November 1998 hat
er es ausdrücklich abgelehnt „weitere Vorträge und
Hinweise“ zu dieser Frage zu erteilen. Die Stellung als
Vertrauensperson ist jedoch nicht ausreichend, um den
Einspruchsführer auch für das Wahlprüfungsverfahren
als Vertreter weiterer Mitglieder seiner Partei zu legiti-
mieren. Die Vertretungsbefugnis einer Vertrauensperson
im Sinne des § 22 Bundeswahlgesetz (BWG) bezieht
sich lediglich auf das Verfahren zur Einreichung und
Zulassung der Kreiswahlvorschläge. Dieses unterschei-
det sich erheblich von einer späteren Anfechtung des
Wahlergebnisses, so daß nicht davon ausgegangen wer-
den kann, daß die Unterzeichner eines Kreiswahlvor-
schlags der Vertrauensperson auch insoweit eine Voll-
macht erteilen wollten. Darüber hinaus ist für die Einle-
gung eines Wahleinspruchs nicht das Bundeswahlgesetz,
sondern das Wahlprüfungsgesetz maßgeblich. Der Ein-
spruchsführer hat nicht nachgewiesen, daß außer ihm
selbst auch „eine Gruppe von Wahlberechtigten“ im
Sinne des § 2 WPrüfG Urheber des vorliegenden Wahl-
einspruchs ist.
Soweit der Einspruch zulässig ist, ist er offensichtlich
unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsführers läßt
einen Fehler bei der Anwendung der für die Wahl gel-
tenden Rechtsvorschriften nicht erkennen.
Insbesondere sind die Wahlrechtsgrundsätze des Arti-
kels 38 GG nicht durch die vom Einspruchsführer ge-
rügte Berichterstattung der OVZ verletzt. Bei den vom
Einspruchsführer gerügten Presseartikeln handelt es sich
nämlich nicht um die „Amtliche Presse“ des Kreiswahl-
leiters im Wahlkreis 66 bzw. der genannten Gemeinde-
behörden. Dies wurde dem Einspruchsführer auch schon
mehrfach erläutert, und zwar sowohl vom Kreiswahllei-
ter selbst als auch vom Verwaltungsgericht Köln. So hat
dieses in dem Beschluß vom 27. Juli 1998 ausgeführt:
„Die Rügen und Einwendungen leitet der Antragsteller
[sc. der Einspruchsführer] allein aus der Berichterstat-
tung der ,Oberbergischen Volks-Zeitung‘ im Vorfeld der
Bundestagswahl 1998 ab. Wie der Antragsgegner [sc.
der Kreiswahlleiter] in seinem Schreiben vom 1. Juli
1998 dem Antragsteller zutreffend ausgeführt hat, ist
diese Berichterstattung unter keinem rechtlichen Aspekt
der Tätigkeit des Antragsgegners als Kreiswahlleiter zu-
zurechnen. Für diese Berichterstattung sind allein der
Herausgeber dieser Zeitung und die im Impressum ge-
nannten Personen verantwortlich. Allein der Umstand,
daß diese Zeitung zugleich auch offizielles Bekanntma-
chungsorgan des Antragsgegners und als solches im Im-
pressum kenntlich gemacht ist, führt zu keiner anderen
Beurteilung“.
Diesen Ausführungen schließt sich der Wahlprüfungs-
ausschuß in vollem Umfang an. Nur ergänzend sei hin-
zugefügt, daß es in den §§ 4 und 7 der nordrhein-westfäli-
schen Bekanntmachungsverordnung (GV. NW. S. 224 /
SGV. NW. 2023) ausdrücklich vorgesehen ist, öffent-
liche Bekanntmachungen der Gemeinden und Kreise in
einer oder mehreren in der Hauptsatzung hierfür allge-
mein bestimmten Tageszeitungen zu vollziehen. Von
dieser Möglichkeit hat der Oberbergische Kreis Ge-

Drucksache 14/1560 – 172 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

brauch gemacht und in § 20 seiner Hauptsatzung meh-
rere Tageszeitungen bestimmt, in denen öffentliche Be-
kanntmachungen des Kreises vollzogen werden. Hierzu
gehört auch die OVZ. Der Einspruchsführer beanstandet
jedoch nicht solche amtlichen Bekanntmachungen. Eine
„Verletzung der Neutralitätspflicht“ sieht er nur in Arti-
keln, die im redaktionellen Teil der OVZ erschienen
sind. Veröffentlichungen der Presse stehen jedoch unter
dem in Artikel 5 des Grundgesetzes ausdrücklich ver-
bürgten Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit und
unterliegen auch nicht der Kontrolle im Wahlprüfungs-
verfahren.
Es kann auch kein Wahlfehler hinsichtlich der öffentli-
chen Bekanntmachung der Sitzung des Kreiswahlaus-
schusses am 31. Juli 1998 festgestellt werden. Gemäß
§ 5 Abs. 3 und § 86 Abs. 2 BWO genügt für diese Be-
kanntmachung ein Aushang am oder im Eingang des Sit-
zungsgebäudes mit dem Hinweis, daß jedermann Zutritt
zu der Sitzung hat. Eine solche Bekanntmachung hing
ausweislich der dem Wahlprüfungsausschuß vorgelegten
Unterlagen in der Zeit vom 15. Juli bis 3. August 1998
an der Bekanntmachungstafel des Kreises aus. Nach der
Schilderung der örtlichen Gegebenheiten in der Stel-
lungnahme des Kreiswahlleiters genügt dies den Anfor-
derungen des § 86 Abs. 2 BWO. Der Sitzungssaal des
Kreiswahlausschusses war in einem Gebäude unterge-
bracht, das Teil eines mehrere Gebäude umfassenden
Komplexes ist. Die Häuser sind überdies in der Weise
miteinander verbunden, daß der Sitzungssaal auch über
den Eingang eines anderen Gebäudes erreicht werden
konnte. Unter diesen Umständen erscheint ein Aushang
in einem von außen gut einsehbaren Fenster eines dieser
Gebäude ausreichend, um dem Erfordernis eines Aus-
hangs „am Sitzungsgebäude“ zu genügen. Dies gilt umso
mehr, als davon ausgegangen werden kann, daß infor-
mationssuchende Bürger des Oberbergischen Kreises
eher an einer Bekanntmachungstafel nach einem neuen
Aushang suchen werden als an einem Nebeneingang in
einer Querstraße.
Es liegt auch kein Wahlfehler darin, daß der Abgeordnete
Beucher bereits am 2. Oktober 1997 als Wahlkreiskandi-
dat seiner Partei nominiert wurde. § 21 Abs. 3 BWG
bestimmt insoweit lediglich, daß die Wahlen der Wahl-
kreiskandidaten von Parteien frühestens 32 Monate nach
dem Beginn der Wahlperiode stattfinden dürfen. Die
13. Wahlperiode begann mit der konstituierenden Sitzung
des Bundestages am 10. November 1994, so daß bis zum
2. Oktober 1997 bereits mehr als 32 Monate vergangen
waren. Diese Frist ist auch hinsichtlich der vom Ein-
spruchsführer ebenfalls gerügten Aufstellung des Kandi-
daten der CDU am 14. August 1997 gewahrt. Im übrigen
trifft es zwar zu, daß eine rechtmäßige Wahlkreisbewer-
beraufstellung nicht herbeigeführt werden kann, bevor die
Wahlkreisgrenzen endgültig festliegen (Schreiber, Wahl-
recht, § 21 Rdnr. 15). Wenn nämlich die Wahlkreisgren-
zen noch nicht festliegen, kann auch der zur Wahl eines
Wahlkreisbewerbers bzw. einer Vertreterversammlung
teilnahmeberechtigte Personenkreis nicht bestimmt wer-
den. Die für die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
maßgebliche Wahlkreiseinteilung lag jedoch bereits mit
dem Inkrafttreten des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung
des Bundeswahlgesetzes vom 15. November 1996 (BGBl. I

S. 1712) und den dort vorgenommenen Änderungen der
Wahlkreiseinteilung fest. Mit Bekanntmachung vom
9. Juli 1997 (BGBl. I S. 1691) und vom 1. Dezember 1997
(BGBl. I S. 2772) erfolgten später noch Neubeschreibun-
gen der Abgrenzung einiger Wahlkreise, die jedoch den
hier in Rede stehenden Wahlkreis 66 nicht betreffen.
Demgegenüber sind die mit dem Wahlkreisneueintei-
lungsgesetz vom 1. Juli 1998 (BGBl. I S. 1698) erfolg-
ten Festlegungen für die hier angefochtene Wahl zum
14. Deutschen Bundestag nicht relevant, weil dieses Ge-
setz gemäß seiner Inkrafttretensregelung in Artikel 3
erstmals für die Wahlen zum 15. Deutschen Bundestag
Wirkung erlangen wird.
Es ist weiterhin nicht zu beanstanden, daß der Kreiswahl-
leiter Kreiswahlvorschläge bereits vor dem 28. März 1998
entgegengenommen hat. Durch die Aufforderung per öf-
fentlicher und – in diesem Fall tatsächlich „amtlicher“ –
Bekanntmachung in mehreren Zeitungen vom 28. März
1998 erfüllte der Kreiswahlleiter lediglich die Erforder-
nisse des § 32 BWO. Nach dieser Vorschrift sind, nach-
dem der Wahltag bestimmt ist, die Kreis- und Landes-
wahlleiter verpflichtet, zur möglichst frühzeitigen Ein-
reichung der Wahlvorschläge aufzufordern. Es ist indes
nicht untersagt, solche Vorschläge bereits vor dieser
Aufforderung entgegenzunehmen. Der Hinweis des Ein-
spruchsführers auf die Regelung des § 22 VwVfG ver-
mag die von ihm in diesem Zusammenhang gezogenen
gegenteiligen Schlüsse rechtlich nicht zu begründen. Es
ist auch nicht ersichtlich, warum ein solches Verfahren
die anderen Vorschlagsberechtigten benachteiligen
sollte. Der am 21. Juli 1998 vom Einspruchsführer ein-
gereichte Kreiswahlvorschlag der GRAUEN wurde in
der Sitzung des Kreiswahlausschusses am 31. Juli 1998
ebenso zugelassen wie die bereits wesentlich früher ein-
gereichten Vorschläge der SPD und der CDU.
Ebensowenig greift die Rüge des Einspruchsführers be-
treffend die Durchführung einer Podiumsdiskussion im
Aggertal-Gymnasium in Engelskirchen durch. Auch
hierbei handelt es sich nicht, wie der Einspruchsführer
meint, um eine „amtliche Wahlkampfveranstaltung“.
Schulen sind weder amtliche Wahlorgane noch haben sie
kraft Gesetzes Aufgaben bei der Organisation einer Wahl
zu erfüllen (Kriterien aus den Leitsätzen der Bundesver-
fassungsgerichtsentscheidung vom 20. Oktober 1993,
BVerfGE 89, 243). Sie können daher auch keine Wahl-
fehler begehen.
Weiterhin entbehren die Behauptungen des Einspruchs-
führers im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Abge-
ordneten Beucher als Vorsitzendem des verkürzt so be-
zeichneten Vereins für Soziale Dienste jeglicher Sub-
stanz, die eine vertiefte Untersuchung im Wahlprüfungs-
verfahren erforderte. Soweit in der Tagespresse auf die-
ses Amt des Abgeordneten hingewiesen wurde, ist dies
auch in Wahlkampfzeiten völlig legitim. Dies ist ergibt
sich zum einen schon aus der oben bereits erörterten
Freiheit der Presse. Zum anderen ist es das selbstver-
ständliche Recht eines jeden Bewerbers für ein Mandat
im Bundestag, in Wahlkampfzeiten auch mit seinem
Engagement in sozialen, gesellschaftlichen oder kultu-
rellen Bereichen zu werben, um auch auf diese Weise
um Wählerstimmen zu kämpfen. Die Behauptung des

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173 – Drucksache 14/1560

Einspruchsführers, es liege in diesem Zusammenhang
eine illegale Finanzierung des Wahlkampfs mit Mitteln
der Bundesanstalt für Arbeit vor, entbehrt jeglicher
Grundlage. Bezuschussungen von sozialen Vereinen aus
Steuermitteln sind keine Finanzierung einer Partei, selbst
wenn im Vereinsvorstand Parteimitglieder tätig sind.
Soweit der Einspruchsführer darüber hinaus den Ver-
dacht äußert, in einer Werkstatt des genannten Vereins
seien Wahlkampfgerätschaften für die SPD hergestellt
worden, handelt es sich um eine bloße Anschuldigung,
für die der Einspruchsführer selbst keine Belege vorbrin-
gen kann. Im übrigen sind Gegenstand des Wahlprü-
fungsverfahrens Mängel bei der Vorbereitung und
Durchführung der Bundestagswahlen; Vorgänge im Ver-
antwortungsbereich privater Vereine können deshalb be-
reits dem Ansatz nach keine Wahlfehler begründen.
Ebenfalls unbegründet ist schließlich die Beschwerde
des Einspruchsführers gegen die Änderung des Bundes-
wahlgesetzes vom 20. April 1998 und die darauf fol-
gende Änderung der Bundeswahlordnung (BGBl. 1998 I,
S. 706 und 1134). Die dort vorgenommenen Neurege-

lungen betrafen ausschließlich die Ausweitung des
Wahlrechts für im Ausland lebende Deutsche. Eine Un-
gleichbehandlung der für die Bundestagswahl einge-
reichten Kreiswahlvorschläge infolge dieser Rechtsände-
rung ist nicht ersichtlich.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 174 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175 – Drucksache 14/1560

Anlage 67

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 65/98 –
des Herrn Martin Fehndrich

wohnhaft: Borkhofer Straße 62, 47137 Duisburg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 30. Oktober 1998 hat der Ein-

spruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen Bundes-
tag am 27. September 1998 angefochten.
Der Einspruchsführer vertritt die Ansicht, in den §§ 6
und 7 des Bundeswahlgesetzes (BWG) seien Sy-
stemwidrigkeiten enthalten, die zur Verfassungswid-
rigkeit des Gesetzes führten. Nach dem geltenden
Wahlsystem sei es möglich, daß Wählerstimmen ein
negatives Gewicht bekämen. Sie schadeten der ge-
wählten Partei dadurch, daß diese im Endeffekt weni-
ger Sitze erhalte als ohne diese Stimmen. Deshalb
handele es sich bei der Bundestagswahl nicht um eine
Wahl im Sinne des Artikels 38 des Grundgesetzes
(GG), denn eine Wählerstimme dürfe sich nur positiv
für die gewählte Partei auswirken.
Der Einspruchsführer führt dazu aus, dieser Effekt
betreffe speziell im 14. Deutschen Bundestag die Ab-
geordneten Birgit Roth und Hedi Wegener sowie die
Wahlbewerberin Kerstin Raschke. Wenn in Hamburg
20 000 Wähler mehr ihre Zweitstimme der SPD ge-
geben hätten, säße eine SPD-Abgeordnete, nämlich
Birgit Roth, weniger im Bundestag. Hätten zusätzlich
10 000 Wähler in Mecklenburg-Vorpommern der
SPD ihre Zweitstimme gegeben, so hätte auch die
Abgeordnete Hedi Wegener nicht in den Bundestag
einziehen können. Andererseits hätte die SPD eine
weitere Abgeordnete (Kerstin Raschke) in den Bun-
destag entsenden können, wenn sie in Bremen oder in
Hamburg oder in Sachsen-Anhalt oder in Schleswig-
Holstein oder in Mecklenburg-Vorpommern oder im
Saarland oder in Brandenburg 70 000 Zweitstimmen
weniger errungen hätte. Der Effekt, daß eine Partei
für Wählerstimmen „bestraft“ werde, trete vor allem
in Bremen so regelmäßig und vorhersehbar auf, daß
darüber bereits in der Presse berichtet worden sei.
Der Einspruchsführer trägt vor, ein negatives Stim-
mengewicht entstehe zunächst durch die Regelung
des Wahlgesetzes zu den „internen“ Überhangman-

daten in Verbindung mit den Regelungen zur Unter-
verteilung der Parteimandate auf die einzelnen ver-
bundenen Landeslisten (§ 7 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 4
und 5 BWG). Überhangmandate entständen in Län-
dern, in denen eine Partei einen geringeren Anspruch
an Mandaten nach Zweitstimmen habe, als ihr an
Direktmandaten zuständen. Eine Landesliste erhalte
damit um so mehr Überhangmandate, je weniger
Zweitstimmen sie bekomme. Ein Mehr an Zweit-
stimmen für eine „Überhanglandesliste“ bringe dieser
selbst keinen Vorteil, solange die Zahl der Direkt-
mandate die Zahl des Zweitstimmenmandatsan-
spruchs nicht unterschreite. Der Partei insgesamt aber
schade es, da bei der Unterverteilung anderen Lan-
deslisten ein Mandat verloren gehe. Der Einspruchs-
führer macht zur Lösung dieses Problems verschie-
dene Vorschläge, u. a. die Einführung von Aus-
gleichsmandaten, eine Kompensation der Überhang-
mandate über den bundesweiten Zweitstimmenan-
spruch einer Partei oder die Wiedereinführung der bis
1953 geltenden Rechtslage, nach der die Bundeslän-
der abgeschlossene Wahlgebiete bildeten.
Weiterhin beanstandet der Einspruchsführer, es könne
auch die Unterverteilung der Landeslistenmandate
speziell nach dem System Hare-Niemeyer (§ 7 Abs. 3
i.V.m. § 6 Abs. 2 BWG) in Kombination mit den Re-
gelungen betreffend die Überhangmandate zu dem
beschriebenen Effekt führen. Es sei möglich, daß zu-
sätzliche Stimmen, die den bundesweiten Zweitstim-
menanspruch einer Partei nicht veränderten, zu Ver-
schiebungen bei der Unterverteilung der Mandate auf
die einzelnen Landeslisten führten. Erhalte eine Lan-
desliste mit Überhang ein Verschiebemandat, falle
das Überhangmandat weg. Der zuerst dargelegte
Fehler werde somit auf das gesamte Bundesgebiet
übertragen. So hätte bei der Wahl 1994 die CDU ein
Mandat mehr erhalten, wenn in einem beliebigen
Bundesland 30 000 Stimmen weniger für sie abgege-
ben worden wären. Ein Zuwachs von 75 000 Stim-
men für die SPD in Nordrhein-Westfalen hätte dieser
insgesamt ein Mandat gekostet.

Drucksache 14/1560 – 176 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Der Einspruchsführer beanstandet schließlich, daß
speziell beim Proportionalverfahren Hare-Niemeyer
„unlogische Sprünge“ bzw. das „Alabama-Para-
doxon“ aufträten. Dies mache sich zum einen wieder-
um bei der Unterverteilung der Landeslistenmandate
bemerkbar. Es sei möglich, daß ein Stimmengewinn,
der der Partei nach Zweitstimmen einen Sitz mehr
bringe, gerade der Landesliste, die den Stimmenge-
winn zu verbuchen habe, einen Sitz weniger bringe.
Ein ähnlicher Effekt trete aber auch bei der Oberver-
teilung nach dem System Hare-Niemeyer in Kombi-
nation mit der Sperrklauselregelung des § 6 Abs. 6
BWG bzw. der Regelung zur Behandlung erfolgrei-
cher Einzelkandidaten in § 6 Abs. 1 und 2 BWG auf.
Der Verlust eines Wahlkreises an einen Bewerber oh-
ne Landesliste könne dazu führen, daß die Partei des
unterlegenen Kandidaten ein Mandat mehr erhalte.
Durch die fehlende Konsistenz des Verfahrens Hare-
Niemeyer könne zum anderen die Sitzverteilung zwi-
schen zwei Parteien durch Stimmen für eine dritte
Partei verschoben werden. So hätten insgesamt
38 000 Zweitstimmen weniger für die CDU ein Man-
dat mehr für die F.D.P. und eins weniger für die PDS
ergeben.
Der Einspruchsführer meint, im Vergleich der Pro-
portionalverfahren Hare-Niemeyer und St. Lague/
Schepers gewährleiste aus mathematischer Sicht das
letztere die Erfolgswertgleichheit aller Stimmen am
besten. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vor-
trags, insbesondere hinsichtlich der von ihm vorge-
legten Berechnungsbeispiele, wird auf den Aktenin-
halt Bezug genommen. Der Einspruchsführer vertritt
die Auffassung, wegen der dargestellten Systemwid-
rigkeiten handele es sich bei der Bundestagswahl
nicht um eine Wahl im Sinne des Grundgesetzes. Er
beantragt daher die Auflösung des 14. Deutschen
Bundestages.
Zu dem Einspruch liegt eine Stellungnahme des Bun-
deswahlleiters vor, die dem Einspruchsführer be-
kanntgegeben worden ist. Der Bundeswahlleiter be-
stätigt die Berechnungen des Einspruchsführers und
insbesondere auch die beschriebenen Effekte des Be-
rechnungsverfahrens Hare-Niemeyer.
Eine Zunahme von Zweitstimmen für eine Partei
könne in der Tat unter bestimmten Voraussetzungen
zu einer Abnahme bei den Sitzen führen; in analoger
Weise könne eine Abnahme von Zweitstimmen zu
einer Zunahme bei den Sitzen führen. Dies habe seine
Ursache in der vom Bundeswahlgesetz getroffenen
Regelung zu Überhangmandaten. Der Effekt könne
auftreten, wenn eine Partei im Land des Stimmenzu-
wachses Überhangmandate erziele. Bei gleicher Sitz-
zahl für die Partei insgesamt entfalle bei der Auftei-
lung auf die Länder auf das Land des Stimmenzu-
wachses ein Sitz mehr auf Kosten eines anderen Lan-
des. Wegen der Verrechnung mit den Direktmandaten
wirke sich der Gewinn eines Sitzes jedoch nicht aus,
so daß im Saldo ein Sitz verloren gehe. Ein analoger
Effekt könne bei einer Abnahme der Stimmen auf-
treten.

Wie der Bundeswahlleiter weiter ausführt, kann die-
ses Phänomen auch bei dem Berechnungsverfahren
St. Lague/Schepers auftreten. Dieses Verfahren ver-
meide aber im Gegensatz zu dem Verfahren Hare-
Niemeyer die von dem Einspruchsführer weiterhin
gerügte „Übertragung“ des Effekts auf andere Bun-
desländer. Beim Verfahren von St. Lague/Schepers
müsse nämlich der Stimmenzuwachs immer in einem
Land mit Überhangmandat erfolgen, um den be-
schriebenen Effekt zu erreichen. Beim Verfahren
Hare-Niemeyer müsse dagegen das Land des Stim-
menzuwachses nicht unbedingt mit dem Land mit den
Überhangmandaten identisch sein.
Der Bundeswahlleiter bestätigt auch, daß ein Stim-
mengewinn, der für eine Partei insgesamt einen Sitz
mehr bringe, unter Umständen gerade in dem Land
des Stimmengewinns zum Verlust eines Sitzes führen
könne. Ebenso könne der Verlust eines Wahlkreises
eines Bewerbers ohne Landesliste an den Wahlkreis-
kandidaten einer Partei dazu führen, daß die Partei
des siegreichen Kandidaten ein Mandat weniger er-
halte. Beide Sachverhalte würden durch das beim
Verfahren Hare-Niemeyer auftretende „Alabama-
Paradoxon“ verursacht und könnten beim Verfahren
von St. Lague/Schepers nicht auftreten.
Schließlich sei es auch zutreffend, daß Änderungen in
der Stimmenzahl einer Partei zu einer Mandatsver-
schiebung zwischen zwei unbeteiligten Parteien füh-
ren könnten. Auch dieser Sachverhalt sei nur beim
Verteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer und nicht
beim Verfahren nach St. Lague/Schepers denkbar.
Der Bundeswahlleiter führt weiter aus, das Verfahren
von Hare-Niemeyer weise einige Eigenarten auf, die
bei St. Lague nicht aufträten. Bei einer nachträglichen
Erhöhung der Sitzzahl insgesamt um Eins würde man
erwarten, daß eine Partei einen Sitz mehr bekomme
und die Sitzzahl der übrigen Parteien unverändert
bleibe. Bei Hare-Niemeyer könne es nun passieren,
daß trotz einer Erhöhung der Gesamtsitzzahl einer
Partei etwas weggenommen werde. Dieser Sachver-
halt sei unter dem Namen „Alabama-Paradoxon“ be-
kannt. Dieses Paradoxon würde beispielsweise auch
auftreten, wenn man den Bundestag um einen Sitz
vergrößerte. SPD und F.D.P. würden dann je einen
Sitz mehr bekommen, die PDS jedoch einen weniger.
Dagegen verhielte sich das Verfahren von St. Lague
so, wie man es erwarte. Im Beispielsfall würde den
zusätzlichen Sitz die Partei erhalten, deren bisherige
Sitzzahl am deutlichsten unter dem Idealanspruch
liege, nämlich die F.D.P. Die Sitzzahlen der anderen
Parteien blieben unverändert.
Beim Verfahren von Hare-Niemeyer könne noch eine
andere Ungereimtheit auftreten: Bei einem Stimmen-
zuwachs einer Partei (z. B. beim endgültigen Ergeb-
nis gegenüber dem vorläufigen) würde man erwarten,
daß – wenn sich überhaupt Änderungen ergäben –
diese Partei auf Kosten einer anderen einen Sitz mehr
bekomme, und daß zwischen den übrigen Parteien,
deren Stimmenzahl ja gleichbleibe, keine Verschie-
bungen entstünden. Entsprechendes würde man bei

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177 – Drucksache 14/1560

einem Stimmenverlust erwarten. Dies sei beim Ver-
fahren Hare-Niemeyer jedoch nicht immer gewährlei-
stet: So hätte zum Beispiel ein Minus von 70 995
SPD-Stimmen bei der Bundestagswahl 1998 nicht
etwa zum Verlust eines SPD-Sitzes geführt, sondern
zu einer Verschiebung eines Sitzes von der PDS zur
F.D.P. Dagegen verhalte sich das Verfahren von St.
Lague so, wie man es vernünftigerweise erwarte:
Hätte die SPD 70 955 Zweitstimmen weniger be-
kommen, so hätte sie einen Sitz zugunsten der Partei,
die bisher am schlechtesten weggekommen sei (näm-
lich der F.D.P.) abgeben müssen.
Der Bundeswahlleiter kommt zu dem Schluß, da das
Verfahren von St. Lague frei von den erwähnten
Widersinnigkeiten sei und ebenso wie das Verfahren
Hare-Niemeyer (im Gegensatz zum Verfahren von
d’Hondt) unverzerrt, sei es nach seinem Erachten
vorzuziehen.
Der Bundeswahlleiter trägt schließlich vor, wenn bei
der Bundestagswahl 1998 die Mandatszuteilung nach
dem Verfahren St. Lague/Schepers erfolgt wäre, hätte
sich keine Änderung an der Sitzzahl der Parteien
bundesweit ergeben. Bei der Aufteilung auf die Län-
der hätten sich bei zwei Parteien Verschiebungen er-
geben: Die CDU hätte in Mecklenburg-Vorpommern
einen Sitz mehr und dafür in Thüringen einen weni-
ger und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätte im Saar-
land einen Sitz mehr und in Nordrhein-Westfalen ei-
nen weniger bekommen. An der Zahl und der Ver-
teilung der Überhangmandate hätte sich nichts geän-
dert.
Der Einspruchsführer hatte sein Anliegen bereits vor
der Wahl zum Gegenstand eines Petitionsverfahrens
gemacht. Der Bundestag hat hierzu am 30. April 1998
beschlossen, das Petitionsverfahren abzuschließen.
Zur Begründung hat der Bundestag insbesondere auf
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
10. April 1997 zur Verfassungsmäßigkeit der Über-
hangmandate hingewiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der An-
beraumung einer öffentlichen mündlichen Verhand-
lung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Einspruchsführer stützt seinen Einspruch aus-
schließlich auf verfassungsrechtliche Vorbehalte gegen
die geltenden Regelungen des Bundeswahlgesetzes, ins-
besondere in § 7 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1, 2, 4, 5 und 6.
Hieraus läßt sich jedoch kein Wahlfehler ableiten, der
seinem Einspruch zum Erfolg verhelfen könnte. Denn
die Sitzverteilung im 14. Deutschen Bundestag beruht
auf gültigen Wahlrechtsvorschriften, die korrekt ange-

wendet wurden. Der Wahlprüfungsausschuß und der
Deutsche Bundestag haben es stets abgelehnt, im Wahl-
prüfungsverfahren die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften festzustellen. Sie haben diese Kon-
trolle dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Unbeschadet dessen teilt der Bundestag bereits die ver-
fassungsrechtlichen Bedenken des Einspruchsführers
nicht. Der von ihm hauptsächlich gerügte Effekt eines
negativen Erfolgswerts infolge der Überhangmandate ist
notwendigerweise mit der Existenz solcher Mandate
verbunden. Überhangmandate entstehen – vereinfacht
ausgedrückt – durch ein Auseinanderfallen der Erst- und
Zweitstimmenanteile einer Partei. Wenn nun durch das
Anwachsen des Zweitstimmenanteils die Differenz an-
bzw. ausgeglichen wird, liegt es zwingend in der Logik
des Systems, daß das Überhangmandat wieder entfällt.
An diesem grundsätzlichen Mechanismus ändert es auch
nichts, daß sich der von dem Einspruchsführer gerügte
Effekt in der Praxis erst bei der Unterverteilung der
Stimmenanteile auf die einzelnen Landeslisten der Par-
teien auswirkt.
Die Regelungen des Bundeswahlgesetzes zu den Über-
hangmandaten waren erst kürzlich Gegenstand einer ver-
fassungsgerichtlichen Prüfung. Das Bundesverfassungs-
gericht hat in seiner Entscheidung vom 10. April 1997
(BVerfGE 95, 335 ff.) festgestellt, daß diese Vorschriften
mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Gericht hat in
diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der
Verfassungsgesetzgeber bewußt darauf verzichtet habe,
ein Wahlsystem und dessen Durchführung verfassungs-
rechtlich vorzuschreiben. Er habe damit ein Stück mate-
riellen Verfassungsrechts offengelassen, das vom Wahl-
gesetzgeber auszufüllen sei. Diesem sei hierbei ein wei-
ter Gestaltungsspielraum eingeräumt (BVerfGE 95, 335,
349). Dieser Gestaltungsspielraum umfaßt auch die Re-
gelungen zu den Überhangmandaten. Ausdrücklich hat
das Gericht festgestellt, daß die Entstehung von Über-
hangmandaten ohne Ausgleich für die anderen Parteien
den Anforderungen der Wahlgleichheit nach Artikel 38
Abs. 1 Satz 1 GG genügt und die Chancengleichheit der
Parteien wahrt (BVerfGE 95, 335, 357). Diese Entschei-
dung hat das Gericht in Kenntnis des auch vom Ein-
spruchsführers beschriebenen Effekts eines negativen
Stimmengewichts getroffen; die Niedersächsische Lan-
desregierung hatte im Verfahren hierauf ausdrücklich
hingewiesen (BVerfGE 95, 335, 343).
Zuvor hatte sich auch der Bundestag intensiv mit den
Regelungen im Bundeswahlgesetz zu den Überhang-
mandaten beschäftigt und sie unter Hinzuziehung von
Sachverständigen auf ihre Verfassungsmäßigkeit über-
prüft. Bereits die in der 13. Wahlperiode eingesetzte Re-
formkommission zur Größe des Bundestages war zu dem
Ergebnis gekommen, die bestehenden Regelungen des
Bundeswahlgesetzes, die zum Auftreten von Überhang-
mandaten führen können, seien verfassungsgemäß, und
es bestehe auch keine verfassungsrechtliche Notwendig-
keit, Überhangmandate durch ergänzende Regelungen
auszugleichen, etwa durch Ausgleichsmandate oder eine
Verrechnung bei den verbundenen Landeslisten. Die
Kommission hat dem Bundestag keine Änderungen der
§§ 6 und 7 BWG empfohlen (s. Drucksache 13/4560).

Drucksache 14/1560 – 178 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Diesen Empfehlungen ist der Bundestag gefolgt; Gesetz-
entwürfe der 13. Wahlperiode, die die Kompensation
von Überhangmandaten vorsahen, fanden keine Mehr-
heit (s. hierzu Drucksache 13/5750, StenProt 13/129
vom 11. Oktober 1996 S. 11631 ff.).
An dieser Einschätzung hält der Bundestag auch in An-
sehung des vorliegenden Wahleinspruchs fest; die Ar-
gumente des Einspruchsführers berühren lediglich eine
Facette der in der 13. Wahlperiode geführten Diskus-
sion.
Auch das vom Einspruchsführer kritisierte Berech-
nungsverfahren nach Hare-Niemeyer ist in den gesetzli-
chen Vorschriften der §§ 6 Abs. 2 und 7 Abs. 3 BWG
ausdrücklich vorgesehen, und zwar sowohl für die Be-
rechnung des Gesamtproporzes der Parteien, als auch für
die Unterverteilung auf die Landeslisten. Dieses Berech-
nungsverfahren wurde im Jahr 1985 mit dem 7. Gesetz
zur Änderung des BWG eingeführt und ersetzt das bis
dahin praktizierte Höchstzahlverfahren nach d’Hondt.
Ausschlaggebend für diese Änderung war die Erkennt-
nis, daß das Verfahren nach d’Hondt eine gewisse Be-
günstigung größerer Parteien und parteiintern größerer
Länder nach sich zieht. Dies wird im System Hare-
Niemeyer vermieden (vgl. dazu Schreiber, Wahlrecht,
§ 6 Rdnr. 6).
Es läßt sich jedoch mit keinem Berechnungsverfahren,
weder mit dem nach d’Hondt, noch mit dem nach Hare-
Niemeyer oder St. Lague / Schepers eine mathematisch
absolut exakte Übertragung des Stimmenverhältnisses
der Parteien auf das Sitzverhältnis im Bundestag errei-
chen. Gewisse Abstriche müssen bei der Erfolgswert-
gleichheit aller Stimmen immer hingenommen werden.
Dies liegt daran, daß man die jeweiligen Ansprüche zwar
bruchteilsmäßig genau berechnen kann, daß aber auch
auf bruchteilsmäßig berechnete Ansprüche immer nur
ganzzahlige Sitze zugeteilt werden können. Jedes Be-
rechnungsverfahen erfordert daher Rundungen, wobei
sich deren Methoden von Verfahren zu Verfahren unter-
scheiden. Auch die vom Einspruchsführer kritisierten Ef-
fekte, die speziell beim Verfahren Hare-Niemeyer auf-
treten, beruhen auf der Notwendigkeit solcher Rundun-
gen und der in diesem Verfahren hierfür verwendeten
Methode.
Sind aber Ungenauigkeiten nach jedem Verfahren un-
vermeidbar, so liegt es im Ermessen des Gesetzgebers,
welche von mehreren in Betracht kommenden Möglich-
keiten er für die Berechnung der Sitzzuteilung im Bun-
destag wählt. Das Bundesverfassungsgericht hat aus die-

sem Grund die Verfassungsmäßigkeit des Verfah-
rens nach Hare-Niemeyer bestätigt (BVerfGE 79, 169,
171).
Es ist nun allerdings dem Einspruchsführer zuzugeste-
hen, daß sein Wahleinspruch die speziellen Nachteile des
Systems Hare-Niemeyer besonders deutlich macht. Nach
der Stellungnahme des Bundeswahlleiters ist davon aus-
zugehen, daß das System St. Lague/Schepers die Mängel
sowohl der Berechnungsverfahren nach d’Hondt als auch
der nach Hare-Niemeyer vermeidet und dennoch zu
– ihm Rahmen des Möglichen – exakten Ergebnissen
führt. Die Abwägung der Vor- und Nachteile der einzel-
nen Berechnungsverfahren ist indes nicht eine Frage der
Verfassungsmäßigkeit, sondern der Zweckmäßigkeit.
Das Ausmaß der Sitzverschiebungen aufgrund des mit
dem System Hare-Niemeyer verbundenen „Alabama-
Paradoxons“ ist nicht so groß, daß hier von einer ver-
fassungswidrigen Verzerrung der Erfolgswertgleichheit
der Stimmen die Rede sein kann. Für die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag ergibt sich dies bereits aus den
Berechnungen des Bundeswahlleiters, wonach auch bei
Anwendung des Systems St. Lague/Schepers der Ge-
samtproporz der Parteien unverändert geblieben wäre.
Fragen der Zweckmäßigkeit kann der Gesetzgeber – wie
bereits dargelegt – im Rahmen seines Ermessens beant-
worten; so kann für zukünftige Wahlen durchaus geprüft
werden, ob ein anderes Berechnungsverfahren für die
Sitzverteilung im Bundestag gewählt werden soll.
Solche Überlegungen ändern jedoch nichts an der Gül-
tigkeit der Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag. Eine
Auflösung des Bundestages und die Anberaumung von
Neuwahlen, wie es der Einspruchsführer fordert, kom-
men nicht in Betracht.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 179 – Drucksache 14/1560

Anlage 68

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 84/98 –
des Herrn Christoph Zenger

wohnhaft: Kath.-Eberhard-Straße 6, 85540 Haar
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 11. November 1998, das am

16. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten.
Der Einspruchsführer fordert eine Änderung der Ge-
samtzahl der Sitze im Bundestag sowie eine Ände-
rung der Sitzverteilung unter den Parteien. Nach den
Vorstellungen des Einspruchsführers sollen im
14. Deutschen Bundestag nicht 669, sondern lediglich
656 Sitze vorhanden sein, von denen 286 auf die
SPD, 46 auf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 199 auf
die CDU, 47 auf die CSU, 43 auf die F.D.P und 35
auf die PDS zu verteilen wären. Dies entspricht einem
Minus von 12 Sitzen für die SPD und von jeweils
einem Sitz für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
PDS sowie einem Zuwachs von einem Sitz für
die CDU. Insgesamt würde sich der Bundestag um
13 Sitze verkleinern.
Die Sitzverteilung im 14. Deutschen Bundestages
wurde auf der Grundlage des Wahlergebnisses vom
27. September 1998 und in Anwendung der einschlä-
gigen Regelungen in den §§ 1, 6 und 7 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) vorgenommen. Gemäß § 1
Abs. 1 BWG besteht der Bundestag aus 656 Abge-
ordneten „vorbehaltlich der sich aus diesem Gesetz
ergebenden Abweichungen“. Solche Abweichungen
können gemäß § 6 Abs. 5 und § 7 Abs. 3 BWG in
Überhangmandaten bestehen, von denen nach dem
Wahlergebnis 13 für die SPD angefallen sind. Dies
ergibt in der 14. Wahlperiode eine Gesamtsitzzahl im
Bundestag von 669. Die „Umrechnung“ der für die
einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen auf die zur
Verfügung stehenden Sitze im Bundestag erfolgt ge-
mäß § 6 Abs. 2 und § 7 Abs. 3 BWG nach dem Pro-
portionalverfahren Hare-Niemeyer.
Der Einspruchsführer gelangt zu anderen Ergebnis-
sen, weil er nicht nach dem Verfahren Hare-

Niemeyer, sondern nach dem Verfahren des belgi-
schen Juristen d’Hondt rechnet und auch Überhang-
mandate nicht zulassen will. Zur Begründung dessen
führt er den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit (Ar-
tikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG) an.
Da nach § 1 Abs. 1 BWG der Bundestag nach den
Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen
Verhältniswahl gewählt wird, verstoßen Überhang-
mandate nach Ansicht des Einspruchsführers gegen
den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Hierzu be-
ruft sich der Einspruchsführer auf die vier Richter im
Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, die die
Entscheidung vom 10. April 1997 zu den Überhang-
mandaten nicht trugen sowie auf die Stimmen mehre-
rer Abgeordneter des 13. Deutschen Bundestages, die
sich in der Öffentlichkeit bzw. in einem Fall auch in
einem Brief an den Einspruchsführer gegen Über-
hangmandate ausgesprochen haben.
Darüber hinaus vertritt der Einspruchsführer die Auf-
fassung, daß auch das Berechnungsverfahren für die
Sitzzuteilung nach Hare-Niemeyer dem Grundsatz
der Wahlrechtsgleichheit nicht gerecht werde. Dieses
Verfahren führe zu Mandatszuteilungen, die „mathe-
matisch falsch“ seien, während nach Ansicht des Ein-
spruchsführers „mit dem d’Hondtschen Verfahren ein
Verfahren mit absoluter mathematischer Gleichheit
des Erfolgswertes der Stimmen gegeben ist“.
Der Einspruchsführer meint, die mathematische
Richtigkeit des Verfahrens nach d’Hondt bewiesen zu
haben und führt dazu folgendes aus: Im Deutschen
Reich sei bis nach dem ersten Weltkrieg in den
Wahlgesetzen die Zahl der gültigen Stimmen be-
stimmt gewesen, für die ein Sitz zuzuteilen gewesen
sei. Noch nach den Reichswahlgesetzen von 1920
und 1924 sei für je 60 000 Stimmen ein Reichstags-
sitz zuzuteilen gewesen. Für jede Wahlbewerberliste
seien dann einmalig Reststimmen angefallen, deren
Zahl kleiner als 60 000 gewesen sei und die deshalb
für die Zuteilung eines ganzen Sitzes nicht ausge-
reicht hätten. Da aber nur die Zuteilung ganzer Sitze

Drucksache 14/1560 – 180 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

denkbar und möglich sei, seien diese Stimmen als
zwar gültige, aber nicht „sitzezuteilungsbar“ „unter
den Tisch“ gefallen.
Dieses Verfahren sei letztlich jedoch nicht mehr
praktikabel gewesen, da es zu einem ständigen An-
wachsen der Parlamentssitze geführt habe. Seit etwa
1924 hätten die Wahlgesetze deshalb die Gesamtzahl
der zu vergebenden Sitze vorherbestimmt. Das dabei
angewandte Berechnungsverfahren für die Sitzzutei-
lung nach d’Hondt entspreche jedoch dem alten
Wahlmodus, nur im umgekehrten Sinne. Früher sei
die Stimmenzahl je Sitz als ganze Zahl vorherbe-
stimmt gewesen, und die Anzahl der danach zu ver-
gebenden Sitze habe differiert. Nunmehr werde im
Wahlgesetz die Gesamtsitzzahl vorgegeben, und nach
dem Verfahren d’Hondt könne berechnet werden, wie
viele Stimmen für die Zuweisung eines ganzen Sitzes
erforderlich seien.
Wählerstimmen und Sitze seien nur als ganze Zahlen
denkbar; Bruchteile von Stimmen gebe es ebensowe-
nig wie Bruchteile von Sitzen. Daher seien nach dem
d’Hondtschen Verfahren aus den ganzen „Stimmen-
summenzahlen“ durch Divisionen so viele ganzzah-
lige Quotienten zu berechnen, als Sitze zu vergeben
seien. Aus deren Reihenfolge ergebe sich auch die
Reihenfolge der zugewiesenen Sitze. Der kleinste der
im Verfahren nach d’Hondt als „Höchstzahlen“ be-
zeichneten Quotienten gebe dabei die für einen Sitz
erforderliche Stimmenzahl wieder. Dieser mathemati-
sche Sinn des d’Hondt’schen Verfahrens sei wohl
nicht allgemein geläufig.
Bei 656 Sitzen insgesamt sei dieser kleinste Quotient
der 656ste. Er betrage für die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag 70 376. Hierzu legt der Einspruchs-
führer eine Tabelle mit den „sitzezuteilbaren gültigen
Sitzen bei 70 376 Stimmen je Mandat“ vor. Aus die-
ser ergibt sich die eingangs dargestellte Sitzverteilung
auf die Parteien, wie sie nach Ansicht des Einspruchs-
führers „richtig“ ist. Dabei würden für jede Partei
„Reststimmen“ anfallen, die „für einen Sitz nicht aus-
reichend“ seien. Die Anzahl dieser Reststimmen
betrage zwischen 84 (bei der CDU) und 64 328 (bei
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Insgesamt ergäben
sich nach dem vom Einspruchsführer favorisierten
Verfahren 242 034 Reststimmen, die „zwar gültig,
aber nicht sitzezuteilungsbar“ wären.
Der Einspruchsführer vertritt im übrigen die Ansicht,
weder die Regelungen des Bundeswahlgesetzes, noch
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
10. April 1997 stünden seinem Anliegen entgegen.
Denn auch ein Gesetz könne mathematisch falschen
Berechnungen nicht zur Rechtswirksamkeit verhel-
fen; ebensowenig könne man auch auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts Einwendungen gegen
mathematisch als richtig bewiesene Berechnungen
stützen.
Der Einspruchsführer hatte bereits in der 11. Wahlpe-
riode mit einem entsprechenden Anliegen ein Wahl-
prüfungsverfahren betrieben. Der Bundestag hat die-
sen Wahleinspruch am 3. März 1988 als offensicht-

lich unbegründet zurückgewiesen (s. Drucksache
11/1805, Anlage 37). Eine dagegen gerichtete Wahl-
prüfungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht
ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben (Beschluß vom
24. November 1988, BVerfGE 79, 161, 169 ff.).
Für das laufende Wahlprüfungsverfahren hat der Ein-
spruchsführer schließlich beantragt, ihm seine not-
wendigen Auslagen zu erstatten.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers läßt keinen Wahlfehler erkennen.
Der Einspruchsführer beanstandet die Regelungen zu
den Überhangmandaten in § 6 Abs. 5 i.V.m. § 7 Abs. 3
BWG sowie die in § 6 Abs. 2 BWG für die Sitzvertei-
lung vorgesehene Anwendung des Berechnungsverfah-
rens nach Hare-Niemeyer als verfassungswidrig. Diese
Regelungen waren jedoch bereits Gegenstand der verfas-
sungsgerichtlichen Prüfung und sind vom Bundesverfas-
sungsgericht ausdrücklich bestätigt worden.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-
dung vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) festge-
stellt, daß die Vorschriften des Bundeswahlgesetzes zu
den Überhangmandaten mit dem Grundgesetz vereinbar
sind. Ausdrücklich hat das Gericht ausgeführt, daß die
Entstehung von Überhangmandaten ohne Ausgleich für
die anderen Parteien den Anforderungen der Wahl-
gleichheit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG genügt und
die Chancengleichheit der Parteien wahrt (BVerfGE 95,
335, 357). Hiergegen kann der Einspruchsführer auch
nicht einwenden, daß vier Richter des erkennenden Se-
nats anderer Meinung gewesen sind, denn die abwei-
chende Auffassung dieser vier Richter hat die Entschei-
dung des Gerichts gerade nicht getragen.
Zuvor hatte sich auch der Bundestag intensiv mit den
Regelungen im Bundeswahlgesetz zu den Überhang-
mandaten beschäftigt und sie unter Hinzuziehung von
Sachverständigen auf ihre Verfassungsmäßigkeit über-
prüft. Bereits die in der 13. Wahlperiode eingesetzte Re-
formkommission zur Größe des Bundestages war zu dem
Ergebnis gekommen, die bestehenden Regelungen des
Bundeswahlgesetzes, die zum Auftreten von Überhang-
mandaten führen können, seien verfassungsgemäß, und
es bestehe auch keine verfassungsrechtliche Notwendig-
keit, Überhangmandate durch ergänzende Regelungen
auszugleichen, etwa durch Ausgleichsmandate oder eine
Verrechnung bei den verbundenen Landeslisten. Die
Kommission hat dem Bundestag keine Änderungen der
§§ 6 und 7 BWG empfohlen (s. Drucksache 13/4560).
Diesen Empfehlungen ist der Bundestag gefolgt; Gesetz-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 181 – Drucksache 14/1560

entwürfe der 13. Wahlperiode, die die Kompensation
von Überhangmandaten vorsahen, fanden keine Mehr-
heit (s. hierzu Drucksache 13/5750, StenProt 13/129
vom 11. Oktober 1996, S. 11631 ff.).
Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht die Verfas-
sungsmäßigkeit des Berechnungsverfahrens nach Hare-
Niemeyer bestätigt, und zwar in einer Entscheidung über
eine Wahlprüfungsbeschwerde, die der Einspruchsführer
bereits im Jahr 1988 mit exakt derselben Argumentation
wie jetzt wieder im vorliegenden Wahleinspruch betrie-
ben hat (BVerfGE 79, 169 ff.).
Das Bundesverfassungsgericht hat schon damals hervor-
gehoben, daß eine absolute Gleichheit des Erfolgswerts
der Stimmen bei den Bundestagswahlen auch mit dem
Berechnungsverfahren nach d’Hondt nicht erreicht wer-
den kann. Die Verteilung von Resten ganzer Zahlen auf
zu vergebende ganze Sitze führe zwangsläufig dazu, daß
die für die einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen für
die Zuteilung von Sitzen real unterschiedlichen Erfolgs-
wert hätten. Dies trifft auch auf das Berechnungsverfah-
ren nach d’Hondt zu, wie das Bundesverfassungsgericht
ausdrücklich ausgeführt hat: „Der Beschwerdeführer
kommt bei seiner Berechnung nach dem Verfahren
d’Hondt nur dadurch zu dem Ergebnis, das Verhältnis
von sitzzuteilungsfähigen Stimmen und Sitzen sei gleich,
weil er die bei der Berechnung nach d’Hondt verblei-
benden unberücksichtigten Reststimmen vorab als verlo-
ren abzieht. Die dann errechnete verhältnismäßige
Gleichheit von Stimmenanteilen und Mandaten konnte

somit nur auf Kosten der verlorenen Stimmen erzielt
werden.“
An der Richtigkeit dieser Feststellung hat sich nichts ge-
ändert. Nach dem eigenen Vortrag des Einspruchsführers
bleiben bei der von ihm favorisierten Berechnungsme-
thode von vornherein Reststimmen in der Größenord-
nung zwischen 84 und 64 328 pro Listenverbindung un-
berücksichtigt und damit ohne jeden Erfolgswert. Ange-
sichts dessen kann von einer absoluten Gleichheit des
Erfolgswertes aller Stimmen nicht die Rede sein.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Die Auslagen des Einspruchsführers werden nicht er-
stattet, da ein Wahlfehler nicht festgestellt werden
konnte (§ 19 WPG).

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 182 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 183 – Drucksache 14/1560

Anlage 69

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 86/98 –
des Herrn Wilko Zicht

wohnhaft: Luisental 29 D, 28359 Bremen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 13. November 1998, das beim

Bundestag am 17. November 1998 eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 ange-
fochten.
Der Einspruchsführer hält die Möglichkeit, Landes-
listen einer Partei zu verbinden (§ 7 des Bundes-
wahlgesetzes – BWG) in Verbindung mit den Rege-
lungen für die kompensationslose Zuteilung „inter-
ner“ Überhangmandate (§ 7 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 5
BWG) für verfassungswidrig. Er fordert daher eine
Wiederholung der Wahl zum 14. Deutschen Bundes-
tag.
Zur Begründung trägt er vor, bei der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag hätten sich Zweitstimmen,
die in bestimmten Bundesländern für die SPD abge-
geben worden seien, negativ ausgewirkt und zum
Verlust von Mandaten für diese Partei geführt. In an-
deren Bundesländern hätten die Sozialdemokraten
dagegen davon profitiert, daß nicht noch mehr Zweit-
stimmen auf sie entfallen seien. Dieser absurde Effekt
beruhe auf einer systemwidrigen Kombination des In-
stituts der Listenverbindung mit der kompensations-
losen Zuteilung von Überhangmandaten in § 7 BWG.
Dieses Phänomen trete seit 1957 nahezu in jedem
Bundesland auf, in dem Überhangmandaten entstan-
den wären, und sei darüber hinaus besonders regel-
mäßig in Bremen zu beobachten.
Der Einspruchsführer führt dazu weiter aus, wenn bei
der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag die SPD in
Hamburg 20 000 sowie gleichzeitig in Mecklenburg-
Vorpommern oder Brandenburg 10 000 Zweitstim-
men mehr erhalten hätte, wären auf sie zwei Mandate
weniger entfallen. Die Abgeordneten Birgit Roth und
Hedi Wegener hätten dann kein Mandat erhalten und
seien somit letztlich von Nichtwählern „gewählt“
worden. Wären für die SPD in den Bundesländern
Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Saarland,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder

Thüringen 70 000 und gleichzeitig in Brandenburg
1 000 Zweitstimmen weniger abgegeben worden,
dann hätten die Sozialdemokraten ein Mandat mehr
erhalten; der zusätzliche Sitz wäre auf die Kandidatin
Kerstin Raschke entfallen. Dies hätte gleichzeitig,
den Verlust eines Sitzes der PDS (Heinrich Fink) an
die F.D.P (Christian Eberl) zur Folge gehabt.
Dieser unsinnige Effekt beruhe auf der Kombination
der eingangs genannten Wahlrechtselemente. Es
könne deswegen eigentlich nur im Interesse der Par-
teien liegen, in ihren „Überhangsländern“ besonders
wenige Zweitstimmen zu erhalten. Ein Minus an
Zweitstimmen in diesen Ländern könne nämlich dazu
führen, daß die „überhängende Landesliste“ im Rah-
men der Unterverteilung ein Mandat an eine andere
Landesliste verliere, ohne daß dies Auswirkungen auf
die Oberverteilung zwischen den Parteien habe. Da
sich an der Mandatsstärke der überhängenden Lan-
desliste effektiv nichts ändere (sie erhalte nach wie
vor so viele Mandate, wie sie Wahlkreise direkt habe
gewinnen können), eine andere Landesliste aber ein
zusätzliches Mandat erhalte, ergebe sich für die Partei
insgesamt ein Plus von einem Sitz.
Auf gleiche Weise könnten zusätzliche Zweitstimmen
für eine überhängende Landesliste zur Folge haben,
daß durch den daraus resultierenden innerparteilichen
Mandatstransfer lediglich ein Überhangmandat auf-
gezehrt werde, so daß die Partei aufgrund des Stim-
mengewinns insgesamt ein Mandat verliere. Der un-
sinnige Effekt trete nur dann nicht auf, wenn die
zweite durch den Mandatstransfer betroffene Landes-
liste ebenfalls „überhänge“ oder wenn ein Mehr bzw.
Weniger an Zweitstimmen bereits bei der Oberver-
teilung zwischen den Parteien zu einem Sitzgewinn
bzw. -verlust führe. Beide Situationen seien jedoch
recht unwahrscheinlich.
Besonders prekär stelle sich die Situation in Bremen
dar. Hier gewinne die SPD nämlich traditionell und
unangefochten alle drei Wahlkreise, könne aber im
Rahmen des Verhältnisausgleichs bei realistischer
Betrachtung sogar unter überaus günstigen Umstän-

Drucksache 14/1560 – 184 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

den nicht mit mehr als drei Mandaten rechnen. Dies
habe zur Folge, daß die SPD bei einem besonders
schwachen Wahlergebnis in Bremen mit mehr Man-
daten rechnen können als bei einem besonders guten.
Ein negatives Stimmengewicht könne aber auch dann
auftreten, wenn eine Partei gleichsam knapp einen
Überhang verpaßt habe.
Der Einspruchsführer vertritt die Auffassung, soweit
§ 7 BWG diese Absurditäten hervorrufe, verstoße er
gegen Unmittelbarkeit und Freiheit der Wahl (Arti-
kel 38 Abs. 1 GG) und sei damit verfassungswidrig.
Der einzelne Wähler könne beim Wahlakt nicht mit
hinreichender Zuverlässigkeit abschätzen, ob sich
seine Stimmabgabe für die gewählte Partei positiv
oder negativ auswirke. Dem Grundsatz der Unmittel-
barkeit der Wahl sei die Forderung nach einer unver-
fälschten Umsetzung des Wählerwillens zu entneh-
men. Es komme einer indirekten Wahl durch Wahl-
männer gleich, wenn Wählerstimmen im Rahmen des
mathematischen Prozesses der Sitzzuteilung willkür-
lich ihrer eigentlichen Intention beraubt würden und
der Wählerwille ins genaue Gegenteil verkehrt werde.
Dem Wesen einer Wahl entspreche es, daß eine abge-
gebene Stimme ausschließlich als Zustimmung zur
gewählten Partei gewertet werde. Darüber hinaus sei
dem Grundsatz der freien Wahl nur dann genügt,
wenn dem Wähler eine rationale Entscheidung er-
möglicht werde. Auch dies sei nicht der Fall. Der
Wähler werde durch die Kenntnis der beschriebenen
Effekte vielmehr veranlaßt, unsinnige taktische Über-
legungen anzustellen, die einer rationalen Entschei-
dungsfindung beim Gebrauch des Wahlrechts wider-
sprächen. Unter diesen Umständen sei die Sitzzutei-
lung im Bundestag willkürlich und nicht mehr demo-
kratisch legitimiert.
Der Einspruchsführer macht verschiedene Vorschläge
zur Behebung der beschriebenen Mißstände, wie die
Einteilung der Republik in abgeschlossene Wahlge-
biete mit festen Sitzkontingenten, die Abschaffung
von Listenverbindungen bei gleichzeitiger Beibehal-
tung des einheitlichen Elektorats, die Einführung
echter Bundeslisten, die Kompensation von „inter-
nen“ Überhangmandaten oder die Einführung eines
gänzlich anderen Wahlsystems. In diesem Zu-
sammenhang regt der Einspruchsführer auch an, das
bislang benutze Berechnungsverfahren nach Hare-
Niemeyer für die Sitzzuteilung durch das Verfah-
ren St. Lague/Schepers zu ersetzen. Das Verfahren
Hare-Niemeyer könne zu ähnlichen Effekten wie die
systemwidrige Kombination von Listenverbindung
und Überhangmandaten führen oder diese gar ver-
stärken. Das Verfahren St. Lague/Schepers hingegen
vermeide diese unsinnigen Effekte und bevorzuge
ebenso wie Hare-Niemeyer weder kleine noch große
Parteien bzw. Landeslisten.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vortrag des Ein-
spruchsführers, insbesondere hinsichtlich der von ihm
vorgelegten Berechnungsbeispiele, wird auf den
Akteninhalt Bezug genommen. Der Einspruchsführer
vertritt die Auffassung, wegen der dargestellten
Systemwidrigkeiten müsse die Wahl zum 14. Deut-

schen Bundestag vom 27. September 1998 für ungül-
tig erklärt werden.
Zu dem Einspruch liegt eine Stellungnahme des Bun-
deswahlleiters vor, die dem Einspruchsführer be-
kanntgegeben worden ist. Der Bundeswahlleiter hat
darin zunächst die von dem Einspruchsführer vorge-
nommenen Berechnungen bestätigt.
Der Bundeswahlleiter führt weiterhin aus, eine Zu-
nahme von Zweitstimmen für eine Partei könne in der
Tat unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Ab-
nahme bei den Sitzen führen; in analoger Weise
könne eine Abnahme von Zweitstimmen zu einer Zu-
nahme bei den Sitzen führen. Dies habe seine Ursa-
che in der vom Bundeswahlgesetz getroffenen Rege-
lung zu Überhangmandaten. Der Effekt könne auf-
treten, wenn eine Partei im Land des Stimmenzu-
wachses Überhangmandate erziele. Bei gleicher Sitz-
zahl für die Partei insgesamt entfalle bei der Auftei-
lung auf die Länder auf das Land des Stimmenzu-
wachses ein Sitz mehr auf Kosten eines anderen Lan-
des. Wegen der Verrechnung mit den Direktmandaten
wirke sich der Gewinn eines Sitzes jedoch nicht aus,
so daß im Saldo ein Sitz verloren gehe. Ein analoger
Effekt könne bei einer Abnahme der Stimmen auf-
treten.
Die Stellungnahme des Bundeswahlleiters enthält
außerdem Ausführungen zu den speziellen Nachteilen
des Berechnungssystems nach Hare-Niemeyer, wel-
ches das sog. „Alabama-Paradoxon“ verursacht. Ein
Stimmengewinn, der für eine Partei insgesamt einen
Sitz mehr bringe, könne unter Umständen gerade in
dem Land des Stimmengewinns zum Verlust eines
Sitzes führen; außerdem könne ein Stimmenzuwachs
bei einer Partei Verschiebungen in der Sitzzuteilung
für andere – unbeteiligte – Parteien nach sich ziehen.
Diese Effekte könnten bei dem Berechnungsverfahren
St. Lague/Schepers nicht auftreten. Der Bundeswahl-
leiter kommt zu dem Schluß, da das Verfahren von
St. Lague frei von den erwähnten Widersinnigkeiten
sei und ebenso wie das Verfahren Hare-Niemeyer (im
Gegensatz zum Verfahren von d’Hondt) unverzerrt,
sei es nach seinem Erachten vorzuziehen.
Der Bundeswahlleiter trägt dazu weiter vor, wenn bei
der Bundestagswahl 1998 die Mandatszuteilung nach
dem Verfahren St. Lague/Schepers erfolgt wäre, hätte
sich keine Änderung an der Sitzzahl der Parteien
bundesweit ergeben. Bei der Aufteilung auf die Län-
der hätten sich bei zwei Parteien Verschiebungen er-
geben: Die CDU hätte in Mecklenburg-Vorpommern
einen Sitz mehr und dafür in Thüringen einen weni-
ger und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätte im Saar-
land einen Sitz mehr und in Nordrhein-Westfalen
einen weniger bekommen. An der Zahl und der Ver-
teilung der Überhangmandate hätte sich nichts geän-
dert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185 – Drucksache 14/1560

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Einspruchsführer stützt seinen Einspruch aus-
schließlich auf verfassungsrechtliche Vorbehalte gegen
die geltenden Regelungen des Bundeswahlgesetzes, ins-
besondere in § 7 i.V.m. § 6 Abs. 4 und 5. Hieraus läßt
sich jedoch kein Wahlfehler ableiten, der seinem Ein-
spruch zum Erfolg verhelfen könnte. Denn die Sitzver-
teilung im 14. Deutschen Bundestag beruht auf gültigen
Wahlrechtsvorschriften, die korrekt angewendet wurden.
Der Wahlprüfungsausschuß und der Deutsche Bundestag
haben es stets abgelehnt, im Wahlprüfungsverfahren die
Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften fest-
zustellen. Sie haben diese Kontrolle dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten.
Unbeschadet dessen teilt der Bundestag bereits die
verfassungsrechtlichen Bedenken des Einspruchsführers
nicht. Der von ihm gerügte Effekt eines negativen Er-
folgswerts infolge der Überhangmandate ist notwendi-
gerweise mit der Existenz solcher Mandate verbunden.
Überhangmandate entstehen – vereinfacht ausgedrückt –
durch ein Auseinanderfallen der Erst- und Zweitstim-
menanteile einer Partei. Wenn nun durch das Anwachsen
des Zweitstimmenanteils die Differenz an- bzw. aus-
geglichen wird, liegt es zwingend in der Logik des
Systems, daß das Überhangmandat wieder entfällt. An
diesem grundsätzlichen Mechanismus ändert es auch
nichts, daß sich der von dem Einspruchsführer gerügte
Effekt in der Praxis erst bei der Unterverteilung der
Stimmenanteile auf die einzelnen Landeslisten der Par-
teien auswirkt.
Die Regelungen des Bundeswahlgesetzes zu den Über-
hangmandaten waren erst kürzlich Gegenstand einer ver-
fassungsgerichtlichen Prüfung. Das Bundesverfassungs-
gericht hat in seiner Entscheidung vom 10. April 1997
(BVerfGE 95, 335 ff.) festgestellt, daß diese Vorschriften
mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Gericht hat in
diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der
Verfassungsgesetzgeber bewußt darauf verzichtet habe,
ein Wahlsystem und dessen Durchführung verfassungs-
rechtlich vorzuschreiben. Er habe damit ein Stück mate-
riellen Verfassungsrechts offengelassen, das vom Wahl-
gesetzgeber auszufüllen sei. Diesem sei hierbei ein wei-
ter Gestaltungsspielraum eingeräumt (BVerfGE 95, 335,
349). Dieser Gestaltungsspielraum umfaßt auch die Re-
gelungen zu den Überhangmandaten. Ausdrücklich hat
das Gericht festgestellt, daß die Entstehung von Über-
hangmandaten ohne Ausgleich für die anderen Parteien
den Anforderungen der Wahlgleichheit nach Artikel 38
Abs. 1 Satz 1 GG genügt und die Chancengleichheit der
Parteien wahrt (BVerfGE 95, 335, 357). Diese Entschei-
dung hat das Gericht in Kenntnis des auch vom Ein-
spruchsführers beschriebenen Effekts eines negativen
Stimmengewichts getroffen; die Niedersächsische Lan-

desregierung hatte im Verfahren hierauf ausdrücklich
hingewiesen (BVerfGE 95, 335, 343).
Zuvor hatte sich auch der Bundestag intensiv mit den
Regelungen im Bundeswahlgesetz zu den Überhang-
mandaten beschäftigt und sie unter Hinzuziehung von
Sachverständigen auf ihre Verfassungsmäßigkeit über-
prüft. Bereits die in der 13. Wahlperiode eingesetzte Re-
formkommission zur Größe des Bundestages war zu dem
Ergebnis gekommen, die bestehenden Regelungen des
Bundeswahlgesetzes, die zum Auftreten von Überhang-
mandaten führen können, seien verfassungsgemäß, und
es bestehe auch keine verfassungsrechtliche Notwendig-
keit, Überhangmandate durch ergänzende Regelungen
auszugleichen, etwa durch Ausgleichsmandate oder eine
Verrechnung bei den verbundenen Landeslisten. Die
Kommission hat dem Bundestag keine Änderungen der
§§ 6 und 7 BWG empfohlen (s. Drucksache 13/4560).
Diesen Empfehlungen ist der Bundestag gefolgt; Gesetz-
entwürfe der 13. Wahlperiode, die die Kompensation
von Überhangmandaten vorsahen, fanden keine Mehr-
heit (s. hierzu Drucksache 13/5750, StenProt 13/129
vom 11. Oktober 1996, S. 11631 ff.).
An dieser Einschätzung hält der Bundestag auch in An-
sehung des vorliegenden Wahleinspruchs fest; die Ar-
gumente des Einspruchsführers berühren lediglich eine
Facette der in der 13. Wahlperiode geführten Diskussion.
Allenfalls könnte für zukünftige Wahlen darüber
nachgedacht werden, das Berechnungsverfahren Hare-
Niemeyer durch das Verfahren St. Lague/Schepers zu er-
setzen. Nach der Stellungnahme des Bundeswahlleiters
ist davon auszugehen, daß das System St. Lague/
Schepers die Mängel sowohl der Berechnungsverfahren
nach d’Hondt als auch der nach Hare-Niemeyer ver-
meidet und dennoch zu – ihm Rahmen des Möglichen –
exakten Ergebnissen führt. Dies ist aber nicht eine Frage
der Verfassungsmäßigkeit der geltenden Regelung, son-
dern der Zweckmäßigkeit. Solche Überlegungen ändern
deshalb auch nichts an der Gültigkeit der Wahlen zum
14. Deutschen Bundestag. Eine Auflösung des Bundes-
tages, wie es der Einspruchsführer fordert, kommt nicht
in Betracht.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 186 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187 – Drucksache 14/1560

Anlage 70

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 98/98 –
des Herrn A. Heveling

wohnhaft: Eintrachtstr. 12, 45139 Essen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 27. November 1998 hat der Ein-

spruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen Bundes-
tag am 27. September 1998 angefochten. Zur Be-
gründung trägt er vor, „die Anzahl der Abgeordneten
für die Parteien stimmt nicht mit dem prozentualen
Zweitstimmenergebnis für die Parteien überein“.
Mit dem Eingangsbestätigungsschreiben vom
30. November 1998 wurde der Einspruchsführer ge-
beten, genauer darzulegen, auf welche Umstände er
seinen Wahleinspruch stütze. Hierzu hat er mit
Schreiben vom 4. Dezember 1998 mitgeteilt, daß er
nicht die Wahlhandlung bemängeln wolle. Der Ein-
spruchsführer fordert vielmehr eine Änderung der
Sitzverteilung unter den Parteien. Dies begründet er
damit, daß die genaue Sitzverteilung nicht entspre-
chend dem Wahlergebnis der von den Wählern abge-
gebenen Zweitstimmen erfolge. Hierzu hat der Ein-
spruchsführer Berechnungen vorgenommen und da-
bei die Prozentzahl an Zweitstimmen der im Bundes-
tag vertretenen Parteien, die zusammen 94 % aus-
macht, den tatsächlich im Bundestag verteilten Sitzen
gegenübergestellt. Das bedeute seiner Ansicht nach,
daß die 669 Sitze im Bundestag nur 94 % der Wäh-
lerstimmen entsprechen. Nach seinen Berechnungen,
in denen er die 669 Sitze durch 94 % dividiert und
dann jeweils mit dem von den einzelnen Parteien er-
reichten Prozentsatz der Zweitstimmen multipliziert
hat, ergäbe sich eine andere Sitzverteilung.
Der Einspruchsführer ist außerdem der Ansicht, daß
die Erststimmenwahl entfallen sollte. Die gewählten
Parteien hätten dann Abgeordnete für den Bundestag
aufstellen, die ihren Wählern die im Bundestag anste-
henden Gesetzesentscheidungen unterbreiten sollten.
Damit wäre eine volksnahe Demokratie gegeben. Im
übrigen ist er der Meinung, daß eine „0,5 %-Hürde“
für den Bundestag wünschenswert sei, um der Mei-
nungsvielfalt gerecht zu werden.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Ein Wahlfehler kann auf Grund des Vortrags des Ein-
spruchsführers nicht festgestellt werden. Die Sitzvertei-
lung im 14. Deutschen Bundestag ist korrekt ermittelt
worden. Das Wahlprüfungsverfahren hat die Aufgabe
festzustellen, ob im konkreten Fall ein Verstoß gegen
Wahlrechtsvorschriften bei Vorbereitung, Durchführung
oder Stimmenauszählung vorliegt. Zweifel über die kor-
rekte Zusammensetzung des Bundestages sind aber nur
begründet, wenn eine fehlerhafte Ermittlung der Sitz-
verteilung mit konkreten Tatsachen behauptet wird.
Werden Zweifel mit einem Berechnungsverfahren be-
legt, das von den geltenden Vorschriften des Bundes-
wahlgesetzes abweicht, ist ein Wahlfehler nicht darge-
tan.
Alternative Vorschläge zur Ausgestaltung des Wahl-
rechts zum Deutschen Bundestag, die von den Vor-
schriften des geltenden Bundeswahlgesetzes abweichen,
könnten zwar, soweit sie verfassungskonform sind, vom
Gesetzgeber für künftige Wahlen beschlossen werden;
solche rechtspolitischen Erwägungen können aber bereits
abgeschlossene Wahlen in ihrem rechtlichen Bestand
nicht beeinflussen. Obwohl beispielsweise auch denkbar
wäre, daß vom Bundeswahlgesetz nur Listenwahlen zu-
gelassen werden, bleibt für die Wahlen zum 14. Deut-
schen Bundestag dennoch das derzeit geltende Verfahren

Drucksache 14/1560 – 188 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

verbindlich. Danach wird sowohl in Wahlkreisen als
auch über Landeslisten gewählt. Die abgegebenen Stim-
men werden nach den Vorschriften der §§ 37 ff. Bun-
deswahlgesetz (BWG) bzw. §§ 6 und 7 BWG ausge-
zählt. Die Feststellung des Wahlergebnisses sowie der
Sitzverteilung im Bundestag erfolgt gemäß §§ 41 und 42
BWG.
Der Einspruch ist nach alledem gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 189 – Drucksache 14/1560

Anlage 71

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 103/98 –
des Herrn Dr. Wolfgang Wesener

wohnhaft: Johann-Strauß-Str. 19, 45657 Recklinghausen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1. Mit Schreiben vom 26. und 27. November 1998, die
per Telefax am 26. und 27. November 1998 beim
Deutschen Bundestag eingegangen sind, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit bzw.
Verfassungsmäßigkeit der Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 eingelegt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch im
wesentlichen damit, daß er durch das bisherige Un-
terbleiben des aus Artikel 146 des Grundgesetzes
(GG) i.V.m. Artikel 20 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleiten-
den Verfassungsgebungsauftrages im Rahmen seiner
durch das Grundgesetz eingeräumten Mitwirkungs-
rechte daran gehindert worden sei, – in Gesamtheit
mit den anderen Staatsbürgern – im Rahmen des nach
wie vor ausstehenden Verfassungsgebungsaktes ins-
besondere die Grundstrukturen und Prinzipien des
Bundeswahlrechts neu zu regeln.
Artikel 146 GG enthalte nach wie vor einen an das
gesamte deutsche Volk gerichteten Verfassungsge-
bungsauftrag, der nach Erlangung der vollen Souve-
ränität und der Wiedervereinigung Deutschlands zu
erfüllen sei. Bekanntlich hätten der Parlamentarische
Rat und die seinerzeit zustimmenden Bundesländer
im Hinblick auf die damals gegebene Teilung
Deutschlands das Grundgesetz lediglich als provisori-
sche Verfassung beschlossen. Demzufolge sei der
zweite – wichtigere – Regelungsteil des Artikel 146
GG in bezug auf das Grundgesetz als Ablösevorbe-
halt zu verstehen, dessen Erfüllung alsbald nach Er-
reichen der vollen Souveränität und der Wiederverei-
nigung mittels Durchführung des erst die endgültige
deutsche Verfassung schaffenden Verfassungsge-
bungsaktes nachzukommen sei. Der Einspruchsführer
vertritt die Ansicht, zu einer grundgesetzkonformen
Durchführung dieses erst die endgültige deutsche
Verfassung schaffenden Aktes „originärer Verfas-
sungsgebung“ bedürfe es zwingend der Annahme ei-
nes zuvor im Wege einer Volksabstimmung unter

Mitwirkung aller volljährigen bzw. wahlberechtigten
Staatsbürger erarbeiteten Verfassungsentwurfs. Aus
der Nichterfüllung des längst überfälligen Ver-
fassungsgebungsauftrages leite er – der Einspruchs-
führer – wesentliche Demokratiedefizite in bezug auf
die Verfassungsrechtslage bzw. das geltende Wahl-
recht ab.
Als Beispiel nennt der Einspruchsführer die im Bun-
deswahlgesetz eingeführten und verfassungsrechtlich
abgesicherten „starren“ Listen, bei denen lediglich
eine Partei, nicht aber konkrete und besonders be-
fähigte Personen gewählt werden könnten. Im Wege
einer Volksabstimmung über die endgültige deutsche
Verfassung könnte der zu wählende Bundestag ver-
pflichtet werden, „offene“ Listen einzuführen. Das
hätte den Vorteil, daß der einzelne Wähler mit der
Auswahl bestimmter Kandidaten/Kandidatinnen auf
der jeweiligen Liste nicht nur seine Partei stärken,
sondern auch den von ihm präferierten Flügel bzw.
eine Richtung in dieser Partei unterstützen und somit
auf die Zusammensetzung des Parlaments mehr di-
rekten Einfluß nehmen könnte. Offene Listen hätten
darüber hinaus den Vorteil, daß Wählerinnen auf
„ihrer“ Liste ganz gezielt Frauen wählen könnten. Die
Diskussion über Frauenquoten in Parlamenten würde
sich damit erübrigen.
Der Einspruchsführer trägt außerdem vor, daß das
geltende Wahlrecht nie vom Deutschen Volk be-
schlossen worden sei. Es sei aber sein ureigenstes
demokratisches Recht, darüber zu entscheiden. Diese
Entscheidung müsse im Rahmen des Verfassungsple-
biszits über die endgültige deutsche Verfassung er-
folgen.
Angesichts der Bedeutung des vorgetragenen „Fun-
damentaleinwandes“ beantragt der Einspruchsführer,
vor der Schlußentscheidung über seinen Wahlein-
spruch einen Termin zur mündlichen Verhandlung
anzuberaumen. Der Wahlprüfungsausschuß bzw. die
in ihm vertretenen Fraktionen sollten einer Verfas-
sungsrechtsdiskussion nicht aus dem Wege gehen,

Drucksache 14/1560 – 190 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

etwa weil möglicherweise aus der Sicht einiger Par-
teien ein politisches Interesse an der Beibehaltung des
Status quo bestehen könnte.
Der Einspruchsführer hat die Wahl zum 13. Deut-
schen Bundestag wegen der Regelungen zu den
Überhangmandaten angefochten (WP 140/94). Dieser
Wahleinspruch ist als offensichtlich unbegründet
zurückgewiesen worden (Drucksache 13/3772, An-
lage 30).

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Einspruchsführer hat keine
Verletzung von Vorschriften des Wahlrechts geltend
gemacht.
Weder die Behauptung, Artikel 146 GG sei verletzt,
noch die wahlrechtspolitisch motivierte Erwartung, im
Wege einer Volksabstimmung über die endgültige deut-
sche Verfassung könne in das Wahlrecht zum Deutschen
Bundestag das System der ,,offenen“ Listen eingeführt
werden, begründen einen Verstoß gegen geltende Vor-
schriften des Wahlrechts. Im Wahlprüfungsverfahren
können nur Verstöße gegen die in Kraft befindlichen
Vorschriften des Wahlrechts bei der Vorbereitung, der
Durchführung und der Stimmenauszählung einer Wahl
zum Bundestag gerügt werden. Artikel 146 GG regelt
das Wahlverfahren zum Bundestag indes nicht; er regelt
lediglich, unter welchen Bedingungen das derzeit gel-
tende Grundgesetz außer Kraft treten kann. Bis dahin
sind die einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes
ungeschmälert anzuwenden. Für das Wahlrecht maßgeb-
lich ist Artikel 38 GG, der den Gesetzgeber ausdrücklich
in Absatz 3 beauftragt hat, das Nähere über das Wahlver-
fahren durch Bundesgesetz zu regeln. Diesem Auftrag ist
der Bundesgesetzgeber durch den Erlaß des Bundes-
wahlgesetzes nachgekommen. Dieses Bundeswahlgesetz
mit seiner Zweiteilung in eine Direktwahl in Wahlkrei-
sen sowie in eine Wahl nach ,,starren“ Landeslisten ist
mit dem Grundgesetz vereinbar, wie das Bundesverfas-
sungsgericht mehrfach festgestellt hat (BVerfGE 47,

253, 283; vgl. u. a. W.Schreiber, Kommentar zum Bun-
deswahlgesetz, Rdnr. 4 zu § 27 m.w.N.). Im übrigen ent-
behrt es nicht einer gewissen Widersprüchlichkeit in der
Argumentation, wenn einerseits Artikel 38 GG und die
darauf beruhenden gesetzlichen Vorschriften des Bun-
deswahlgesetzes in ihrer Geltung mit dem Hinweis
bestritten werden, Artikel 146 GG verlange gegenwärtig
eine Volksabstimmung über die deutsche Verfassung,
andererseits aber wie selbstverständlich der Sonder-
rechtsweg des Artikel 41 GG ohne entsprechende Zwei-
fel an seiner Bestandskraft in Anspruch genommen wird,
um außerhalb des Wahlrechts liegende verfassungs-
rechtliche Zweifelsfragen zu behandeln.
Alternative Gestaltungsmöglichkeiten des Wahlrechts,
die sich ebenso innerhalb des von Artikel 38 GG und den
sonstigen einschlägigen Verfassungvorschriften vorge-
gebenen Rahmens halten wie die vom Bundeswahlgesetz
bevorzugte Lösung des wahlrechtlichen Problems, sind
im übrigen nicht geeignet, einen Wahlrechtsfehler zu be-
gründen. Die vom Einspruchsführer bevorzugten
,,offenen“ Listen wären zwar nach Ansicht der Enquete-
Kommission Verfassungsreform (Drucksache 7/5924,
Tz. 1,5) ebenso zulässig wie die vom Bundeswahlgesetz
vorgeschriebenen ,,starren“ Listen; das geltende Bun-
deswahlrecht kennt indes nur die verfassungskonformen
,,starren“ Listen, die bei der Mandatszuteilung zu be-
achten sind.
Der Einspruch ist nach alledem gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Der Antrag des Einspruchsführers auf mündliche Ver-
handlung war gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des Wahlprü-
fungsgesetzes abzulehnen, weil der Einspruch aus
Rechtsgründen als offensichtlich unbegründet zurück-
zuweisen ist.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 191 – Drucksache 14/1560

Anlage 72

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 6/98 –
des Herrn Jürgen Matuttis

wohnhaft: Feldstr. 81, 28203 Bremen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 21. September 1998 „an das Ver-

waltungsgericht Bremen oder die zuständige Ge-
richtsbarkeit“, das dort am 25. September 1998 ein-
gegangen ist, hat der Einspruchsführer „gegen die am
27. September 1998 stattfindende sogenannte Bun-
destagswahl“ Einspruch eingelegt. Der Einspruch
wurde mit Schreiben des Verwaltungsgerichts Bre-
men vom 28. September 1998 an den Wahlprüfungs-
ausschuß des Bundestages weitergeleitet und ist hier
am 29. September 1998 eingegangen.
Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, der
Wähler werde durch Manipulation und Täuschung in
seinem Grundrecht, sich eine objektive freie Meinung
für seine Wahlentscheidung zu bilden, behindert.
Dies geschehe durch „Partei-Konzerne“, die mit Hilfe
von massivst eingesetzten psychisch wirksamen Mit-
teln der Produktwerbung fehlende Inhalte und Visio-
nen mit Blendwerk übertünchen und dabei gar nicht
vorhandene Kompetenz suggerieren würden. Politik
müsse „wahre (nicht Ware!) Information und keine
Werbeschlacht à la Freie Marktwirtschaft“ sein. Auf-
grund der Kosten sei es nur wenigen Parteien (Par-
teien-Monopole) möglich, präsent zu sein, und diese
würden sich die „Inszenierung“ hinterher von den
Betrogenen refinanzieren lassen. Die notwendige po-
litische Vielfalt, die durch konstruktiven Austausch
der verschiedenen Betrachtungen und Positionen zu
kreativen Lösungen komme, verkümmere zu einem
sinnlos destruktiven Schlagabtausch von zwei bis vier
etablierten und „verfilzten Politkonzernen“. Diese
„Politshow“ sei keine Wahl, sondern eine Farce. Das
Recht auf freie Meinung und freie Entscheidung bei
einer Wahl setze Politiker voraus, die „die Wähler für
voll nehmen und nicht zu gutgläubigen Witzfiguren
degradieren, die alle Jahre wieder mit zwei Kreuz-
chen ihr Vorhandensein anmerken“. Nach Auffassung
des Einspruchsführers wäre es Sache eines „wachen“
Bundespräsidenten, der politischen Kultur wieder auf
die Sprünge zu helfen.

Mit dem Eingangsbestätigungsschreiben wurde der
Einspruchsführer gebeten, bis zum Ablauf der Ein-
spruchsfrist am 27. November 1998 die Tatsachen
mitzuteilen, durch die er die Wahlrechtsvorschrif-
ten verletzt sieht, er hat sich jedoch nicht mehr ge-
äußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist formgerecht beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen. Ob er fristgerecht eingelegt worden ist,
bleibt unentschieden. Er ist jedenfalls offensichtlich
unbegründet.
Ob der Einspruch fristgerecht eingelegt worden ist, er-
scheint zweifelhaft. Tatsächlich ist er zwar nach dem
Umweg über das Verwaltungsgericht Bremen erst nach
dem Wahltag, also nach Beginn der Frist für Wahlein-
sprüche, beim Deutschen Bundestag eingetroffen. Be-
gründet und abgesandt wurde er aber bereits vor dem
Wahltag. Wäre er unmittelbar dem Bundestag zugeleitet
worden, wäre er vor Fristbeginn eingegangen, folg-
lich als unzulässig zu behandeln gewesen (vgl. auch
Schreiber, Kommentar zum Bundewahlgesetz – BWG –,
6. Aufl., Rdnr. 18 zu § 49, S. 610), zumal der Ein-
spruchsführer es trotz Aufforderung durch das Sekreta-
riat des Wahlprüfungsausschusses unterlassen hat, seinen
Einspruch während der Einspruchsfrist schriftlich und
substantiiert zu begründen. Der Wahlprüfungsausschuß
hat indes, allerdings vor der Änderung der Vorschriften
über die Einspruchsfrist vom 28. April 1995 (BGBl I
S. 582) mit ihrer Vorverlegung des Fristbeginns auf den
Wahltag (entsprechend der damals gefestigten Spruchs-
praxis des Wahlprüfungsausschusses), in einem ver-
gleichbaren Fall erklärt, Anfechtungen einer Wahl

Drucksache 14/1560 – 192 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

könnten auch bereits vor dem Wahltag eingereicht wer-
den, wenn sie Mängel bei der Wahlvorbereitung zum
Gegenstand haben (Drucksache 9/316, Anlage 31). Der
Einspruchsführer trägt zwar keine konkrete Verletzung
von Wahlrechtsvorschriften bei der Wahlvorbereitung
vor, wie es bei der 1980 entschiedenen Wahlanfech-
tungssache der Fall war; er behauptet aber allgemein, der
Wähler werde bei seiner Vorbereitung auf die Wahlent-
scheidung durch die Wahlwerbung in unerträglicher
Weise von den „Partei-Konzernen“ behindert. Was die
Zulässigkeit seines Einspruchs wegen der Fristeinhal-
tung angeht, sieht der Wahlprüfungsausschuß indes we-
gen seiner Spruchspraxis von 1980 in Verbindung mit
dem tatsächlichen Vortrag des Einspruchsführers davon
ab zu entscheiden, ob der Begriff „eingehen“ in § 2
Abs. 4 Satz 1 WPrüfG allein auf den tatsächlichen Vor-
gang bezogen oder nur in Verbindung mit § 2 Abs. 3 er-
ster Satzteil WPrüfG auszulegen ist. § 2 Abs. 3 WPrüfG
verlangt, daß ein Einspruch „schriftlich beim Bundestag
einzureichen und zu begründen“ ist. Müßten beide Vor-
schriften im Zusammenhang erfüllt sein, ergäbe sich die
Unzulässigkeit des Einspruchs mit der Folge, daß auch
die Begründung nicht vor dem Fristbeginn am Wahltag
datiert und abgesandt werden darf.
Der Einspruch ist jedenfalls offensichtlich unbegründet.
Unzulässige Maßnahmen der Wahlwerbung hat der Ein-
spruchsführer mit seinen allgemeinen und nicht konkre-
tisierten Erklärungen nicht belegt. Weil ein Anfech-
tungsgegenstand, der eine Verletzung von Vorschriften

des Wahlrechts substantiiert erkennen lassen würde,
nicht vorgetragen worden ist, ist der Wahlprüfungauss-
chuß an einer näheren Prüfung gehindert. Die Wahlprü-
fung findet weder von Amts wegen statt noch erfolgt sie
stets in Gestalt einer gesamten Durchprüfung der Wahl.
Vielmehr erfolgt sie nur auf der Grundlage einer Be-
gründung des Einspruchs, die mindestens dem Tatbe-
stand nach eine Verletzung von Vorschriften des Bun-
deswahlgesetzes, der Bundeswahlordnung oder anderer
Wahlrechtsvorschriften darstellen könnte (vgl. schon
BVerfGE 40, 11 [30]). Daran fehlt es bei dem vorliegen-
den Einspruch.
Der Einspruch ist daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 193 – Drucksache 14/1560

Anlage 73

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 7/98 –
des Herrn Wolfgang Nellen

wohnhaft: Kopernikusstraße 12, 52428 Jülich
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand

1. Mit Schreiben vom 28. September 1998 sowie zahl-
reichen weiteren Schreiben hat der Einspruchsführer
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag eingelegt.
Der Einspruchsführer wendet sich im wesentlichen
gegen die Rechtsstellung der Religionsgemeinschaf-
ten sowie deren Lehre zu dem Leben nach dem Tod.
Er trägt vor, nach Artikel 1 des Grundgesetzes, Arti-
kel 3 der Konvention zum Schutz der Menschen-
rechte und Grundfreiheiten des Europäischen Rates
und nach Artikel 5 der Menschenrechtserklärungen
der UNO dürfe niemand ,,der Folter oder erniedri-
gender Strafe oder Behandlung“ unterworfen werden.
Menschen hätten das Recht, Gott nicht anzuerkennen
und anders zu leben, als es von den Religionen be-
schrieben würde. Die Religionen hätten kein Recht,
bei ihren Glaubenserklärungen Menschenrechtsver-
letzungen, wie z.B. Höllenfolterungen nach dem Tod,
mit zu erklären. Die Parteien CDU und CSU würden
über ihre „Parteierklärungen“ die Kirchen anerken-
nen. Der Wähler wähle deshalb bei der Wahl eine
Wertordnung mit, die menschenrechtsverletzende
Folterungen für würdig und richtig halte.
Da ihm – dem Einspruchsführer – alle juristischen In-
stanzen bestätigt hätten, daß für diese „Rechtserklä-
rungen“ in der Bundesrepublik Deutschland kein Ge-
richt zuständig sei, sei in diesem Land auch keine
Rechtsstaatlichkeit gegeben. Aus diesem Grunde
könnten die Wahlen auch nicht demokratisch sein,
weshalb er die „ethische Grundordnung“ der Bundes-
republik Deutschland nicht anerkenne und die Bun-
destagswahl anfechte.
Sowohl das Sekretariat des Wahlprüfungsausschusses
als auch die Ausschußvorsitzende haben mit Schrei-
ben vom 9. Oktober und vom 13. November 1998
den Einspruchsführer aufgefordert, seinen Einspruch
zu substantiieren, d.h. die Tatsachen mitzuteilen,

durch die er die Wahlrechtsvorschriften verletzt sieht.
Mit Schreiben vom 14. Oktober, 15. November und
19. November 1998 hat der Einspruchsführer jedoch
im wesentlichen die Gründe wiederholt, die er bereits
in seinem Einspruchsschreiben vorgetragen hatte.
Seiner Ansicht nach übergeht die Wahlgesetzgebung
das Grundgesetz, die Menschenrechtserklärungen der
UNO und des Europäischen Rates.
Im übrigen hatte der Einspruchsführer bereits gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 13. Deutschen Bundes-
tag Einspruch eingelegt, der ebenfalls die privilegierte
Stellung der Religionsgemeinschaften zum Inhalt
hatte. Die beim Bundesverfassungsgericht eingelegte
Beschwerde gegen den Beschluß des Bundestages
vom 1. Februar 1996 wurde nicht zur Entscheidung
angenommen.
Des weiteren hat der Einspruchsführer im Jahr 1995
beim Landgericht Aachen den Antrag gestellt, den
Diözesan-Bischof in Aachen zu verurteilen, es zu
unterlassen, ihm – dem Einspruchsführer – über die
von den Kirchen verbreiteten Schriften „Läuterungen,
Folterungen, Höllenquälungen, Lebensquälungen und
Erbschulden“ anzudrohen. Die Klage wurde als un-
zulässig zurückgewiesen.
Ferner hat sich der Einspruchsführer 1997 an den Pe-
titionsausschuß des Bundestages gewandt und eine
besondere Erklärung des Deutschen Bundestages ge-
fordert, welche Menschenrechtsverletzungen durch
Religionsgemeinschaften ausdrücklich untersage. Das
Petitionsverfahren wurde mit der Begründung abge-
schlossen, daß die Religionsgemeinschaften nach
dem im Grundgesetz nominierten Grundsatz der
Trennung von Staat und Kirche ihre Angelegenheiten
selbständig ordnen und verwalten. Einer besonderen
Erklärung des Deutschen Bundestages, welche die
Religionsgemeinschaften zu einem verfassungskon-
formen Verhalten auffordere, bedürfe es somit nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des
Einspruchsführers wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Drucksache 14/1560 – 194 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6
Abs. 1a Nr. 2 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG)
von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist jedoch mangels ausrei-
chender wahlrechtsbezogener Begründung unzulässig.
Der Wahleinspruch muß gemäß § 2 Abs. 3 WPrüfG
schriftlich begründet werden. Eine solche Begründung
muß zumindest den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substan-
tiierte Tatsachen enthalten, die einen Verstoß gegen
Wahlrechtsvorschriften darlegen könnten, wie dem Ein-
spruchsführer mit Eingangsbestätigungsschreiben vom
9. Oktober 1998 und mit Schreiben der Ausschußvorsit-
zenden vom 13. November 1998 mitgeteilt worden ist. Die
Vielzahl der Schreiben des Einspruchsführers läßt zwar
vermuten, daß der Einspruch wegen der durch Artikel 4
des Grundgesetzes geschützten Stellung der Religionsge-
meinschaften eingelegt worden ist. Es fehlt aber die Be-
nennung jedweder Tatsachen, die darlegen könnten, wel-
cher wahlfehlerhafte Tatbestand gerügt wird. Im Wahl-
prüfungsverfahren sind jedoch nur solche tatsächlichen
Angaben hinreichend, aus denen konkrete Anhaltspunkte
für mögliche Wahlfehler abgeleitet werden können.
Der Einspruchsführer hat keine konkreten Tatsachen
mitgeteilt, durch die er Vorschriften des Bundeswahlge-
setzes oder der Bundeswahlordnung verletzt sieht. Er hat
lediglich pauschalisierende Vorwürfe insbesondere ge-

gen die christlichen Kirchen erhoben, die durch ihre Leh-
ren Menschrechtsverletzungen begehen würden und be-
hauptet, die christlichen Parteien würden über ihre
„Parteierklärungen“ diese angeblichen Menschenrechts-
verletzungen anerkennen. Der Einspruchsführer hat je-
doch nicht dargelegt, inwieweit er oder ein anderer durch
bestimmte Träger öffentlicher Gewalt in seinem Wahl-
recht verletzt worden ist. Eine solche Erklärung wäre
aber unerläßlich gewesen (vgl. Drucksache 12/1002,
Anlage 56).
Alleinige Aufgabe der Wahlprüfung ist es festzustellen,
ob durch Verletzung der Wahlrechtsbestimmungen das
Wahlergebnis beeinflußt worden ist und diese Verlet-
zung Einfluß auf die Mandatsverteilung gehabt hat oder
hätte haben können. Die Ausführungen des Einspruchs-
führers zur Begründung seines Einspruchs lassen die
Rüge eines konkreten Wahlfehlers vermissen.
Der Einspruch war daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 2
WPrüfG als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 195 – Drucksache 14/1560

Anlage 74

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 23/98 –
der Frau Karin Heger

wohnhaft: Ilmeweg 5, 37081 Göttingen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 28. September 1998 an den Bun-

deswahlleiter über die Wahlleitung in Göttingen, das
am 7. Oktober 1998 beim Deutschen Bundestag ein-
gegangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag eingelegt.
Die Einspruchsführerin begründet ihren Einspruch im
wesentlichen damit, daß sie nicht die Möglichkeit ge-
habt habe, als Wahlberechtigte ein Wahllokal aufzu-
suchen, um dort ihre Stimme abzugeben.
Sie sei an „MS“ erkrankt, körperbehindert und auf
den Rollstuhl angewiesen. Im Jahr 1990 sei sie in ei-
ne Wohnung der Städtischen Wohnungsbau eingezo-
gen, aus der sie wegen ihrer Krankheit niemals heraus
kommen und deshalb niemals die Möglichkeit haben
würde, als Wahlberechtigte in ein Wahllokal zu
kommen. Weiter beschwert sich die Einspruchsführe-
rin über die Sozialdezernentin, den Oberstadtdirektor
und den Leiter der Eingliederungshilfe der Stadt Göt-
tingen. Die genannten Personen sowie der Sozial-
amtsleiter und der Amtsarzt von Göttingen würden
sie seit 1988 körperlich und seelisch mißhandeln.
Der Kreiswahlleiter Göttingen wurde insbesondere zu
der Behauptung der Einspruchsführerin, ihr sei keine
Gelegenheit gegeben worden, als Wahlberechtigte an
der Bundestagswahl teilzunehmen, um eine Stellung-
nahme gebeten.
Er hat seiner Stellungnahme die Kopie eines Schrei-
bens der Einspruchsführerin vom 5. August 1998 bei-
gefügt, in dem sie dem Amt für Wahlen der Stadt
Göttingen mitgeteilt hat, sie sei nach allem, was ihr
an Verletzungen angetan worden sei, nicht daran in-
teressiert bzw. bereit, an der Bundestagswahl 1998
teilzunehmen. Sie fordere das Amt für Wahlen auf,
sie nicht mit Wahlbenachrichtigungen zu belästigen.
Die Einspruchsführerin habe trotz dieses Schreibens,
wie alle übrigen Wahlberechtigten, per Post eine
Wahlbenachrichtigung erhalten. Einige Zeit später

habe die Einspruchsführerin ihre in kleine Schnipsel
zerrissene Wahlbenachrichtigung an die Stadt Göttin-
gen zurückgesandt. In einem späteren Telefonge-
spräch habe die Einspruchsführerin nachgefragt, war-
um ihr das Wahlamt trotz ihres Schreibens vom
5. August 1998 eine Wahlbenachrichtigung zugesandt
habe. Ihr sei mitgeteilt worden, daß die Stadt Göttin-
gen verpflichtet sei, jede wahlberechtigte Person mit
der Wahlbenachrichtigung über die Eintragung in das
Wählerverzeichnis zu informieren.
Die Einspruchsführerin hat sich zu der Stellung-
nahme, die ihr bekanntgegeben worden ist, nicht
mehr geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler anhand des
vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden
konnte.
Gemäß § 16 Abs. 1 Bundeswahlordnung (BWO) sind
alle Wahlberechtigten von Amts wegen in das Wähler-
verzeichnis einzutragen, die am 35. Tage vor der Wahl
(Stichtag) bei der Meldebehörde u.a. für eine Wohnung
gemeldet sind.
Die Einspruchsführerin war zu diesem Stichtag bei der
Stadt Göttingen gemeldet und wurde deshalb in das dor-
tige Wählerverzeichnis eingetragen. Hierüber ist sie ge-
mäß § 19 BWO durch Übersendung der Wahlbenach-
richtigung informiert worden. Die Einspruchsführerin
hatte somit die Möglichkeit zur Teilnahme an der Bun-
destagswahl.

Drucksache 14/1560 – 196 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Auch als körperbehinderte Wahlberechtigte, die auf ei-
nen Rollstuhl angewiesen ist, hätte sie in dem für sie zu-
ständigen Wahllokal, sofern dies über einen behinder-
tengerechten Zugang verfügte, ihre Stimme abgeben
können. Falls nicht, hätte sie durch die Beantragung ei-
nes Wahlscheins entweder in einem beliebigen Wahllo-
kal ihres Wahlkreises mit behindertengerechtem Zugang
wählen oder ihre Stimme durch Briefwahl abgeben kön-
nen (§ 14 Abs. 3 Bundeswahlgesetz – BWG). Insofern
entbehrt der Vorwurf der Einspruchsführerin, sie habe
keine Möglichkeit zur Teilnahme an der Bundestagswahl
gehabt, jeglicher Grundlage.
Die von der Einspruchsführerin behauptete körperliche
und seelische Mißhandlung kann jedoch nicht Gegen-
stand der Wahlprüfung sein. Das Wahlprüfungsverfahren
zielt vielmehr darauf ab, festzustellen, ob im konkreten
Fall ein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften vorliegt.
Dies ist nicht der Fall, da – wie bereits dargestellt – der

Einspruchsführerin die Teilnahme an der Bundestags-
wahl nicht verweigert worden ist.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197 – Drucksache 14/1560

Anlage 75

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 24/98 –
des Herrn Claus Plantiko

wohnhaft: Kannheideweg 66, 53123 Bonn
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1998, welches am

8. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag am 27. September
1998 Einspruch eingelegt, weil nach seiner Auffas-
sung die Zweitstimme „Hochverrat“ bedeute.
Zur näheren Begründung seines Einspruchs trägt er
vor, die mit Zweitstimmen erfolgte Wahl politischer
Richtungen könne unmöglich zur Volkslegitimation
des mit ihr zu Abgeordnetenstatus gelangenden Lan-
deslistenpersonals, der sogenannten Indirektsmandat-
sträger führen. Diese Personen seien dem Wähler in
ihrer Persönlichkeit unbekannt und als Abgeordnete
nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) nur
an ihr erst recht unbekanntes, „ggf. inexistentes“ Ge-
wissen gebunden. Etwas Unbekanntes könne und
wolle der Wähler nicht legitimieren. Eine „grundge-
setzgemäße Staatsgewaltübertragung“ vom Bürger
auf solche „fragwürdigen ListenMdB“ sei ausge-
schlossen, so daß kein „ListenMdB“ Inhaber verfas-
sungsgemäßer gesetzgebender Staatsgewalt sein kön-
ne.
Unabhängig davon würden alle Abgeordneten durch
Nichtaufhebung des verfassungswidrigen Bundes-
wahlgesetzes „Hochverrat“ begehen. Die Abgeord-
neten würden „Staatsmacht ergreifen, die ihnen das
GG nur in eingeschränkterem Umfang, nämlich nur
soweit sie vom Volke ausgeht, zuweist“. In Demo-
kratien, wo die Staatsmacht vom Volke ausgehen
müsse, z.B. England, Frankreich, USA, gebe es keine
Zweitstimme. Ihm – dem Einspruchsführer – sei es
unzumutbar und ein unerträglicher Dauerverstoß ge-
gen seine Menschenwürde, „der verfassungswidrigen
Herrschaft nicht volkslegitimierter Hochverräter un-
terworfen zu sein“. Seine „FDGO-Eintretepflicht“ als
Beamter zwinge ihn zu ständigem Widerstand gegen
die realexistierende Staatsgewalt.
Der Einspruchsführer hat bereits gegen die Wahl zum
13. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt. Dieser

Einspruch ist als offensichtlich unbegründet zurück-
gewiesen worden (Drucksache 13/3531, Anlage 33).

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler nicht festge-
stellt werden konnte.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Einspruchs-
führers gegen die Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes (BWG), insbesondere gegen die §§ 6 und 7 BWG, die
die Wahl nach Landeslisten regeln, können im Ergebnis
keinen Erfolg haben, weil das Bundesverfassungsgericht
in ständiger Rechtsprechung diese Regelungen des Bun-
deswahlgesetzes für verfassungsgemäß erklärt hat.
Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland beruht
das Wahlsystem auf dem Gedanken, daß die Sitzvertei-
lung im Parlament nach den Prinzipien der Verhältnis-
wahl erfolgen soll, daß aber dem Wähler hinsichtlich
eines Teils der Abgeordneten die Möglichkeit gegeben
sein soll, auf die personelle Zusammensetzung des Bun-
destages direkt Einfluß zu nehmen. Diesem Wahlsystem
liegt die Annahme zugrunde, daß die legitimierende
Kraft der Wahl für das Parlament als der Repräsentation
des Volkes besonders überzeugend ist, wenn dieses eine
gerechte Vertretung aller wesentlichen in der Bevölke-
rung bestehenden politischen Meinungen darstellt und
daher von der Wählerschaft als berufener Sprecher der
Gesamtheit empfunden werden kann. Die Wahlen in ei-
ner Demokratie sollen zu einem Parlament führen, das
die im Volke vorhandenen verschiedenen Meinungen
nach Möglichkeit widerspiegelt. Jede politische Rich-

Drucksache 14/1560 – 198 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

tung soll grundsätzlich in der Stärke im Parlament ver-
treten sein, die dem Gesamtanteil der für sie abgegebe-
nen Stimmen entspricht (BVerfGE 1, 208, 244; BVerf-
GE 14, 121, 134). Dadurch, daß ein Teil der Abgeord-
neten nach ,,gebundenen“, vom Wähler nicht abänderba-
ren Listen durch Verhältniswahl, ein anderer nach dem
Prinzip der Mehrheitswahl gewählt wird, haben die Par-
teien die Möglichkeit, auf dem Weg über die Listenwahl
Persönlichkeiten ins Parlament zu bringen (Experten,
Vertreter bestimmter Landesteile, in denen die gegneri-
sche Partei erfahrungsgemäß alle Wahlkreise gewinnt),
die sonst nicht für diese Aufgabe zur Verfügung stünden.
Andererseits können über die Mehrheitswahl Bewerber
gewählt werden, die mit den Belangen ihrer jeweiligen
Wahlkreise besonders vertraut sind und besonders engen
Kontakt mit der Wählerschaft haben.
Im übrigen sehen sich der Wahlprüfungsausschuß und
der Deutsche Bundestag nicht berufen, die Verfassungs-
widrigkeit von Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Sie

haben diese Kontrolle stets dem Bundesverfassungsge-
richt vorbehalten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199 – Drucksache 14/1560

Anlage 76

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 47/98 –
des Herrn Wilhelm Schmitz

wohnhaft: Neusser Wall 38, 50668 Köln
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 15. Oktober 1998, welches am

21. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 „aufgrund der Durchführung und Auszäh-
lung der Wählerstimmen“ Einspruch eingelegt.
Er begründet die Anfechtung der Wahl damit, daß es
nach dem Bundeswahlgesetz (BWG) keine Möglich-
keit gebe, sich der Stimme zu enthalten. Die Bundes-
tagswahlen seien ein fester Grundpfeiler der Demo-
kratie, in denen wahlberechtigte Bürger in freier
Wahl über die Zusammensetzung der Bundesregie-
rung entscheiden könnten. Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4
BWG werde eine fehlende Kennzeichnung des
Stimmzettels als ungültige Stimmabgabe gewertet,
obwohl es sich um eine Enthaltungsentscheidung
handele. Dies widerspreche Artikel 38 Abs. 1 Grund-
gesetz (GG), der das neutrale Verhalten bei einer
Wahl festlege. Durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 BWG werde
dagegen bestimmt, „daß der Wille des Wählers nur
dann ungültig ist, wenn er nicht zweifelsfrei zu er-
kennen ist“. Hieraus folgert der Einspruchsführer, daß
bei einer Nichtkennzeichnung des Stimmzettels ganz
klar erkennbar sei, daß der Wähler keinem Kandida-
ten sein Vertrauen gebe und deshalb die nicht ge-
kennzeichneten Stimmzettel als Stimmenthaltungen
gewertet werden müßten. Zur Untermauerung seiner
Ansicht führt der Einspruchsführer an, daß es in allen
„europäisch-politischen Gremien“ das Recht gebe,
sich der Stimme zu enthalten.
Der Einspruchsführer weist darauf hin, daß er im De-
zember 1996 dem Bundeswahlleiter vorgeschlagen
habe, auf dem Stimmzettel zusätzlich ein Enthal-
tungsfeld einzufügen. Der Bundeswahlleiter habe die-
sen Vorschlag am 9. Dezember 1996 mit folgender
Begründung abgelehnt:
„Bürger, die sich bei ihrer Wahl für keine Partei
entscheiden, haben die Möglichkeit, der Wahl

fernzubleiben, da es sich bei diesen Bürgern ledig-
lich um eine allgemeine Unzufriedenheit ausdrük-
kende Stimmenthaltung handeln würde.“

Nach Ansicht des Einspruchsführers entmündigt diese
„hypothetische“ Begründung die gesamte Gruppe der
„Enthaltungswähler“ aus „wahlfremden“ Gründen, es
sei denn, „sie geben ihre Stimme wider ihren Wäh-
lerwillen einer Partei/Person, die sie bei freier Wahl-
entscheidung gemäß Artikel 38 Abs. 1 GG nicht ge-
ben würden“. Bei der Ermittlung der Stimmenzahl für
die einzelnen Parteien/Personen seien insbesondere
bei den kleineren Parteien echte und „Proteststim-
men“ enthalten. Mit den „Proteststimmen“ erhielten
diese Parteien die Möglichkeit, die 5%-Hürde zu er-
reichen, wodurch die Zusammensetzung der neuen
Regierung entscheidend beeinflußt werden könne.
Der Wähler bringe mit der Wahlbeteiligung zum
Ausdruck, daß er seine freie Wahlentscheidung an-
onym zählbar erbringe. Die Zusammenlegung der ge-
gensätzlichen Gruppen der ungültigen „Stimmabga-
bewähler“ mit der Gruppe der „Enthaltungswähler“
mache es unmöglich, die erhaltenen Stimmen für jede
Gruppe getrennt festzustellen.
Aus diesen Gründen seien die ermittelten Stimmen
(Wahlergebnis) einschließlich der seperaten Gruppe
der „Enthaltungswähler“ nicht identisch mit den ab-
gegebenen gültigen Stimmen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler anhand des

Drucksache 14/1560 – 200 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

vorgetragenen Sachverhaltes nicht festgestellt werden
konnte.
Der Wähler gibt seine Erst- und Zweitstimme in der
Weise ab, daß er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes
Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich macht,
welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten
sollen (§ 34 Abs. 2 BWG). Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4
BWG sind beide Stimmen als ungültig zu werten, wenn
der Stimmzettel keinerlei Kennzeichnung enthält. Bei
nur einer Stimmabgabe ist die nicht abgegebene Stimme
ebenfalls als ungültig zu werten (§ 39 Abs. 3 Satz 2
BWG). Gültig sind die abgegebenen Stimmen, wenn der
Wählerwille zweifelsfrei erkennbar ist (§ 39 Abs. 1 Nr. 5
BWG). Hier muß im Einzelfall entschieden werden, wel-
chen Willen der Wähler positiv zum Ausdruck bringen
wollte, d. h., er muß zumindest irgendeine Kennzeich-
nung vorgenommen haben. Keine Kennzeichnung ent-
spricht einer negativen Stimmabgabe, die ebenso wie die
nicht eindeutig positive Stimmabgabe als ungültig zu
werten ist.
Der Gesetzgeber sah bei der Festlegung, wann Stimmen
als ungültig zu werten sind, keine Notwendigkeit, bei der
Ermittlung des Wahlergebnisses zwischen fehlerhaften
Stimmabgaben und Fällen von Stimmenthaltungen zu
differenzieren. Er hat sich dabei von der Überlegung
leiten lassen, daß nur die tatsächliche Nichtteilnahme an
der Wahl als Stimmenthaltung gewertet werden kann,
wogegen die „Stimmenthaltung beim Wahlgang“ einer
ungültigen Stimmabgabe gleichzustellen ist. Sobald sich
Wähler an der Wahl beteiligen, soll nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen unterschieden werden
(vgl. Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz,
6. Auflage, § 39 Rdnr. 18).
Die vom Einspruchsführer geforderte Wertung der nicht
gekennzeichneten Stimmzettel als sog. Enthaltungs-
stimmen, d. h. als Stimmen, die zwar gültig sind, aber im
negativen Sinn, weil keine Partei oder kein Kandidat
gewählt worden ist, würde nichts am Wahlergebnis än-
dern. In der Wahlstatistik wäre lediglich die Zahl der
gültigen Stimmen größer. Selbst wenn man unterstellt,
daß bei der Möglichkeit, auf dem Stimmzettel ein
Stimmenthaltungsfeld anzukreuzen, mehr Wahlberech-
tigte an der Bundestagswahl teilnehmen würden, würde
dadurch zwar die Wahlbeteiligung erhöht, jedoch nicht
das Wahlergebnis dahin gehend verändert, daß diese
dann zwar gültigen sog. Enthaltungsstimmen die Zu-
sammensetzung des Bundestages beeinflussen könnten.
Abgesehen davon ist es wahrscheinlicher und entspricht
der allgemeinen Lebenserfahrung, daß Bürger, die – aus
welchen Gründen auch immer – niemanden wählen wol-
len, auch bei der Möglichkeit der Stimmenthaltung der

Wahl eher fernbleiben würden, als diese Möglichkeit zu
nutzen.
Das Wahlergebnis wird anhand der positiv abgegebenen
Stimmen ermittelt, also der Stimmen, die tatsächlich eine
Partei bzw. einen Kandidaten gewählt haben. Es ist des-
halb für die Mandatsverteilung im Bundestag unerheb-
lich, wie groß der Anteil an sog. Enthaltungsstimmen an
der Gesamtzahl der ungültigen Stimmen ist. Die Einfüh-
rung von weiteren Unterscheidungen zwischen verschie-
denen Arten von ungültigen Stimmen – wie vom Ein-
spruchsführer gefordert – würde zu einer Verkomplizie-
rung des ohnehin schon aufwendigen und schwierigen
Auszählungsverfahrens führen, dessen Aufwand weder
sachdienlich noch gerechtfertigt wäre, sondern allein
wahlstatistischen Zwecken dienen würde (vgl. Schreiber,
Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 6. Auflage, § 39
Rdnr. 18).
Die Ausführungen des Einspruchsführers, wonach das
Wahlergebnis nicht identisch mit den abgegebenen gül-
tigen Stimmen sei, sind aus den oben genannten Grün-
den nicht zutreffend. Die Gruppe der sog. Enthaltungs-
wähler kann entgegen der Auffassung des Einspruchs-
führers keinen Niederschlag im Wahlergebnis finden,
weil der Zählwert dieser Stimmen unabhängig davon, ob
sie als gültig oder ungültig gewertet werden, in jedem
Fall gleich Null ist.
Auch die Behauptung des Einspruchsführers, die Rege-
lung des § 39 Abs. 1 Nr. 4 BWG verstoße gegen Arti-
kel 38 Abs. 1 GG, kann nicht zum Erfolg des Einspruchs
führen. Denn der Wahlprüfungsausschuß und der Deut-
sche Bundestag sehen sich nicht berufen, die Verfas-
sungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften festzustel-
len. Sie haben diese Kontrolle stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 201 – Drucksache 14/1560

Anlage 77

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 57/98 –
des Herrn Gerhard Kottschlag

wohnhaft: Am Marienhain 14, 57234 Wilnsdorf
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1998, das am

27. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten.
Der Einspruchsführer vertritt die Ansicht, die An-
wendung des § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Buchstabe b
der Bundeswahlordnung (BWO) sowie des § 6 Abs. 6
Satz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) verstoße ge-
gen § 1 Abs. 1 Satz 2 BWG sowie gegen Artikel 3
Abs. 3 Satz 1 und Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG) und sei daher verfassungswidrig.
Das vom Gesetzgeber festgelegte Verhältniswahl-
recht unterliege dem Erfordernis des gleichen Er-
folgswertes jeder Wählerstimme. Hiervon könne der
Gesetzgeber nur aus zwingenden Gründen abwei-
chen. Die in § 6 Abs. 6 Satz 1 BWG verankerte 5 %-
Sperrklausel habe zwei den Gleichheitsgrundsatz ein-
schränkende Auswirkungen. Zum einen könne eine
Partei, die bei der Wahl nicht mindestens 5 % der
Zweitstimmen auf sich vereinige, keine Abgeordne-
ten über ihre Landeslisten in den Bundestag entsen-
den; das bedeute eine Beschränkung des passiven
Wahlrechts der Listenkandidaten dieser Partei. Zum
anderen werde bei der Zusammensetzung des Bun-
destages das Zweitstimmenvotum von Wählern, so-
fern sie eine Partei gewählt hätten, die weniger als
5 % der Zweitstimmen erhalten habe, nicht berück-
sichtigt. Dies sei eine Ungleichbehandlung beim akti-
ven Wahlrecht, da die Stimmen nicht gleichen Er-
folgswert hätten. Auch wenn die Beschränkung der
Gleichheit der Parteien und des passiven Wahlrechts
ihrer Kandidaten ihre Rechtfertigung in der Schutz-
wirkung gegen die Zersplitterung des Parteienspek-
trums im Bundestag und der daraus entstehenden Ge-
fahren bei der Bildung einer handlungsfähigen Regie-
rung finde, so könne eine Einschränkung im aktiven
Wahlrecht nicht mit den gleichen Argumenten ge-
stützt werden. Die 5 %-Sperrklausel solle erhöhte An-

forderungen an die Integrationsfähigkeit der Parteien
stellen; sie sei nicht zulässig „als Nahelegen eines be-
stimmten aktiven Wahlverhaltens oder gar als Maß-
regelung für ein Abweichen des Wählers weg von
den großen politischen Strömungen in der Gesell-
schaft.“ Der Gesetzgeber habe nicht in ausreichendem
Maße versucht, im Wahlgesetz ein Verfahren zu fin-
den, dessen Beschränkungen zum Gleichheitsgrund-
satz sich nur auf die Behandlung der Parteien und ih-
rer Kandidaten auswirken und die Gleichbehandlung
der Wählervoten durch gleichen Erfolgswert im
höchstmöglichen Maße erhalten würde. Es seien an-
dere Auszählungsvarianten möglich, die eine 5 %-
Sperrklausel in vollem Umfang sicherstellen, aber die
Gleichheit im aktiven Wahlrecht weit weniger be-
schneiden würden.
Nach Aufassung des Einspruchsführers ist auch die
Freiheit der Wahl in vermeidbarer Weise verengt. Der
Wähler sei bei der Stimmabgabe in seiner Entschei-
dung nicht frei, die Partei zu wählen, die seine politi-
schen Ziele am besten repräsentiere. Er müsse bei
seiner Wahlentscheidung auch berücksichtigen, daß
die von ihm favorisierte Partei eventuell nicht die
5 %-Sperrklausel schaffe, und damit die Stimme für
die Durchsetzung seiner Interessen verloren wäre,
was möglicherweise gerade dem politischen Gegner
am meisten nütze. Die Alternative wäre die Stimm-
abgabe für eine Partei, die mit größerer Wahrschein-
lichkeit in den Bundestag einziehen, aber nur einen
Teil der Interessen von Wählern vertreten würde.
Somit werde ein Wähler, der eine kleine Partei favo-
risiere, durch das Auszählungsverfahren unter Druck
gesetzt, „mit dem Strom zu schwimmen“ und eine
große Partei zu wählen, um nicht in die Gefahr zu ge-
raten, „alles zu wagen und alles zu verlieren“. Da die-
se Einschränkung der Wahlfreiheit nicht alle Wahlbe-
rechtigten gleichermaßen treffe, sondern nur die An-
hänger einer kleinen Partei, stelle sie einen Verstoß
gegen den Gleichheitsgrundatz dar.
Weiterhin beanstandet der Einspruchsführer, daß ein
Wähler, der mit seiner Stimme bewußt neue politi-

Drucksache 14/1560 – 202 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

sche Strömungen fördern und somit zusätzliche Al-
ternativen in die parlamentarische Auseinanderset-
zung bringen wolle, fast keine Aussicht habe, an der
Zusammensetzung des Bundestages mitwirken zu
können. Auch wenn die 5 %-Sperrklausel an sich eine
Schutzfunktion für die Demokratie habe, so stelle die
ersatzlose Nichtbeachtung der entsprechenden Wäh-
lerstimmen aber eine Gefahr für die Demokratie dar,
da konstruktive Kleinparteien und ihre neuen Ideen
engagierter Mitbürger im Keim erstickt würden und
ihre Wähler sich ihres Einflusses auf die Staatsgewalt
beraubt sähen. Da die evolutionären Kräfte unter-
drückt würden, steige die Gefahr revolutionärer Ver-
änderungen und außerparlamentarischer Strömungen.
Der Einspruchsführer schlägt ein Wahlverfahren vor,
das nach seiner Auffassung die grundgesetzlich ge-
schützten Rechte der Wähler in deutlich höherem
Maße berücksichtigen und dennoch die Sperrklausel
des passiven Wahlrechts aufrechterhalten würde. Da-
nach sollte dem Wähler freigestellt werden, mit seiner
Zweitstimme nicht allein die Partei zu bestimmen,
sondern auch zu verfügen, wer für den Fall des
Scheiterns an der 5 %-Sperrklausel dann in den Ge-
nuß seiner Stimme kommen soll. Praktisch könne
diese Verfügung erfolgen, indem der Wähler die
Partei seiner Wahl mit einer „1“ kennzeichne und die
im Falle der 5 %-Sperrklausel ersatzweise bedachte
Partei mit einer „2“. Sollte auch diese Partei schei-
tern, könne die Stimme an eine weitere Partei mit der
Kennzeichnung „3“ weitergegeben werden u.s.w., bis
schließlich eine Partei in der Auflistung erscheine, die
über 5 % gekommen sei oder die Verfügung des
Stimmberechtigten mittels der Numerierung ende.
Hierbei könne die Weitergabe auf solche Parteien be-
schränkt werden, die schon in der Erstauszählung
über 5 % gekommen seien, oder aber auch eine Ak-
kumulation der „ererbten“ Stimmen als Überspringen
der 5 %-Sperrklauses gewertet werden, denn dies be-
weise eine große Integrationskraft des von dieser
Partei vertretenen Programms. Zudem basiere die
Akkumulation nicht auf einer Listenverbindung, son-
dern auf dem Wählerwillen.
Nach Auffassung des Einspruchsführers hat das von
ihm vorgeschlagene Verfahren folgende Vorteile:

– Die 5 %-Hürde bleibe weiterhin bestehen und mit ihr
der Schutz vor Parteizersplitterung.

– Durch eine ausreichend lange Verfügungsnumerie-
rung stehe es jedem Wähler frei, dafür zu sorgen, daß
sein Votum bei der Zusammensetzung des Parlaments
berücksichtigt werde. Alle taktischen Abwägungen
würden überflüssig; gegen den Strom zu schwimmen
wirke sich nicht mehr nachteilig aus.

– Wer sich von den beschriebenen Problemen nicht be-
troffen fühle, könne auf den unveränderten Wahlzet-
teln wie bisher nur mit einem Kreuz ohne Numerie-
rung seine Stimme abgeben. Niemand verliere eines
seiner Rechte oder werde in seinen Rechten stärker
eingeschränkt.

– Der Mehraufwand des Verfahrens sei im Vergleich zu
dem Gesamtaufwand zur Durchführung der Wahl
verschwindend gering.
Der Einspruchsführer beantragt, aus den genannten
Gründen das amtliche Endergebnis der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag in geeigneter Weise zu kor-
rigieren.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Einen rechtserheblichen Verstoß gegen Grundsätze des
Wahlrechts bei den Wahlen zum 14. Deutschen Bun-
destag läßt sich dem Vortrag des Einspruchsführers nicht
entnehmen. Die angegriffenen Vorschriften des § 78
Abs. 2 Satz 1 BWO in der Alternative 5 b sowie § 6
Abs. 6 Satz 1 BWG begegnen auf Grund des Vortrags
des Einspruchsführers keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken. Sie sind Ausdruck der Grundentscheidungen
des Bundeswahlgesetzes für eine Wahl in Wahlkreisen
sowie nach Landeslisten mit Sperrklausel, die das Bun-
desverfassungsgericht für verfassungskonform erklärt
hat (vgl. zuletzt BVerfGE 95, 335 ff.). Gesetzgebungs-
politische Überlegungen für mögliche Alternativen zum
geltenden Wahlrecht begründen keinen Zwang für den
Gesetzgeber, diese Alternative einzuführen, schon gar
nicht rückwirkend. Das geltende Recht zur Berechnung
des Wahlergebnisses nach Landeslisten verstößt weder
gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit noch den der
Wahlfreiheit. Bei keinem Wahlsystem kann dem Wähler
abgenommen werden, sich zwischen Kandidaten
und/oder Listen kleiner und großer Parteien zu entschei-
den; stets geht er das Risiko ein, daß die Mehrzahl der
anderen Wähler abweichend gewichtet. Diese Folge frei-
er Wahlen bewirkt für den einzelnen Wähler keine
rechtserhebliche Benachteiligung wegen seiner politi-
schen Anschauungen.
Im übrigen sieht sich der Wahlprüfungsausschuß
auch nicht dazu berufen, die Verfassungwidrigkeit
von Rechtsvorschriften festzustellen. Er hat diese
Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 203 – Drucksache 14/1560

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 204 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 205 – Drucksache 14/1560

Anlage 78

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 63/98 –
des Herrn Rutger H. Ising

wohnhaft: Friedhof Str. 12, 51702 Bergneustadt
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1998, das am

30. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am
27. September 1998 eingelegt. Er hat das Wahlergeb-
nis im Wahlkreis 66 (Oberbergischer Kreis) ange-
fochten. Sein Einspruch richtet sich sowohl gegen das
„Wahlkreis-Direkt-Wahlergebnis“ als auch gegen das
„Listen-Wahlergebnis“.
Der Einspruchsführer trägt vor, nach seinen Informa-
tionen seien die Parteien „DIE GRAUEN“ und der
„Bund Freier Wähler“ (BFD) bei der Beibringung
von Unterstützungsunterschriften für den Kreiswahl-
vorschlag durch fehlerhafte Formulare behindert
worden. In seiner Begründung verweist der Ein-
spruchsführer auf seinen vor der Wahl mit dem In-
nenausschuß des Deutschen Bundestages geführten
Schriftwechsel, in dem er um Klarstellung gebeten
hatte, was die Angaben „Tag der Geburt“ und „Per-
sönliche und handschriftliche Unterschrift“ auf dem
Formblatt für eine Unterstützungsunterschrift des
Wahlkreises 66 genau zu bedeuten hätten. Das Bun-
desministerium des Innern, das der Innenausschuß um
eine Stellungnahme gebeten hatte, hat dazu mitgeteilt,
daß die im Formblatt des Oberbergischen Kreises
enthaltenen Formulierungen „Tag der Geburt“ und
„Persönliche und handschriftliche Unterschrift“ mit
dem Wortlaut des § 34 Abs. 4 Nr. 2 Bundeswahlord-
nung (BWO) und dem zwingend zu verwendenden
Formblatt nach Anlage 14 übereinstimmten. Um die
Wahlberechtigung des Unterzeichners feststellen zu
können, müsse der „Tag der Geburt“ als vollständige
Datumsangabe (Tag – Monat – Jahr) eingetragen
werden. Ob eine Unterstützungsunterschrift, bei der
der „Tag der Geburt“ ohne Monat und Jahr angege-
ben sei, als gültig anerkannt werde, sei im Rahmen
der Zulassung der Kreiswahlvorschläge (§§ 25, 26
Bundeswahlgesetz – BWG) zu entscheiden. Um der
Wahlbehörde die Prüfung der Echtheit der Unter-

schrift und der Wahlberechtigung des Unterzeichners
zu ermöglichen, sei eine „persönliche und hand-
schriftliche Unterschrift“ vorgeschrieben, d. h., daß
das Formular vom Unterzeichner eigenhändig unter-
zeichnet sein müsse.
Der Innenausschuß hat dem Einspruchsführer die
Stellungnahme des Bundesministerium des Innern zur
Kenntnis gegeben. Dieser hat dazu vorgetragen,
da einerseits das Bundesministerium des Innern
erklärt habe, der Geburtstag müsse zwingend nach
Tag – Monat – Jahr eingetragen werden, andererseits
aber die Formulare mit der Angabe „Tag der Geburt“
verwendet worden seien, seien diese zur Irreführung
geeignet gewesen.
Der Einspruchsführer vertritt die Auffassung, eine
irrtümlich erfolgte unvollständige Eintragung auf dem
Formblatt für eine Unterstützungsunterschrift bedeute
eine „Wahlbewerbungs-Behinderung“, da sie unwei-
gerlich zur Verweigerung der Bescheinigung des
Wahlrechts und damit zur Zurückweisung der Unter-
stützung führe.
Des weiteren trägt der Einspruchsführer vor, teilweise
seien den aufstellenden Vertretern von Einwohnermel-
deämtern im Wahlkreis 66 komplette Sammlungen mit
Unterstützungsunterschriften erst nach Ablauf der Ein-
reichungsfrist – 23. Juni 1998, 18.00 Uhr – zurückge-
geben worden, obwohl sie dort wochenlang vorgele-
gen hätten und das Wahlrecht der Unterstützer be-
scheinigt gewesen sei. Dadurch seien die Unterstüt-
zungsunterschriften für die Kreiswahlvorschläge
durch den öffentlichen Dienst unbrauchbar gemacht
worden. Nach den Informationen des Einspruchsfüh-
rers sei hiervon u.a. die Partei DIE GRAUEN betrof-
fen gewesen. DIE GRAUEN hätten angegeben, ob-
wohl sie die Unterstützungsunterschriften ca. zwei
Wochen vor Fristablauf vorgelegt hätten, seien diese
erst am Tage nach Ablauf der Einreichungsfrist, dem
24. Juli 1998, vom Einwohnermeldeamt Waldbröl
komplett an die Wahlkreisbewerberin zurückgereicht
worden, vom Einwohnermeldeamt Nümbrecht sogar
erst am 27. Juli 1998.

Drucksache 14/1560 – 206 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ferner behauptet der Einspruchsführer, der Kreis-
wahlvorschlag der Partei „Bund Freier Bürger“
(BFG) sei durch gravierende Verwaltungsfehler un-
zulässig behindert worden. Wegen der Behinderung
sei der Kreiswahlvorschlag im Zulassungsverfahren
gescheitert, weil der Wahlkreisbewerber nicht mehr
in der Lage gewesen sei, den Kreiswahlvorschlag
komplett mit 200 Unterstützungsvorschriften vorzu-
legen. Dies habe Einfluß gehabt auf das zwischen
dem CDU-Bewerber und dem SPD-Bewerber mit nur
rd. 360 Stimmen Unterschied sehr knappe Direkt-
wahlergebnis, mithin auf die Mandatsverteilung im
14. Deutschen Bundestag.
Der Kreiswahlleiter des Oberbergischen Kreises wur-
de zu dem Vorbringen des Einspruchsführers, soweit
dieser Behinderungen durch Wahlorgane im Wahl-
kreis 66 geltend gemacht hat, um Stellungnahme ge-
beten. Er hat sich wie folgt geäußert:
Die Aufforderung zur Einreichung von Kreiswahlvor-
schlägen (§ 32 BWO) sei am 28. März 1998 in sieben
im Kreisgebiet erscheinenden Tageszeitungen be-
kanntgemacht worden. Für den Kreiswahlvorschlag
der Partei DIE GRAUEN seien die Formblätter für
Unterstützungsunterschriften am 4. Juni 1998 per
Post an die Bewerberin im Wahlkreis 66 übersandt
worden. Hierbei sei die Bewerberin ausdrücklich auf
die Problematik der Unterstützungsunterschriften
hingewiesen worden. Am 31. Juli 1998 habe der
Kreiswahlausschuß über die Zulassung der Kreis-
wahlvorschläge entschieden und u.a. auch den Wahl-
vorschlag der Partei DIE GRAUEN – Graue Panther
im Wahlkreis 66 zugelassen. Im Anschluß an die Sit-
zung habe die Vertrauensperson des Wahlvorschlages
der Partei DIE GRAUEN darauf hingewiesen, daß die
Stadt Waldbröl und die Gemeinde Nümbrecht Form-
blätter für Unterstützungsunterschriften verspätet zu-
rückgegeben hätten. Die Hauptverwaltungsbeamten
von Waldbröl und Nümbrecht hätten auf Rückfrage
bestätigt, daß Formblätter für Unterstützungsunter-
schriften der Partei DIE GRAUEN irrtümlich ver-
spätet, d.h. erst nach Ablauf der Ausschlußfrist, zu-
rückgesandt worden seien. Der Kreiswahlleiter ver-
tritt die Auffassung, daß trotz eines Fehlers der örtli-
chen Meldebehörden eine belastende Rechtsfolge für
die Partei weder eingetreten noch zu erkennen sei, da
diese mit dem eingereichten Kreiswahlvorschlag eine
ausreichende Zahl an Unterstützungsunterschriften
vorgelegt hätte und auch zur Bundestagswahl zuge-
lassen worden sei. Im übrigen sollte von einer Partei
eine Nachfrage erwartet werden, wenn einer Behörde
wichtige fristgebundene Vorgänge vorgelegt worden
seien, sie von dieser aber keine Rückmeldung erfahre.
Eine entsprechende Rückfrage des Wahlvorschlagträ-
gers sei nicht erfolgt.
Zu dem Vorwurf des Einspruchsführers, die Partei
BUND FREIER BÜRGER sei unzulässig behindert
worden, teilt der Kreiswahlleiter mit, der Wahlkreis-
bewerber sei am 30. April 1998 bei seiner Vorsprache
im Kreiswahlbüro umfangreich über das Aufstel-

lungsverfahren, Fristen und Formerfordernisse infor-
miert worden. Dem Bewerber seien auf dessen
schriftliche Anforderung am 5. Juni 1998 Formblätter
für die Unterstützungsunterschriften übersandt wor-
den. Per Fax sei er am 23. Juli 1998 nochmals darauf
hingewiesen worden, daß die Einreichungsfrist für
Kreiswahlvorschläge am gleichen Tag um 18.00 Uhr
ende. Ein Wahlvorschlag sei jedoch nicht eingereicht
worden. Der Bewerber habe weder in mehreren Tele-
fongesprächen vor Ablauf der Einreichungsfrist, die
mit ihm zu Fragen des Wahlrechts geführt worden
seien, noch nach Ablauf der Einreichungsfrist auf
Behinderungen bei der Aufstellung des Wahlvor-
schlages hingewiesen oder moniert, daß Formblätter
für Unterstützungsunterschriften von örtlichen Mel-
debehörden nicht rechtzeitig zurückgegeben worden
seien.
Die Stellungnahme des Kreiswahlleiters wurde dem
Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben. Er hat sich
hierzu jedoch nicht mehr geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Ein Wahlfehler bei der Zulassung der Parteien ,,DIE
GRAUEN“ und ,,Bund Freier Wähler“ (BFD) im Wahl-
kreis 66 (Oberbergischer Kreis) liegt nicht vor. Der
Kreiswahlvorschlag ist im Ergebnis ordnungsgemäß zu-
gelassen worden. Es sind nämlich genügend Unterstüt-
zungsunterschriften beigebracht worden. Außerdem wa-
ren die Anforderungen an die Beibringung von Unter-
stützungsunterschriften nicht zu beanstanden. Das zu
verwendende Formblatt ist eindeutig. Wenn der ,,Tag der
Geburt“ anzugeben ist, kann bei verständiger Auslegung
kein Zweifel daran bestehen, daß der tatsächliche Ge-
burtstag nach ,,Tag-Monat-Jahr“ eingefordert ist.
Ob noch weitere Unterstützungsunterschriften dem
schon ohne diese zulässigen Kreiswahlvorschlag hätten
hinzugefügt werden können, falls in Waldbröl und Nüm-
brecht Fehler bei der Anwendung von Vorschriften des
Wahlrechts unterblieben wären, ist im übrigen wahlprü-
fungsrechtlich unerheblich. Erheblich können nämlich
nur solche Wahlfehler sein, die Einfluß auf das Wahler-
gebnis haben oder haben könnten (seit BVerfGE 4, 370,
[372], ständige Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall
ist noch nicht einmal die Zulassung des Kreiswahlvor-
schlages verhindert worden.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 207 – Drucksache 14/1560

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 208 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209 – Drucksache 14/1560

Anlage 79

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 70/98 –
des Herrn Hans H. Wendel

wohnhaft: Goethestr. 33, 48703 Stadtlohn
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1998, das per Telefax

am 2. November 1998, im Orginal am 10. November
1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
„zur Vermeidung von Frust der wirklichen Leistungs-
träger im Volk, dem einfachen Bürger“ eingelegt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch im
wesentlichen damit, daß die Monopolstellung des
Staates häufig zu Lasten des Bürgers mißbraucht
werde und dadurch zu Verletzungen der Grundrechte
aus Artikel 1 Abs. 1, Artikel 2 Abs. 1, Artikel 3
Abs. 1, Artikel 14 Abs. 1 und Artikel 38 Abs. 1
Grundgesetz (GG) führe. Entgegen Artikel 38 Abs. 1
GG sei die Wahl nicht frei bzw. nicht frei genug. Es
fehle für die Wahl die Grundsatzfrage, „ob wir a)
noch mit diesem System einverstanden sein können
und ob das System bzw. die Auswirkungen hieraus
noch den guten Sitten nach Treu + Glauben des Bür-
gers entsprechen oder ob wir b) ein neues, besseres
System benötigen“. Der Einspruchsführer sieht durch
das Fehlen dieser Wahlmöglichkeit seine nach Arti-
kel 2 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte freie Entfaltung der
Persönlichkeit verletzt. Er trägt vor, sein Einspruch
diene dazu, daß diese „Mängel=Mißstände“ im Auf-
trag unserer Verfassung zwingend anzugehen und zu
beheben seien. Zur weiteren Begründung von Grund-
rechtsverletzungen verweist der Einspruchsführer auf
von ihm verfaßte Schriften „Schlanker Staat“ und
„Nichtigkeit der Steuererhebung und -eintreibung in
der BRD“. Bezüglich deren Inhalts wird auf die Akte
verwiesen, der die Schriften in Anlage beigefügt sind.
Mit dem Eingangsbestätigungsschreiben wurde der
Einspruchsführer gebeten, die Tatsachen mitzuteilen,
durch die er die Wahlrechtsvorschriften verletzt sehe.
Er hat sich dahin gehend geäußert, daß er einen
konkreten Anfechtungsgegenstand, nämlich diverse
Grundrechtsverletzungen, aufgezeigt habe. Mit einem
weiteren Schreiben wurde der Einspruchsführer er-
neut darauf hingewiesen, daß sein Einspruch nur dann

begründet sei, wenn der beanstandete Wahlfehler Ein-
fluß auf die Sitzverteilung des neu gewählten Bun-
destages habe. Durch allgemeine rechtliche und poli-
tische Vorbehalte sei diese Voraussetzung nicht er-
füllt. Die Frage, ob er seinen Einspruch dennoch auf-
rechterhalten wolle, hat der Einspruchsführer bejaht.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Ein Verstoß gegen geltende Wahlrechtsvorschriften liegt
nicht vor, wenn lediglich die Verfassungswidrigkeit des
Bundeswahlgesetzes unter allgemeinen Verweisen auf
Verfassungsvorschriften wie Artikel 2 oder 38 GG oder
auf Wahlrechtsgrundsätze behauptet wird. Erwägungen
zur Akzeptanz der geltenden staatlichen Ordnung (bei-
spielsweise durch allgemeinen Verweis auf die ,,guten
Sitten nach Treu und Glauben des Bürgers“) oder zur Ef-
fektivität des Staatshandelns (beispielsweise durch die
Forderung nach dem ,,schlanken Staat“) sind nicht ge-
eignet, konkrete Verletzungen von Wahlrechtsvorschrif-
ten zu begründen und zu belegen, die bei der Vorberei-
tung, Durchführung und Stimmenauszählung zu Bun-
destagswahlen zu beachten sind.
Im übrigen könnte der Einspruch auch selbst dann, wenn
das Bundeswahlgesetz aus den vom Einspruchsführer vor-
getragenen Gründen verfassungswidrig sein sollte, keinen
Erfolg haben. Der Wahlprüfungsausschuß sieht sich näm-
lich nicht dazu berufen, die Verfassungswidrigkeit von
Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Er hat diese Kon-
trolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Der Einspruch ist daher gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Drucksache 14/1560 – 210 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 211 – Drucksache 14/1560

Anlage 80

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 101/98 –
des Herrn Bernhard Balke

wohnhaft: Strothweg 118, 33415 Verl
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 26. November 1998, das als Tele-

fax am 27. November 1998 beim Bundestag einge-
gangen ist, hat der Einspruchsführer die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998 an-
gefochten.
Der Einspruchsführer „protestiert“ gegen die Wahl
des Abgeordneten Hubert Deittert, der mit 46,0 % der
im Wahlkreis 101 (Gütersloh) abgegebenen Erst-
stimmen direkt in den Bundestag gewählt wurde.
Der Einspruchsführer beanstandet das Verfahren zur
Nominierung der CDU-Kandidaten im Kreis Güters-
loh, für das der Abgeordnete Hubert Deittert als
CDU-Kreisvorsitzender maßgeblich verantwortlich
gewesen sei. Das Verfahren sei dem im Grundgesetz
verankerten Partizipationsrecht der Bürger und dem
innerparteilichen Demokratiegebot nicht gerecht ge-
worden, sondern habe offenbar gezielt die demokrati-
schen Minimalrechte der Bürger in der Partei unter-
laufen. Er als Mitglied der CDU habe keine Möglich-
keit gehabt, sich an dem Nominierungsverfahren der
CDU-Kandidaten im Kreis Gütersloh für die Bun-
destagswahl 1998 zu beteiligen. Der CDU-Ortsver-
band Verl, dem er angehöre, habe keine Entscheidung
über die Nominierung des Kandidaten Deittert getrof-
fen, sondern nur die Delegierten zur Nominierungs-
versammlung „ausgewählt“. Da die Delegierten für
die Nominierungsversammlung der Kreis-CDU in
den Ortsverbänden nicht aus den am Wahlabend an-
wesenden Interessenten, sondern mittels vorgefertig-
ter Stimmzettel mit Namen von Parteimitgliedern, die
teilweise nicht einmal anwesend gewesen seien, aus-
gewählt worden seien, sei es nahezu unmöglich,
wahlberechtigter Delegierter zu werden. Die vorge-
fertigten Stimmzettel enthielten genau so viele Be-
werber, wie Delegiertenplätze zu vergeben seien.
Bewerbe sich trotzdem jemand zusätzlich um einen
Delegiertenplatz, werde das Wahlverfahren und die
Auszählung unverhältnismäßig komplizierter und
langwieriger, was auf einer Parteiversammlung nur

toleriert werde, wenn beispielsweise Lokalprominenz
weitere Kandidaten vorschlage. Jeder Versuch, sich
ohne den „Segen“ der Parteiführung um einen Dele-
giertenplatz zu bewerben, sei von vornherein zum
Scheitern verurteilt. Für ihn – den Einspruchsführer –
sei eine an den Wahlgrundsätzen des Grundgesetzes
orientierte, demokratische Personalauswahl und das
in § 10 Abs. 2 des Parteiengesetzes erwähnte Stimm-
recht in einer derartigen Vorgehensweise nicht er-
kennbar. Die Vertreter der Parteiorgane würden durch
dieses Verfahren gezielt massiven Einfluß darauf
nehmen, wer überhaupt ein Stimmrecht erhalte. Da-
durch würden die einfachsten und letzten, ohnehin
fast nur noch symbolischen Partizipationsmöglich-
keiten der Bürger gezielt ausgehebelt.
Die Wahlleiterin des Wahlkreises Gütersloh hat in
ihrer Stellungnahme ausgeführt, daß der eingereichte
Kreiswahlvorschlag der CDU mit Herrn Hubert
Deittert als Direktkandidaten keine Mängel aufgewie-
sen habe. Auch hätten sich aus der Niederschrift über
die Vertreterversammlung zur Aufstellung des Wahl-
kreisbewerbers und den erforderlichen Anlagen keine
Anhaltspunkte für ein wahlrechtlich bedenkliches
Aufstellungsverfahren ergeben. Soweit der Ein-
spruchsführer moniert, daß er als Parteimitglied kein
unmittelbares Stimmrecht bei der Aufstellung des
Wahlkreiskandidaten gehabt habe, verweist die
Kreiswahlleiterin auf die vom Bundeswahlgesetz ins-
besondere für mitgliederstarke Parteien eingeräumte
Möglichkeit einer Vertreterversammlung.
Eine an den Kreistag gerichtete Einwohnerfrage des
Einspruchsführers bezüglich des Nominierungsver-
fahrens, die der Stellungnahme beigefügt ist, wurde
im Rahmen einer Einwohnerfragestunde am 24. Ok-
tober 1998 dahin gehend beantwortet, daß in den
bundeswahlrechtlichen Vorschriften geregelt sei, in
welcher Weise die jeweiligen Direktkandidaten der
wahlvorschlagsberechtigten Parteien aufgestellt wür-
den. Danach sei für die parteiinterne Aufstellung
sowohl eine Mitgliederversammlung als auch eine
Delegiertenversammlung zulässig. Die Prüfung der

Drucksache 14/1560 – 212 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

parteiinternen Nominierung durch den Kreiswahlaus-
schuß beschränke sich auf die Prüfung der dem
Kreiswahlvorschlag beigefügten Niederschrift. Män-
gel bei dem Vorschlag der CDU hätten sich nicht
ergeben. Es sei gesetzlich vorgesehen, daß die Par-
teien in ihren Satzungen das Verfahren vor der Auf-
stellungsversammlung regeln, d. h. Wahl der Dele-
gierten, Einberufung und Beschlußfähigkeit der Mit-
glieder- oder Vertreterversammlung und das Verfah-
ren für die Wahl des Bewerbers.
Die Stellungnahme wurde dem Einspruchsführer zur
Kenntnis gegeben. Er hat sich dahin gehend geäußert,
daß die Aussagen der Kreiswahlleiterin unzureichend
und ausweichend seien und nichts zur Aufklärung der
von ihm beanstandeten Vorgehensweisen beitragen
würden. Seine Einwände seien damit nicht widerlegt
worden. Da die von ihm beanstandeten Wahlmani-
pulationen bereits im Vorfeld der Vertreterversamm-
lung bei der „Nominierung“ und „Aufstellung“ der
Vertreter in den Ortsverbänden stattfänden, sei die
Satzung der CDU und das tatsächliche parteiinterne
Auswahlverfahren für die sogenannten Delegierten zu
überprüfen. Der Hinweis auf das Bundeswahlgesetz
und die darin enthaltene Möglichkeit zu einer Kandi-
datennominierung durch eine Vertreterversammlung
erkläre nicht die mangelhafte Organisation dieser
Verfahren bzw. das gezielte Aushebeln elementarer
Mitgliederrechte mit der absurden Begründung, es
gäbe zuviele Mitglieder. Er – der Einspruchsführer –
sehe in der Stellungnahme der Kreiswahlleiterin
einen weiteren Beleg für den Unwillen der Güters-
loher Verantwortlichen, sich mit Eingriffen von Par-
teien in demokratische Grundrechte der Bürger zu be-
fassen.
Des weiteren trägt der Einspruchsführer vor, bei
Wahlen im Kreis Gütersloh sei es in den letzten Jah-
ren wiederholt zu gravierenden Wahlmanipulationen
gekommen. Die Vorgänge seien öffentlich bekannt
und würden auch keineswegs bestritten. Dazu nimmt
er Bezug auf die Fragen und Antworten in der Ein-
wohnerfragestunde vom 24. Oktober 1998.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Ak-
ten verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Ein Wahlfehler ist weder bei der Beschlußfassung der
Vertreterversammlung der CDU im Wahlkreis 101 über

den Kreiswahlvorschlag der CDU noch bei der Zu-
sammensetzung der Vertreterversammlung der CDU
zur Aufstellung des Wahlkreisbewerbers festzustellen.
Der Einspruchsführer wendet sich mit allgemeinen Er-
wägungen gegen die Wahl des Delegierten zur Vertre-
terversammlung der CDU in seinem CDU-Ortsverband
Verl. Er beschreibt die Schwierigkeiten eines Parteien-
mitgliedes, sich in einer Parteiversammlung durchzu-
setzen. Er macht aber nicht geltend, daß bei der Dele-
giertenwahl konkrete Rechtsverstöße vorgekommen
seien, beispielsweise indem ein Gegenkandidat nicht
berücksichtigt worden sei; er trägt lediglich vor, daß
wenig Erfolgsaussichten für Versuche bestünden, vom
Wahlvorschlag des Parteivorstandes abzuweichen. Da-
mit werden Probleme des Verhaltens von Teilnehmern
einer Parteiversammlung beschrieben, nicht aber kon-
krete Verletzungen von Antrags- oder Abstimmungs-
rechten der Parteimitglieder behauptet.
Ein Wahleinspruch muß zur Begründung aber zumindest
den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird,
erkennen lassen und genügend substantierte Tatsachen
enthalten, die einen Verstoß gegen Wahlrechtsvor-
schriften darlegen könnten. Der Einspruchsführer hat in-
des nicht Tatsachen vorgetragen, die Zweifel an der Ein-
haltung der zwingenden Wahlrechtsvorschriften, die
auch im parteiinternen Wahlvorbereitungsverfahren zu
beachten sind, belegen würden. Es entspricht den Vor-
schriften des Parteiengesetzes, wenn in einem Wahlkreis
eine Delegiertenversammlung aus Vertretern der Orts-
verbände über die Kandidatenaufstellung entscheidet und
nicht eine Mitgliederversammlung aller Mitglieder des
Kreisverbandes. Falls die Mehrheit der Parteienmitglie-
der gegen eine solche parteiinterne Regelung keinen
Antrag zur Änderung der einschlägigen Parteisatzung
stellt, muß das einzelne Parteimitglied sich darauf ein-
stellen.
Alleinige Aufgabe der Wahlprüfung ist es aber festzu-
stellen, ob durch Verletzung der Wahlrechtsbestimmun-
gen das Wahlergebnis beeinflußt worden ist und diese
Verletzung Einfluß auf die Mandatsverteilung gehabt hat
oder hätte haben können. Nach den Ausführungen des
Einspruchsführers zur Begründung seines Einspruchs ist
dies nicht der Fall.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213 – Drucksache 14/1560

Anlage 81

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 8/98 –
des Herrn Günter Deckert c/o JVA

wohnhaft: Schönbornstraße 32, 76646 Bruchsal
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. September 1998, welches am

29. September 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer gibt an, er sei aufgrund der
„brddr-HOLO ...-Inquisition und der damit zusam-
menhängenden undemokratischen SONDERgesetz-
gebung“ zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt worden.
Zur Begründung seines Einspruches führt er aus, er
sei von Anfang an aus politischen Gründen unter
Zensur gestellt und schikaniert worden, wozu auch
die Beschränkung von legal erhältlichen Zeitungen
und Zeitschriften sowie das Vorenthalten/Nicht-
aushändigen von politischem Info-Material der kan-
didierenden Parteien DVU, NPD und DIE REPU-
BLIKANER zur Bundestagswahl 1998 gehört habe.
Die „Hirnrissigkeit der ... abgesegneten Schikanie-
rungs-, Bevormundungs- und Entmündigungsmaß-
nahmen“ zeige sich darin, daß er problemlos auf
einem Platz der NPD-Landesliste von Baden-
Württemberg habe kandidieren können.
Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, in dem
der Einspruchsführer zur Zeit seine Haftstrafe ver-
büßt, hat zu dem Einspruch folgende Stellungnahme
abgegeben:
Der Einspruchsführer habe vor der Bundestagswahl
ausreichend Gelegenheit gehabt, sich über die Parteien
und ihre Kandidaten zu informieren. Ihm stünden
mehrere Tageszeitungen und sonstige politische Zeit-
schriften zur Verfügung, darunter auch solche aus
dem sogenannten rechten Spektrum. So beziehe er
z.B. die Zeitschriften „Nation und Europa“, „Unab-
hängige Nachrichten“ und „Junge Freiheit“. Des
weiteren beziehe er regelmäßig das Bulletin des Pres-
se- und Informationsamtes der Bundesregierung und

habe Zugriff auf die elektronischen Massenmedien.
Am 31. August 1998 habe der Einspruchführer eine
Broschüre des Deutschen Institutsverlags über die
Bundestagswahl 1998 mit einer Analyse der politi-
schen Programme der Parteien erhalten.
Aufgrund des besonders hohen Sicherheitsstandards
in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal könnten die Ge-
fangenen jedoch nicht unbeschränkt Prospektmaterial
beziehen. Dies verbiete der notwendige extreme
Kontrollaufwand bei mehreren hundert Strafgefan-
genen. Die Zulassung zusätzlichen Werbematerials
von Parteien über die dem Einspruchsführer bereits
gewährten Möglichkeiten hinaus habe auch unter Be-
rücksichtigung seiner Meinungsfreiheit aus Gründen
der Ordnung und Sicherheit in der Justizvollzugsan-
stalt Bruchsal nicht mehr gewährt werden können.
Über den Inhalt der Stellungnahme ist der Ein-
spruchsführer unterrichtet worden. Er hat sich dazu
nochmals wie folgt geäußert:
Der „Zuchthauschef“ sei in bezug auf die „politische
Sonderbehandlung“ seiner Person ein notorischer
Dauerlügner. Mit Mitteln der Erpressung werde seine
Umerziehung versucht, z.B. durch Zensur der Zeit-
schriften, die er lesen dürfe. Die Zahl der Zeitungen
und Zeitschriften aus dem sog. rechten Spektrum sei
willkürlich auf zwei begrenzt worden. Politisches
Material der Parteien DVU, NPD und REP werde ihm
grundsätzlich nicht ausgehändigt. Er habe sich des-
halb nicht am Originalmaterial der genannten Parteien
informieren können. Es habe im Wahlkampf keine
politische Chancengleichheit gegeben. Selbst das In-
formationsmaterial der Bundeszentrale für politische
Bildung habe die genannten Parteien ausgeschlossen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 214 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil anhand des Sachverhaltes
kein Wahlfehler festgestellt werden konnte.
Gemäß § 68 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) darf
der Gefangene Zeitungen und Zeitschriften in angemes-
senem Umfang durch Vermittlung der JVA beziehen.
Der Umfang der Zeitungen und Zeitschriften, die der je-
weilige Gefangene durch die Justizvollzugsanstalt bezie-
hen kann, kann wegen der Gewährleistung der Sicherheit
und Ordnung in der Anstalt und des damit verbundenen
hohen Kontrollaufwandes sowie im Interesse der
Gleichbehandlung aller Gefangenen nicht unbeschränkt
sein. Letztlich liegt es in der Entscheidungskompetenz
des Anstaltsleiters, anhand der Bedingungen der Anstalt
den konkreten Umfang der Presseerzeugnisse, die von
den Gefangenen bezogen werden können, zu bestimmen.
Der Einspruchsführer hatte die Möglichkeit, sich anhand
der zahlreichen Presseerzeugnisse, die er regelmäßig be-

zieht, über die wesentlichen Ziele jeder wählbaren Partei
zu informieren.
Die Justizvollzugsanstalt hat im Falle des Einspruchsfüh-
rers das ihr Mögliche getan, um seinen Anspruch auf
Grundinformation über die Kandidaten und Parteien der
Bundestagswahl angemessen zu erfüllen, ohne die Si-
cherheit und Ordnung der Anstalt zu gefährden.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 215 – Drucksache 14/1560

Anlage 82

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 93/98 –
der Frau Dr. Susanne Kunze-Schmidt
und des Herrn Dr. Detlef Schmidt

beide wohnhaft: Bamberger Straße 32, 10779 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 26. November 1998, welches am

gleichen Tag per Telefax beim Bundestag eingegan-
gen ist, haben die Einspruchsführer gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am
27. September 1998 Einspruch eingelegt.
Die Einspruchsführer beanstanden in ihrem Einspruch
die sogenannte Frauenquote der Partei BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN. In der Satzung dieser Partei und in
deren Frauenstatut sei folgende Regelung enthalten:
„Wahllisten sind grundsätzlich alternierend mit Frau-
en und Männern zu besetzen, wobei den Frauen die
ungeraden Plätze zur Verfügung stehen.“ Während
Frauen sich auch um die geraden Plätze bewerben
dürfen, sei es den Männern umgekehrt verwehrt, eine
Kandidatur auf den ungeraden Plätzen anzustre-
ben. Nach § 2 des Frauenstatuts der Partei BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN seien reine Frauenlisten mög-
lich.
Gegenstand des Einspruchs sei nicht die Frage der
allgemeinen Zulässigkeit von Frauenquoten, die es
auch in den Satzungen anderer Parteien gäbe, sondern
ausdrücklich nur die Zulässigkeit der Bestimmungen
des Satzungsrechts der Partei BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bezüglich der Frauenquote und deren
Auswirkungen. Nach Ansicht der Einspruchsführer
ist die verfassungsrechtliche Beurteilung der Frauen-
quote der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN völlig
unabhängig davon, wie generell Frauenquoten beur-
teilt werden. Im allgemeinen bedürften Frauenquoten
der Rechtfertigung durch Artikel 3 Abs. 2 und 3
Grundgesetz (GG), insbesondere durch die Regelung
von Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG, welche nicht nur eine
geschlechtsspezifische Diskriminierung verhindern
solle, sondern eine umfassende, auch die Stellung in
der Gesellschaft einbeziehende Gleichberechtigung
von Männern und Frauen herstellen solle. Diesen Zie-
len, Gleichberechtigung im Sinne des Ausschlusses
von Diskriminierung als auch im Sinne sozialer
Gleichstellung, würden die genannten Satzungsbe-

stimmungen der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
nicht dienen.
Sie würden vielmehr nur zu einer neuen sozialen Un-
gleichstellung führen, indem sie nicht nur zwingend
eine Überrepräsentation von Frauen vorsähen, son-
dern zugleich Männer in einer großen Zahl der Bun-
desländer vollständig von einer chancengleichen
Wahrnehmung des passiven Wahlrechts ausschlössen.
Außerdem seien die Auswirkungen der Frauenquoten
der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an das völlig
systemwidrige Kriterium des Wahlerfolgs geknüpft:
je weniger Stimmen diese Partei erziele, um so höher
wirke sich die einseitige Bevorzugung weiblicher
Wahlkreisbewerber aus.
Die genannten Bestimmungen der Partei BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN würden deshalb das grundlegende
Kriterium für jede Quotierung, die Gleichstellung er-
reichen will, nicht erfüllen. Damit würde die Frauen-
quote der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik
Deutschland erheblich beeinträchtigen, weil sie dazu
führe, daß nicht gemäß Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG
soziale Gleichstellung von Mann und Frau, sondern
die soziale Ungleichstellung von Männern eintrete.
Die Einspruchsführer tragen zum Sachverhalt im ein-
zelnen folgendes vor:
1. Zunächst sei den Auswirkungen der Frauenquote

der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf das
Wahlergebnis dieser Partei bei der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag Aufmerksamkeit zu
widmen.
Die von der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vorgeschriebene Quotierung ergäbe gemäß der ihr
inne wohnenden „mathematischen Binsenweis-
heit“ wegen ihrer festen Zuweisung ungerader Li-
stenplätze an Frauen und gerader Listenplätze an
Männer zwingend eine Mehrheit von Frauen. Dies
hatte nach den Angaben der Einspruchsführer fol-
gende konkrete Auswirkungen bei der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag:

Drucksache 14/1560 – 216 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

57,54 % aller, ausschließlich über Landeslisten ge-
wählten Abgeordneten der Partei BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN seien weiblich. Von den 14 Lan-
deslisten der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
über die Abgeordnete in den Deutschen Bundestag
gewählt worden seien, sei in sieben Bundesländern
eine ungerade Zahl an Listenbewerbern gewählt
worden. Daraus folge, daß von den 47 Abgeord-
neten der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
20 Männer und 27 Frauen seien.
Deutlich gravierender seien die Auswirkungen auf
die einzelnen Landeslisten. So seien im Bundes-
land Berlin drei Abgeordnete der Partei BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN gewählt worden, von de-
nen nach der Vorschrift des Frauenstatus zwei
Frauen zu sein hatten. In fünf Bundesländern, näm-
lich in Bremen, Hamburg, Brandenburg, Sachsen-
Anhalt und Thüringen habe nach dem Stimmen-
anteil der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN je-
weils nur ein Abgeordneter über die Landesliste in
den Bundestag gewählt werden können. Entspre-
chend der satzungsmäßigen Vorgabe sei dies im-
mer eine Frau gewesen.
Im folgenden vergleichen die Einspruchsführer die
Auswirkungen der Frauenquote der Partei BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN dergestalt, daß die Anwen-
dung dieser Quote auf die Landeslisten der
CDU/CSU als Beispiel für eine große Partei und von
F.D.P und PDS als Beispiel für kleinere Parteien
analysiert wird. Von den 126 über Landesliste ge-
wählten Abgeordneten der CDU/CSU wären bei der
Anwendung der Frauenquote der Partei BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN 66 Frauen und 60 Männer. Bei
der F.D.P. ergäben sich für die 44 ausschließlich
über Landeslisten gewählten Abgeordneten bei An-
wendung der Frauenquote der Partei BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN 27 Frauen und 17 Männer. Bei
der PDS hätte eine unterstellte Anwendung der
Frauenquote der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN die Folge, daß von den 30 über Landes-
listenplätze gewählten Abgeordneten 18 auf Frauen
und 12 auf Männer entfielen.
Insgesamt folgern die Einspruchsführer aus ihrer
Analyse, daß die effektiven Auswirkungen der
Frauenquote der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN mit dem Ziel der Frauenförderung in keinem
sachlichen Zusammenhang stünden, sondern von
der Verteilung des Wahlergebnisses auf Landes-
listen und den dafür geltenden mathematischen
Gesetzen abhingen. Würde es der Partei BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN gelingen, in weiteren Bun-
desländern ihren Stimmenanteil mit der Konse-
quenz zu steigern, daß wenigstens ein Abgeord-
neter auf Landeslisten erfolgreich ist, über welche
bisher kein Abgeordneter erfolgreich war, würden
sich die Auswirkungen der Quote noch verstärken.
Ein Ergebnis von über 70 % Frauenanteil wäre
dann mathematisch vorstellbar.

2. Zweitens tragen die Einspruchsführer zur ihrer
Ansicht nach herrschenden Rechtslage folgendes
vor:

Grundsätzlich fielen Quotierungen von Bewerbern
von Landeslisten in die Organisationsfreiheit einer
politischen Partei als Bestandteil der sogenannten
Parteifreiheit. Die durch Artikel 21 Abs. 1 Satz 2
GG gewährte Freiheit der Gründung von Parteien
beinhalte auch die Freiheit der inhaltlichen Aus-
richtungen und organisatorischen Gestaltung. Für
Frauenquoten gäbe es eine zusätzliche Rechtferti-
gung durch Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Anderer-
seits würden Frauenquoten mit den Wahlrechts-
grundsätzen des Artikels 38 Abs. 1 Satz 2 GG da-
durch kollidieren, daß sie das passive Wahlrecht
männlicher Bewerber tangieren würden, weil sich
Männer um die für Frauen vorbehaltenen Plätze
nicht bewerben könnten. Dies stelle einen Eingriff
in den Grundsatz der gleichen Wahl dar, mög-
licherweise auch in die Grundsätze der freien und
allgemeinen Wahl. Die Beeinträchtigung der pas-
siven Wahlfreiheit könne sich zugleich auch als
Beeinträchtigung der aktiven Wahlfreiheit inso-
fern auswirken, als das Wahlrecht des Bürgers
keiner inhaltlichen Rechtfertigung unterliegen
solle und dürfe. Ein an das Geschlecht oder eine
andere nicht beeinflußbare Größe anknüpfendes
Kriterium für die Bevorzugung von Kandidaten in
Wahlvorgängen widerspräche außerdem dem De-
mokratieprinzip des Artikels 21 Abs. 1 Satz 3 GG.
Die Verfassungswidrigkeit der Ausgestaltung der
Frauenquote durch die Partei BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN sei völlig unabhängig davon festzu-
stellen, wie generell die Entscheidung über die
Berechtigung von Parteien zur Aufstellung von
Frauenquoten getroffen werde. Nach Auffassung
der Einspruchsführer können Frauenquoten auch
bei grundsätzlicher Anerkennung ihrer Zulässig-
keit nur insoweit akzeptiert werden, wie sie einer
angemessenen Repräsentation beider Geschlechter
dienen. Nur dann lasse sich der Eingriff in die
Wahlrechtsgrundsätze des Artikels 38 Abs. 1 Satz 2
GG damit begründen, daß dieser Eingriff mit dem
Ziel geschehe, eine möglichst die realen Lebens-
verhältnisse widerspiegelnde und damit gerechte
Repräsentation der Bevölkerung der Bundesrepu-
blik Deutschland im Bundestag herzustellen.
Die Einspruchsführer analysieren die Meinungsäu-
ßerungen zur Zulässigkeit bzw. zur Unzulässigkeit
von Frauenquoten. Diese Analyse belegt ihrer An-
sicht nach, wie selbstverständlich die Notwendigkeit
einer materiellen Legitimation der Frauenquote und
die daraus resultierenden Grenzen sind, die den
Frauenquoten aller im Bundestag vertretenen Partei-
en mit Ausnahme von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN zugrunde liegen. Zu den Einzelheiten dieser
Analyse wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Des weiteren vergleichen die Einspruchsführer die
Grundsätze, nach denen Frauenquoten allgemein
anerkannt sind, mit den Auswirkungen der Frauen-
quote der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Dieser Vergleich zeige deutlich, wie weit jenseits
jeder materiellen Legitimation und verfassungs-
rechtlichen Zulässigkeit die Frauenquote der Partei
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehe. Die Frauen-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 217 – Drucksache 14/1560

quote dieser Partei sei eine rein diskriminierende
Regelung, die offenkundig vor allem dazu diene,
innerparteiliche Machtpositionen abzustecken und
die Gleichstellung bewußt zu verhindern. Sie sei
deshalb zur Erreichung des Zieles von Artikel 3
Abs. 2 Satz 2 GG, die tatsächliche Durchsetzung
der Gleichberechtigung von Frauen und Männern
staatlich zu fördern, ungeeignet, wie bereits oben
bei den tatsächlichen Auswirkungen auf das Ver-
hältnis von Männern und Frauen bei den Abgeord-
neten der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN des
Bundestages gezeigt worden sei. Durch die Frauen-
quote der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei
eine Regelung eingeführt worden, die unter dem
Gesichtspunkt der Chancengleichheit, jedenfalls in
einer Reihe von Bundesländern, wie ein faktisches
Wählbarkeitsverbot für Männer wirke.
Außerdem würde die Frauenquote der Partei
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Grundsatz der
demokratischen Organisation einer Partei verlet-
zen. Wie bereits gezeigt, habe die Frauenquote der
Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Folge,
daß mit einem zurückgehenden Wahlerfolg der
Partei die Auswirkung ihrer Frauenquote steige,
was wiederum dem Demokratieprinzip widerspre-
che. Verstärkt werde die Quotierung noch da-
durch, daß für die Besetzung aller Parteigremien
und wesentlichen Positionen in der Partei je ein
Mitglied beider Geschlechter vorgesehen sei
(50%iges Quorum). Deshalb würde jeder zweite
Funktionsträger, nahezu alle weiblichen, seine
Position der Frauenquote verdanken.

3. Abschließend verweisen die Einspruchsführer auf
die sich aus ihrem Einspruch ihrer Ansicht nach
ergebenen Rechtsfolgen.
Danach sei die sogenannte Mandatsrelevanz be-
züglich der Auswirkungen der Frauenquote der
Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Zu-
sammensetzung des Bundestages gegeben. So sei
auf allen fünf Landeslisten, bei denen nur ein Ab-
geordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN gewählt worden sei, immer eine Frau erfolg-
reich gewesen. In Berlin habe das Ergebnis zu ei-
ner Frauenquote von 66,66 % geführt, was ange-
sichts eines Mitgliederanteils von ca. 37 % Frauen
nur auf die Frauenquote zurückgeführt werden
könne. Keine andere im Deutschen Bundestag
vertretene Partei weise die Besonderheit auf, daß
alle über eine Landesliste gewählten Abgeordne-
ten, sofern jeweils nur ein Bewerber erfolgreich
war, nur einem Geschlecht angehöre. Die Abge-
ordneten der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
seien deshalb zu einem erheblichen Teil auf Grund
der Frauenquote gewählt worden, indem sie die
einzig aussichtsreichen Plätze auf den Landesli-
sten, in Berlin die Plätze 1 und 3 sowie in Bremen,
Hamburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thü-
ringen jeweils den Platz 1, besetzt haben.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der

Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Ein wahlprüfungsrechtlich erheblicher Verstoß gegen
Wahlrechtsgrundsätze bei der Kandidatenaufstellung in-
nerhalb der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wegen
der von den Einspruchsführern gerügten Quotenregelung
dieser Partei läßt sich im Ergebnis nicht feststellen.
Nicht allen Maßnahmen von Parteien im Zusammenhang
mit der Kandidatenaufstellung kommt wahlrechtliche
Bedeutung zu. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE
89, 243 [253]) betont deshalb, daß der Wahlprüfungs-
ausschuß im Bereich der Nahtstelle zwischen parteiin-
ternen Angelegenheiten und staatlicher Wahlvorberei-
tung nur Verstöße gegen elementare Regeln des demo-
kratischen Wahlvorgangs rügen kann. Das Bundesver-
fassungsgericht verlangt „die Einhaltung eines Kernbe-
stands an Verfahrensgrundsätzen, ohne den ein Kandi-
datenvorschlag schlechterdings nicht Grundlage eines
demokratischen Wahlvorgangs sein kann“ (BVerfGE 89,
243 [252, 253]). „Halten die Parteien bei der Wahl der
Vertreterversammlung oder der Wahlkreis- und Listen-
kandidaten diese elementaren Regeln nicht ein, so be-
gründet das die Gefahr der Verfälschung des demokrati-
schen Charakters der Wahl bereits in ihrer Grundlage
und damit einen Wahlfehler. Ereignen sich hingegen bei
der Kandidatenaufstellung der Parteien Verstöße gegen
Regeln, die nach diesem Maßstab nicht elementar sind,
so berührt dies die Voraussetzungen einer ,Wahl‘ im
Sinne des § 21 Abs. 1 BWG nicht und scheidet daher
von vornherein als Wahlfehler aus“, stellt das Gericht
fest und grenzt damit die parteiinternen Angelegenheiten
einerseits und die praktische Wahlvorbereitung anderer-
seits voneinander ab. Dementsprechend hat der Wahlprü-
fungsausschuß die Autonomie der Parteien, die berührt
wird, wenn es darum geht, deren Verfahren bei der Kan-
didatenaufstellung durch staatliche Wahlorgane und
Wahlprüfungsverfahren zu kontrollieren und zu bewer-
ten, zu beachten.
Daraus ergibt sich des weiteren, daß die Verfahrensweise
der Parteien zur Aufstellung ihrer Wahlbewerber im
Rahmen der Wahlprüfung allein an den hierfür von den
Wahlgesetzen bestimmten zwingenden Anforderungen
zu messen ist. Die Gestaltung des innerparteilichen
Wahlrechts und die Einhaltung der Satzungsvorschriften
unterliegen demgegenüber grundsätzlich nicht der Über-
prüfung durch den Wahlprüfungsausschuß. Rechtsfehler
im Zusammenhang mit der satzungsrechtlich geregelten
Aufstellung der Kandidaten können allenfalls dann im
Wahlprüfungsverfahren durchgreifen, wenn sie gleich-
zeitig eine Verletzung der zwingenden gesetzlichen Vor-
schriften über die Bewerberaufstellung enthalten.
Das Bundeswahlgesetz (BWG) regelt die Einreichung
von Landeslisten durch die politischen Parteien in § 27.
Hinsichtlich der Aufstellung der Listenbewerber ver-

Drucksache 14/1560 – 218 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

weist § 27 Abs. 5 BWG im wesentlichen auf die in den
§§ 21 ff. BWG enthaltenen Bestimmungen über die Auf-
stellung von Wahlkreisbewerbern. Die Regelung der
Auswahl und Bestimmung der Kandidaten im Rahmen
der Wahlvorbereitung hat das Bundeswahlgesetz – sieht
man von den „anderen“ Kreiswahlvorschlägen nach § 20
Abs. 3 BWG ab – demnach in die Hände der Parteien
gelegt (vgl. §§ 18, 27 Abs. 1 Satz 1 BWG).
Die Satzungen der Parteien sind Statuten im Sinne des
bürgerlich-rechtlichen Vereinsrechts. Ihre Vorschriften,
insbesondere diejenigen über die Gestaltung der inneren
Ordnung einschließlich der Kandidatenaufstellung für öf-
fentliche Wahlen, müssen im Sinne des Artikels 21 Abs. 1
Satz 3 GG demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie
dürfen weder gegen die Grundgedanken des § 21 BWG
und dessen einzelne Regelungen noch allgemein gegen
zwingendes Gesetzesrecht verstoßen, mag dieses im
Grundgesetz (z. B. Artikel 3, 21 oder 38 Abs. 1), in einem
einfachen Gesetz (z. B. Bundeswahlgesetz oder Parteien-
gesetz) oder in einer Rechtsverordnung (z. B. Bundes-
wahlordnung) normiert sein. An diesen normativen An-
forderungen haben sich alle satzungsmäßigen Regelungen
des Aufstellungsverfahrens im Sinne des § 21 BWG, wie
z. B. die Festlegung des innerparteilichen Wahlmodus für
die Bewerberaufstellung, auszurichten. Da es sich inso-
weit um elementare Regeln des demokratischen Wahlvor-
gangs handelt, können Verstöße hiergegen durch den
Wahlprüfungsausschuß gerügt werden. Widerspricht eine
Satzung hinsichtlich des Wahlmodus einer gesetzlichen
Norm, hat dies die Nichtigkeit der Regelung zur Folge (§§
134, 139 BGB). Soweit die Regelungskompetenz vom
Gesetzgeber ausschließlich dem autonomen Parteisat-
zungsgeber überlassen worden ist, unterliegt die entspre-
chende parteiinterne Regelung als Recht der inneren Ord-
nung der Partei grundsätzlich keiner staatlichen Nachprü-
fung (vgl. Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz,
6. Auflage, § 21, Rn. 22). Das gilt z. B. auch für das
Frauenstatut der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
welches Bestandteil der Satzung dieser Partei ist und inso-
fern ebenfalls den oben genannten normativen Regelungen
über die Kandidatenaufstellung für Bundestagswahlen
nicht widersprechen darf.
Der Gesetzgeber schreibt keine geschlechtsbezogenen
Quoten für Listenbewerber bei öffentlichen Wahlen vor
und hat die Regelungskompetenz für diese Materie aus-
drücklich dem autonomen Parteisatzungsgeber überlassen.
Dennoch erwecken Privilegierungen bei der Aufstellung
der Landeslisten zugunsten von Frauen durch Parteisat-
zungsbestimmungen verfassungsrechtlich unter Gleich-
heitsaspekten (Artikel 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG)
sowie hinsichtlich der auch bei innerparteilichen Wahlen
prinzipiell geltenden Grundsätze der Freiheit und Gleich-
heit der Wahl Bedenken. Solange jedoch eine ausgewoge-
ne personale Auswahl möglich ist, dürften angesichts der
Zielsetzung von Quotenregelungen bei sachgerechter sat-
zungsmäßiger Ausgestaltung letztlich gegen deren Zuläs-
sigkeit keine durchschlagenden verfassungsrechtlichen Be-
denken bestehen (vgl. Schreiber, a.a.O., § 27, Rn. 13a).
Gerade diese ausgewogene personale Auswahl wird
von den Einspruchsführern bestritten, weil nach der Re-
gelung in § 1 des Frauenstatuts der Partei BÜND-

NIS 90/DIE GRÜNEN den Frauen die ungeraden
Listenplätze, und damit auch immer Platz 1 zur Ver-
fügung steht, und sie darüber hinaus auch auf den gera-
den Listenplätzen kandidieren können, während Männer
umgekehrt eine Kandidatur auf den ungeraden Listen-
plätzen nicht erlaubt wird. Die Einspruchsführer tragen
damit zwar – sehr wohl nachvollziehbar – erhebliche
Bedenken gegen die genannten Quotenregelungen der
Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, indem sie auf
den Widerspruch zum formalisierten Gleichheitssatz, der
auch für das passive Wahlrecht gilt, hinweisen. Ob aber
die Quotenregelung einen noch zulässigen oder aber einen
bereits unzulässigen Fall im Sinne der nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendigen
Differenzierung darstellt, läßt sich ohne weitere Ent-
scheidung dieses Gerichts nicht mit hinreichender Klar-
heit feststellen. Angesichts der Ergänzung des Artikels 3
GG durch Absatz 2 Satz 2, der eine bevorzugte Un-
gleichbehandlung von Frauen unter bestimmten Voraus-
setzungen rechtfertigt (siehe unten), sowie bestimmter
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kann der
Wahlprüfungsausschuß jedenfalls – wie auch schon in
seinen Entscheidungen in der 13. Wahlperiode (z. B.
Drucksache 13/3927, Anlage 15 und 21) – nicht fest-
stellen, daß der Bundestag von der Unanwendbarkeit der
Quotenregelung auszugehen hat.
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Quotenre-
gelung sind die Grundsätze des Artikels 38 Abs. 1 GG he-
ranzuziehen. Weil die Kandidatenaufstellung im „Schnitt-
punkt von Wahlrecht und Parteienrecht“ (vgl. Dimitris
Tsatsos/Martin Morlok, Parteienrecht, Heidelberg 1982,
S. 117) liegt, werden die Wahlrechtsgrundsätze des Arti-
kels 38 Abs. 1 GG unmittelbar angewandt. Für die unmit-
telbare Anwendung der Grundsätze des Artikels 38 Abs. 1
GG spricht die damit mögliche Kontrolle ihrer Beachtung
im Wahlprüfungsverfahren und die Eröffnung der Zuläs-
sigkeit der Wahlprüfungsbeschwerde. Die häufig bereits
ausschlaggebende Bedeutung der Kandidatenaufstellung
für den Einzug in das Parlament legt es nahe, die Legiti-
mationswirkung der auf diese Weise durchsetzbaren
Grundsätze des Artikels 38 Abs. 1 GG auch für die par-
teiinterne Kandidatenaufstellung in Anspruch zu nehmen
und Statutenregelungen daran zu messen.
Der Grundsatz der gleichen Wahl verbietet zwar grundsätz-
lich Differenzierungen bei der Zulassung zur Kandidatur.
Die durch Artikel 38 Abs. 1 GG gewährleistete Gleichheit
ist formal und nur unter eingeschränkten Bedingungen dif-
ferenzierungsfähig (BVerfGE 11, 266 [272]). Ungleich-
behandlungen brauchen eine rechtfertigende Begründung.
Die Quotierung im Reißverschlußverfahren reduziert den
Entscheidungsspielraum bei der Kandidatenaufstellung.
Denn dieses Verfahren bindet die Wahlberechtigten an
eine Entscheidung, die von anderen Parteimitgliedern
vorgenommen worden ist. Sie sind somit in ihrer Wahl
nicht mehr gänzlich frei. Eine solche Beschränkung ist
mit dem Grundsatz der Wahlfreiheit aber nicht ohne
weiteres zu vereinbaren, falls keine verfassungsrechtlich
vertretbare Ausnahme gerechtfertigt ist.
Andererseits ist ein Verstoß gegen Artikel 38 Abs. 1 GG
(§ 1 Abs. 1 Satz 2 BWG) aber auch nicht völlig eindeu-
tig feststellbar. Die Anwendung der Wahlrechtsgrund-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219 – Drucksache 14/1560

sätze des Artikels 38 Abs. 1 GG auf die parteiinterne
Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahlen muß
mit Modifikationen in Einklang gebracht werden, die der
Funktion der politischen Parteien und der besonderen
Struktur der innerparteilichen Willensbildung Rechnung
tragen. Auch die hier zu beachtenden Grundsätze der
Gleichheit und der Freiheit der Wahl sind im Hinblick
auf die Funktion der Parteien im politischen System der
grundgesetzlichen Ordnung modifiziert auszulegen; ihre
Anwendung muß auf die Freiheit der Parteien, politisch
eigenständig profilierte Kandidatenvorschläge zu ma-
chen, Rücksicht nehmen.
Jede Quotierung bewirkt eine Ungleichbehandlung, also
einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des
Artikels 3 Abs. 2 Satz 1 GG. Offenkundig ist dieser Um-
stand bei der Quotenregelung des Frauenstatuts der Par-
tei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die die Männer von
den Frauenplätzen ausschließt, während sie den Frauen
nichtsdestoweniger die Möglichkeit eröffnet, sich zu-
sätzlich auch um Männerplätze zu bewerben. Das
Gleichheitsgebot verlangt demgegenüber aber auf den
ersten Blick die Möglichkeit des gleichen Zugangs zu
jedem Listenplatz. Dieser ist den Männern auf Grund der
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN getroffenen Regelun-
gen aber schon deshalb verwehrt, weil die von der Sat-
zung vorgesehene Frauenquote weit über dem Anteil der
Frauen an der Gesamtzahl der Parteimitglieder liegt.
Dennoch findet die geschlechtsspezifische Quotierung
der Auswahl der Kandidaten für Mandate durch Satzun-
gen der Parteien aber auch eine Stütze in Artikel 3
Abs. 2 GG. Bei der Quotierung handelt es sich um eine
Maßnahme im sachlichen Geltungsbereich des Artikels 3
Abs. 2 und 3 GG. Die in diesen Vorschriften zum Aus-
druck gebrachten Wertungen spielen in dem hier zu be-
trachtenden Zusammenhang insoweit eine Rolle, als sie
im Wege systematischer Auslegung für die Konkretisie-
rung des Prinzips der Wahlgleichheit innerhalb der „de-
mokratischen Grundsätze“ des Artikels 21 Abs. 1 Satz 3
GG herangezogen werden können. Artikel 3 Abs. 2 wirkt
als Legitimation einer Abweichung vom Prinzip der
Wahlgleichheit. Die Vorschrift enthält nämlich neben
ihrem individualrechtlichen geschlechtsspezifische Dis-
kriminierungen verbietenden Gehalt auch einen „pro-
grammatischen“, auf Herstellung faktischer Gleichstel-
lung gerichteten Gehalt, der gegenüber dem Gesetzgeber
als Verfassungsauftrag wirkt. Die Vorschrift des Artikels 3
Abs. 2 Satz 2 GG ist im Sinne sozialer Gleichstellung zu
verstehen. Als objektive Wertentscheidung enthält sie
eine positive Wertung der Frauenemanzipation, die mit
der Beseitigung rechtlicher Diskriminierung allein noch
nicht erreicht ist. Dementsprechend betrachten die Par-
teien die Quotierung für die Landeslistenbewerber zu-
gunsten von Frauen durch ihre jeweiligen Parteisatzun-
gen als „Beitrag zur Verstärkung der Beteiligung der
Frauen in der Politik und zur Verwirklichung der
Gleichberechtigung von Mann und Frau“.
Der objektiv-rechtliche Gehalt des Artikels 3 Abs. 2 GG
gewinnt nicht zuletzt durch Argumente aus dem Bereich

des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes zusätzliches
Gewicht. Bei der Grundrechtsausübung dürfen faktische
soziale Voraussetzungen nicht außer acht gelassen wer-
den. Aus beidem folgt die objektive Wertentscheidung
für eine umfassende, auch die Stellung in der Gesell-
schaft einbeziehende Gleichberechtigung von Männern
und Frauen.
In diesem Zusammenhang fügt es sich ein, daß das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom
28. Januar 1987 (BVerfGE 74, 163 [180]) eine gesetz-
liche geschlechtsbezogene Differenzierung mit dem Ziel
faktischer Gleichstellung, nämlich der „Kompensation
erlittener Nachteile“, gerechtfertigt hat. Danach ist selbst
der Gesetzgeber zu einer geschlechtsspezifischen Un-
gleichbehandlung berechtigt, „wenn er einen sozialstaat-
lich motivierten typisierenden Ausgleich von Nachteilen
anordnet, die ihrerseits auch auf biologische Unterschie-
de zurückgehen“.
Ob zur Erreichung der Gleichstellung der Frau in den
Volksvertretungen die Gleichberechtigung des Mannes
im parteiinternen Kandidatenaufstellungsverfahren be-
schränkt werden darf, hängt davon ab, wie Artikel 3 Abs.
2 GG und das Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 1
GG auf Artikel 38 GG einwirken. Für diese komplexe
Frage sieht der Bundestag keine hinreichenden Anhalts-
punkte, sie im Wahlprüfungsverfahren derart abschlie-
ßend zu beantworten, daß ein Verstoß der Frauenquoten-
regelung der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
zwingende Vorschriften des Bundeswahlrechts festge-
stellt wird.
Unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts, die den Rahmen
für die wahlprüfungsrechtliche Bewertung des vorlie-
genden Einspruchs bildet, sieht sich der Wahlprüfungs-
ausschuß, wie auch schon in früheren Entscheidungen
(vgl. z. B. Drucksache 13/3927, Anlage 15 und 21),
vielmehr gehalten, die beanstandeten innerparteilichen
Vorschriften zur Kandidatenaufstellung der Partei
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trotz der berechtigten Be-
denken noch als rechtswirksam zu betrachten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 220 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 221 – Drucksache 14/1560

Anlage 83

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 95/98 –
1. des Herrn Martin Wilke

wohnhaft: Schönfließerstraße 19, 10439 Berlin
2. Paula Sell, gesetzlich vertreten durch Dr. Ursula Sell

beide wohnhaft: Winsstraße 4, 10405 Berlin
3. Robert Rostoski, gesetzlich vertreten durch Petra und Dietrich Rostoski

alle wohnhaft: Michaelkirchstraße 30, 10179 Berlin
– Bevollmächtigter –

Rechtsanwalt Dr. K. Peter Merk
Marienplatz 17, 80331 München

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom
27. September 1998

hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird für den Einspruchsführer zu 1. als unbegründet
sowie für die Einspruchsführer zu 2. und 3. als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. November 1998, welches am

26. November 1998 beim Bundestag eingegangen ist,
haben die Einspruchsführer über ihren Bevollmäch-
tigten gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 Einspruch
eingelegt. Sie wenden sich gegen die Festsetzung des
Mindestalters von achtzehn Jahren zur Ausübung des
aktiven Wahlrechts.
Der bevollmächtigte Rechtsanwalt hat für die Ein-
spruchsführerin zu 2. eine Vollmacht mit folgendem
Wortlaut vorgelegt:

„Vollmacht
Paula Sell, geb. 30. Januar 85, Winsstraße 4,

10405 Berlin
gesetzlich vertreten durch Frau Dr. Ursula Sell
erteilt hiermit Herrn RA Dr. K. Peter Merk, Marien-
platz 17, 80331 München

Vollmacht
zur Durchführung eines Wahlprüfungsverfahrens
gem. Art. 41 GG gegen das Ergebnis der Bundes-
tagswahl vom 27. September 98.
Die Vollmacht umfaßt die Einlegung des Einspruches
gem. § 2 Wahlprüfungsgesetz und die Erhebung der
Beschwerde gem. § 48 BverfGG.“

Der Wortlaut der Vollmacht für den Einspruchsführer
zu 3. ist mit dem Wortlaut der Vollmacht der Ein-
spruchsführerin zu 2. identisch.
Der Einspruchsführer zu 1. ist am 25. März 1980 ge-
boren und hatte somit am Tage der Bundestagswahl
das achtzehnte Lebensjahr vollendet. Dementspre-
chend war er im Bezirk Prenzlauer Berg von Berlin
im Stimmbezirk 012 unter der Nr. 0771 im Wähler-
verzeichnis eingetragen.
Die Einspruchsführerin zu 2. ist am 30. Januar 1985
und der Einspruchsführer zu 3. am 21. Mai 1981 ge-
boren. Beide hatten am 27. September 1998, dem Tag
der Bundestagswahl, das achtzehnte Lebensjahr noch
nicht vollendet.
Der Einspruchsführer zu 3. hat vor der Bundestags-
wahl beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin seine
Eintragung in das Wählerverzeichnis beantragt. Das
VG Berlin hat den Antrag mangels Zulässigkeit ab-
gelehnt und auf das Wahlprüfungsverfahren verwie-
sen.
Die Einspruchsführer beantragen, die Bundestags-
wahl wegen verfassungswidriger Beschränkung des
Kreises der aktiv Wahlberechtigten für ungültig zu
erklären und die sich daraus ergebenden Folgerungen
festzustellen.
Zur Begründung ihres Einspruchs tragen sie vor, Ar-
tikel 38 Abs. 2 1. Alternative des Grundgesetzes
(GG) sei „ausnahmslos wortgetreu angewandt“ wor-

Drucksache 14/1560 – 222 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

den. Diese Verfassungsvorschrift verweigere aber
aufgrund einer „Altersdiskriminierung“ einem erheb-
lichen Teil des Staatsvolkes gemäß Artikel 20 Abs. 2
GG das aktive Wahlrecht. Dies stelle einen Verstoß
gegen den Wahlgrundsatz der Allgemeinheit der
Wahl dar, weshalb die Bundestagswahl ungültig sei.
Der Ausschluß vom aktiven Wahlrecht, das als politi-
sches Grundrecht anerkannt sei, verweigere den be-
troffenen Bürgern die ihnen zustehende Subjektstel-
lung, indem sie zum Objekt staatlichen Handelns her-
abgewürdigt würden. Die Regelung in Artikel 38
Abs. 2 1. Alternative GG verstoße deshalb gegen
die Staatsfundamentalnormen der Artikel 20 und
1 Abs. 1 GG.
Zur Untermauerung dieser Ansicht vergleichen die
Einspruchsführer die herrschende Meinung der
Rechtswissenschaft mit der ihrer Meinung nach exi-
stierenden politischen Praxis. Nach herrschender
Meinung der Rechtswissenschaft werde der Grund-
satz der Allgemeinheit der Wahl durch Artikel 38
Abs. 2 1. Alternative GG nicht verletzt, weil sich die
Altersgrenze aus dem Wesen des aktiven Wahlrechts
ergäbe und historisch erhärtet sei. In der politischen
Praxis würden jedoch seit Jahrzehnten Senioreninter-
essen priorisiert (beispielhaft wird auf die Renten-
politik und den Generationenvertrag verwiesen), was
sich auch an der steigenden Kinderarmut bei wach-
sendem Altersreichtum zeige. Sozialpolitische Ent-
scheidungen würden unter Berücksichtigung des
potentiellen Wahlverhaltens der Senioren getroffen,
während die „Unter-18-jährigen“ keine wahlpoliti-
sche Reaktion zeigen könnten und deshalb von vorn-
herein bei politischen Entscheidungen ausgegrenzt
würden.
Eine Ursache für diese nach Ansicht der Einspruchs-
führer herrschende politische Praxis vermuten diese
in dem sich möglicherweise aus der unterschiedlichen
Definition des Begriffes Volk im Sinne des Artikels
20 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG ergebenden „Repräsenta-
tionsdefizit“ und in der Regelung des Artikels 38
Abs. 2 1. Alternative GG, die dann verfassungswidrig
sei, wenn sie im Widerspruch zu den Staatsfunda-
mentalnormen der Artikel 20 und 1 GG stehe. Wenn
ein Staat seinen Staatsbürgern ein Grundrecht, hier
das aktive Wahlrecht als politisches Grundrecht, vor-
enthalte, stelle sich die Frage nach der Verletzung der
Menschenwürde. Da Artikel 38 Abs. 2 1. Alternative
GG „die Jungen“ (0 bis 18jährige) durch den Aus-
schluß vom aktiven Wahlrecht zum Objekt staatli-
chen Handelns herabwürdige, sei diese Regelung mit
Artikel 1 Abs. 1 GG unvereinbar. Ebenso verbiete es
der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, be-
stimmte Bevölkerungsgruppen aus politischen, wirt-
schaftlichen und sozialen Gründen von der Wahl aus-
zuschließen. Nach dem herrschenden juristischen
Verständnis von der Bedeutung des Grundsatzes der
Allgemeinheit der Wahl gebe es keinen Rechtferti-
gungsgrund, die „Jungen“ vom aktiven Wahlrecht
auszuschließen.
Unter Rückgriff auf eine Literaturmeinung wird vor-
getragen, „ein großer Schritt in Richtung Familien-
und Kindergerechtigkeit in unserer Gesellschaft“

wäre getan, wenn eine entsprechende Änderung von
Artikel 38 Abs. 2 erster Halbsatz GG mit den erfor-
derlichen Mehrheiten beschlossen würde.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 1998 hat der be-
vollmächtigte Rechtsanwalt der Einspruchsführer
vorgetragen, daß die gesetzliche Vertreterin der Ein-
spruchsführerin zu 2. sich das Anliegen selbst zu
eigen gemacht habe, was durch ihre Unterschrift als
Wahlberechtigte auf der Vollmacht zum Ausdruck
komme.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt
verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist bezüglich des Begehrens
des Einspruchsführers zu 1. zulässig. Der Einspruch ist
jedoch unzulässig, soweit die Einspruchsführer zu 2.
und 3. die Bundestagswahl anfechten wollen.
Eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Einspruchs
ist gemäß § 2 Abs. 2 WPrüfG, daß er von einem Wahl-
berechtigten eingelegt werden muß. Wahlberechtigt ist
nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Artikels 38
Abs. 2 GG, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.
Da die Einspruchsführer zu 2. und 3. zum Zeitpunkt der
Bundestagswahl am 27. September 1998 das achtzehnte
Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, waren sie für die
Bundestagswahl nicht wahlberechtigt und somit auch
nicht zur Einlegung eines Einspruchs gegen die Bun-
destagswahl berechtigt.
Durch die Vollmachten der gesetzlichen Vertreter der
Einspruchsführer zu 2. und 3. wurde der bevollmächtigte
Rechtsanwalt nicht beauftragt, im eigenen Namen der
jeweiligen gesetzlichen Vertreter den Einspruch einzule-
gen, sondern im Namen der Einspruchsführer zu 2. und
3., die wiederum von ihren gesetzlichen Vertretern ver-
treten werden. Durch den Wortlaut der Vollmachten der
gesetzlichen Vertreter der Einspruchsführer zu 2. und 3.
haben diese sich das Anliegen nicht selbst zu eigen ge-
macht, wie der bevollmächtigte Rechtsanwalt behauptet.
Die Einspruchsführer zu 2. und 3. haben den Rechtsan-
walt zur Durchführung des Wahlprüfungsverfahrens be-
vollmächtigt und werden hierbei aufgrund ihrer Minder-
jährigkeit von ihren gesetzlichen Vertretern vertreten.
Der Einspruch ist in bezug auf das Vorbringen des Ein-
spruchsführers zu 1. zulässig, jedoch offensichtlich un-
begründet, weil kein Wahlfehler festgestellt werden
konnte.
Artikel 38 Abs. 2 erster Halbsatz GG und § 12 Abs. 1
Nr. 1 Bundeswahlgesetz (BWG) legen fest, daß derjeni-
ge wahlberechtigt ist, der das achtzehnte Lebensjahr

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223 – Drucksache 14/1560

vollendet hat. Der Einspruchsführer zu 1. war zum Zeit-
punkt der Bundestagswahl achtzehn Jahre alt und des-
halb gemäß § 2 Abs. 2 WPrüfG zur Einlegung eines Ein-
spruchs berechtigt. Die Rechtsansichten des Einspruchs-
führers zu 1. sind aber nicht geeignet, den Einspruch er-
folgreich zu begründen. Das Mindestwahlalter ist in der
genannten Norm des Grundgesetzes ausdrücklich gere-
gelt und somit geltendes Verfassungsrecht. Die Herab-
setzung oder gar Abschaffung des Mindestwahlalters,
wie vom Einspruchsführer zu 1. gefordert, kann nur im
Rahmen einer Änderung der Verfassung erfolgen, wobei
die vom Einspruchsführer zu 1. vorgetragenen rechtspo-
litischen Erwägungen eingebracht werden könnten. Zu
einer Grundgesetzänderung ist gemäß Artikel 79 Abs. 2
GG die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder
des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des
Bundesrates erforderlich. Eine Änderung dieser Rechts-
lage kann auch keineswegs im Wege der Rechtsausle-
gung erfolgen. Auch im Rahmen eines Wahlprüfungs-
verfahrens können derartige rechtspolitische Ansichten,
selbst wenn sie auf die Behauptung gestützt werden, es

läge verfassungswidriges Verfassungsrecht vor, nicht zu
einer Änderung des Grundgesetzes führen.
Der Einspruch ist deshalb teilweise gemäß § 2 Abs. 2
WPrüfG als unzulässig und teilweise gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 224 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225 – Drucksache 14/1560

Anlage 84

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 31/98 -
des Herrn Uwe Luz

wohnhaft: Mainblick 34, 97453 Schonungen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 7. Oktober 1998, eingegangen

beim Bundestag am 12. Oktober 1998, hat der
Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor, daß
am Tag der Bundestagswahl im Bereich des Wahl-
lokals „Hauptschule“ in Schonungen, Wahlkreis 236/
Schweinfurt massiv gegen § 32 Abs. 1 Bundeswahl-
gesetz (BWG) verstoßen worden sei. Die SPD habe
im Zugangsbereich des o.g. Wahllokals auf dem
Schulgrundstück der Hauptschule in Schonungen so-
wie unmittelbar an der Einfriedung des Schulgrund-
stücks mehrere Wahlplakate mit dem Abbild des
Kanzlerkandidaten der SPD, Gerhard Schröder, und
der Aufschrift: „Wir sind bereit“ aufgestellt. Weitere
drei Wahlplakate der SPD mit der gleichen Aufschrift
und dem Abbild des Wahlkreiskandidaten der SPD,
Frank Hofmann, seien ebenfalls in diesem Bereich
aufgestellt worden. Ein Plakat der SPD habe die Auf-
schrift: „Mit zwei Stimmen zu wählen ist demokra-
tisch. Mit beiden SPD zu wählen ist klug.“ enthalten.
Insgesamt haben die Wähler auf dem kurzen Weg
von ca. 50 Metern auf dem Grundstück der Haupt-
schule vor dem Betreten des Wahlraumes an minde-
stens sieben Wahlplakaten der SPD vorbeilaufen
müssen.
Dies sollte nach Ansicht des Einspruchsführers dem
Zweck dienen, den Wahlberechtigten unmittelbar vor
der Stimmabgabe noch einmal die Wahlpropaganda
der SPD „einzuhämmern“. Das beschriebene Vorge-
hen habe mit einer fairen und insbesondere freien
Wahl nichts mehr zu tun. Der Grundsatz der freien
Wahl fordere, daß der Wähler bei der Wahl seinen
Willen unverfälscht zum Ausdruck bringen könne.
Hieraus folge wiederum ein Verbot rechtswidriger
Wählerbeeinflussung.
Gemäß § 32 Abs. 1 BWG sei jede Beeinflussung der
Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild in und an

dem Gebäude sowie unmittelbar vor dem Zugang zu
dem Gebäude, in dem sich ein Wahlraum befinde,
verboten. Die SPD habe nicht nur gegen dieses Ver-
bot verstoßen, sondern darüber hinaus einen der ele-
mentarsten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie
in eklatanter Weise mißachtet, indem sie es den
Wählern zugemutet habe, sich in einem „Spießruten-
lauf“ durch ihre Plakate zum Wahlraum begeben zu
müssen, ohne daß sie sich dieser politischen Aktion
hätten entziehen können. Aus Umfragen habe sich er-
geben, daß ca. 18 % der Wahlberechtigten noch bis
zum Tag der Abstimmung unentschieden seien, für
welchen Kandidaten und welche Partei sie stimmen
sollten. Nach Ansicht des Einspruchsführers war des-
halb die gegen das Grundgesetz und das Bundes-
wahlgesetz verstoßende Propaganda der SPD geeig-
net, die Wahlberechtigten unmittelbar vor der Stimm-
abgabe rechtswidrig zu beeinflussen.
Der Einspruchsführer hat zum Beweis seines Vor-
bringens mehrere Fotos beigelegt, die die aufgestell-
ten Plakate der SPD vor der Hauptschule zeigen.
Im Wahlkreis 236/Schweinfurt des Freistaates Bay-
ern, Gemeinde Schonungen, Wahlbezirk 001 (Haupt-
schule) hat der Kandidat der SPD, Frank Hofmann,
133 Erststimmen und die SPD 127 Zweitstimmen er-
halten. Der Kandidat der CSU, Michael Glos, hat 122
Erststimmen und die CSU 106 Zweitstimmen erhal-
ten. Im gesamten Wahlkreis 236 hat die SPD 54 522
Erststimmen (34,7 %) und 54.552 Zweitstimmen
(34,7 %) und die CSU 81.553 Erststimmen (51,9 %)
sowie 75 458 Zweitstimmen (48,0 %) erhalten. Somit
beträgt der Abstand zwischen den Erststimmen der
CSU zu den Erststimmen der SPD 27 031 Stimmen
und zwischen den Zweitstimmen dieser beiden Par-
teien 20 906 Stimmen zugunsten der CSU.
Die Gemeinde Schonungen hat zu dem Einspruch
folgende Stellungnahme abgegeben:
Am 23. September 1998 seien die Wahlvorstandsmit-
glieder von der Gemeinde zur Vorbereitung der Bun-
destagswahl eingewiesen worden. Hierbei sei aus-

Drucksache 14/1560 – 226 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

drücklich darauf hingewiesen worden, daß es im Ver-
gleich zur Landtagswahl zwar keine „Bannmeile“ ge-
be, daß aber dennoch während der Wahlzeit in und an
dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet,
sowie unmittelbar vor dem Zugang jede Beeinflus-
sung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift, Bild oder
Unterschriftensammlung verboten sei. Den Wahlvor-
ständen sei diese verbindliche Vollzugsvorschrift
(Wahlanweisung für die Bundestagswahl) mit der
Auflage ausgehändigt worden, diese neben den Ge-
setzestexten als Grundlage ihrer Tätigkeit anzusehen.
Für die Einhaltung des Verbots der Wählerbeeinflus-
sung im Wahlraum sei der Wahlvorstand, für die Ein-
haltung im oder vor den Gebäuden in erster Linie die
Polizei zuständig.
Der Wahlvorsteher des genannten Stimmbezirks 1,
Hauptschule Schonungen, hat sich zu dem Einspruch
wie folgt geäußert:
Die SPD habe durch die Aufstellung ihrer Wahlpla-
kate nicht gegen die Vorschrift des § 32 Abs. 1 BWG
verstoßen, da der Abstand des nächsten Plakates min-
destens 25 Meter zum Eingang des Gebäudes, in dem
sich der Wahlraum befand, betragen habe.
Nach Aussage der stellvertretenden Wahlvorsteherin
erfolgte die Plakatierung der SPD im Rahmen der ge-
setzlichen Bestimmungen. Die ersten Plakate hätten
ca. 20 Meter vom Eingang des Hauptschulgebäudes
entfernt gestanden. Die Vielzahl der Plakate habe
zwar einen Anstoß zum Ärgernis gegeben, was aber
wegen der gesetzlichen Bestimmungen nicht zu än-
dern gewesen sei. Man habe jedoch nicht durch die
aufgestellten Plakate „Slalom“ laufen müssen.
Das Landratsamt Schweinfurt hat dem Wahlprü-
fungsausschuß einen Lageplan übersandt, in den es
die Positionen der sieben Plakatständer, soweit diese
anhand der vom Einspruchsführer übersandten Fotos
erkennbar waren, eingetragen hat. Daraus ist ersicht-
lich, daß das Schulgrundstück über drei Eingänge
verfügt. Die Wege durch alle Eingänge führten an
mindestens einem Plakatständer vorbei. Bei Benut-
zung des mittleren Eingangs führte der Weg sogar an
allen sieben Plakatständern vorbei. Unter der Voraus-
setzung, daß die Lage der Plakatständer richtig ein-
getragen ist, ergibt sich für das am dichtesten am
Eingang stehende Plakat ein Abstand von ca. 12 bis
16 Metern zum Eingang des Wahllokals.
Nach Auffassung des Landratsamtes bestehen gewis-
se Bedenken, ob mit der vom Einspruchsführer ge-
rügten Plakatierung die Regelung des § 32 Abs. 1
BWG noch eingehalten worden sei. Innerhalb des
Schulhofes seien die Plakatständer in gehäufter Weise
und nur von einer Partei aufgestellt worden, und zwar
so, daß jeder Wähler nur zwischen diesen Plakaten
hindurch den Eingang zum Abstimmungsraum habe
erreichen können, selbst wenn ein Abstand von etwa
20 Metern zur Haustür eingehalten worden sei. Der
Ausdruck „Spießrutenlaufen auf dem Schulhof bis
zum Eingang“ erscheine zwar überzogen, sei aber im
Kern nicht ganz unverständlich. Letztlich könne eine

eindeutige Entscheidung nicht getroffen werden, weil
die Formulierung in § 32 Abs.1 BWG „sowie unmit-
telbar vor dem Zugang zum Gebäude“ zu ungenau
sei. Auffallende Abweichungen im Wahlergebnis des
Wahlbezirks 1 (Hauptschule) gegenüber den anderen
Wahlbezirken des Wahlkreises oder auch gegenüber
dem Wahlergebnis von 1994 in diesem Wahlbezirk
seien jedoch nicht erkennbar.
Eine weitere Stellungnahme zu dem Einspruch hat
der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 236 (Schwein-
furt) abgegeben. Nach seinen Ausführungen beinhal-
tet das Bundeswahlrecht keine „Bannmeile“ mit
exakten Entfernungsangaben zu den Zugängen eines
Wahllokals. Außerdem werde nach den Bestimmun-
gen des Bundeswahlgesetzes ausdrücklich auf die
Einbeziehung eines dem Gebäude zugeordneten be-
friedeten Grundstücks in die Verbotszone verzichtet,
woraus man schließen könne, daß tatsächlich nur der
unmittelbare Bereich zum Eingang des Gebäudes
vom Werbeverbot betroffen sei. Da nach Angabe des
zuständigen Wahlvorstehers und seiner Stellvertrete-
rin der Abstand des dichtesten Plakates mindestens
25 Meter zum Eingang des Gebäudes betragen habe,
könne auch bei einer strengen Auslegung des Begriffs
„unmittelbar“ nicht davon ausgegangen werden, daß
ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 BWG vorgelegen
habe. Im übrigen habe der Vergleich der Wahlergeb-
nisse der Bundestagswahlen 1994 und 1998 in diesem
Wahlbezirk kaum Abweichungen gegenüber den an-
deren Wahlbezirken ergeben.
Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahmen des
Kreiswahlleiters und des Landratsamtes Schweinfurt
bekanntgegeben worden sind, hat sich nochmals da-
zu geäußert. Seiner Ansicht nach sind die Ausfüh-
rungen des Kreiswahlleiters in zwei Punkten fehler-
haft. Zum einen treffe es nicht zu, daß der Abstand
des dichtesten Plakates zum Eingang des Gebäudes
mindestens 25 Meter betragen habe. Der Abstand sei
wesentlich geringer gewesen. Zum anderen komme
es hierauf gar nicht an, weil sich alle auf den von
ihm vorgelegten Fotos erkennbaren Plakate auf dem
zur Hauptschule gehörenden Grundstück befunden
hätten.
Das Grundstück einschließlich des unmittelbaren Zu-
gangsbereichs zum Grundstück gehöre jedoch zum
Schutzbereich des § 32 Abs. 1 BWG. Der Vortrag des
Kreiswahlleiters, wonach auf die Einbeziehung eines
dem Gebäude zugeordneten befriedeten Grundstücks
in den Verbotsbereich verzichtet worden sei, sei des-
halb falsch. Nach herrschender Meinung der Kom-
mentarliteratur zum Bundeswahlgesetz stehe es außer
Zweifel, daß auf dem Grundstück des Wahllokals ei-
ne Wählerbeeinflussung unzulässig sei.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 227 – Drucksache 14/1560

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch trotz ei-
nes festzustellenden Wahlfehlers offensichtlich unbe-
gründet.
Das Verbot der Wählerbeeinflussung in § 32 Abs. 1
1. Alt. BWG dient der Gewährleistung der freien Aus-
übung der Wahl im Sinne des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
Grundgesetz (GG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 BWG sowie
der Sicherung des Prinzips der Wahlgleichheit. Die Vor-
schrift untersagt am Wahltage während der Wahlzeit
nicht nur im Wahlraum und im gesamten Gebäude, in
dem sich der Wahlraum befindet, sondern auch im
unmittelbaren Zugangsbereich zum Wahlgebäude jegli-
che Art der Wahlpropaganda. Ein Rechtsverstoß liegt
vor, wenn Plakatwerbung unmittelbar am Gebäude oder
neben dem Gebäude erfolgt (WahlprGer. beim Hess. LT,
Staatsanzeiger Hessen 1992, S. 1554, 1571). Dem
Grundgedanken der Vorschrift entsprechend ist Wahl-
propaganda in unmittelbarer Umgebung des Wahlgebäu-
des dann unzulässig, wenn sie nach Form und Inhalt ge-
eignet ist, die Wähler bei dem Akt der Stimmabgabe zu
beeinflussen (BVerfGE Bd. 4, S. 370, 373).
Der Wahlprüfungsausschuß hat hierzu in der 13. Wahl-
periode ausdrücklich festgestellt, daß es zwar es keine
„Bannmeile“ um das Wahllokal gibt; für den Zugangsbe-
reich jedoch eine generell zu beachtende „befriedete Zo-
ne“ von etwa 10 bis 20 Metern bis zum Wahllokal als
nicht antastbarer Sperrbereich für notwendig, aber auch
für ausreichend erachtet wird (vgl. Drucksache 13/2800
vom 26. Oktober 1995, Anlage 2, 9 und 17; Druck-
sache 13/3035 vom 20. November 1995, Anlage 1 sowie
Hess. VGH, ESVGH Band 41, S. 126, 129). Im übrigen
ist die Wahlwerbung zulässig.
Wann der Tatbestand „unmittelbar vor dem Zugang zum
Wahlgebäude“ erfüllt ist, hängt von den örtlichen Gege-
benheiten des Einzelfalles ab (vgl. Hess. VGH, a.a.O.).
Entscheidend ist, daß die Wähler den Wahlraum betreten
können, ohne unmittelbar zuvor durch Propaganda be-
hindert oder beeinflußt zu werden. Als Zugang bei einem
Gebäude, welches auf einem eingezäunten Grundstück
liegt, ist in der Regel nicht das Zauntor zu verstehen,
sondern nur der unmittelbare Zugang zum Gebäude. Der
Wahlprüfungsausschuß hat in seinen oben genannten
Entscheidungen zur Plazierung von Werbetafeln aus-
drücklich auf die Entfernung von 10 bis 20 Metern zur
Eingangstür des Wahllokals abgestellt. Einen geringeren
Abstand hat er als Wahlfehler angesehen.
Je nach Fallgestaltung kann ausnahmsweise auch der Be-
reich des umzäunten Grundstücks in die Verbotsregelung
einzubeziehen sein. Dies kann z.B. zutreffen, wenn es
sich um ein Schulgrundstück handelt oder wenn nur ein
ganz bestimmter Weg von den Wahlberechtigten benutzt
werden muß, also ein Engpaß entsteht, um in den Wahl-
raum zu gelangen, so daß sich die Wahlberechtigten dem
Einfluß der Wahlwerbung nicht entziehen können (vgl.
Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 6. Auf-
lage, § 32 Abs. 1, Rn. 1 und Drucksache 13/2800 An-
lagen 2 und 17).

Im vorliegenden Fall ist gegen § 32 Abs. 1 BWG versto-
ßen worden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der
Schutzbereich schon am Eingang des Schulgrundstücks
oder erst am Eingang des Schulgebäudes beginnt. An-
hand des ermittelten Sachverhaltes kann nämlich schon
davon ausgegangen werden, daß bereits der umzäunte
Schulhof vor dem Eingang zum Wahllokal von der Ver-
botsregelung erfaßt wird. Die Wähler konnten nur die
drei vorhandenen Wege über das Schulgrundstück zum
Eingang nutzen. In keinem Fall konnten sie sich dem
Anblick der Wahlplakate entziehen. Aber selbst wenn
man davon ausgeht, daß das Verbot zur Aufstellung von
Wahlplakaten auch in diesem konkreten Fall nur den
unmittelbaren Eingangsbereich zur Eingangstür erfaßt,
so hat das auf dem Lageplan mit der Nummer 6 gekenn-
zeichnete Plakat in einem Abstand von 12 bis 16 Metern
zur Eingangstür und somit innerhalb des vom Wahlprü-
fungsausschuß ausdrücklich als Verbotsbereich bezeich-
neten Abstands von 10 bis 20 Metern gestanden.
Dennoch kommt es im Ergebnis nicht darauf an. Der
Einspruch kann nämlich trotz des vorliegenden Wahl-
fehlers keinen Erfolg haben, weil dieser für das Wahl-
ergebnis nicht erheblich ist. Nach ständiger Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der
Wahlprüfungsausschuß stets angeschlossen hat, können
nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch er-
folgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung von
Einfluß sind oder hätten sein können. Infolgedessen
scheiden alle Verstöße von vornherein als unerheblich
aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berüh-
ren (seit BVerfGE 4, 370 [372] ständige Rechtspre-
chung). Selbst solche Wahlfehler, die die Ermittlung des
Wahlergebnisses betreffen, sind dann unerheblich, wenn
sie angesichts des Stimmenverhältnisses keinen Einfluß
auf die Mandatsverteilung haben können. Der Kandidat
der SPD hat zwar im Wahlbezirk 001 der Gemeinde
Schonungen 11 Erststimmen mehr als der Kandidat der
CSU und die SPD 21 Zweitstimmen mehr als die CSU
errungen. Nach dem Vortrag des Kreiswahlleiters besteht
insoweit auch keine auffallende Abweichung gegenüber
der Wahl zum 13. Deutschen Bundestag. Diese geringe
Stimmenmehrheit hat jedoch aufgrund der deutlichen
Stimmenmehrheit der CSU zur SPD im gesamten Wahl-
kreis 236 auf die Mandatsverteilung im Bundestag keine
Auswirkungen. Der Wahlfehler hat auch keinen erhebli-
chen Einfluß auf das Ergebnis der Wahlen nach Landes-
listen in Bayern.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 228 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229 – Drucksache 14/1560

Anlage 85

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 53/98 –
des Herrn Rudolf O. Merget

wohnhaft: Goetheallee 25, 01309 Dresden
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 19. Oktober 1998, das am

26. Oktober 1998 eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen Bundes-
tag am 27. September 1998 angefochten. Er hat seine
Ausführungen mit mehreren weiteren Schreiben,
denen umfangreiche Anlagen beigefügt sind, ergänzt.
Zur Begründung behauptet der Einspruchsführer, die
Wähler zur Bundestagswahl 1998 seien im Freistaat
Sachsen von ihrem Landtag und von der Sächsischen
Staatsregierung getäuscht worden und genötigt, ihr
Wahlrecht in einem bestimmten Sinne auszuüben. Sie
hätten demzufolge bei der Stimmabgabe über den In-
halt ihrer Erklärung geirrt. Insbesondere sei die Gene-
ralstaatsanwaltschaft des Freistaates Sachsen vor und
während des Wahlkampfes vorsätzlich gehindert
worden, „gegen staatszerstörende organisierte Krimi-
nalität – Verbrechensfelder Geldwäsche, Immobilien-
und Subventionsbetrug“ zu ermitteln und die Rädels-
führer und Gehilfen zu verhaften. Später hat der
Einspruchsführer seine Anfechtung auf „sämtliche
Wahlkreise der Bundesrepublik Deutschland“ ausge-
dehnt und auf sein „Recht zum Widerstand gegen die
Beseitiger der verfassungsmäßigen Ordnung i. S. des
Artikels 20 GG“ hingewiesen.
Der Einspruchsführer fordert, die Wahl zum
14. Deutschen Bundestag „wegen Straftaten bei
Wahlen“ für ungültig zu erklären und zu wiederholen,
die Bundesministerin der Justiz zu beauftragen, „die
Justizminister der Bundesländer und den General-
bundesanwalt anzuweisen, gegen die mafiaähnlich
strukturierte organisierte Kriminalität – Verbrechens-
felder Geldwäsche Immobilien- und Subventionsbe-
trug zu ermitteln“, sämtliche 1999 anstehenden „Län-
der-, Kreistags- und Kommunalwahlen gleichzeitig
mit der Bundestags-Wiederholungswahl durchzufüh-
ren sowie „ein Mißtrauensvotum gemäß Artikel 67
GG gegen Bundeskanzler Schröder auszusprechen“
und „den Bayerischen Ministerpräsidenten, Edmund
Stoiber, zum Nachfolger zu wählen“.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 1998 ist der Ein-
spruchsführer seitens des Wahlprüfungsausschusses
aufgefordert worden, konkret mitzuteilen, durch wel-
che Vorfälle er die Wahlrechtsvorschriften verletzt
sehe. Daraufhin hat er Verletzungen des § 108 Straf-
gesetzbuch (StGB – Wählernötigung) und des § 108 a
StGB (Wählertäuschung) geltend gemacht. Dazu be-
hauptet er erneut, Mitglieder der sächsischen Regie-
rung und die Fraktionen des Sächsischen Landtages
hätten vor und während des Wahlkampfes zur Bun-
destagswahl die Wähler durch Drohung mit einem
empfindlichen Übel, durch Mißbrauch des wirt-
schaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses und durch
wirtschaftlichen Druck genötigt, ihr Wahlrecht in ei-
nem bestimmten Sinne auszuüben. So sei beispiels-
weise die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt
Dresden von der Regierung des Freistaates Sachsen
gezwungen worden, zahlreiche innerstädtische
Grundstücke und Immobilien zu rechts- und sitten-
widrigen Preisen an die organisierte Kriminalität zu
„verhökern“. Der Dresdner Stadtrat sei durch Dro-
hungen mit wachsender Arbeitslosigkeit, Steuerverlu-
sten und Investorenflucht genötigt worden, den nach
Ansicht des Einspruchsführers vorliegenden Wahlbe-
trügereien zuzustimmen.
Außerdem seien die Wähler durch kriminelle Hand-
lungen bzw. vorsätzliche Unterlassungen der Mitglie-
der der Sächsischen Regierung und der Fraktionen
des Sächsischen Landtags derart getäuscht worden,
daß sie über den Inhalt ihrer Erklärung geirrt hätten.
So sei beispielsweise der Generalstaatsanwalt des
Freistaates Sachsen vom Sächsischen Justizminister
vorsätzlich gehindert worden, „gegen die mehrfach
angezeigte Verbrecherorganisation“ zu ermitteln und
die Strafverfolgung zu betreiben. Der Präsident des
Verwaltungsgerichts Dresden sei vom Justizminister
zu Rechtsbeugungen und rechtswidrigen Beschlüssen
genötigt worden, und der Sächsische Landtagspräsi-
dent habe rechtswidrig ca. 150 000 Unterschriften ei-
nes Volksbegehrens über die Änderung des sächsi-
schen Abwassergesetzes unterschlagen.

Drucksache 14/1560 – 230 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Zum Beweis seiner Behauptungen bezieht sich der
Einspruchsführer auf eine große Anzahl von Schrift-
sätzen, die er seinen Briefen an den Wahlprüfungs-
ausschuß als Anlage beigefügt hat. Diese Schriftsätze
hat er selbst verfaßt; sie richten sich an eine Vielzahl
von Persönlichkeiten und Organisationen, wie zum
Beispiel den Generalstaatsanwalt des Freistaates
Sachsen, den Generalbundesanwalt, den Sächsischen
Ministerpräsidenten, die EU-Kommission, die Mit-
glieder des Stadtrates in Dresden, das Landeskrimi-
nalamt Sachsen, den Sächsischen Landtag, das Säch-
sische Finanzministerium und das Sächsische Justiz-
ministerium, das Mitglied des Bundestages Joseph
Fischer, die Staatsanwaltschaften in Dresden und
Frankfurt, das Verwaltungsgericht Dresden, das Re-
gierungspräsidium Dresden und andere. Außer diesen
Schreiben führt er zum Beweis seiner Behauptungen
das Zeugnis zahlreicher Persönlichkeiten, wie etwa
des Regierungspräsidenten und des Oberbürgermei-
sters von Dresden, an.
Aus den beschriebenen umfangreich vorgelegten
Schriftsätzen des Einspruchsführers geht hervor, daß er
als „Organisierte Kriminalität – Verbrechensfelder
Geldwäsche, Immobilien- und Subventionsbetrug“ of-
fenbar die Dresdner Bank AG und andere Investoren
sowie deren „Gehilfen bei der Stadtverwaltung Dres-
den“ bezeichnet. Diesen wirft er vor, „wertvollste
Dresdner Grundstücke und Immobilien rechts- und
sittenwidrig von der korrumpierten Dresdner Stadt-
verwaltung zu erwerben“. Er meint, es müsse alles ver-
sucht werden, um „Dresden vor der dritten und end-
gültigen Zerstörung durch gesichtslose, dresdenuntypi-
sche Investitionsruinen zu retten“. Er selbst sei sieben
Attentatsversuchen ausgesetzt gewesen und politisch,
gesellschaftlich sowie wirtschaftlich ruiniert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vortrag des Ein-
spruchsführers wird auf den Akteninhalt verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-

sichtlich unbegründet. Eine Verletzung wahlrechtlicher
Vorschriften ist aus dem vorgetragenen Sachverhalt
nicht ersichtlich.
Das Wahlprüfungsverfahren ist dazu bestimmt, die ord-
nungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu
gewährleisten. Es setzt deshalb die Rüge von Mängeln
bei der Anwendung der für die Wahl geltenden wahl-
rechtlichen Regelungen voraus. Wahlfehler liegen vor,
wenn die rechtlichen Regelungen über die Vorbereitung
und Durchführung der Wahl nicht eingehalten werden.
Solche Wahlfehler können in erster Linie den amtlichen
Wahlorganen (§ 8 BWG) unterlaufen; Dritte können
Wahlfehler nur insoweit begehen, daß sie unter Bindung
an wahlgesetzliche Anforderungen kraft Gesetzes Auf-
gaben bei der Organisation einer Wahl erfüllen (vgl.
BVerfGE 89, 243, 251, 254).
Der Einspruchsführer hat keinerlei Tatsachen vorgetra-
gen, die Anhaltspunkte für solche Wahlfehler begründen.
Die von ihm angegriffenen Entscheidungen um Grund-
stücksverkäufe in Dresden stehen in keinerlei Zusam-
menhang mit der Vorbereitung und Durchführung der
Bundestagswahl. Es ist auch nicht Aufgabe des Deut-
schen Bundestages, seines Wahlprüfungsausschusses
oder der Bundesregierung, derartige Entscheidungen von
Kommunen zu überprüfen. Soweit der Einspruchsführer
außerdem meint, es seien Straftaten zu beklagen, ist die
Aufklärung und Verfolgung Aufgabe der zuständigen
Strafverfolgungsorgane – der Staatsanwaltschaften und
Gerichte. Der Bundestag kann hierein weder eingreifen,
noch kann er bereits getroffene Entscheidungen über die
Nichteröffnung von Ermittlungsverfahren überprüfen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 231 – Drucksache 14/1560

Anlage 86

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 67/98 -
des Herrn Manfred Neuhaus

wohnhaft: Sternstraße 42, 60318 Frankfurt
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1998, das am 27. Ok-

tober 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen Bun-
destag am 27. September 1998 angefochten.
Zur Begründung führt er aus, wegen Auszählungs-
fehler, Maschinenausfälle und der Eingabe falscher
Daten in Brandenburg sei die Bundestagswahl in die-
sem Bundesland unkorrekt verlaufen. Des weiteren
beanstandet der Einspruchsführer, „daß die FDP
einen Sitz abgezogen bekommen hat und die PDS ihn
bekommen hat“.
Der Einspruchsführer bittet, „nochmals zu überprü-
fen, ob das Wahlergebnis rechtens ist.“
Hinsichtlich der gerügten Vorkommnisse in Branden-
burg ist der Einspruchsführer gebeten worden, ganz
konkret die Umstände mitzuteilen, durch die er die
Wahlrechtsvorschriften verletzt sieht. Er hat darauf
jedoch nicht reagiert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist fristgerecht innerhalb von zwei Mo-
naten nach dem Wahltag (§ 2 Abs. 4 WPrüfG) beim
Bundestag eingegangen. Es bestehen allerdings gewisse
Zweifel, ob er auch den Begründungsanforderungen des
§ 2 Abs. 3 WPrüfG genügt, da der Einspruchsführer
nicht näher ausgeführt hat, welche konkreten Vorkomm-
nisse bei der Durchführung der Wahl in Brandenburg er
beanstanden will.
Nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG erfolgt die Wahlprüfung
nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung

muß mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und genügend substanti-
ierte Tatsachen enthalten. Die Wahlprüfung findet also
weder von Amts wegen statt (Offizialprinzip), noch er-
folgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesam-
ten Wahl (Totalitätsprinzip). Vielmehr richtet sich ihr
Umfang nach dem Einspruch, durch den der Einspruchs-
führer den Anfechtungsgegenstand bestimmt. Der Prü-
fungsgegenstand ist nach dem erklärten, verständig zu
würdigenden Willen des Einspruchsführers unter Be-
rücksichtigung des gesamten Einspruchsvorbringens
sinngemäß abzugrenzen. Aus der Begründungspflicht
folgt, daß die Abgrenzung auch danach vorzunehmen ist,
wieweit der Einspruchsführer den Einspruch substanti-
iert hat. Nur im Rahmen des so bestimmten Anfech-
tungsgegenstandes haben die Wahlprüfungsorgane dann
den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird,
von Amts wegen zu erforschen und alle auftauchen-
den rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen
(BVerfGE 40, 11 [30]; ständige Rechtsprechung).
Die Frage, ob der Einspruchsführer sein Vorbringen aus-
reichend substantiiert hat, kann aber letztlich dahinste-
hen. Denn der Einspruch ist jedenfalls offensichtlich un-
begründet. Die vom Einspruchsführer angesprochenen
Vorkommnisse – soweit nachvollziehbar – begründen
keine Zweifel an der Korrektheit des Wahlergebnisses.
Denn sie beziehen sich allesamt auf Probleme bei der
Ermittlung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses
der Bundestagswahl und sind im Rahmen der Feststel-
lung des endgültigen amtlichen Endergebnisses korri-
giert worden. Der 14. Deutsche Bundestag hat sich auf
der Grundlage dieses endgültigen amtlichen Endergeb-
nisses konstituiert, so daß die in Rede stehenden Vor-
kommnisse die ordnungsgemäße Zusammensetzung des
Bundestages nicht berühren.
So ist es bei der Feststellung des endgültigen amtlichen
Wahlergebnisses zu Recht zu einer Verschiebung eines
Mandats von der F.D.P. zur PDS gekommen. Nach dem
vorläufigen amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl
vom 27. September 1998, das noch in der Wahlnacht
ermittelt wurde, entfielen auf die F.D.P. 44 und auf die

Drucksache 14/1560 – 232 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

PDS 35 Sitze. Das endgültige amtliche Wahlergebnis
stellte der Bundeswahlausschuß dagegen erst am 14. Ok-
tober 1998 gemäß § 78 Abs. 2 der Bundeswahlordnung
(BWO) fest. Dieser Feststellung lag eine um 8 057 höhe-
re Anzahl an gültigen Zweitstimmen zugrunde als dem
vorläufigen amtlichen Endergebnis. Diese Veränderun-
gen waren insbesondere Folge von Berichtigungen der
vorläufigen Ergebnisse bei den gültigen Zweitstimmen
in Hamburg (+725), Niedersachsen (–932), Nordrhein-
Westfalen (+840), Baden-Württemberg (–3254), Bayern
(+1311), Mecklenburg-Vorpommern (+960), Branden-
burg (+6458) und Sachsen (+1177). Die auf dieser
Grundlage vorgenommene Berechnung der Verteilung
der Sitze auf die Parteien ergab gegenüber dem vorläufi-
gen Ergebnis die Verschiebung eines Sitzes von der
F.D.P. zur PDS.
Soweit der Einspruchsführer außerdem Unregelmäßig-
keiten bei der Ermittlung des Wahlergebnisses speziell
in Brandenburg anspricht, sind dem Wahlprüfungsaus-
schuß einige Vorkommnisse bekannt, die sich aber eben-
falls nur auf das vorläufige amtliche Endergebnis ausge-
wirkt haben. So beruht die Abweichung von +6 458 gül-
tigen Zweitstimmen im Vergleich vom vorläufigen zum
amtlichen Endergebnis zum einen auf Fehlern in der
Datenübermittlung bzw. Eingabefehlern bei der Datener-
fassung in zwei Wahlkreisen in Brandenburg. Darüber
hinaus hat der Bundeswahlleiter für zwei weitere Wahl-
kreise gegen 4.00 Uhr am Morgen des 28. September die
Ergebnisse geschätzt. Dies geschah, um in der Wahl-
nacht noch ein vorläufiges Gesamtergebnis der Wahl zu
erhalten, weil in den betroffenen Wahlkreisen Wahlvor-
stände das Ergebnis in den von ihnen betreuten Wahlbe-
zirken zwar ermittelt, aber nur unvollständig weiterge-
leitet hatten. Da diese Wahlvorstände nicht mehr er-
reichbar waren, konnten die fehlenden Ergebnisse in der
Wahlnacht nicht mehr beschafft werden.
Allgemein ist zu dem vorliegenden Wahleinspruch dar-
auf hinzuweisen, daß das vorläufige amtliche Endergeb-
nis von Bundestagswahlen in der Wahlnacht unter ho-
hem Zeitdruck ermittelt wird. Die ca. 80 000 Wahlvor-
stände in den einzelnen Urnenwahlbezirken haben hierzu
nach Schließung der Wahllokale die Stimmen auszu-
zählen und an ihre jeweiligen Kreiswahlleiter weiterzu-

melden. Hinzu kommen die Ergebnisse von ca. 10 000
Briefwahlvorständen. Über die Landeswahlleiter laufen
die Ergebnisse schließlich beim Bundeswahlleiter zu-
sammen, der anhand der ihm übermittelten Daten eine
vorläufige Berechnung der Sitzverteilung im Bundestag
vornimmt. Angesichts der Vielzahl der beteiligten Per-
sonen und der in der Wahlnacht häufig auftretenden
Hektik sind hierbei Fehler kaum zu vermeiden.
Nicht zuletzt wegen solcher Erfahrungen sehen das Bun-
deswahlgesetz und die Bundeswahlordnung bei der Er-
mittlung des Ergebnisses einer Bundestagswahl ein
zweistufiges Verfahren vor: Die Ermittlung von vor-
läufigen Wahlergebnissen noch in der Wahlnacht sowie
– nach sorgfältiger Prüfung – die Feststellung der end-
gültigen amtlichen Endergebnisse 10 bis 14 Tage nach
der Wahl. Es ist dann gerade der Zweck der Nachprü-
fung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses, eventu-
elle Unstimmigkeiten und Fehler festzustellen und zu
korrigieren. So ist auch das endgültig amtliche Ender-
gebnis der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag erst nach
Korrektur der geschilderten Vorkommnisse festgestellt
worden und beruht damit bereits auf einer Überprüfung
des (zunächst nur vorläufig ermittelten) Wahlergebnis-
ses. Damit ist im Ergebnis dem Anliegen des Ein-
spruchsführers, der darum bittet, das Wahlergebnis
„nochmals zu überprüfen“, bereits Rechnung getragen.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233 – Drucksache 14/1560

Anlage 87

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 79/98 –
des Herrn Carl M. Schulte

wohnhaft: Frankenallee 32, 60327 Frankfurt
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit einem Telefax vom 12. November 1998, das am

selben Tag beim Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 erhoben. Der Einspruchsführer beanstandet
in diesem Schreiben unter Berufung auf den Parla-
mentarischen Rat, daß es zeitnah zur Wiedervereini-
gung keine Volksabstimmung über das Grundgesetz
und/oder die Einberufung einer verfassunggebenden
Versammlung gegeben habe. Er fordert, der Bundes-
tag solle „ein verfassungsgemäßes Ausführungsgesetz
zu Artikel 146 GG“ vorlegen.
Zwei weitere Telefaxe des Einspruchsführers datieren
vom 27. und 28. November 1998 und tragen den
Eingangsstempel des Wahlprüfungsausschusses vom
30. November 1998. Der in der Kopfzeile ange-
brachte Absenderaufdruck auf den einzelnen Seiten
dieser Telefaxe weist das Datum vom 28. November
1998 aus. In diesen Schreiben beanstandet der Ein-
spruchsführer die Regelungen in § 6 Abs. 5 und § 7
Abs. 3 des Bundeswahlgesetzes (BWG) zu den Über-
hangmandaten als verfassungswidrig. Zur Begrün-
dung legt er Auszüge aus dem Schriftsatz eines
Rechtsanwalts vor, der offenbar ursprünglich zur Be-
gründung einer Wahlprüfungsbeschwerde vor dem
Bundesverfassungsgericht bestimmt war.
Ein viertes Telefax des Einspruchsführers datiert
schließlich vom 27. November 1998. Es trägt den Ein-
gangsstempel des Wahlprüfungsausschusses vom 30.
November 1998. Die einzelnen Seiten (insgesamt 85)
sind jeweils mit einer Kopfzeile versehen, die den
Namen des Einspruchsführers, seine Telefax-
Nummer, das Datum vom 27. November 1998 sowie
die Uhrzeit enthält. Die Zeitangaben sind von Blatt zu
Blatt unterschiedlich; sie beginnen mit 23.07 Uhr und
enden mit 23.59 Uhr. In diesem Schreiben macht der
Einspruchsführer „4 Wahlfehler“ geltend. Er rügt zu-

nächst die Verletzung der „Pflicht des Wahlgesetzge-
bers zur Einführung eines Geschlechterproporzes“,
die Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit
der Wahl „durch den Ausschluß der 14- bis
18jährigen BürgerInnen von der Wahl“ sowie die
Verfassungswidrigkeit der „normativen Regelung zur
5%-Klausel im Bundeswahlgesetz“. Sodann macht er
geltend, das gesamte Wahlrecht und Wahlprüfungs-
recht leite sich aus dem Wahlverfassungsrecht ab,
„das entgegen dem Verfassungsauftrag in Art. 146
GG bisher nicht vom Volk angenommen worden ist“.
Zur Begründung dessen legt er wiederum Auszüge
aus einem umfangreichen Anwaltsschriftsatz zur Be-
gründung einer offenbar gegen die Wahl zum 13. (!)
Deutschen Bundestag gerichteten Wahlprüfungsbe-
schwerde, die Kopie eines Beitrags mit dem Titel
„Dem Volk begegnen“ aus der Frankfurter Allgemei-
nen Zeitung vom 29. Mai 1998 sowie einen darauf
bezogenen Leserbrief, Fotografien der Titel von Pu-
blikationen Hans Herbert von Arnims sowie den Ab-
druck eines Vortrags von Hans Meyer („Wozu
braucht man und wie kommt man zu einer General-
überholung des Grundgesetzes“) vor.
Der Einspruchsführer hat – mit teilweise ähnlichem
Vorbringen – bereits in der 13. Wahlperiode ein
Wahlprüfungsverfahren betrieben. Der Deutsche Bun-
destag hat am 14. März 1996 diesen Wahleinspruch
(WP 25/94 – Drucksache 13/3928 Anlage 1) als
offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Die da-
gegen gerichtete Wahlprüfungsbeschwerde hat das
Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 14. Ja-
nuar 1998 (2 BvC 25/96) als teilweise unzulässig und
im übrigen offensichtlich unbegründet verworfen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 234 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist zulässig, soweit der Einspruchsführer
die seiner Ansicht nach fehlende Volksentscheidung
über das Grundgesetz bzw. das Fehlen eines Ausfüh-
rungsgesetzes zu Artikel 146 GG beanstandet. Insoweit
ist der Einspruch form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen.
Die Zulässigkeit des Einspruchs im übrigen kann dahin-
gestellt bleiben; insoweit ist der Einspruch jedenfalls un-
begründet.
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprü-
che binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem
Wahltag beim Bundestag eingehen. Bei der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag lief die Einspruchsfrist am
27. November 1998 ab. Die dem Ursprungsschreiben des
Einspruchsführers nachfolgenden Telefaxe tragen alle-
samt erst den Eingangsstempel des Wahlprüfungsaus-
schusses vom 30. November 1998. Zu diesem Zeitpunkt
war jedoch die Frist bereits abgelaufen.
Die Telefaxe mit Eingangsstempel 30. November 1998
können nur hinsichtlich des Problemkreises „Artikel 146
GG“ als „weitere Begründung“ des fristgemäß am
12. November 1998 eingelegten Wahleinspruchs gelten.
Denn die außerdem angesprochenen Themenkreise
Geschlechterproporz, Überhangmandate, Wahlalter und
Fünfprozentklausel sprechen völlig neue Inhalte an, die
in dem Ursprungsschreiben des Einspruchsführers nicht
einmal ansatzweise erwähnt werden. Sie enthalten mithin
eine Erweiterung des Anfechtungsgegenstandes, die je-
doch nur innerhalb der Einspruchsfrist vorgenommen
werden kann.
Neben dem fristgemäßen Eingang (§ 2 Abs. 4 Satz 1
WPrüfG) sind weitere Voraussetzungen für die Zuläs-
sigkeit von Wahleinsprüchen die Schriftform sowie das
Vorhandensein einer Begründung (§ 2 Abs. 3 WPrüfG).
Durch die Begründung des Wahleinspruchs wird der An-
fechtungsgegenstand bestimmt, denn die Wahlprüfung
findet weder von Amts wegen statt, noch erfolgt sie stets
in der Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl.
Vielmehr richtet sich ihr Umfang nach dem Einspruch,
durch den der Einspruchsführer den Anfechtungsgegen-
stand bestimmt. Der Prüfungsgegenstand ist nach dem
erklärten, verständig zu würdigenden Willen des Ein-
spruchsführers unter Berücksichtigung des gesamten
Einspruchsvorbringens sinngemäß abzugrenzen (BVerf-
GE 40, 11, 30). Wahleinsprüche sind also nur insoweit
zulässig, als alle formellen Voraussetzungen während
der Einspruchsfrist vorliegen bzw. vorgetragen werden.
Daraus folgt, daß auch der Anfechtungsgegenstand eines
Wahleinspruchs nur während dieser Frist bestimmt bzw.
erweitert werden kann.
Es könnte deshalb der fristgerechte Eingang zumindest
des vierten Telefaxes allenfalls dann bejaht werden,
wenn zum Nachweis des Eingangszeitpunkts nicht der
Eingangsstempel des Wahlprüfungsausschusses, sondern
die oben beschriebenen Absenderzeilen auf den einzel-
nen Telefaxseiten maßgeblich wären. Dies erscheint je-
doch bereits deswegen als äußerst zweifelhaft, weil die
Datums- und Uhrzeitangaben in dieser Zeile auf Ein-

stellungen des absendenden Telefaxgerätes beruhen. Sie
können deshalb nicht belegen, daß diese Einstellungen
auch tatsächlich korrekt vorgenommen worden sind.
Angesichts der Tatsache, daß die Übertragung des Tele-
faxes nach dem Uhrzeitaufdruck der Absenderzeile erst
um 23.59 Uhr am 27. November 1998 beendet war, also
eine Minute vor Ablauf der Einspruchsfrist, können hier
bereits geringfügige Ungenauigkeiten der vorgenomme-
nen Einstellungen weitreichende Bedeutung entfalten.
Letztlich braucht diese Frage aber nicht entschieden
werden, denn der Einspruch ist jedenfalls offensichtlich
unbegründet. Aus dem Vortrag des Einspruchsführers
lassen sich Wahlfehler nicht ermitteln.
Das Wahlprüfungsverfahren ist dazu bestimmt, die ord-
nungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu
gewährleisten. Es setzt deshalb die Rüge von Mängeln
bei der Anwendung der für die Wahl geltenden wahl-
rechtlichen Regelungen voraus (BVerfGE 89, 243, 251,
254). Solche Mängel hat der Einspruchsführer jedoch
nicht vorgetragen. Er macht lediglich verfassungsrechtli-
che Bedenken gegen bestehende wahlrechtliche Rege-
lungen bzw. das Fehlen von wahlrechtlichen Regelungen
(zum Geschlechterproporz) geltend.
Insbesondere kann ein Verstoß gegen wahlrechtliche
Vorschriften nicht mit der Behauptung, Artikel 146 GG
sei verletzt und deshalb bestünden auch verfassungs-
rechtliche Bedenken gegen das gesamte Wahlrecht an
sich, begründet werden. Artikel 146 GG regelt nämlich
das Wahlverfahren zum Bundestag nicht. Er bestimmt
lediglich, unter welchen Bedingungen das derzeit gelten-
de Grundgesetz außer Kraft treten kann. Bis dahin sind
die einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes unge-
schmälert anzuwenden. Für das Wahlrecht maßgeblich
ist Artikel 38 GG, der den Gesetzgeber ausdrücklich in
Absatz 3 beauftragt hat, das Nähere über das Wahlver-
fahren durch Bundesgesetz zu regeln. Diesem Auftrag ist
der Bundesgesetzgeber durch den Erlaß des Bundes-
wahlgesetzes nachgekommen.
Soweit der Einspruchsführer auch einzelne Bestimmungen
dieses Gesetzes beanstanden will (§ 6 Abs. 5 und § 7
Abs. 3 BWG zu den Überhangmandaten, § 6 Abs. 6 BWG
zur Fünfprozentklausel und § 12 Abs. 1 BWG zum Wahl-
alter) kann nur darauf hingewiesen werden, daß das Bun-
desverfassungsgericht die genannten Regelungen in seiner
bisherigen Rechtsprechung stets bestätigt hat; zuletzt die
Vorschriften zu den Überhangmandaten in seiner Ent-
scheidung vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 322, 335).
Im übrigen sehen sich der Wahlprüfungsausschuß und der
Bundestag nicht berufen, im Wahlprüfungsverfahren die
Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften festzu-
stellen. Sie haben diese Kontrolle stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten.
Soweit der Einspruchsführer schließlich aus Artikel 3
des Grundgesetzes eine Pflicht des Wahlgesetzgebers
„zur Garantie einer besseren Repräsentation von Frauen
im Deutschen Bundestag herleitet“, ist zunächst darauf
hinzuweisen, daß die Zusammensetzung des Bundesta-
ges nicht vom Wahlgesetzgeber, sondern von den Wäh-
lerinnen und Wählern in einer freien (Artikel 38 Abs. 1
Satz 1 GG) Wahlentscheidung bestimmt wird. Im übri-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235 – Drucksache 14/1560

gen sind Vorschläge zu alternativen Gestaltungsmög-
lichkeiten des Wahlrechts nicht geeignet, einen Wahl-
fehler zu begründen. Eine verfassungsrechtliche Pflicht
zum Erlaß bestimmter Vorschriften könnte ohnedies nur
vom Bundesverfassungsgericht festgestellt werden. Aus
dessen bisheriger wahlrechtlicher Rechtsprechung läßt
sich indes die vom Einspruchsführer angenommene Ver-
pflichtung nicht herleiten.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 236 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237 – Drucksache 14/1560

Anlage 88

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 13/98 –
des Herrn Karl Heinz Rademacher

wohnhaft: Gudrunstraße 8a, 45770 Marl
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 25. September 1998 an den Bun-

deswahlleiter, welches am 5. Oktober 1998 beim
Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 Einspruch einge-
legt.
Er wendet sich mit seinem Einspruch gegen die Auf-
stellung von Waltraud Lehn als Kandidatin der SPD
für die Bundestagswahl im Wahlkreis 92. Für die
Wahl der späteren Bundestagsabgeordneten seien
Delegierte zur Wahlkreiskonferenz der SPD zugelas-
sen worden, die von Nichtparteimitgliedern gewählt
worden seien. Die zuständigen Gremien der SPD
hätten trotz Kenntnis dieses Umstands nichts dagegen
unternommen, während man in anderen Fällen die
mit den Stimmen von Nichtmitgliedern gewählten
Delegierten entfernt habe und in nachgeschobenen
Wahlen andere Delegierte gewählt worden seien.
Nach Auffassung des Einspruchsführers ist die Auf-
stellung der oben genannten Kandidatin deshalb
rechtsmißbräuchlich erfolgt und als ungültig zu be-
werten.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 23. August 1997 wurden ausweislich der Nieder-
schrift des Ortsvereins der SPD Marl Drewer-Nord in
geheimer Wahl die Delegierten Helga Grzanna und
Andreas Lechtenbömer sowie zwei weitere Delegierte
als deren Ersatz für die Wahlkreiskonferenz am
17. September 1997 zur Aufstellung der Bundestags-
kandidaten/innen für den Wahlkreis 92 gewählt.
Am 6. September 1997 wurde laut Beschlußprotokoll
der außerordentlichen Vorstandssitzung des SPD-
Unterbezirks Recklinghausen die Nichtigkeit der
Wahl von Helga Grzanna zur Delegierten für die
Wahlkreiskonferenz festgestellt, weil diese bereits am
25. Mai 1997 aus der Partei ausgetreten war. Gleich-
zeitig wurde die Neuwahl einer/eines Delegierten

für die Wahlkreiskonferenz angeordnet, welche am
16. September 1997 stattfand.
Am 17. September 1997 wurde gemäß der Nieder-
schrift über die Vertreterversammlung zur Aufstel-
lung des/der Wahlkreisbewerbers/in auf der Wahl-
kreiskonferenz der SPD Waltraud Lehn von den De-
legierten mit 64 Ja-Stimmen bei 71 abgegebenen
Stimmen als Kandidatin für die Bundestagswahl auf-
gestellt.
Der Einspruchsführer vertritt die Auffassung, daß die
Wahl der Delegierten am 23. August 1997 insgesamt
hätte wiederholt werden müssen, da alle Delegierten,
also auch der zweite Delegierte Lechtenböhmer sowie
die beiden stellvertretenden Delegierten, mit der
Wahlbeteiligung eines Nichtmitgliedes gewählt wor-
den seien. Statt dessen seien aber nur ein neuer Dele-
gierter und ein Stellvertreter gewählt worden. Der
Delegierte Lechtenböhmer habe somit mit dem Vo-
tum eines Nichtmitgliedes an der Wahl am 17. Sep-
tember 1997 teilgenommen.
Der Kreiswahlleiter für die Wahlkreise 91 und 92 hat
zu dem Einspruch folgende Stellungnahme abgege-
ben:
Zunächst verweist er auf ein Schreiben vom 27. Sep-
tember 1998 an den Einspruchsführer. Er habe die-
sem darin mitgeteilt, daß der Kreiswahlvorschlag der
SPD für den Wahlkreis 92 durch Beschluß des ge-
meinsamen Kreiswahlausschusses der Wahlkreise 91
und 92 am 31. Juli 1998 zugelassen worden sei. Da
gegen die Zulassung keine Beschwerde gemäß § 26
Abs. 2 Bundeswahlgesetz (BWG) eingelegt worden
sei, sei die Entscheidung endgültig. Eine Überprüfung
könne nur noch im Rahmen des Wahlprüfungsverfah-
rens duch den Deutschen Bundestag stattfinden.
Ferner führt der Kreiswahlleiter für die Wahlkreise 91
und 92 aus, die SPD habe am 12. Mai 1998 fristge-
recht den Kreiswahlvorschlag für den Wahlkreis 92
mit der Kandidatin Lehn nebst den erforderlichen
Unterlagen eingereicht. Die Vorprüfung gemäß § 25
BWG i.V.m. § 35 Bundeswahlordnung (BWO) habe

Drucksache 14/1560 – 238 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines fehler-
haften Kreiswahlvorschlages ergeben. Aufgrund der
Vorprüfung sei er deshalb, wie in dem Schreiben an
den Einspruchsführer bereits dargelegt, einstimmig
zugelassen worden.
Die Rechtsanwälte, die den SPD-Unterbezirk Reck-
linghausen vertreten, haben zu dem Einspruch eben-
falls eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt abge-
geben:
Zum einen sei der Einspruch unzulässig, weil angeb-
liche Mängel im Wahlzulassungsverfahren geltend
gemacht werden, die nicht erkennen lassen, inwieweit
diese sich auf die Wahl der Kandidatin im Wahl-
kreis 92 ausgewirkt haben sollen. Der behauptete
Fehler müsse sich jedoch auf die Zusammensetzung
des Bundestages auswirken, um den Einspruch ord-
nungsgemäß zu begründen.
Zum anderen sei der Einspruch aber auch unbegrün-
det, weil der Delegierte Lechtenbömer am 23. August
1997 mit 31 Ja-Stimmen bei 45 abgegebenen Stim-
men, davon eine ungültige Stimme, ohne Gegenkan-
didaten gewählt worden sei. Die Teilnahme der
H. Grzanna, die zu diesem Zeitpunkt unstreitig nicht
mehr Mitglied der SPD gewesen sei, habe deshalb
keinen Einfluß auf die Wahl des Delegierten Lech-
tenbömer gehabt.
Nach § 13 Abs. 1 Buchstabe a der Wahlordnung der
SPD stelle die Wahl eines Nichtmitgliedes als Ver-
treter für die Vertreterversammlung einen absoluten
Nichtigkeitsgrund dar, bei dessen Vorliegen der Par-
teivorstand zwingend Neuwahlen anordnen müsse.
Dies sei auch erfolgt. Demgegenüber führe die Teil-
nahme eines Nichtmitgliedes an der Wahl eines Ver-
treters nach der Wahlordnung der SPD nicht zur
Nichtigkeit dieser Wahl. Die Teilnahme eines Nicht-
mitgliedes mache die Wahl lediglich anfechtbar im
Sinne des § 12 Abs. 3 der Wahlordnung, wenn dieser
Mangel Einfluß auf das Ergebnis der Wahl gehabt
haben könne. Die Anfechtung müsse gemäß § 12
Abs. 2 und 4 der Wahlordnung der SPD binnen zwei
Wochen nach Ablauf des Tages der Wahl erfolgen.
Dies sei jedoch nicht geschehen, so daß die Wahl
nach Ablauf der Frist unanfechtbar und damit wirk-
sam sei. Im übrigen hätte eine Anfechtung wegen des
Wahlergebnisses für L. keinen Erfolg gehabt.
Die Wahl der Wahlkreisbewerberin Lehn sei deshalb
sowohl nach den Vorschriften des § 21 BWG als auch
nach den satzungsrechtlichen Vorschriften der SPD
ordnungsgemäß erfolgt.
Der Einspruchsführer hat sich zu den ihm bekanntge-
gebenen Stellungnahmen nochmals eingelassen. Er
beanstandet insbesondere diverse Mängel, die seiner
Ansicht nach die Niederschrift über die Vertreterver-
sammlung zur Aufstellung des Wahlkreisbewerbers
vom 17. September 1997 enthält. Die Niederschrift
sei rechtsfehlerhaft, weil sie nicht die Nachwahl eines
Delegierten vom 16. September 1997 für die Vertre-
terversammlung vom 17. September 1997 enthalte.
Der Einspruchsführer vertritt weiterhin die Auffas-

sung, daß der Delegierte L. auf der Vertreterver-
sammlung am 17. September 1997 nicht stimmbe-
rechtigt gewesen sei, weil er am 23. August 1997 un-
ter Beteiligung eines Nichtmitgliedes der SPD ge-
wählt worden sei. Deshalb sei die Feststellung der
Stimmberechtigung aller auf der Vertreterversamm-
lung anwesenden Vertreter zumindest für den Dele-
gierten L. unzutreffend.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Die Rügen des Einspruchsführers im Hinblick auf die
Teilnahme eines Nichtparteimitgliedes an der Wahl der
Delegierten am 23. August 1997 zur Vertreterversamm-
lung am 17. September 1997 für die Aufstellung der
Wahlkreiskandidatin für die Bundestagswahl begründen
keinen Wahlfehler.
Ziel des Wahlprüfungsverfahrens ist ausschließlich, die
ordnungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu
gewährleisten. Gegenstand der Wahlprüfung ist deshalb
die Einhaltung der rechtlichen Regelungen für die Vor-
bereitung und Durchführung der Bundestagswahlen. Das
Wahlprüfungsverfahren ist jedoch nicht dazu bestimmt,
eine „Oberaufsicht“ über die zu den Wahlen kandidie-
renden Parteien vorzunehmen. Vielmehr sind die Par-
teien für ihre inneren Angelegenheiten selbst verant-
wortlich und können diese weitgehend autonom gestal-
ten (BVerfGE 89, 243, 252). Parteien können deshalb
nur insoweit im Wahlprüfungsverfahren feststellbare
Wahlfehler begehen, als sie unter Bindung an wahlgesetz-
liche Anforderungen kraft Gesetzes Aufgaben bei der Or-
ganisation einer Wahl erfüllen (BVerfGE 89, 243, 251).
Bloße Verstöße gegen das Satzungsrecht oder die Wahl-
ordnung von Parteien sind dagegen wahlrechtlich uner-
heblich.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts die Einreichung von Kandidatenvorschlä-
gen für die Wahl in Wahlkreisen und für Landeslisten
ein Gebiet, auf dem die Parteien kraft Gesetzes Aufga-
ben der Wahlvorbereitung zu erfüllen haben (§§ 18, 27
Abs. 1 Satz 1 BWG). Das Bundesverfassungsgericht hat
hierin einen wesentlichen Bereich der Wahlvorbereitung
gesehen, in dem eine notwendige Voraussetzung für die
Wahl selbst geschaffen und das aktive und passive
Wahlrecht unmittelbar berührt werden (BVerfGE 89,
243, 255 f.). Einen Verstoß des SPD-Unterbezirks gegen
wahlgesetzliche Anforderungen bei der Aufstellung der
Wahlkreisbewerberin für die Bundestagswahl hat der
Einspruchsführer jedoch nicht vorgetragen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239 – Drucksache 14/1560

Die Wahlkreisbewerberin für den Wahlkreis 92 ist ge-
mäß § 21 Abs. 1 BWG auf einer besonderen Vertreter-
versammlung am 17. September 1997 von Vertretern,
die wiederum von wahlberechtigten Mitgliedern der
Partei in Mitgliederversammlungen gewählt worden
sind, ordnungsgemäß aufgestellt worden. Da die Vorprü-
fung des Kreiswahlvorschlages durch den Kreiswahllei-
ter der Wahlkreise 91 und 92 gemäß § 25 BWG keine
Mängel ergeben hat, ist der Kreiswahlvorschlag schließ-
lich vom gemeinsamen Kreiswahlausschuß der Wahl-
kreise 91 und 92 zugelassen worden. Aus dem Vortrag
des Einspruchsführers ist insofern kein Verstoß gegen
die einschlägige gesetzliche Regelung des § 21 BWG bei
der Kandidatenaufstellung zu ersehen.
Die Teilnahme eines Nichtmitgliedes der Partei an der
Mitgliederversammlung am 23. August 1997 und die
Wahl dieses Nichtmitgliedes als Delegierte für die Ver-
treterversammlung stellt keinen erheblichen Verstoß ge-
gen gesetzliche Wahlvorschriften, sondern allenfalls ei-
nen Verstoß gegen die Wahlordnung der SPD dar. Aus
diesem Grund wurde die Nichtigkeit der Wahl dieses
Nichtmitgliedes festgestellt und ein neuer Delegierter
gewählt. Daß dieses Nichtmitglied außerdem an der
Wahl des anderen Delegierten am 23. August 1997 be-
teiligt war und die Wahl dieses anderen Delegierten für
die Vertreterversammlung nicht wiederholt worden ist,
kann weder einen relevanten Einfluß auf die Entschei-
dungen in der Vertreterversammlung selbst noch auf die
Auswahl der Delegierten erlangt haben. Damit entfällt
ein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften. Selbst nach
der Wahlordnung der SPD, die als parteiinterne Rege-
lung keine Wahlrechtsvorschrift ist, führt die Teilnahme

eines Nichtmitgliedes an der Wahl eines Vertreters nicht
zur Nichtigkeit dieser Wahl, sondern stellt allenfalls ei-
nen Anfechtungsgrund dar, wenn dieser Mangel Einfluß
auf das Ergebnis der Wahl des Delegierten gehabt haben
kann (§ 12 Abs. 3 Wahlordnung der SPD), was jedoch
angesichts des Stimmenverhältnisses für den Delegierten
L. nicht der Fall ist.
Ansonsten ist aus dem Vortrag des Einspruchsführers
nicht ersichtlich, daß während der Versammlung des
Ortsvereins der SPD Marl Drewer-Nord am 23. August
1997 und der Vertreterversammlung am 17. September
1997 gesetzliche Vorschriften mit Relevanz für die
Wahlvorbereitung verletzt worden sein sollten. Gleiches
trifft für die spätere Aufstellung der Landesliste und der
Direktkandidaten zu.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 240 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 241 – Drucksache 14/1560

Anlage 89

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 55/98 –
des Herrn Johannes R. Wiegand

wohnhaft: Am Breitenstein 32, 35287 Amöneburg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 26. Oktober 1998 hat der Ein-

spruchsführer die Wahl zum 14. Deutschen Bundes-
tag am 27. September 1998 angefochten.
Der Einspruchsführer ist Bundesvorsitzender der
politischen Vereinigung WEISSE LIGA. Er wendet
sich gegen die Entscheidung des Bundeswahlaus-
schusses, die WEISSE LIGA nicht als Partei zur
Wahl des 14. Deutschen Bundestages anzuerkennen.
Er trägt vor, erst auf schriftliche Nachfrage habe die
Vereinigung einen schriftlichen Ablehnungsbescheid
erhalten. Obwohl die WEISSE LIGA zum Zeitpunkt
der Anmeldung zur Wahl 580 Mitglieder gehabt ha-
be, sei sie in der 1. Sitzung des Bundeswahlausschus-
ses am 17. Juli 1998 in Bonn mit der nicht nachvoll-
ziehbaren Begründung nicht zugelassen worden, daß
während der Gründung der Partei am 16. Oktober
1996 nur 13 abstimmende Personen bei der Vor-
standswahl protokolliert worden seien. Ferner sei
nicht nachvollziehbar, daß der Bundeswahlausschuß
bei einer Partei nationaler Minderheiten die Organi-
sationsstruktur eines Bundesverbandes für das ge-
samte Bundesgebiet ohne Landesverbände als „nicht
ausreichend“ bezeichne. Dagegen sei die deutsche
Partei „Die Tierschutzpartei“ zur Wahl zugelassen
worden, die laut Medien aber nur 200 Mitglieder
habe. Eine normale deutsche Partei habe ein Mitglie-
derpotential von 80 Millionen Menschen, also bei
200 Mitgliedern einen organisierten Prozentanteil von
0,0025 %. Eine Partei nationaler Minderheiten, wie
die WEISSE LIGA, könne sich aber nur auf ein Mit-
gliederpotential von ca. 70 000 Menschen stützen,
und zwar auf Sorben, Dänen und Friesen. Wenn eine
Partei nationaler Minderheiten also 580 Mitglieder
habe, entspreche das einem organisierten Prozentan-
teil von 0,8285 %. Damit sei die WEISSE LIGA drei-
hundertzwanzigmal stärker gewesen als die zur Wahl
zugelassene „Tierschutzpartei“.
Zu der Begründung des Bundeswahlausschusses, die
WEISSE LIGA sei nicht nachhaltig in der Öffentlich-

keit aufgetreten, trägt der Einspruchsführer vor, die-
ser Vorwurf sei angesichts der nachhaltigen Inbrand-
setzung des Hauses des Parteivorsitzenden zum Hit-
lergeburtstag 1997, der durch Flugblätter aus dem
Neonazi-Milieu gegen die WEISSE LIGA verbreite-
ten nachhaltigen Hetze oder der aufgrund rechtsna-
tionaler nachhaltiger Anwürfe seitens einer Versiche-
rung verursachten Tätigkeit von Bundeskriminalamt
und Verfassungsschutz absurd. Während der Bun-
deswahlausschuß nachhaltiges Hervortreten in der
Öffentlichkeit anmahne, habe der Staatsschutz dem
Vorsitzenden dringend geraten, nicht in der Öffent-
lichkeit hervorzutreten, um nicht zum Ziel rechtsge-
richteten Unverstandes zu werden. Das lasse nur den
Schluß zu, daß der im Grundgesetz und im Parteien-
gesetz festgeschriebene Minderheitenschutz nur auf
dem Papier stehe, um die nationalen Minderheiten
mit einer nur theoretisch grundgesetzlich möglichen,
aber praktisch nicht durchführbaren politischen Mit-
wirkung „einzuschläfern“ und davon abzuhalten, sich
für selbständig zu erklären.
In einem weiteren Telefax vom 30. Oktober 1998 hat
der Einspruchsführer vorgetragen, er wisse, daß der
Bundestag den Einspruch ablehnen werde. Es gehe
ihm mit diesem Einspruch einzig darum, den vor-
geschrieben Rechtsweg einzuhalten, um vor das
Bundesverfassungsgericht ziehen zu können. Da die
WEISSE LIGA als Partei nationaler Minderheiten
nicht der 5%-Hürde unterliege, hätte sie mindestens ein
Mandat erhalten. Auch hätte sie bei Zulassung nicht
entgegen weltanschaulicher Differenzen aus Protest
ihre Anhänger zur Wahl der PDS animieren müssen,
was wegen des sonst möglicherweise nicht erreichten
Fraktionsstatus der PDS auf die Mandatsverteilung im
Bundestag größeren Einfluß gehabt hätte.
Zu dem Vorbringen hat der Bundeswahlleiter eine
Stellungnahme abgegeben, die dem Einspruchsführer
zur Kenntnis gegeben worden ist.
Der Bundeswahlleiter führt aus, die politische Ver-
einigung WEISSE LIGA – Keine der Obigen –

Drucksache 14/1560 – 242 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

WEISSE LIGA habe mit Schreiben vom 28. Juni
1998 gemäß § 18 Abs. 2 Bundeswahlgesetz (BWG)
ihre Beteiligung an der Bundestagswahl 1998 ange-
zeigt. Der Anzeige seien Satzung, Programm, das
Gründungsprotokoll vom 2. Oktober 1996 und das
Protokoll über die Wahl des Bundesvorstandes beige-
fügt gewesen. Trotz schriftlicher Aufforderung seien
weitere Informationen wie z.B. Organisationsstruktur
und Hervortreten in der Öffentlichkeit nicht vorgelegt
worden. Der Einladung zur 1. Sitzung des Bundes-
wahlausschusses am 17. Juli 1998 in Bonn, in der
über die Anerkennung der Partei gemäß § 18 Abs. 4
Nr. 2 BWG entschieden worden sei, sei kein Mitglied
der politischen Vereinigung WEISSE LIGA gefolgt.
Auf Grund der Aktenlage und nach Abwägung aller
in Betracht kommenden Umstände habe der Bundes-
wahlausschuß einstimmig beschlossen, die WEISSE
LIGA nicht als Partei anzuerkennen. Eine Aufnahme
der politischen Vereinigung in die beim ihm – dem
Bundeswahlleiter – gemäß § 6 Abs. 3 Parteiengesetz
geführte Sammlung sei nicht beantragt worden. Im
übrigen erscheine es zweifelhaft, ob die WEISSE
LIGA den Parteien nationaler Minderheiten im Sinne
des § 6 Abs. 6 Satz 2 BWG zugeordnet werden kön-
ne. Dieses „Minderheitsprivileg“ komme nur für ori-
ginäre Minderheitsparteien, nicht aber für solche in
Betracht, die sich die Vertretung mehrerer etwa vor-
handener Minderheiten zum Ziel gesetzt hätten. Die
WEISSE LIGA sei jedoch gemäß ihrer Satzung eine
„Bundespartei der dänischen, friesischen und sorbi-
schen Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland“
und habe sich damit die Vertretung mehrerer Bevölke-
rungsgruppen, auf die das Rahmenübereinkommen des
Europarates vom 1. Februar 1995 zum Schutz natio-
naler Minderheiten anzuwenden sei, zum Ziel gesetzt.
Der Einspruchsführer hat sich dahin gehend geäu-
ßert, daß nicht erwartet werden könne, daß sich die
WEISSE LIGA in Bonn „gemeinsam mit NPD,
Schlingensief, Anarchistischer Pogo Partei und ande-
ren überaus ernsthaften deutschen demokratischen
Organisationen in die Schlange stelle“. Außerdem sei
mehrmals beim Bundeswahlleiter angefragt worden,
wann endlich die Aufnahme in die Liste der Parteien
erfolge. Die WEISSE LIGA sei bereits im Vorfeld
der Wahl nicht zugelassen worden, so daß sie keine
Möglichkeit zur Sammlung von Unterstützungsunter-
schriften gehabt hätte. Zumindest deswegen werde sie
vor das Bundesverfassungsgericht gehen. Außerdem
könne sie wegen der zwei bis drei entgangenen Man-
date nicht an der Parteienfinanzierung teilnehmen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.

Der Beschluß des Bundeswahlausschusses, die politische
Vereinigung WEISSE LIGA – Keine der Obigen –
WEISSE LIGA nicht als eine Partei im Sinne des § 2 des
Parteiengesetzes (PartG) anzuerkennen, läßt keinen
Wahlfehler erkennen.
Nach § 18 Abs. 2 BWG i.V.m. § 2 Abs. 1 PartG können
Parteien, die im Deutschen Bundestag oder einem
Landtag seit der letzten Wahl nicht auf Grund eigener
Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf
Abgeordneten vertreten waren, als solche einen Wahl-
vorschlag nur einreichen, wenn sie dem Bundeswahl-
leiter ordnungsgemäß ihre Beteiligung an der Wahl an-
gezeigt haben und der Bundeswahlausschuß ihre Partei-
eigenschaft festgestellt hat. Bei der Feststellung der Par-
teieigenschaft ist der Bundeswahlausschuß an den Par-
teienbegriff des § 2 PartG gebunden. Danach sind Partei-
en Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für
längere Zeit im Bereich des Bundes oder eines Landes
auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an
der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder
einem Landtag mitwirken wollen. Voraussetzung ist fer-
ner, daß diese Vereinigungen nach dem Gesamtbild der
tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang
und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer
Mitglieder und nach ihrem Auftreten in der Öffentlich-
keit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ih-
rer Zielsetzung bieten, auf die politische Willensbildung
Einfluß zu nehmen.
Diese Merkmale erfüllt die WEISSE LIGA – Keine der
Obigen – WEISSE LIGA nicht. Der Bundeswahlaus-
schuß ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß sich
die vom Einspruchsführer vertretene Vereinigung im
Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Parteieigenschaft
auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend
als Partei dargestellt hat. Trotz schriftlicher Aufforde-
rung sind Unterlagen zur Organisationsstruktur und zur
bisherigen Aktivität in der Öffentlichkeit nicht vorgelegt
worden. Es ist auch kein Vertreter der Vereinigung zur
ersten Sitzung des Bundeswahlausschusses erschienen.
Die WEISSE LIGA – Keine der Obigen – WEISSE
LIGA hat somit die ihr vom Bundeswahlleiter bekannt-
gegebenen Anforderungen nicht erfüllt, die von Gesetzes
wegen an die Zulassung einer Vereinigung zu Bundes-
tagswahlen gestellt sind.
Die Darlegungslast der WEISSE LIGA – Keine der Obi-
gen – WEISSE LIGA gegenüber dem Bundeswahlaus-
schuß war auch nicht deshalb minderen Anforderungen
unterworfen, weil diese Vereinigung nach ihrer Satzung
eine Partei für die nationalen Minderheiten der Dänen,
Friesen und Sorben sein will. Auch für Parteien natio-
naler Minderheiten gelten die üblichen Zulässigkeitsvor-
aussetzungen für die Beteiligung an Bundestagswahlen.
Ihr Privileg wirkt sich lediglich bei der Mandatsvertei-
lung im Anschluß an eine Wahl aus; die Mandatsvertei-
lung steht aber zum Zeitpunkt der Zulassung zur Wahl
noch nicht zur Debatte. Deshalb kann auch dahingestellt
bleiben, ob die WEISSE LIGA – Keine der Obigen –
WEISSE LIGA unter dem Begriff der Parteien nationaler
Minderheiten im Sinne von § 6 Abs. 6 Satz 2 BWG fal-
len könnte. Dafür hat der Einspruchsführer lediglich eine
Absicht in der Satzung dargetan, aber keine Anhalts-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 243 – Drucksache 14/1560

punkte für deren Verwirklichung. Der Vortrag ist inso-
fern nicht substantiiert. Im übrigen braucht auch nicht
entschieden zu werden, ob nur solche Parteien, die nach
der bisherigen geschichtlichen Entwicklung zusammen-
gehörenden oder miteinander zusammenarbeitenden
Volksgruppen ein Forum gemeinsamer politischer Wil-
lensbildung bieten, als Parteien nationaler Minderheiten
gelten können oder auch solche Vereinigungen, die ad-
ditiv die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden
nationalen Minderheiten ohne Rücksicht auf vorherge-
hende Versuche politischer Zusammenarbeit zusammen-
binden wollen, woran gezweifelt werden kann. Jeden-
falls ist die WEISSE LIGA – Keine der Obigen –
WEISSE LIGA ohne Verstoß gegen Wahlrechtsvor-
schriften von den Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag
ausgeschlossen worden; sie hat die Zulassungsvorausset-
zungen nicht erfüllt.

Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 244 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245 – Drucksache 14/1560

Anlage 90

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 102/98 –
des Herrn Dr. Armin Geyer

wohnhaft: Schlüterstraße 16, 10625 Berlin
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 26. November 1998, eingegangen

beim Bundestag am 27. November 1998, hat der
Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
Er wendet sich mit seinem Einspruch gegen die
Nichtzulassung der EUROPA PARTEI DEUTSCH-
LAND (EUPD), welche ihren Sitz in Berlin hat, zur
Bundestagswahl 1998. Die ablehnende Entscheidung
des Bundeswahlausschusses vom 17. Juli 1998 über
die Zulassung dieser Partei sei materiell und formell
nicht rechtmäßig gewesen. Nach Ansicht des Ein-
spruchsführers hätte die Partei zugelassen werden
müssen, was möglicherweise zu einer anderen Zu-
sammensetzung des Bundestages geführt hätte.
Im einzelnen nennt der Einspruchsführer folgende
formelle (a) und materielle (b) Verstöße, die seiner
Ansicht nach beim Zulassungsverfahren dieser Partei
begangen wurden:
a) Bei der Sitzung des Bundeswahlausschusses, bei

der über die Zulassung verschiedener Parteien ab-
gestimmt worden sei, seien neun Teilnehmer
stimmberechtigt gewesen, die zu Beginn der Sit-
zung bei Entscheidungen über die Zulassung ande-
rer Parteien auch alle ihre Stimme abgegeben hät-
ten. Für die Ablehnung der EUPD hätten acht
Teilnehmer gestimmt. Nein-Stimmen oder Ent-
haltungen seien nicht abgegeben worden. Somit
sei keine ordnungsgemäße Abstimmung erfolgt.
Außerdem sei der Grundsatz des rechtlichen Ge-
hörs verletzt worden. Im Protokoll über die Sit-
zung des Bundeswahlausschusses sei vermerkt
worden, daß erst nach Anhörung und unter Be-
rücksichtigung des Vorbringens der Vertreter von
Parteien, sofern diese anwesend gewesen seien,
entschieden worden sei. Die schriftliche Stellung-
nahme der EUPD vom 16. Juli 1998 sei weder bei
der Beratung beachtet noch sei sie den Mitgliedern

des Bundeswahlausschusses zur Kenntnis gegeben
worden. Bei Kenntnis des Inhalts der Stellung-
nahme hätten die Mitglieder des Bundeswahlaus-
schusses für die Zulassung dieser Partei gestimmt.

b) Laut Sitzungsprotokoll habe keine Gesamtwürdi-
gung der Kriterien für die Parteieigenschaft statt-
gefunden, sondern die Zulassung sei allein auf-
grund der geringen Mitgliederzahl der Partei ver-
sagt worden. Die Mitgliederzahl sei gemäß § 2
Abs. 1 Parteiengesetz (PartG) aber nur ein Indiz
und nicht für sich allein entscheidend für die Ge-
währleistung der Ernsthaftigkeit der Zielsetzung
einer Partei.
Diese Gewährleistung der Ernsthaftigkeit der Ziel-
setzung einer Partei sei das einzige Tatbestands-
merkmal der Parteieigenschaft. Vor der Entschei-
dung des Bundeswahlausschusses hätten bereits
200 Unterstützungsunterschriften für die EUPD
aus dem Wahlbezirk 260 Berlin Hellersdorf-
Marzahn vorgelegen. Während der Aufbauphase
einer Partei könne deren Mitgliederzahl noch nicht
groß sein.
Die Mitglieder der EUPD seien Personen mit lan-
ger Berufserfahrung, die langfristig planen wür-
den. Die kontinuierliche Arbeit der Mitglieder und
auch der Nichtmitglieder werde allmählich in der
Öffentlichkeit manifestiert. Alle 14 Tage würden
Versammlungen stattfinden, und alle Mitglieder
und Sympathiesanten würden regelmäßig durch
Rundschreiben über die Tätigkeit der Partei in-
formiert. Die Struktur der Partei werde ständig
ausgebaut, und ihr Programm stoße auf großes
Interesse.
Der Einspruchsführer, der Vorsitzender dieser
Partei ist, habe als Einzelkandidat für die Bundes-
tagswahl im Bezirk 260 mit einem dem Parteipro-
gramm der EUPD entsprechenden Programm kan-
didiert und dort 311 der Erststimmen (0,2 %) er-
halten. Im Vergleich dazu hätten von den 11 vom
Bundeswahlausschuß zugelassenen Parteien, die

Drucksache 14/1560 – 246 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

im Wahlbezirk 260 nur mit einer Landesliste an
der Bundestagswahl teilgenommen hätten, sechs
Parteien weniger Zweitstimmen als der Ein-
spruchsführer Erststimmen erhalten. Hieraus fol-
gert der Einspruchsführer, daß er als Kandidat der
EUPD wesentlich mehr Stimmen bei der Bundes-
tagswahl hätte erlangen können, schon allein des-
halb, weil mehr Helfer für den Wahlkampf und
mehr Spendengelder zur Verfügung gestanden
hätten. Dementsprechend wäre es für den Ein-
spruchsführer ohne weiteres möglich gewesen, mit
einem Direktmandat in den Bundestag einzuziehen
und somit dessen Zusammensetzung zu verändern.

Die Bundestagswahl sei deshalb ungültig und zu wie-
derholen.
Der Bundeswahlleiter hat zu dem Einspruch folgende
Stellungnahme abgegeben:
Gemäß § 5 Abs. 1 Bundeswahlordnung (BWO) seien
die Wahlausschüsse ohne Rücksicht auf die Zahl der
erschienenen Beisitzer beschlußfähig. Für die Ableh-
nung der Anerkennung einer politischen Vereinigung
als Partei sei gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 Bun-
deswahlgesetz (BWG) eine Zweidrittelmehrheit er-
forderlich. Laut Niederschrift über die 1. Sitzung des
Bundeswahlausschusses am 17. Juli 1998 hätten acht
Mitglieder für die Nichtanerkennung der EUPD ge-
stimmt. Ein Mitglied des Bundeswahlausschusses sei
vorübergehend nicht anwesend gewesen.
Die EUPD habe ihm – dem Bundeswahlleiter – am
Nachmittag des 16. Juli 1998 per Telefax eine Stel-
lungnahme mit Datum vom selben Tag zugeleitet.
Entsprechend dem Text dieser Stellungnahme, der
200 Unterstützungsunterschriften beigefügt waren,
wurde die Direktkandidatur des Einspruchsführers im
Bezirk Berlin Hellersdorf-Marzahn angemeldet. Eine
weitere Stellungnahme mit dem gleichen Datum habe
die EUPD am Morgen des 17. Juli 1998 per Telefax
übersandt. Beide Stellungnahmen seien dem Bun-
deswahlausschuß zu seiner Sitzung vorgelegt wor-
den. Eine Anhörung eines Vertreters der EUPD habe
mangels Anwesenheit nicht erfolgen können, da kein
Mitglied der Partei der Einladung des Bundeswahl-
leiters vom 1. Juli 1998 zur Teilnahme an der Sitzung
gefolgt sei. Das rechtliche Gehör sei deshalb auch
nicht verletzt worden.
Die Überprüfung der am 29. Juni 1998 erfolgten An-
zeige der EUPD zur Beteiligung an der Bundestags-
wahl habe zunächst ergeben, daß die EUPD mit ihrer
Anzeige Form und Frist des § 18 Abs. 2 BWG erfüllt
habe. Dennoch habe der Bundeswahlausschuß nach
Aktenlage einstimmig entschieden, die EUPD nach
Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse nicht
als Partei zur Wahl des 14. Deutschen Bundestages an-
zuerkennen, weil sie die Voraussetzungen der Partei-
eigenschaft nach § 2 Abs. 1 PartG nicht erfüllt habe.
Hierfür nannte der Bundeswahlleiter folgende Gründe:
Die EUPD wurde am 21. Januar 1998 gegründet und
am 6. März 1998 gemäß § 6 Abs. 3 PartG in die Par-

teiensammlung aufgenommen. Mit Stand 24. Juni
1998 bestand der Bundesvorstand der Partei aus vier
Personen und der einzige Landesverband Berlin der
Partei aus fünf Personen, wovon vier Personen
gleichzeitig den Bundesvorstand bildeten. Nach ei-
nem Schreiben der Partei vom 25. Juni 1998 hatte die
Partei zu dieser Zeit zehn Mitglieder. Weitere Anga-
ben der EUPD über Organisations- und Mitglieder-
struktur sowie über ihr Hervortreten in der Öffent-
lichkeit hätten ihm – dem Bundeswahlleiter – nicht
vorgelegen.
Aufgrund der Würdigung dieses Sachverhaltes, ins-
besondere des Umfangs und der Festigkeit ihrer Or-
ganisation, der Mitgliederzahl und ihres Hervortre-
tens in der Öffentlichkeit, habe der Bundeswahlaus-
schuß der EUPD die Anerkennung als Partei zur
Bundestagswahl 1998 versagt. Hierbei seien – wie
bereits erläutert – nicht nur die Mitgliederzahl, son-
dern alle bekannten Tatsachen berücksichtigt worden.
Auch der Umstand, daß der Vorsitzende der Partei als
Einzelbewerber an der Bundestagswahl im Wahlkreis
260 teilgenommen und 311 Erststimmen erzielt habe,
könne im nachhinein zu keiner anderen Beurteilung
der Parteieigenschaft der EUPD führen.
Im übrigen hätten von den 105 Einzelbewerbern, die
an der Bundestagswahl teilgenommen haben, 64
Kandidaten mehr als 311 Erststimmen erzielt, so daß
es sich hier nicht um ein für einen Einzelbewerber
herausragendes Ergebnis handele.
Zu der Stellungnahme, die dem Einspruchsführer be-
kanntgegeben worden ist, hat sich dieser nicht mehr
geäußert.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Beschluß des Bundeswahlausschusses, die EUROPA
PARTEI DEUTSCHLAND nicht als eine Partei im
Sinne des § 2 des Parteiengesetzes (PartG) anzuerkennen
und damit nicht zur Bundestagswahl 1998 zuzulassen,
läßt keinen Wahlfehler erkennen.
Nach § 18 Abs. 2 BWG i.V.m. § 2 Abs. 1 PartG können
Parteien, die im Deutschen Bundestag oder einem
Landtag seit der letzten Wahl nicht auf Grund eigener
Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf
Abgeordneten vertreten waren, als solche einen Wahl-
vorschlag nur einreichen, wenn sie dem Bundeswahl-
leiter ordnungsgemäß ihre Beteiligung an der Wahl
angezeigt haben und der Bundeswahlausschuß ihre Par-
teieigenschaft festgestellt hat. Bei der Feststellung der

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 247 – Drucksache 14/1560

Parteieigenschaft ist der Bundeswahlausschuß an den
Parteienbegriff des § 2 PartG gebunden. Danach sind
Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder
für längere Zeit im Bereich des Bundes oder eines Lan-
des auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen
und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bun-
destag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie
nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse,
insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organi-
sation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem
Hervortreten in der Öffentlichkeit, eine ausreichende
Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten.
Die in § 2 Abs. 1 PartG genannten Voraussetzungen
müssen insgesamt zur Gewährleistung der Ernsthaftig-
keit der Zielsetzung der Partei beitragen. Diese gesetzli-
chen Merkmale, die an die Zulassung einer Partei zu
Bundestagswahlen gestellt werden, hat die EUROPA
PARTEI DEUTSCHLAND eben gerade nicht erfüllt. Sie
verfügte zum Zeitpunkt der Entscheidung lediglich über
zehn Mitglieder und ist weder durch Teilnahme an
Wahlen oder andere nachweisbare Aktivitäten in der Öf-
fentlichkeit hervorgetreten.
Der Bundeswahlausschuß ist deshalb zu Recht davon
ausgegangen, daß sich die vom Einspruchsführer vertre-
tene Partei im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre An-
erkennung als Partei aufgrund der Würdigung aller be-
kannten Tatsachen nicht ausreichend als Partei darge-
stellt hat.
Auch die vom Einspruchsführer sogenannten formellen
Gründe stellen keinen Wahlfehler dar und können des-
halb dem Einspruch nicht zum Erfolg verhelfen. Der
Bundeswahlausschuß war in seiner ersten Sitzung am
17. Juli 1998 gemäß § 5 Abs. 1 BWO beschlußfähig.
Daß zum Zeitpunkt der Abstimmung über die Anerken-
nung der EUROPA PARTEI DEUTSCHLAND nicht
neun, sondern nur acht Mitglieder des Bundeswahlaus-
schusses anwesend waren, ändert daran nichts. Außer-
dem haben alle anwesenden acht Beisitzer des Bundes-
wahlausschusses die Anerkennung der EUROPA PAR-
TEI DEUTSCHLAND als Partei abgelehnt. Die gemäß
§ 18 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 BWG notwendige Zweidrittel-

mehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundeswahl-
ausschusses für die Ablehnung der Anerkennung als
Partei war damit erreicht.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt ebenfalls
nicht vor, weil ein Vertreter der EUROPA PARTEI
DEUTSCHLAND gemäß § 33 Abs. 2 BWO mit Schrei-
ben vom 1. Juli 1998 ordnungsgemäß zur ersten Sitzung
des Bundeswahlausschusses am 17. Juli 1998 eingeladen
worden war, jedoch nicht erschienen ist und deshalb
nicht gehört werden konnte.
Schließlich kann auch die Behauptung, der Einspruchs-
führer hätte als Kandidat der EUROPA PARTEI
DEUTSCHLAND die Zusammensetzung des Bundesta-
ges beeinflussen können, weil er möglicherweise we-
sentlich mehr Stimmen erhalten hätte als er als Einzel-
kandidat erreicht hat, den Einspruch nicht erfolgreich
begründen. Diese Behauptung ist rein fiktiv und deshalb
nicht nachprüfbar. Das Wahlprüfungsverfahren zielt dar-
auf ab festzustellen, ob im konkreten Fall ein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften vorliegt. Das ist jedoch
nicht der Fall, weil die EUROPA PARTEI DEUTSCH-
LAND mangels Erfüllung der gesetzlichen Zulassungs-
voraussetzungen von den Wahlen zum 14. Deutschen
Bundestag auszuschließen war.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 248 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 249 – Drucksache 14/1560

Anlage 91

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 15/98 –
des Herrn Jürgen Peters

wohnhaft: Wilhelm-Bode-Straße 50, 38106 Braunschweig
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 26. September und 18. November

1998 hat der Einspruchsführer die Wahl zum 14. Deut-
schen Bundestag am 27. September 1998 angefoch-
ten. Der Einspruchsführer trägt vor, es bestünden Be-
denken gegen die charakterliche wie fachliche Eig-
nung für hohe Ämter sowie wegen Benachteiligung
einer Partei im Wahlkampf. Er beantrage die Über-
prüfung der Wählbarkeit und ggf. die Wiederholung
der Bundestagswahl.
Zur Begründung dessen hat sich der Einspruchsführer
zunächst auf ein umfangreiches Schreiben an den sei-
nerzeitigen Justizminister Schmidt-Jortzig berufen, in
welchem er eine „Normenkontrolle“ des § 185 Straf-
gesetzbuch (Beleidigung) fordert. Der Einspruchsfüh-
rer meint, diese Vorschrift würde in Strafverfahren
angewendet, um „rechtsradikale Tendenzen zu schüt-
zen“. Ausgewiesene Rechtsradikale könnten sich auf
diesen „Formaltatbestand“ berufen und Personen
strafverfolgen, die „staatgefährdende Umtriebe“ an-
zeigten. Auf diese Weise würde die Abwehr rechts-
radikaler Tendenzen unter Strafe gestellt. Der Ein-
spruchsführer wendet sich sodann auch gegen die sei-
ner Meinung nach vorliegenden rechtsradikalen Ten-
denzen im deutschen Justizwesen. In seinem – des
Einspruchsführers – Falle liege ein „behördliches Be-
rufsverbot in Mißbrauch des Sozialrechts zugrunde
unter auch richterlichen Erklärungen der Gering-
schätzung der Kunstberufe.“ Entmündigungen, Be-
rufsverbote etc. seien die klassischen Vorgehenswei-
sen jeder Diktatur, insbesondere des Nazi-Regimes,
und jeder Anordnende müsse sich auf Nähe dazu
hinterfragen lassen.
Der Einspruchsführer ist sowohl vom Sekretariat als
auch von der Vorsitzenden des Wahlprüfungsaus-
schusses aufgefordert worden, konkret mitzuteilen,
hinsichtlich welcher Kandidaten der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag er Zweifel an der Wählbar-
keit hege und welche konkreten Tatsachen diese
Zweifel begründen. Er hat daraufhin geantwortet,

seine Bedenken beträfen die Immunität und Wählbar-
keit der Kandidaten. Es gehe um die Frage, ob die
Kandidaten überhaupt wählbar und für das Amt ge-
eignet seien. Hierüber beantrage er eine rechtsmittel-
fähige, gerichtsfeste, wissenschaftlich begründete
Bewertung und Stellungnahme. Es gehe dabei um
„die rechtliche wie zugleich politische Begutachtung
durch das Hohe Haus, ob es dessen politischen Willen
entspricht, die in der Anlage vorgestellten Vorge-
hensweisen zu dulden, zu billigen und solche Politi-
ker zu hohen Staatsämtern zuzulassen, die die Mei-
nung vertreten, das folgende sei unbedenklich.“ Bei
dem „folgenden“ handelt es sich um Kopien umfang-
reicher Schriftsätze des Einspruchsführers an Staats-
anwaltschaften und Gerichte, in welchen sich dieser
gegen seiner Meinung nach rechtswidrige Entschei-
dungen der Justizorgane wendet. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Der Vortrag des Einspruchsführers läßt keinerlei Wahl-
fehler erkennen. Die Wahlprüfung ist dazu bestimmt, die
ordnungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu
gewährleisten. Es setzt deshalb die Rüge von Mängeln
bei der Anwendung der für die Wahl geltenden wahl-
rechtlichen Regelungen voraus. Wahlfehler liegen vor,
wenn die rechtlichen Regelungen über die Vorbereitung
und Durchführung der Wahl nicht eingehalten werden
(vgl. BVerfGE 89, 243, 251, 254).
Der Vortrag des Einspruchsführers enthält keine solcher
Rügen. Er möchte vielmehr über den Umweg des Wahl-

Drucksache 14/1560 – 250 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

prüfungsverfahren eine Überprüfung der von ihm ange-
griffenen Entscheidungen der Justizorgane erreichen.
Dies kann nur nach Maßgabe der einschlägigen Prozeß-
ordnungen geschehen, nicht jedoch im Wahlprüfungs-
verfahren. Es ist auch nicht Aufgabe der Wahlprüfung,
eine „Normenkontrolle“ von Vorschriften des Strafge-
setzbuches durchzuführen. Die Auslegung von Strafvor-
schriften und ihre Anwendung auf den Einzelfall ist aus-
schließlich Sache der Strafverfolgungsorgane, die in die-
ser Arbeit unabhängig vom Deutschen Bundestag sind.
Insbesondere ist der Bundestag nicht befugt – weder im
Wahlprüfungsverfahren noch auf andere Weise – eine
Aufsicht oder Kontrolle über die Justizorgane auszu-
üben. Schließlich kann auch das pauschale Infragestellen
der Wählbarkeit von – nicht näher benannten – Kandi-
daten zur Bundestagswahl den Wahleinspruch nicht er-
folgreich begründen, da der Einspruchsführer hierzu kei-
nerlei konkrete Tatsachen vorgetragen hat. Für die Ver-

letzung wahlrechtlicher Vorschriften – hier der §§ 12 ff.
des Bundeswahlgesetzes – bestehen mithin keinerlei An-
haltspunkte.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251 – Drucksache 14/1560

Anlage 92

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 49/98 –
des Herrn Walter Schee

wohnhaft: Bachstraße 15, 88214 Regensburg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 16. Oktober 1998, welches am

22. Oktober 1998 beim Bundestag eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag eingelegt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch
zum einen damit, daß „im Wahlbezirk Ravensburg“
alle Stimmzettel mit Bleistift, somit also „verfälsch-
bar“, ausgefüllt worden seien. Dies entspreche kei-
nesfalls dem Gesetz.
Zum anderen führt der Einspruchsführer eine Reihe
von Verstößen bei der Bundestagswahl an, von denen
er aus der Presse erfahren hat. Zum Beweis seiner
Beanstandungen hat er der Einspruchsschrift diverse
Meldungen von Presseagenturen und einen Zeitungs-
artikel beigefügt. Danach seien 50 Briefwählern des
Wahlkreises 203 der Wahlkreis 204 zugeteilt und in
Brandenburg 6 450 gültige Zweitstimmen nicht ge-
wertet worden. In einzelnen Bezirken der Wahlkreise
Passau und Fürth seien die Stimmzettel ohne den
im Bundeswahlgesetz vorgeschriebenen Umschlag
ausgegeben worden. Passau habe den Hinweis ge-
geben, die Fürther hätten den ganzen Tag ohne Um-
schlag gewählt und dann nach Angaben des Bundes-
wahlleiters die Stimmen für ungültig erklären lassen.
Ebenso sei in den Wahlkreisen Glauchau in Sachsen
und Wittenberg in Sachsen-Anhalt auf Wahlumschläge
verzichtet worden. In Bremerhaven seien die Stimm-
zettel mit denen des Nachbarwahlkreises vertauscht
worden und in Rastatt, Baden-Württemberg, seien die
Ergebnisse von den Wahlhelfern doppelt eingetragen
worden. Schließlich seien in nicht näher bezeichneten
Wahlbezirken am 28. September 1998 gegen 4.00 Uhr
morgens die Wahlvorstände nicht mehr erreichbar ge-
wesen und Zahlen geschätzt worden.
Neben diesen der Presse entnommenen Verstößen bei
der Bundestagswahl hat es nach Überzeugung des
Einspruchsführers noch weitere Verstöße gegeben.
Der Einspruchsführer beantragt daher die Prüfung der
gesamten Bundestagswahl. Der „kleinste Zweifel von

Richtigkeit und Fairneß“ solle „zum Wohl des Deut-
schen Volkes zu einer Annullierung der Bundestags-
wahl und somit zu Neuwahlen führen“.
Zu dem Wahleinspruch liegt eine Stellungnahme des
Bundeswahlleiters vor, die dem Einspruchsführer be-
kanntgegeben worden ist. Der Bundeswahlleiter er-
klärt hinsichtlich der Vorkommnisse in Brandenburg
sowie der Doppeleintragung von Wahlergebnissen im
Wahlkreis 177 (Rastatt), diese Vorkommnisse bei der
Zusammenstellung der vorläufigen Ergebnisse der
Bundestagswahl vom 27. September 1998 seien bei
der Feststellung des endgültigen Ergebnisses der Wahl
zum 14. Deutschen Bundestag bereinigt worden.
Hauptursache für die Differenzen zwischen den vor-
läufigen Ergebnissen und den von den Kreiswahllei-
tern ermittelten endgültigen Ergebnissen seien Über-
tragungs-, Übermittlungs- und Additionsfehler in der
Wahlnacht gewesen. Diese und ähnliche Versehen
ließen sich überwiegend auf den Zeitdruck bei der
Auszählung und Zusammenstellung der Einzelergeb-
nisse der Wahlkreise zurückführen, unter dem viele
Wahlvorstände gestanden hätten. Obwohl die Wahl-
organe bei der Vorbereitung der Wahl immer wieder
darauf hingewiesen würden, daß bei der Stimmenaus-
zählung Genauigkeit vor Schnelligkeit gehe, ließen
sich in der Wahlpraxis solche Versehen nicht gänz-
lich vermeiden.
Nicht zuletzt wegen dieser Erfahrungen sehe das
Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlordnung bei
der Ermittlung des Ergebnisses einer Bundestagswahl
ein zweistufiges Verfahren vor: Die Ermittlung von
vorläufigen Wahlergebnissen in den Wahlkreisen, auf
Bundes- und Landesebene sowie – nach sorgfältiger
Prüfung – die Feststellung der amtlichen Endergeb-
nisse 10 bis 14 Tage nach der Wahl.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 252 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Obwohl einige der angesproche-
nen Vorkommnisse als Wahlfehler zu werten sind, kann
der Wahleinspruch keinen Erfolg haben, da jedenfalls
ein Einfluß auf die Sitzverteilung im Deutschen Bun-
destag auszuschließen ist.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Verwendung
von radierfähigen, nicht dokumentenechten Bleistiften
als Schreibgerät in der Wahlzelle keinen Wahlfehler be-
gründet. § 50 Abs. 2 Bundeswahlordnung (BWO) be-
stimmt lediglich, daß in der Wahlzelle ein Schreibstift
bereitliegen soll. Aus dem Umstand, daß der Begriff des
Schreibstiftes nicht näher präzisiert ist, folgt, daß jede
Art von funktionsfähigem Schreibstift zur Kennzeich-
nung des Stimmzettels verwendet werden darf. Voraus-
setzung für die Stimmabgabe ist lediglich, daß mittels
eines Schreibstiftes deutlich kenntlich gemacht wird,
welchem Wahlvorschlag die Erst- und welchem die
Zweitstimme gelten soll. Als Schreibstift gelten Bleistift,
Farbstift, Kopierstift, Tintenstift, Kugelschreiber, Faser-
stift sowie Filzstift (vgl. Drucksachen 11/1805 vom 10.
Februar 1988, Anlage 5 und 21 sowie 11/7209 vom 21.
März 1990, Anlage 2; WahlprGer. beim Hessischen
Landtag, Staatsanzeiger Hessen 1984, S. 1178, 1182 –
dort auch zur Fälschungsgefahr bei Benutzung von Blei-
stiften, die verneint wird ).
Daß nicht lediglich eine bestimmte Form des Schreibge-
rätes zulässig ist, folgt schon daraus, daß es dem Wähler
frei steht, das bereitliegende Schreibmittel zu benutzen
oder den Stimmzettel auch mit einem eigenen, mitge-
brachten Schreibgerät zu kennzeichnen. In aller Regel ist
auch die Verwendung eines eigenen Schreibwerkzeugs
nicht geeignet, das Wahlgeheimnis zu verletzen.
Des weiteren ist eine Fälschung der Stimmzettel im
Rahmen der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses im Wahlbezirk aufgrund der Zusammen-
setzung der Wahlvorstände und der Öffentlichkeit der
Auszählung unwahrscheinlich.
Weiterhin sind einige der vom Einspruchsführer gerüg-
ten Vorkommnisse im Ergebnis unbeachtlich, weil sie
sich lediglich auf die Ermittlung des vorläufigen amtli-
chen Ergebnisses der Bundestagswahl ausgewirkt haben.
Diese Fehler sind vor der Feststellung des endgültigen
amtlichen Wahlergebnisses korrigiert worden, so daß
sie keine Auswirkungen auf die Zusammensetzung des
14. Deutschen Bundestages mehr entfalten. Dies betrifft
die vom Einspruchsführer angesprochenen Unstimmig-
keiten beim Zweitstimmenergebnis und die Schätzung
von Wahlergebnissen in Brandenburg sowie die Doppel-
eintragung von Wahlergebnissen im Wahlkreis 177
(Rastatt).
In Brandenburg trat beim endgültigen amtlichen Wahl-
ergebnis eine Abweichung von +6458 gültigen Zweit-
stimmen im Vergleich zum vorläufigen Wahlergebnis
auf. Dies beruht zum einen auf Fehler in der Datenüber-
mittlung bzw. Eingabefehler bei der Datenerfassung in
zwei Wahlkreisen in Brandenburg. Darüber hinaus hat
der Bundeswahlleiter für zwei weitere Wahlkreise gegen

4.00 Uhr am Morgen des 28. September die Ergebnisse
geschätzt. Dies geschah, um in der Wahlnacht noch ein
vorläufiges Gesamtergebnis der Wahl zu erhalten, weil
in den betroffenen Wahlkreisen Wahlvorstände das Er-
gebnis in den von ihnen betreuten Wahlbezirken zwar
ermittelt, aber nur unvollständig weitergeleitet hatten. Da
diese Wahlvorstände nicht mehr erreichbar waren,
konnten die fehlenden Ergebnisse in der Wahlnacht nicht
mehr beschafft werden. Im Wahlkreis 177 (Rastatt) wur-
de die Doppeleintragung von Wahlergebnissen durch
eine Verkettung unglücklicher Umstände verursacht, die
zu einer fehlerhaften Ergebnisübermittlung in drei Ge-
meinden führte.
Da diese Fehler aber vor der Feststellung des endgülti-
gen Wahlergebnisses korrigiert wurden, entfalten sie
keine Auswirkungen mehr. Der Bundeswahlleiter hat in
seiner dem Einspruchsführer bekannten Stellungahme
ausführlich erläutert, warum Abweichungen des vorläu-
figen gegenüber dem endgültigen Ergebnis von Bundes-
tagswahlen nahezu unvermeidbar sind. Gerade weil in
der Hektik der Wahlnacht Fehler und Ungenauigkeiten
auftreten können, existiert bei der Ermittlung des Er-
gebnisses von Bundestagswahlen ein zweistufiges Ver-
fahren, und das endgültige amtliche Ergebnis der Wahl
– aufgrund dessen sich schließlich der Bundestag kon-
stituiert – wird erst nach sorgfältiger Prüfung 10 bis
14 Tage nach der Wahl festgestellt.
Andere von dem Einspruchsführer angesprochene Vor-
kommnisse entfalten demgegenüber Auswirkungen auch
auf das endgültige Wahlergebnis und sind als Wahlfehler
zu werten. Dies betrifft zunächst die Ausgabe von
Stimmzetteln eines anderen Wahlkreises in einem Wahl-
bezirk des Wahlkreises 52 (Bremerhaven-Bremen-Nord).
Betroffen hiervon waren 277 Stimmzettel. In ähnlicher
Weise wurden 50 Briefwählern des Wahlkreises 203
(München-Mitte) Stimmzettel eines anderen Wahlkreises
zugesandt. In Bremen hat der zuständige Kreiswahlaus-
schuß die mit diesen Stimmzetteln abgegebenen Stim-
men – sowohl hinsichtlich der Erst- als auch der Zweit-
stimme – als ungültige Stimmen gezählt. Demgegenüber
haben in München die Briefwahlvorstände in diesen
Fällen nur die Erststimme als ungültig und die Zweit-
stimme als gültig behandelt; die gegenteilige Entschei-
dung des zuständigen Kreiswahlausschusses des Wahl-
kreises 203 erscheint daher bedenklich.
Die Ausgabe von Stimmzetteln, die für einen anderen
Wahlkreis vorgesehen sind, ist fehlerhaft. Sie widerspricht
den Vorschriften in § 30 Bundeswahlgesetz (BWG) und
§ 45 BWO, da auf solchen Stimmzetteln zumindest die
Kreiswahlvorschläge „falsch“ aufgeführt sind. Die Wäh-
ler können mit solchen Stimmzetteln nicht die in ihrem
Wahlkreis aufgestellten Direktkandidaten wählen. Nach
der ausdrücklichen Regelung in § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
und Satz 2 BWG sind die auf solchen Stimmzetteln ab-
gegebenen Stimmen sowohl hinsichtlich der Erst- als auch
hinsichtlich der Zweitstimme als ungültig zu werten.
Weitere Wahlfehler sind darin zu sehen, daß sowohl in
Wahlbezirken der Wahlkreise 215 (Passau), 229 (Fürth),
288 (Wittenberg–Gräfenhainichen–Jessen–Roßlau–Zerbst)
und 322 (Glauchau–Rochlitz–Hohenstein–Ernstthal-Haini-
chen) die Wahlvorstände teilweise keine Wahlumschläge

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253 – Drucksache 14/1560

ausgegeben haben. § 34 BWG ordnet ausdrücklich an,
daß – abgesehen von Fällen der Stimmabgabe mit Wahl-
geräten – „mit amtlichen Stimmzetteln und in amtlichen
Umschlägen“ gewählt wird. Diese Regelung dient der
Gewährleistung des Wahlgeheimnisses i. S. d. Artikels
38 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG). Dem Wahlprü-
fungsausschuß ist zwar bewußt, daß Umschläge zur
Wahrung des Wahlgeheimnisses nicht zwingend erfor-
derlich sind, so daß sich einige Länder bei Landtags- und
Kommunalwahlen für ein anderes Verfahren entschieden
haben. Es ist dem Ausschuß auch bekannt, daß die vor-
geschriebene Benutzung der amtlichen Umschläge auf-
grund der Größe der Stimmzettel zu Problemen geführt
hat. Dennoch ist dem Gesetzesbefehl in § 34 BWG Folge
zuleisten, solange er nicht geändert wird.
Betroffen von diesem Fehler waren ca. 890 Stimmzettel
in Wahlkreis 215 (Passau), 675 Stimmzettel im Wahl-
kreis 229 (Fürth), 122 Stimmzettel im Wahlkreis 288
(Wittenberg–Gräfenhainichen–Jessen–Roßlau–Zerbst) und
61 Stimmzettel im Wahlkreis 322 (Glauchau–Rochlitz–
Hohenstein–Ernstthal–Hainichen). Die Kreiswahlausschüs-
se der Wahlkreise 215 und 322 haben diese Stimmen für
gültig erklärt, während die Kreiswahlausschüsse der Wahl-
kreise 229 und 288 die betroffenen Stimmen als ungültig
bewertet haben.
§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) schreibt die Ungültigkeit von Stimmen vor,
wenn der Stimmzettel nicht in einem amtlichen Wahl-
umschlag abgegeben wird. Auch die Entscheidungen der
Kreiswahlausschüsse der Wahlkreise 215 und 322 er-
scheinen deshalb bedenklich.
Die Bewertungen der Kreiswahlausschüsse über die
Gültigkeit bzw. Ungültigkeit von Stimmen konnten je-
doch weder vom Bundeswahlleiter noch vom Wahlprü-
fungsausschuß korrigiert werden. Sowohl hinsichtlich
der Ausgabe „falscher“ Stimmzettel als auch hinsichtlich
der ohne Umschläge abgegebenen Stimmzettel liegen die
entsprechenden Entscheidungen der jeweiligen Kreis-
wahlausschüsse dem endgültigen amtlichen Wahlergeb-
nis zugrunde. Das Bundeswahlgesetz sieht insoweit eine
„korrigierende“ Einflußnahme des Bundeswahlleiters,
des Bundeswahlausschusses oder gar des Wahlprüfungs-
ausschusses nicht vor.
Aber auch diese Fehler können dem vorliegenden Wahl-
einspruch nicht zum Erfolg verhelfen, da sie keine Aus-
wirkungen auf die Zusammensetzung des 14. Deutschen
Bundestages entfalten. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuß stets angeschlossen hat, können nämlich
nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich
begründen, die auf die Mandatsverteilung von Einfluß
sind oder hätten sein können. Infolgedessen scheiden alle
Verstöße von vornherein als unerheblich aus, die die
Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berühren (seit
BVerfGE 4, 370 [372] ständige Rechtsprechung). Selbst
solche Wahlfehler, die die Ermittlung des Wahlergebnis-
ses betreffen, sind dann unerheblich, wenn sie angesichts
des Stimmenverhältnisses keinen Einfluß auf die Man-
datsverteilung haben können.
Der Bundeswahlleiter und auch der Wahlprüfungsaus-
schuß haben für die hier in Rede stehenden Wahlfehler

Vergleichsberechnungen durchgeführt, um ihre Auswir-
kungen auf die Mandatsverteilung im 14. Deutschen
Bundestag zu ermitteln. Diese Berechnungen gehen an-
gesichts der gegensätzlichen Entscheidungen in den
zuständigen Kreiswahlausschüssen über die Gültigkeit
bzw. Ungültigkeit der betroffenen Stimmen von zwei
unterschiedlichen Hypothesen aus: In der ersten Alter-
native wurde von der Ungültigkeit und im zweiten Fall
von der Gültigkeit aller betroffenen Stimmen ausgegan-
gen. Nach beiden Vergleichsberechnungen ist die Zu-
sammensetzung des 14. Deutschen Bundestages dieselbe
wie nach dem tatsächlichen amtlichen Endergebnis der
Wahl am 27. September 1998. Eine Auswirkung der ge-
nannten Fehler auf die Zusammensetzung des Deutschen
Bundestages ist damit sowohl hinsichtlich der gewählten
Direktkandidaten (Erststimmenwahl) als auch hinsicht-
lich der Sitzverteilung auf die im Bundestag vertretenen
Parteien (Zweitstimmenwahl) ausgeschlossen.
Soweit der Einspruchsführer schließlich behaupten will,
es habe möglicherweise noch weitere Fehler bei der
Bundestagswahl gegeben, hat er hierzu keinerlei kon-
krete Tatsachen vorgetragen. Seinem Vortrag kann des-
halb insoweit nicht weiter nachgegangen werden; insbe-
sondere ermöglichen solch vage Angaben nicht die „Prü-
fung der gesamten Bundestagswahl“. Denn nach § 2
Abs. 1 und 3 WPrüfG erfolgt die Wahlprüfung nur auf
Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung muß
mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung ge-
stützt wird, erkennen lassen und genügend substantiierte
Tatsachen enthalten. Die Wahlprüfung findet also weder
von Amts wegen statt (Offizialprinzip), noch erfolgt sie
stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl
(Totalitätsprinzip). Vielmehr richtet sich ihr Umfang
nach dem Einspruch, durch den der Einspruchsführer
den Anfechtungsgegenstand bestimmt. Der Prüfungsge-
genstand ist nach dem erklärten, verständig zu würdi-
genden Willen des Einspruchsführers unter Berücksich-
tigung des gesamten Einspruchsvorbringens sinngemäß
abzugrenzen. Aus der Begründungspflicht folgt, daß die
Abgrenzung auch danach vorzunehmen ist, wieweit der
Einspruchsführer den Einspruch substantiiert hat. Nur im
Rahmen des so bestimmten Anfechtungsgegenstandes
haben die Wahlprüfungsorgane dann den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, von Amts wegen zu
erforschen und alle auftauchenden rechtserheblichen
Tatsachen zu berücksichtigen (BVerfGE 40, 11 [30];
ständige Rechtsprechung).
Nach alledem ist der Einspruch gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 254 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 255 – Drucksache 14/1560

Anlage 93

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 10/98 –
des Herrn Martin-Stephan Nakel

wohnhaft: Klappacher Str. 116, 64285 Darmstadt
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 29. September 1998, eingegangen

beim Bundestag am 2. Oktober 1998, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt. Er beanstandet einen Zusatz für
einen Kandidaten auf dem Stimmzettel zur Bundes-
tagswahl im Wahlkreis 143 (Darmstadt).
Der Stimmzettel des Wahlkreises 143 (Darmstadt)
enthielt für den Direktkandidaten der SPD als Berufs-
bezeichnung den Zusatz „Vors. des DGB Kreises
Starkenburg“.
Der Einspruchsführer sieht darin eine nach § 45
Abs. 1 Nr. 1 Bundeswahlordnung (BWO) unzulässige
ergänzende Feststellung zum Wahlvorschlag für den
Direktkandidaten der SPD. Durch die Zuordnung des
Kandidaten zu einem Interessenverband würden dem
Wähler ergänzende Informationen übermittelt, die
seine Wahlentscheidung unabhängig von der Person
und Parteizugehörigkeit des Kandidaten beeinflussen
könnten. Er – der Einspruchsführer – habe diese
Rechtsauffassung rechtzeitig vor der Wahl mit
Schreiben vom 21. September 1998 dem Kreis-
wahlleiter des Wahlkreises 143 mit der Bitte um
Prüfung seiner Bedenken mitgeteilt. Dieser habe ihm
daraufhin geantwortet, daß die Bezeichnung auf dem
Stimmzettel den gesetzlichen Anforderungen ent-
spreche und darüber hinaus eine Änderung so kurz
vor dem Wahltag nicht mehr möglich gewesen wäre.
Der Einspruchsführer meint, daß die zweite Be-
gründung für einen fehlerhaften Eintrag auf dem
Stimmzettel nicht hingenommen werden könne, weil
zeitliche und organisatorische Zwänge der ordnungs-
gemäßen Durchführung der Wahl unterzuordnen
seien.
Des weiteren bittet der Einspruchsführer um Über-
prüfung der Stimmzettel anderer Wahlkreise im Hin-
blick auf die Einhaltung der Vorgaben des § 45
BWO.

Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 143 hat folgende
Stellungnahme zu dem Einspruch abgegeben:
Sowohl der Kreiswahlvorschlag als auch die Landes-
liste der SPD hätten als Berufsbezeichnung des Kan-
didaten „Vorsitzender des DGB Kreises Starkenburg“
angegeben. Diese Bezeichnung sei für den Stimm-
zettel und für die Bekanntmachung der zugelassenen
Landeslisten in Hessen vom 6. August 1998 über-
nommen worden. Sie entspreche der Funktion und
beruflichen Tätigkeit, die der Kandidat beim DGB
wahrnehme.
Nach Ansicht des Kreiswahlleiters handelt es sich bei
dieser Bezeichnung nicht um eine „ergänzende Fest-
stellung“ zum Kandidaten der SPD, sondern um die
Berufsbezeichnung wie bei allen anderen Kandidaten,
die dem Wähler deutlich mache, welche Tätigkeit der
Bewerber ausübe. Der Kreiswahlleiter untermauert
seine Ansicht mit den Ausführungen von Schreiber
im „Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bun-
destag“ (6. Auflage 1998, S. 406), wonach mit der
Berufs- oder Standesangabe dem „Selbstverständnis
des Wahlbewerbers“ soweit wie möglich entsprochen
werden soll. Dies sei seines Erachtens durch die hier
genannte Bezeichnung geschehen.
Der Einspruchsführer sieht sich durch die Stellung-
nahme des Kreiswahlleiters, die ihm zur Kenntnis ge-
geben worden ist, in seinem Einspruch insofern be-
stärkt, als es ohne Bedeutung sei, ob bereits der Kreis-
wahlvorschlag oder die Landesliste den Zusatz „Vor-
sitzender des DGB Kreises Starkenburg“ enthalten ha-
be. Dies ändere nichts an seinen im Einspruch geäu-
ßerten Bedenken. Ergänzend trägt er vor, die Bezeich-
nung „Gewerkschaftsfunktionär“ hätte dem Selbstver-
ständnis des Bewerbers hinreichend entsprochen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Drucksache 14/1560 – 256 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 34 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 BWO und des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BWO wegen der Zulassung der Berufsangabe „Vors. des
DGB Kreises Starkenburg“ für den Direktkandidaten der
SPD im Wahlkreis 143 (Darmstadt) läßt sich nicht mit
der wahlprüfungsrechtlich erforderlichen Sicherheit fest-
stellen.
§ 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 sowie § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BWO verlangen, daß ein Kreiswahlvorschlag u. a. den
„Beruf oder Stand“ des Wahlbewerbers aufführt. Da-
durch soll dem Wähler deutlich gemacht werden, welche
Tätigkeit der Bewerber ausübt oder ausgeübt hat, wobei
dem Selbstverständnis des Wahlbewerbers soweit wie
möglich entsprochen werden sollte (vgl. Schreiber,
Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag,
6. Aufl. 1998, § 26 Rn. 4d). Die pflichtgemäße Angabe
von Beruf oder Stand läßt dem Wahlbewerber nicht die
Möglichkeit, insoweit keine Erklärung abzugeben. Diese
Beschränkung seiner Handlungsfreiheit ist aus wahl-
rechtlichen Gründen hinzunehmen. Unter wahlrecht-
lichen Gesichtspunkten ist aber auch folgendes zu be-
denken: Für den Wähler ist es wichtig, sich – ggf. auch
auf Grund stichwortartiger Angaben – ein Bild über die
Eignung eines Wahlbewerbers für das Mandat zu ma-
chen. Hierzu sind nicht nur dessen bisheriger Berufsweg
von Interesse, sondern auch Hinweise auf Erfahrungen,
die für die parlamentarische Arbeit nützlich sein könn-
ten. Entscheidungserheblich kann für den Wähler auch
sein, ob der Wahlbewerber bisher keiner Berufstätigkeit
nachgegangen ist. Die Chance, dem Wähler auf knappem
Raum Informationen zur Qualifikation des Bewerbers
für ein Mandat zu vermitteln, eröffnen § 34 Abs. 1 Satz
2 Nr. 1 und § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BWO durch die
Verpflichtung zu Angaben über „Beruf oder Stand“ des
Wahlbewerbers. Dem Sinn dieser Vorschrift entspricht
es, wenn in der Praxis unter der Rubrik „Beruf oder
Stand“ nicht nur in abstrakter, sondern auch in konkreti-
sierender Form auf Tätigkeiten des Bewerbers im „öf-
fentlichen“ Bereich hingewiesen wird, angefangen von
amtlichen Berufsbezeichnungen wie z. B. „Studienrat im
Kirchendienst“ („StR i. K.“) oder „Pfarrer“ über Hinwei-
se auf Studienabschlüsse wie z. B. „ev. Theologe“ bis
hin zu Tätigkeitsbeschreibungen wie z. B. „Referentin
für Menschenrechtsfragen“ oder zu früheren Amtsbe-
zeichnungen wie z. B. „Bundesminister a. D.“ Alle An-
gaben dieser Art, die in aller Kürze zusätzliche Informa-
tionen über ein Berufsfeld hinaus wie z. B. „Beamter“,
„Handwerker“, „Hausfrau“ oder ähnliches enthalten, las-
sen zwar die Vermutung zu, daß sie nicht unbeabsichtigt
auch die Wahlchancen des Bewerbers erhöhen sollen.
Das gilt bereits bei der Mitteilung über den Rang inner-
halb einer Berufsgruppe wie z. B. bei einer Auswahl
zwischen „Gymnasiallehrer“ oder „Oberstudiendirek-
tor“. Das gilt auch für Hinweise auf Tätigkeiten oder
Leitungsfunktionen in der Wirtschaft, in Verbänden usw.
Das gilt sogar unabhängig von der Frage, ob der Wahl-
bewerber insoweit hauptberuflich oder nebenberuflich

beschäftigt ist. Für den Wähler sind solche Informatio-
nen aber nützlich.
Der Hinweis auf eine hauptamtliche oder nebenamtliche
Funktion in einer Gewerkschaft – und sei es auch nur für
einen regionalen Bereich – kann zwar möglicherweise
bestimmte Wählergruppen in ihrer freien Wahlentschei-
dung beeinflussen. Dennoch stellt er im Ergebnis keine
unzulässige Wahlwerbung dar. Gerade die nicht abstra-
hierte Berufsangabe kann dem Wähler die Wahlent-
scheidung erleichtern. Eine konkretisierte Berufsangabe,
die auf den Arbeitgeber aufmerksam macht, mag zwar
im Einzelfall nicht notwendig sein. Daraus ergibt sich
aber nicht unabweislich die Auffassung des Einspruchs-
führers, aus dem Sinn und Zweck des Bundeswahlgeset-
zes und der Bundeswahlordnung folge zwingend, die
korrekte Angabe über „Beruf oder Stand“ hätte lediglich
„Gewerkschaftsfunktionär“ lauten dürfen. Abgesehen
davon, daß auch bei einer solchen Berufsbezeichnung
die vom Einspruchsführer befürchteten Wahlbeeinflus-
sungen eingreifen könnten, läßt sich jedenfalls weder aus
der Rechtsprechung noch aus dem Schrifttum zum Bun-
deswahlrecht ein Beleg dafür entnehmen, daß die vom
Einspruchsführer vorgetragene Rechtsauffassung zwin-
gend für die Auslegung von § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und
von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BWO sei. Nach Sinn und
Zweck dieser Vorschriften spricht im Gegenteil mehr
dafür, daß dem Wähler in möglichst kurzgefaßter Form
ein zusätzlicher Hinweis auf die Eignung des Wahl-
bewerbers für ein Mandat vermittelt werden soll. Gerade
dafür sind konkretisierende Zusätze knapper Art auf die
bisherige Tätigkeit und ihre Einordnung in das gesamte
Tätigkeitsfeld geeignet. Daß dazu auch Angaben über
eine ausgeübte Verbandsfunktion in einem regional
begrenzten Zuständigkeitsbereich gehören, liegt noch
innerhalb des vom geltenden Wahlrecht gezogenen
Rahmens.
Im vorliegenden Fall kann somit nicht ausgeschlossen,
jedoch auch nicht festgestellt werden, daß sich Wähler
im Wahlkreis 143 (Darmstadt) durch die Berufs- bzw.
Standesbezeichnung „Vors. des DGB Kreises Starken-
burg“ haben beeinflussen lassen. Da der Direktkandidat
der SPD den Wahlkreis 143 mit einem Stimmenabstand
von 16 072 Stimmen zum nächsten Wahlkreisbewerber
gewonnen hat, ist aber mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit auszuschließen, daß dieser große
Vorsprung allein wegen der Berufsbezeichnung zustande
gekommen ist. Auch deshalb kann, selbst wenn die ge-
wählte Berufsangabe ohne Zweifel wahlrechtlich zu be-
anstanden wäre, der Einspruch keinen Erfolg haben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets ange-
schlossen hat, können nämlich nur solche Wahlfehler
einen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein
können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vorn-
herein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370 [372]
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 257 – Drucksache 14/1560

Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-

sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 258 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 259 – Drucksache 14/1560

Anlage 94

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 11/98 –
des Herrn Matthias Eifert

wohnhaft: Heidelberger Landstr. 90, 64297 Darmstadt
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 30. September 1998, eingegangen

beim Bundestag am 5. Oktober 1998, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt. Er beanstandet einen Zusatz für
einen Kandidaten auf dem Stimmzettel zur Bundes-
tagswahl im Wahlkreis 143 (Darmstadt).
Der Stimmzettel des Wahlkreises 143 (Darmstadt)
enthielt für den Direktkandidaten der SPD die Berufs-
bezeichnung „Vors. des DGB Kreises Starkenburg“.
Der Einspruchsführer sieht darin eine nach § 45 Abs.
1 Nr. 1 Bundeswahlordnung (BWO) unzulässige er-
gänzende Feststellung zum Wahlvorschlag für den
Direktkandidaten der SPD. Nach Ansicht des Ein-
spruchsführers sind Berufs- und Standesbezeichnun-
gen zulässig, wozu der von ihm beanstandete Zusatz
nicht gehöre. Beispielhaft führt er an, die Berufs-
bezeichnung „Geschäftsführer“ wäre als Zusatz auf
dem Stimmzettel zulässig gewesen, nicht jedoch der
Zusatz „Geschäftsführer der Siemens-Nixdorf AG“.
Dementsprechend sei auch der Zusatz „DGB Vorsit-
zender“ weder eine Berufs- noch eine Standesbe-
zeichnung. Die Wahlentscheidung werde in der
Wahlkabine durch die Zuordnung des Wahlvor-
schlags der SPD zu einem Interessenverband auf dem
Stimmzettel in unzulässiger Weise beeinflußt.
Der Einspruchsführer beantragt deshalb die Prüfung
und Einhaltung der Vorgaben des § 45 BWO.
Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 143 hat folgende
Stellungnahme zu dem Einspruch abgegeben:
Sowohl der Kreiswahlvorschlag als auch die Landes-
liste der SPD hätten als Berufsbezeichnung des Kan-
didaten „Vorsitzender des DGB Kreises Starkenburg“
angegeben. Diese Bezeichnung sei für den Stimm-
zettel und für die Bekanntmachung der zugelassenen
Landeslisten in Hessen vom 6. August 1998 über-
nommen worden. Sie entspreche der Funktion und
beruflichen Tätigkeit, die der Kandidat beim DGB
wahrnehme.

Nach Ansicht des Kreiswahlleiters handelt es sich bei
dieser Bezeichnung nicht um eine „ergänzende Fest-
stellung“ zum Kandidaten der SPD, sondern um die
Berufsbezeichnung wie bei allen anderen Kandidaten,
die dem Wähler deutlich mache, welche Tätigkeit der
Bewerber ausübe. Der Kreiswahlleiter untermauert
seine Ansicht mit den Ausführungen von Schreiber
im „Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bun-
destag“ (6. Auflage 1998, S. 406), wonach mit der
Berufs- oder Standesangabe dem „Selbstverständnis
des Wahlbewerbers“ soweit wie möglich entsprochen
werden soll. Dies sei seines Erachtens durch die hier
genannte Bezeichnung geschehen.
Die Stellungnahme des Kreiswahlleiters wurde dem
Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben. Sie geht
nach dessen Ansicht „völlig an der Sache vorbei“. Er
habe den Eindruck, daß der Kreiswahlleiter die Pro-
blematik nicht erfaßt habe.
Es mache den Stimmzettel nicht „richtiger“, daß der
von ihm beanstandete Zusatz auf dem Stimmzettel
noch in anderen Listen geführt werde. Vielmehr sei
zu prüfen, ob die Landeslisten dem Gesetz in diesem
Zusammenhang standhielten. Die korrekte Berufsbe-
zeichnung wäre in diesem Fall „Gewerkschaftsfunk-
tionär“ gewesen. Der Kreiswahlleiter sei auf seinen
im Einspruchsschreiben genannten Einwand, zu dem
er zur Verdeutlichung ein Beispiel angegeben habe,
überhaupt nicht eingegangen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.

Drucksache 14/1560 – 260 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 34 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 BWO und des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BWO wegen
der Zulassung der Berufsangabe „Vors. des DGB Krei-
ses Starkenburg“ für den Direktkandidaten der SPD im
Wahlkreis 143 (Darmstadt) läßt sich nicht mit der wahl-
prüfungsrechtlich erforderlichen Sicherheit feststellen.
§ 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 sowie § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BWO verlangen, daß ein Kreiswahlvorschlag u. a. den
„Beruf oder Stand“ des Wahlbewerbers aufführt. Da-
durch soll dem Wähler deutlich gemacht werden, welche
Tätigkeit der Bewerber ausübt oder ausgeübt hat, wobei
dem Selbstverständnis des Wahlbewerbers soweit wie
möglich entsprochen werden sollte (vgl. Schreiber,
Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag,
6. Aufl. 1998, § 26 Rn. 4d). Die pflichtgemäße Angabe
von Beruf oder Stand läßt dem Wahlbewerber nicht die
Möglichkeit, insoweit keine Erklärung abzugeben. Diese
Beschränkung seiner Handlungsfreiheit ist aus wahl-
rechtlichen Gründen hinzunehmen. Unter wahlrecht-
lichen Gesichtspunkten ist aber auch folgendes zu be-
denken: Für den Wähler ist es wichtig, sich – ggf. auch
auf Grund stichwortartiger Angaben – ein Bild über die
Eignung eines Wahlbewerbers für das Mandat zu ma-
chen. Hierzu sind nicht nur dessen bisheriger Berufsweg
von Interesse, sondern auch Hinweise auf Erfahrungen,
die für die parlamentarische Arbeit nützlich sein könn-
ten. Entscheidungserheblich kann für den Wähler auch
sein, ob der Wahlbewerber bisher keiner Berufstätigkeit
nachgegangen ist. Die Chance, dem Wähler auf knappem
Raum Informationen zur Qualifikation des Bewerbers
für ein Mandat zu vermitteln, eröffnen § 34 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 und § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BWO durch
die Verpflichtung zu Angaben über „Beruf oder Stand“
des Wahlbewerbers. Dem Sinn dieser Vorschrift ent-
spricht es, wenn in der Praxis unter der Rubrik „Beruf
oder Stand“ nicht nur in abstrakter, sondern auch in kon-
kretisierender Form auf Tätigkeiten des Bewerbers im
„öffentlichen“ Bereich hingewiesen wird, angefangen
von amtlichen Berufsbezeichnungen wie z. B. „Studien-
rat im Kirchendienst“ („StR i. K.“) oder „Pfarrer“ über
Hinweise auf Studienabschlüsse wie z. B. „ev. Theo-
loge“ bis hin zu Tätigkeitsbeschreibungen wie z. B. „Re-
ferentin für Menschenrechtsfragen“ oder zu früheren
Amtsbezeichnungen wie z. B. „Bundesminister a. D.“
Alle Angaben dieser Art, die in aller Kürze zusätzliche
Informationen über ein Berufsfeld hinaus wie z. B. „Be-
amter“, „Handwerker“, „Hausfrau“ oder ähnliches ent-
halten, lassen zwar die Vermutung zu, daß sie nicht un-
beabsichtigt auch die Wahlchancen des Bewerbers erhö-
hen sollen. Das gilt bereits bei der Mitteilung über den
Rang innerhalb einer Berufsgruppe wie z. B. bei einer
Auswahl zwischen „Gymnasiallehrer“ oder „Oberstudi-
endirektor“. Das gilt auch für Hinweise auf Tätigkeiten
oder Leitungsfunktionen in der Wirtschaft, in Verbänden
usw. Das gilt sogar unabhängig von der Frage, ob der
Wahlbewerber insoweit hauptberuflich oder nebenberuf-
lich beschäftigt ist. Für den Wähler sind solche Informa-
tionen aber nützlich.
Der Hinweis auf eine hauptamtliche oder nebenamtliche
Funktion in einer Gewerkschaft – und sei es auch nur für

einen regionalen Bereich - kann zwar möglicherweise
bestimmte Wählergruppen in ihrer freien Wahlentschei-
dung beeinflussen. Dennoch stellt er im Ergebnis keine
unzulässige Wahlwerbung dar. Gerade die nicht abstra-
hierte Berufsangabe kann dem Wähler die Wahlent-
scheidung erleichtern. Eine konkretisierte Berufsangabe,
die auf den Arbeitgeber aufmerksam macht, mag zwar
im Einzelfall nicht notwendig sein. Daraus ergibt sich
aber nicht unabweislich die Auffassung des Einspruchs-
führers, aus dem Sinn und Zweck des Bundeswahlgeset-
zes und der Bundeswahlordnung folge zwingend, die
korrekte Angabe über „Beruf oder Stand“ hätte lediglich
„Gewerkschaftsfunktionär“ lauten dürfen. Abgesehen
davon, daß auch bei einer solchen Berufsbezeichnung
die vom Einspruchsführer befürchteten Wahlbeeinflus-
sungen eingreifen könnten, läßt sich jedenfalls weder aus
der Rechtsprechung noch aus dem Schrifttum zum Bun-
deswahlrecht ein Beleg dafür entnehmen, daß die vom
Einspruchsführer vorgetragene Rechtsauffassung zwin-
gend für die Auslegung von § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und
von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BWO sei. Nach Sinn und
Zweck dieser Vorschriften spricht im Gegenteil mehr da-
für, daß dem Wähler in möglichst kurzgefaßter Form ein
zusätzlicher Hinweis auf die Eignung des Wahlbewer-
bers für ein Mandat vermittelt werden soll. Gerade dafür
sind konkretisierende Zusätze knapper Art auf die bishe-
rige Tätigkeit und ihre Einordnung in das gesamte Tätig-
keitsfeld geeignet. Daß dazu auch Angaben über eine
ausgeübte Verbandsfunktion in einem regional begrenz-
ten Zuständigkeitsbereich gehören, liegt noch innerhalb
des vom geltenden Wahlrecht gezogenen Rahmens.
Im vorliegenden Fall kann somit nicht ausgeschlossen,
jedoch auch nicht festgestellt werden, daß sich Wähler im
Wahlkreis 143 (Darmstadt) durch die Berufs- bzw. Stan-
desbezeichnung „Vors. des DGB Kreises Starkenburg“
haben beeinflussen lassen. Da der Direktkandidat der
SPD den Wahlkreis 143 mit einem Stimmenabstand von
16 072 Stimmen zum nächsten Wahlkreisbewerber ge-
wonnen hat, ist aber mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit auszuschließen, daß dieser große Vorsprung
allein wegen der Berufsbezeichnung zustande gekom-
men ist. Auch deshalb kann, selbst wenn die gewählte
Berufsangabe ohne Zweifel wahlrechtlich zu beanstan-
den wäre, der Einspruch keinen Erfolg haben. Nach stän-
diger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
der sich der Wahlprüfungsausschuß stets angeschlossen
hat, können nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahl-
einspruch erfolgreich begründen, die auf die Mandats-
verteilung von Einfluß sind oder hätten sein können. In-
folgedessen scheiden alle Verstöße von vornherein als
unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370 [372] ständige
Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die die
Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 261 – Drucksache 14/1560

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 262 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 263 – Drucksache 14/1560

Anlage 95

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 94/98 –
des Herrn Klaus-Peter Schönfelder

wohnhaft: Willibald-Alexis-Straße 17, 14772 Brandenburg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. November 1998, eingegangen

beim Bundestag am 27. November 1998, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
Er begründet seinen Einspruch mit zahlreichen, ihm
im Laufe seines Lebens widerfahrenen „Ungerechtig-
keiten“, derentwegen er sich heute noch politisch ver-
folgt fühle. Die SPD, insbesondere die Ministerin für
Arbeit und Soziales des Landes Brandenburg, Hilde-
brand, der Ministerpräsident Brandenburgs, Manfred
Stolpe, sowie die neu gewählte Bundestagsabgeord-
nete des Wahlkreises Brandenburg, Margit Spiel-
mann, hätten von diesen Geschehnissen gewußt und
nichts unternommen. Er – der Einspruchsführer –
fechte deshalb die Bundestagswahl an, weil die ge-
nannten Personen seiner Ansicht nach Wählertäu-
schung im Sinne des § 108a Strafgesetzbuch (StGB)
begangen haben. Trotz der Wahlversprechen des Mi-
nisterpräsidenten Stolpe bezüglich einer verstärkten
Förderung der Weiterbildung von Arbeitslosen und
des Erwerbs von Zusatzqualifikationen sei ihm dies
alles vom Land Brandenburg verwehrt worden.
Zur näheren Begründung legt der Einspruchsführer
dem Wahlprüfungsausschuß zahlreiche Kopien seines
umfangreichen Schriftverkehrs der letzten Jahre mit
Ministerien, Gerichten, Ämtern und sonstigen Behör-
den vor, welche die ihm widerfahrenen Geschehnisse
belegen sollen und nachfolgend zusammenfassend
dargestellt werden:
Nach den vorgelegten Unterlagen hat der Einspruchs-
führer von 1965 bis 1968 ein Fachschulstudium
an der Ingenieurschule für Baustofftechnologie in
Apolda/Thüringen als Ingenieurökonom (welches als
Diplom-Wirtschaftsingenieur [FH] anerkannt worden
sei) und von September 1974 bis Januar 1977 ein
Grundstudium zum Diplom-Ökonom an der Hoch-
schule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst im Fern-

studium absolviert. Am 3. Februar 1977 sei er auf-
grund eines Antrags vom 22. Dezember 1976 aus
politischen Gründen „zwangsexmatrikuliert“ worden.
Von Dezember 1976 bis Oktober 1978 habe er
zwangsweise als Betonbauer im VEB Bau- und
Montagekombinat Ost, Betrieb Brandenburg arbeiten
müssen. Dort seien ihm die staatlichen Auszeichnun-
gen „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ und „Akti-
vist der sozialistischen Arbeit“ verwehrt worden. Am
10. Oktober 1978 sei er schließlich aus politischen
Gründen in die Bundesrepublik Deutschland überge-
siedelt.
Mangels Anerkennung seines Studiums mit dem
DDR-Abschluß „Ingenieurökonom“ als Betriebswirt
(FH) habe er zunächst auch in der Bundesrepublik
Deutschland ein „Berufsausübungsverbot“ erhalten.
Während des Anerkennungsverfahrens habe er „Er-
gänzungsstudien“ mit dem Ziel der Anerkennung als
Diplom-Betriebswirt (FH) an der Technischen Aka-
demie Wuppertal e.V. sowie als Diplom-Ökonom an
der Fernuniversität Hagen absolviert.
Seit der sogenannten Wende im Jahr 1990 betriebe er
– der Einspruchsführer – seine berufliche Rehabilitie-
rung als Opfer des SED-Regimes, bei deren Aner-
kennung ihm ein Anspruch auf bevorzugte berufliche
Fortbildung zustehen würde. Dazu sei es auch not-
wendig, seine Leistungen während seines Fernstu-
diums an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-
Karlshorst korrekt anzuerkennen, was bis heute trotz
vieler Aktivitäten, die er unternommen habe, nicht er-
folgt sei. So habe er unter anderem mit der späteren
Bundestagsabgeordneten Christa Luft, die zeitweilig
Rektorin der Hochschule für Ökonomie gewesen sei,
Kontakt aufgenommen. Diese habe ihre Bereitschaft
erklärt, für ihn als Gutachterin in einem verwaltungs-
gerichtlichen Verfahren zur Anerkennung von drei
Einzelfächernoten positiv Stellung zu nehmen.
Die Mehrzahl der vom Einspruchsführer übersandten
Unterlagen habe Einzelheiten der Anerkennung seiner
in der DDR erworbenen Studienabschlüsse zum Ge-

Drucksache 14/1560 – 264 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

genstand. Danach sei die Verweigerung der Nachdi-
plomierung des DDR-Ingenieurökonom-Abschlusses
von 1968 als Diplom-Betriebswirt trotz der vom Ein-
spruchsführer durchgeführten Ergänzungsstudien von
allen Verwaltungsgerichten bestätigt worden.
Der Einspruchsführer hat des weiteren bei der Re-
habilitierungskommission der Humboldt-Universität
Berlin erfolglos einen Antrag auf Promotion als
Externer gestellt. Zur Zeit schreibt er an sieben Dok-
torarbeiten.
In den letzten Jahren hat der Einspruchsführer sich
mit den Anliegen seiner politischen Rehabilitierung
und der Anerkennung seiner Ausbildungsgänge unter
anderem an den Ministerpräsidenten von Branden-
burg, Manfred Stolpe, und die Ministerin für Arbeit
und Soziales des Landes Brandenburg, Regine Hilde-
brand, gewandt sowie diverse Klagen vor dem So-
zialgericht Potsdam gegen die Technische Akademie
Wuppertal e.V. und die Ministerien für Wissenschaft
und Forschung der Länder Nordrhein-Westfalen,
Thüringen und Brandenburg geführt. Am 18. Sep-
tember 1998 hat er im Freistaat Bayern einen Antrag
auf politische Asyl gestellt.
Am 14. August 1984 hat das Amtsgericht Reckling-
hausen für den Einspruchsführer die Pflegschaft, be-
zogen auf die Vertretung in allen Prozeßangelegen-
heiten gemäß § 1910 BGB, angeordnet, die nach den
Angaben des Einspruchsführers bis zum 10. April
1991 bestanden habe und von dem damaligen Mini-
sterpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes
Rau, gedeckt worden sei. Der Einspruchsführer
meint, die Anordnung der „Zwangsprozeßpfleg-
schaft“ sei mit dem Ziel erfolgt, ihn daran zu hindern,
gegen die „falschen“ Entscheidungen der Gerichte
bezüglich der Anerkennung seiner Berufsausbildung
vorzugehen. Mit dem neuen Betreuungsrecht ab dem
1. Januar 1992 sei der Pflegschaftsgrund weggefallen.
Ausweislich des dem Wahlprüfungsausschuß nur
unvollständig übersandten Urteils des Sozialgerichts
Potsdam vom 6. August 1998 wurde die Klage des
Einspruchsführers gegen den Prüfungsausschuß der
Fernuniversität Hagen abgesehen von der fehlenden
Zuständigkeit des Gerichts bereits deshalb abgewie-
sen, weil das Gericht den Einspruchsführer als partiell
geschäftsunfähig angesehen hat. Nach Ansicht des
Gerichts hat der Einspruchsführer den Bezug zur
Realität im Hinblick auf sein Berufsleben verloren.
Auf den Hinweis des Sekretariats des Wahlprüfungs-
ausschusses, daß Einsprüche nur dann erfolgreich
begründet seien, wenn ein Wahlfehler festgestellt
werde, der für die Mandatsverteilung im Bundestag
erheblich sei, hat der Einspruchsführer nochmals wie
folgt geantwortet:
Sein Fall sei bereits in der Fachhochschule Branden-
burg bei Anwesenheit des Leiters der Zentralen Er-
mittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskri-
minalität (ZERV), Herrn Kittlaus, durchgesprochen
und für kriminell befunden worden. Dies könne der
Wahlprüfungsausschuß nicht umdeuten.
Wegen des weiteren Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Laut telefonischer Auskunft der zuständigen Wahlbe-
hörde besitzt der Einspruchsführer das Wahlrecht und
war zur Bundestagswahl in das Wählerverzeichnis
eingetragen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch of-
fensichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler anhand
des ermittelten Sachverhalts nicht festgestellt werden
konnte.
Das Wahlprüfungsverfahren ist dazu bestimmt, die ord-
nungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu
gewährleisten. Es setzt deshalb die Rüge von Mängeln
bei der Anwendung der für die Wahl geltenden wahl-
rechtlichen Regelungen voraus. Wahlfehler liegen vor,
wenn im konkreten Fall die rechtlichen Regelungen über
die Vorbereitung, Durchführung oder Feststellung des
Ergebnisses der Bundestagswahl nicht eingehalten wor-
den sind (vgl. BVerfGE 89, 243, 251, 254).
Aufgabe der Wahlprüfung ist es jedoch nicht, die
Arbeitsweise von Behörden und Gerichten zu kontrol-
lieren oder gar deren Entscheidungen zu überprüfen.
Soweit der Einspruchsführer vorträgt, die von ihm
genannten Personen hätten Wählertäuschung gemäß
§ 108a StGB begangen und müßten strafrechtlich ver-
folgt werden, kann dies seinen Einspruch nicht erfolg-
reich begründen. Der Wahlprüfungsausschuß kann
nicht die Aufgaben von strafrechtlichen Ermittlungs-
behörden übernehmen. Hierfür sind allein die jeweili-
gen Ermittlungsbehörden der Justiz zuständig. Im übri-
gen hat der Einsprüchsführer nach der Wahl keinen
durchsetzbaren Anspruch auf Erfüllung politischer
Ziele, die von Parteien oder Personen vor der Wahl de-
klariert worden sind, zumal die von ihm zitierten Aus-
sagen des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg
keinen Bezug zur Bundestagswahl haben, da sie von
einem Landespolitiker stammen und sich speziell auf
die Situation von Brandenburg bezogen haben. Der
Einspruchsführer könnte jedoch auch aus bundespoli-
tischen Aussagen eines Bundesministers oder eines an-
deren politischen Funktionsträgers des Bundes keinen
durchsetzbaren Anspruch ableiten.
Die vom Einspruchsführer genannten Anfechtungsgrün-
de für die Bundestagswahl bringen seine Verdrossenheit
im Umgang mit Behörden, Ämtern und Gerichten, die
vermutlich durch seine jahrelangen erfolglosen Aktivi-
täten zur Erreichung seiner politischen Rehabilitierung
und Anerkennung seiner Studienabschlüsse entstanden
ist, verbunden mit seiner Unzufriedenheit wegen seiner
persönlichen Lebenssituation zum Ausdruck. Sie sind

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 265 – Drucksache 14/1560

nicht geeignet, einen Wahlspruch erfolgreich zu begrün-
den, weil sie keine konkreten Tatsachen enthalten, die
für die Wahlprüfung relevant sein könnten.
Der Wahlprüfungsausschuß sieht sich mangels hinrei-
chend bestimmtem Anfechtungsgegenstand an einer
näheren Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung
findet weder von Amts wegen statt noch erfolgt sie
stets in Gestalt einer Durchführung der gesamten
Wahl. Vielmehr erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3
WPrüfG die Wahlprüfung nur auf Einspruch, der zu
begründen ist. Die Begründung muß mindestens den
Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, er-
kennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen
enthalten (BVerfGE 40, 11, 30).

Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 266 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 267 – Drucksache 14/1560

Anlage 96

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache - Az: WP 97/98 –
1. des Herrn Walter Hirche

wohnhaft: Krasseltweg 2 D, 30657 Hannover
– bevollmächtigt –

2. des Herrn Peter Braun
wohnhaft: Apfelallee 18, 28355 Bremen

3. des Herrn Dr. Christian Eberl
wohnhaft: Hagenstraße 4, 37176 Nörten-Hardenberg

4. des Herrn Dr. Max Stadler
wohnhaft: Hochlandweg 7, 94036 Passau

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
vom 27. September 1998

hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Telefax vom 26. November 1998, das am selben

Tag beim Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer zu 1) die Wahl zum 14. Deutschen
Bundestag am 27. September 1998 angefochten. Die
Einspruchsführer zu 2) bis 4) haben sich diesem Ein-
spruch angeschlossen und den Einspruchsführer zu 1)
als ihren Bevollmächtigten benannt.
Die Einspruchsführer fordern Wiederholungswahlen
in einigen Wahlbezirken sowie die Nachzählung von
Stimmzetteln, da nach dem endgültigen amtlichen
Endergebnis der Bundestagswahl ein nur äußerst ge-
ringer Stimmunterschied den Ausschlag dafür gege-
ben habe, daß der PDS und nicht der F.D.P. ein wei-
terer Sitz im Bundestag zugeteilt worden sei.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zugrun-
de: Am 14. Oktober 1998 ermittelte der Bundeswahl-
ausschuß gemäß § 78 Abs. 2 der Bundeswahlordnung
(BWO) das endgültige amtliche Ergebnis der Lan-
deslistenwahl. Dabei ergaben sich Abweichungen
gegenüber dem vorläufigen amtlichen Ergebnis, die
dazu führten, daß der F.D.P. ein Listenplatz weniger
(43 statt 44 Sitze) und der PDS ein Listenplatz mehr
(36 statt 35 Sitze) zugeteilt wurde. Nach Berechnun-
gen des Bundeswahlleiters wäre dieser Sitz bei der
F.D.P. geblieben, wenn – bei unveränderter Zahl der
Zweitstimmen für die anderen Parteien – die F.D.P.
465 Zweitstimmen mehr als nach dem amtlichen
Endergebnis errungen hätte oder wenn die F.D.P. 230
gültige Zweitstimmen mehr und die PDS gültige 230
weniger errungen hätte und gleichzeitig das Ergebnis
für die anderen Parteien unverändert geblieben wäre.

Die Einspruchsführer verweisen nun auf Fehler bei
der Durchführung der Bundestagswahl und machen
geltend, angesichts dieser geringen Stimmdifferenz
könne nicht ausgeschlossen werden, daß bei einer
korrekten Durchführung der Wahl sich die Stimmen-
gewichte so verschoben hätten, daß der fragliche
Listenplatz tatsächlich an die F.D.P. gefallen wäre.
Tatsächlich sind nach den Ermittlungen des Bundes-
wahlleiters folgende Vorkommnisse bei der Bundes-
tagswahl am 27. September 1998 zu verzeichnen:
Der Wahlvorstand eines Wahlbezirks des Wahlkrei-
ses 52 Bremerhaven-Bremen-Nord gab 277 Stimm-
zettel eines anderen Wahlkreises aus. Der zuständige
Kreiswahlausschuß hat die mit diesen Stimmzetteln
abgegebenen Stimmen – sowohl hinsichtlich der
Erst- als auch der Zweitstimme – als ungültige
Stimmen gewertet.
In zwei Wahlbezirken des Wahlkreises 215 Passau
wählten ca. 889 Wähler nicht mit den gesetzlich vor-
geschriebenen Wahlumschlägen, da die dortigen
Wahlvorstände keine Wahlumschläge ausgegeben
hatten. Der Kreiswahlausschuß des Wahlkreises 215
hat die betroffenen Stimmen für gültig erklärt. Ein
vergleichbarer Vorfall ereignete sich im Wahlkreis
322 Glauchau–Rochlitz–Hohenstein–Ernstthal-Haini-
chen. Hier gaben 61 Wähler ihren Stimmzettel ohne
Umschlag ab. Auch diese Stimmen wurden vom zu-
ständigen Kreiswahlausschuß als gültig gewertet.
Weiterhin gaben in einem Wahlbezirk des Wahl-
kreises 229 Fürth 675 und in einem Wahlbezirk
des Wahlkreises 288 Wittenberg–Gräfenhainichen–
Jessen–Roßlau–Zerbst 122 Wähler ihre Stimmzettel

Drucksache 14/1560 – 268 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ohne Umschläge ab, weil die dortigen Wahlvorstände
ebenfalls keine Wahlumschläge ausgegeben hatten.
Im Gegensatz zu den oben dargestellten Fällen wer-
teten hier die zuständigen Kreiswahlausschüsse diese
Stimmen als ungültig.
Weitere Vorkommnisse und Besonderheiten bei der
Bundestagswahl, deren Auswirkungen aber korrigiert
werden konnten, sind im Protokoll der 3. Sitzung des
Bundeswahlausschusses vom 14. Oktober 1998 fest-
gehalten, auf das insoweit verwiesen wird.
Zu dem Wahleinspruch liegen Stellungnahmen des
Bundeswahlleiters vor, die dem Bevollmächtigten
der Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben wurden.
Er hat sich dazu jedoch nicht geäußert.
Der Bundeswahlleiter vertritt die Ansicht, es sei nicht
zu beanstanden, daß der Kreiswahlausschuß des
Wahlkreises 215 Passau (und entsprechend auch der
Kreiswahlausschuß des Wahlkreises 322 Glauchau)
die betroffenen Stimmen als gültig behandelt habe,
obwohl § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bundeswahlge-
setzes (BWG) die Ungültigkeit von Stimmen vorse-
he, wenn der Stimmzettel nicht in einem amtlichen
Wahlumschlag abgegeben werde. Da die Wahlvor-
stände keine Wahlumschläge ausgegeben hätten, ha-
be für die Wähler in den betroffenen Wahlbezirken
keine Möglichkeit bestanden, ihre Stimmzettel ord-
nungsgemäß in einem amtlichen Wahlumschlag ab-
zugeben. Von den Wählern habe auch nicht erwartet
werden können, auf die Verwendung von Wahlum-
schlägen durch den Wahlvorstand zu dringen, zumal
kurz zuvor bei der Landtagswahl in Bayern entspre-
chend den Landeswahlvorschriften ohne Wahlum-
schläge gewählt worden sei.
Nach dem Sinn und Zweck des § 39 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 BWG erscheine es ihm – dem Bundeswahl-
leiter – daher sachgerecht, entgegen dem Wortlaut
der Norm Stimmen auch dann als gültig zu behan-
deln, wenn der Stimmzettel ohne Wahlumschlag
abgegeben worden sei, weil der Wahlvorstand keine
Wahlumschläge ausgegeben habe und das Wahl-
ergebnis nicht gefährdet gewesen sei.
Die gegenteilige Entscheidung der Kreiswahlaus-
schüsse der Wahlkreise 229 Fürth und 288 Witten-
berg teilt der Bundeswahlleiter aus den dargelegten
Gründen nicht. Er hat dazu ausgeführt, diese Ent-
scheidungen hätten jedoch im Rahmen der Feststel-
lung des amtlichen Endergebnisses nicht berichtigt
werden können. Das Bundeswahlgesetz sehe eine
„korrigierende“ Einflußnahme der jeweiligen Lan-
deswahlausschüsse oder des Bundeswahlausschusses
auf solche Entscheidungen nicht vor. Vielmehr seien
im Gesetz die Fälle abschließend aufgeführt, in de-
nen „übergeordnete“ Wahlorgane Entscheidungen
anderer Wahlorgane nachprüfen, abändern oder er-
setzen könnten.
Auf Bitten des Wahlprüfungsausschusses hat der
Bundeswahlleiter Vergleichsberechnungen durchge-
führt, um festzustellen, ob die bezeichneten Vor-
fälle Auswirkungen auf die Mandatsverteilung im
14. Deutschen Bundestag haben. Der Bundeswahl-
leiter kommt zu dem Ergebnis, daß die geschilderten

Unstimmigkeiten weder einzeln noch kumulativ ge-
eignet sind, ein anderes Wahlergebnis herbeizufüh-
ren. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Stel-
lungnahmen wird ebenfalls auf den Akteninhalt ver-
wiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6
Abs. 1a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG)
von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Wahleinspruch kann trotz
festzustellender Fehler bei der Durchführung der Bun-
destagswahl am 27. September 1998 keinen Erfolg ha-
ben, weil ein Einfluß dieser Fehler auf die Mandatsver-
teilung im Bundestag auszuschließen ist.
Zunächst liegt ein Wahlfehler darin, daß in dem Wahlbe-
zirk des Wahlkreises 52 Bremerhaven-Bremen-Nord 277
Stimmzettel eines anderen Wahlkreises ausgegeben wur-
den. Dies widerspricht den Vorschriften in § 30 BWG
und § 45 BWO, da auf solchen Stimmzetteln zumindest
die Kreiswahlvorschläge „falsch“ aufgeführt sind. Die
Wähler können mit solchen Stimmzetteln nicht die in
ihrem Wahlkreis aufgestellten Direktkandidaten wählen.
Nicht zu beanstanden ist dagegen die anschließende Ent-
scheidung des Kreiswahlausschusses, die auf diesen
Stimmzetteln abgegebenen Stimmen sowohl hinsichtlich
der Erst- als auch hinsichtlich der Zweitstimme als un-
gültig zu werten. Dies entspricht der ausdrücklichen Re-
gelung in § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 BWG.
Weitere Wahlfehler sind darin zu sehen, daß sowohl in
Wahlbezirken der Wahlkreise 215 Passau, 229 Fürth,
288 Wittenberg und 322 Glauchau die Wahlvorstände
teilweise keine Wahlumschläge ausgegeben haben. § 34
BWG ordnet ausdrücklich an, daß – abgesehen von Fäl-
len der Stimmabgabe mit Wahlgeräten – „mit amtlichen
Stimmzetteln und in amtlichen Umschlägen“ gewählt
wird. Diese Regelung dient der Gewährleistung des
Wahlgeheimnisses i.S.d. Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
Grundgesetz (GG). Dem Wahlprüfungsausschuß ist zwar
bewußt, daß Umschläge zur Wahrung des Wahlgeheim-
nisses nicht zwingend erforderlich sind, so daß sich eini-
ge Länder bei Landtags- und Kommunalwahlen für ein
anderes Verfahren entschieden haben. Es ist dem Aus-
schuß auch bekannt, daß die vorgeschriebene Benutzung
der amtlichen Umschläge aufgrund der Größe der
Stimmzettel zu Problemen geführt hat. Dennoch ist dem
Gesetzesbefehl in § 34 BWG Folge zu leisten, solange er
nicht geändert wird. Dies gilt schon wegen des im Wahl-
recht im Interesse der Gleichheit der Wahl zu beachten-
den Grundsatzes der Formenstrenge (s. dazu Schreiber,
Wahlrecht, § 1 Rn. 21).
Welche Auswirkung die Mißachtung der gesetzlichen
Vorschriften hat, zeigt auch, daß die Kreiswahlausschüs-
se der Wahlkreise 215 bzw. 322 einerseits und die

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 269 – Drucksache 14/1560

Kreiswahlausschüsse der Wahlkreise 229 bzw. 288 ande-
rerseits bei der Bewertung vergleichbarer Vorfälle zu
entgegengesetzten Ergebnissen gekommen sind. Dies ist
mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit (Artikel 38
Abs. 1 Satz 1 GG) nicht zu vereinbaren. Dabei entspricht
die Entscheidung der Kreiswahlausschüsse 229 und 288,
die betroffenen Stimmen als ungültig anzusehen, dem
klaren Wortlaut des § 39 Abs. 1 Nr. 1 BWG. Der Wahl-
prüfungsausschuß hat deshalb Zweifel, ob der vom Bun-
deswahlleiter dargelegten Rechtsauffassung, die die Ent-
scheidung der Kreiswahlausschüsse 215 und 322 für zu-
treffend hält, gefolgt werden kann. Zwar sprechen gute
Gründe für diese Ansicht, die der Bundeswahlleiter auch
vorgetragen hat. Dennoch erscheint eine Auslegung von
Gesetzesvorschriften, die im Gegensatz zu deren Wort-
laut steht, rechtlich problematisch.
Für das Wahlprüfungsverfahren braucht diese Frage je-
doch letztlich nicht entschieden werden. Auf jeden Fall
sind nach dem oben Dargelegten die Entscheidungen der
einzelnen Wahlvorstände als Wahlfehler anzusehen. Ob
darüber hinaus auch die Entscheidungen der betroffenen
Kreiswahlausschüsse als fehlerhaft einzustufen sind – und
wenn ja, welche –, ist von nachrangiger Bedeutung. Die
Entscheidungen der Kreiswahlausschüsse über die Gül-
tigkeit bzw. Ungültigkeit der betroffenen Stimmen sind
Grundlage des amtlichen Endergebnisses der Bundes-
tagswahl geworden; dies kann auch im Wahlprüfungs-
verfahren nicht mehr korrigiert werden. Für die Wahl-
prüfung kommt es deshalb nunmehr entscheidend da-
rauf an, ob im Vergleich zu diesem amtlichen End-
ergebnis der Bundestag ohne die beschriebenen Wahl-
fehler eine andere Zusammensetzung genommen hätte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuß stets ange-
schlossen hat, können nämlich nur solche Wahlfehler ei-
nen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluß sind oder hätten sein
können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vorn-
herein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370 [372]
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann
unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnis-
ses keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung haben
können.
Im vorliegenden Fall kann ein Einfluß der in Rede
stehenden Wahlfehler auf die Mandatsverteilung im
14. Deutschen Bundestag anhand der vom Bundeswahl-
leiter und vom Wahlprüfungsausschuß vorgenommenen

Vergleichsberechnungen sowohl für das Ergebnis der
Erststimmen- als auch für das Ergebnis der Zweitstim-
menwahl sicher ausgeschlossen werden. Für diese Ver-
gleichsberechnungen mußten angesichts der gegensätz-
lichen Entscheidungen über die Gültigkeit bzw. Ungül-
tigkeit der betroffenen Stimmen zwei unterschiedliche
Hypothesen zugrunde gelegt werden: In der ersten Alter-
native wurde von der Ungültigkeit und im zweiten Fall
von der Gültigkeit aller betroffenen Stimmen ausge-
gangen. Beide Male blieb nach dem Ergebnis der
Vergleichsberechnungen die Zusammensetzung des
14. Deutschen Bundestages gegenüber dem festgestellten
amtlichen Endergebnis der Wahl unverändert.
Diese Vergleichsberechnungen stellen sich im einzelnen
wie folgt dar:

Ergebnis der Zweitstimmenwahl – 1. Alternative:
Ungültigkeit der betroffenen Stimmen

In dieser Alternative ergeben sich Abweichungen
gegenüber dem endgültigen amtlichen Wahlergebnis
in bezug auf die in den Wahlkreisen 215 Passau und
322 Glauchau–Rochlitz–Hohenstein–Ernstthal–Hainichen
ohne Umschlag abgegebenen Stimmen. Die Anzahl der
betroffenen Stimmen und deren Verteilung auf die Par-
teien konnte weitgehend nachvollzogen werden: In ei-
nem Wahlbezirk des Wahlkreises 215 wurden sämtliche
589 Stimmzettel ohne Umschlag in die Wahlurne gewor-
fen, so daß sich die für die Vergleichsberechnung
zugrunde zu legenden Werte aus den Wahlergebnispro-
tokollen ermitteln lassen. In einem zweiten Wahlbezirk
des Wahlkreises 215 wurden bei insgesamt 465 gültigen
Zweitstimmen ca. 300 Stimmzettel ohne Umschläge in
die Urne geworfen. Da der örtliche Wahlvorstand nicht
festgestellt hat, wie die Stimmabgabe auf diesen ca. 300
Stimmzetteln erfolgt ist, wurde für die Vergleichsbe-
rechnung angenommen, daß das Stimmverhalten dieser
Wähler dem Gesamtergebnis des Wahlbezirks entspro-
chen hätte. In dem betroffenen Wahlbezirk des Wahl-
kreises 322 hat der örtliche Wahlvorstand die Verteilung
von 62 Stimmen, darunter 61 ohne Umschlag abgegebe-
ne, die Anlaß zu Bedenken gaben, in der Wahlnieder-
schrift festgehalten, so daß sich auch insoweit die Aus-
wirkungen des Fehlers recht genau ermitteln lassen.
Für die Vergleichsberechnung sind nun diese Stimmen,
die von den zuständigen Kreiswahlausschüssen als gültig
bewertet worden waren, vom festgestellten amtlichen
Endergebnis abzuziehen. Daraus ergibt sich folgendes:

1. Anzahl der betroffenen Zweitstimmen
Insgesamt Ungültig Gültig SPD CDU CSU GRÜNE F.D.P. PDS Sonstige

WK 215 889 5 884 319 – 425 35 44 2 59
WK 322 62 – 62 17 25 – 2 1 11 6
Zusammen 951 5 946 336 25 425 37 45 13 65

Drucksache 14/1560 – 270 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2. Auswirkungen auf das Wahlergebnis

SPD CDU CSU GRÜNE F.D.P. PDS Insgesamt
Amtliches Endergebnis (gültige Zweitstimmen für die gemäß § 6 BWG zu berücksichtigenden Landeslisten)

Bund 20 181 269 14 004 908 3 324 480 3 301 624 3 080 955 2 515 454 46 408 690
Bayern 2 401 021 – 3 324 480 413 909 354 620 46 301 6 540 331
Sachsen 842 329 945 199 – 126 964 105 524 577 764 2 597 780

Vergleichsberechnung
Bund – 336

= 20 180 933
– 25

= 14 004 883
– 425

= 3 324 055
– 37

= 3 301 587
– 45

= 3 080 910
– 13

= 2 515 441
– 881

= 46 407 809
Bayern – 319

= 2 400 702
– – 425

= 3 324 055
– 35

= 413 874
– 44

= 354 576
– 2

=46 299
–825

= 6 539 506
Sachsen – 17

= 842 312
– 25

= 945 174
– – 2

= 126 962
– 1

= 105 523
– 11

= 577 753
– 56

= 2 597 724

3. Auswirkung auf die Sitzverteilung (Berechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer)

Verteilung der Sitze auf die Listenverbindungen
Amtliches Endergebnis
Vergleichsberechnung

Sitze
insgesamt

Zweitstimmen
nach Parteien

Zweitstimmen
insgesamt

Ganzzahliger
Anteil „Reste“

Sitze nach
dem größten

Rest
Sitze

insgesamt

SPD 20 181 269
20 180 933

285
285

0,268
0,269

0
0

285
285

CDU 14 004 908
14 004 883

197
197

0,963
0,967

1
1

198
198

CSU 3 324 480
3 324 055

46
46

0,992
0,987

1
1

47
47

GRÜNE 3 301 624
3 301 587

46
46

0,669
0,670

1
1

47
47

F.D.P. 3 080 955
3 080 910

43
43

0,550
0,550

0
0

43
43

PDS

656 x

2 515 454
2 515 441

: 46 408 690
:46 407 809

35
35

0,557
0,557

1
1

36
36

Gesamt 46 408 690
46 407 809

652
652

4
4

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 271 – Drucksache 14/1560

Verteilung der Sitze auf die Landeslisten in Bayern und Sachsen
Amtliches Endergebnis
Vergleichsberechnung

Sitze
insgesamt

Zweitstimmen
nach Parteien

Zweitstimmen
insgesamt

Ganzzahliger
Anteil „Reste“

Sitze nach
dem größten

Rest
Sitze

insgesamt

SPD
Bayern 2 401 021

2 400 702
33
33

0,907
0,903

1
1

34
34

Sachsen
285 x
285 x 842 329

842 312

: 20 181 268
: 20 180 933 11

11
0,895
0,895

1
1

12
12

CDU
Sachsen 198 x

198 x
945 199
945 174

: 14 004 908
: 14 004 883

13
13

0,363
0,363

0
0

13
13

CSU
Bayern 47 x

47 x
3 324 480
3 324 055

: 3 324 480
: 3 324 055

47
47

0
0

47
47

GRÜNE
Bayern 413 909

413 874
5
5

0,892
0,892

1
1

6
6

Sachsen
47 x
47 x 126 964

126 962

: 3 301 624
: 3 301 587 1

1
0,807
0,807

1
1

2
2

F.D.P.
Bayern 354 620

354 576
4
4

0,949
0,949

1
1

5
5

Sachsen
43 x
43 x 105 524

105 523

: 3 080 955
: 3 080 910 1

1
0,473
0,473

1
1

2
2

PDS
Bayern 46 301

46 299
0
0

0,663
0,663

1
1

1
1

Sachsen
36 x
36 x 577 764

577 753

: 2 515 454
: 2 515 441 8

8
0,269
0,269

0
0

8
8

Auch die Ergebnisse für die übrigen Landeslisten weichen in der Vergleichsberechnung gegenüber dem amtlichen
Endergebnis nicht ab.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 272 – Drucksache 14/1560

Die Sitzverteilung im 14. Deutschen Bundestag weicht
also nach dieser Vergleichsberechnung nicht vom amt-
lichen Wahlergebnis ab.

Ergebnis der Zweitstimmenwahl – 2. Alternative:
Gültigkeit der betroffenen Stimmen

In diesem Fall ergeben sich Abweichungen zum tatsäch-
lich festgestellten amtlichen Endergebnis in bezug auf die
ohne Wahlumschlag abgegebenen Stimmen in den Wahl-
kreisen 229 Fürth und 288 Wittenberg–Gräfenhainichen–
Jessen–Roßlau–Zerbst. Für die 625 Stimmzettel, die in
einem Wahlbezirk des Wahlkreises 229 ohne Umschlag
abgegeben wurden, konnte die Verteilung der Zweit-
stimmen auf die Parteien über den Landeswahlleiter ermit-
telt werden. Für einen Wahlbezirk des Wahlkreises 288

ist dagegen nicht bekannt, wie sich die 122 ohne Wahl-
umschlag abgegebenen Stimmen auf die einzelnen Par-
teien verteilt haben. Ebenfalls nicht mitgeteilt wurde das
Stimmverhalten der 277 Wähler, denen in einem Wahl-
bezirk des Wahlkreises 52 Bremerhaven-Bremen-Nord
Stimmzettel eines anderen Wahlkreises ausgehändigt
wurden. Um alle Zweifel auszuschließen, wurde deshalb
in diesen beiden Fällen der Vergleichsberechnung die –
unwahrscheinliche – Annahme zugrunde gelegt, daß alle
betroffenen (Zweit-)Stimmen gültig und für die F.D.P.
abgegeben worden wären.
Für die Vergleichsberechnung mußten in dieser Alterna-
tive die betroffenen Stimmen dem zum amtlichen Wahl-
ergebnis hinzuaddiert werden. Im einzelnen ergibt sich
folgendes:

1. Anzahl der betroffenen Zweitstimmen
Insgesamt Ungültig Gültig SPD CDU CSU GRÜNE F.D.P. PDS Sonstige

WK 229 675 34 641 277 – 285 16 29 5 29
WK 288 122 – 122 – – – – 122 – –
WK 52 277 – 277 – – – – 277 – –
Zusammen 1 074 34 1 040 277 – 285 16 428 5 29

2. Auswirkungen auf das Wahlergebnis
SPD CDU CSU GRÜNE F.D.P. PDS Insgesamt

Amtliches Endergebnis (gültige Zweitstimmen für die gemäß § 6 BWG zu berücksichtigenden Landeslisten)
Bund 20 181 269 14 004 908 3 324 480 3 301 624 3 080 955 2 515 454 46 408 690
Bayern 2 401 021 – 3 324 480 413 909 354 620 46 301 6 540 331
Bremen 201 539 102 115 – 45 303 23 809 9 815 382 581
Sachsen-
Anhalt

620 771 444 311 – 54 538 66 428 337 393 1 523 441

Vergleichsberechnung
Bund + 277

= 20 181 546


= 14 004 908
+ 285

= 3 324 765
+ 16

= 3 301 640
+ 428

= 3 081 383
+ 5

= 2 515 459
+ 1 011

= 46 409 701
Bayern + 277

= 2 401 298



+ 285
= 3 324 765

+ 16
= 413 925

+ 29
= 354 649

+ 5
= 46 306

+ 612
= 6 540 943

Bremen –
= 201 539


= 102 115





= 45 303

+ 277
= 24 086


= 9 815

+ 277
= 382 858

Sachsen-
Anhalt


= 620 771


= 444 311





= 54 538

+ 122
66 550


337 393

+ 122
1 523 563

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 273 – Drucksache 14/1560

3. Auswirkung auf die Sitzverteilung (Berechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer)

Verteilung der Sitze auf die Listenverbindungen
Amtliches Endergebnis
Vergleichsberechnung

Sitze
insgesamt

Zweitstimmen
nach Parteien

Zweitstimmen
insgesamt

Ganzzahliger
Anteil „Reste“

Sitze nach
dem größten

Rest
Sitze

insgesamt

SPD 20 181 269
20 181 546

285
285

0,268
0,266

0
0

285
285

CDU 14 004 908
14 004 908

197
197

0,963
0,959

1
1

198
198

CSU 3 324 480
3 324 765

46
46

0,992
0,995

1
1

47
47

GRÜNE 3 301 624
3 301 640

46
46

0,669
0,669

1
1

47
47

F.D.P. 3 080 955
3 081 383

43
43

0,550
0,555

0
0

43
43

PDS

656 x

2 515 454
2 515 459

: 46 408 690
: 46 409 701

35
35

0,557
0,556

1
1

36
36

Gesamt 46 408 690
46 409 701

652
652

4
4

656
656

Verteilung der Sitze auf die Landeslisten in Bayern und Bremen und Sachsen-Anhalt
Amtliches Endergebnis
Vergleichsberechnung

Sitze
insgesamt

Zweitstimmen
nach Parteien

Zweitstimmen
insgesamt

Ganzzahliger
Anteil „Reste“

Sitze nach
dem größten

Rest
Sitze

ingesamt

SPD
Bayern 2 401 021

2 401 298
33
33

0,907
0,911

1
1

34
34

Bremen 201 539
201 539

2
2

0,846
0,846

1
1

3
3

Sachsen-
Anhalt

285 x
285 x

620 771
620 771

: 20 181 269
: 20 181 545

8
8

0,767
0,766

1
1

9
9

CDU
unverändert

CSU
Bayern 47 x

47 x
3 324 480
3 324 765

: 3 324 480
: 3 324 765

47
47

0
0

47
47

GRÜNE
Bayern 47 x

47 x
413 909
413 925

: 3 301 624
: 3 301 640

5
5

0,892
0,892

1
1

6
6

Drucksache 14/1560 – 274 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Sitze
insgesamt

Zweitstimme
nach Parteien

Zweitstimmen
insgesamt

Ganzzahliger
Anteil „Reste“

Sitze nach
dem größten

Rest
Sitze

ingesamt

Bremen 45 303
45 303

0
0

0,645
0,645

1
1

1
1

Sachsen-
Anhalt

47 x
47 x 54 538

54 538

: 3 301 624
3 301 640 0

0
0,776
0,776

1
1

1
1

F.D.P.
Bayern 354 620

354 649
4
4

0,949
0,949

1
1

5
5

Bremen 23 809
24 086

0
0

0,332
0,336

0
0

0
0

Sachsen-
Anhalt

43 x
43 x

66 428
66 550

: 3 080 955
: 3 081 383

0
0

0,927
0,929

1
1

1
1

PDS
Bayern 46 301

46 306
0
0

0,663
0,663

1
1

1
1

Bremen 9 815
9 815

0
0

0,140
0,140

0
0

0
0

Sachsen-
Anhalt

36 x
36 x

337 393
337 393

: 2 515 454
: 2 515 459

4
4

0,829
0,829

1
1

5
5

Auch die Ergebnisse für die übrigen Landeslisten weichen in der Vergleichsberechnung gegenüber dem amtlichen
Endergebnis nicht ab.

Ein Einfluß auf die Sitzverteilung im 14. Deutschen Bun-
destag ist also auch für diese Alternative auszuschließen.

Ergebnis der Erststimmenwahl – beide Alternativen
Die in Rede stehenden Wahlfehler haben schließlich
auch keine Auswirkungen auf die nach dem amtlichen

Endergebnis festgestellten Wahlkreissieger in den Wahl-
kreisen 52, 215, 229, 288 und 322. Der Abstand der Erst-
stimmen des jeweiligen Wahlkreissiegers gegenüber dem
Erstunterlegenen in den betroffenen Wahlkreisen ist je-
weils so groß, daß die Bewertung der betroffenen Stimm-
zettel als gültig bzw. ungültig keinen Einfluß auf die Fest-
stellung der jeweiligen Wahlkreissieger haben kann:

Abstand der Erststimmen des Wahlkreissiegers gegenüber dem Erstunterlegenen
Wahlkreis Wahlkreissieger Erstunterlegener Abstand der Erststimmen Betroffene Stimmzettel

52
(Bremerhaven-
Bremen-Nord)

SPD
77 444

CDU
38 871

38 573 277

215
(Passau)

CSU
69 101

SPD
40 782

28 319 889

229
(Fürth)

CSU
87 338

SPD
78 509

8 829 675

288
(Wittenberg)

SPD
50 352

CDU
45 946

4 406 122

322
(Glauchau)

SPD
53 315

CDU
52 051

1 264 61

Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 275 – Drucksache 14/1560

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein

Drucksache 14/1560 – 276 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 277 – Drucksache 14/1560

Anlage 97

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 2/98 –
des Herrn Manfred Wehrhahn

wohnhaft: Eisenmarkt 4, 50667 Köln
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 28. September 1998, welches per

Telefax am selben Tag beim Bundestag eingegangen
ist, hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs führt er aus, die
dem deutschen Volk zur Bundestagswahl „gewährten
Orientierungen zur mündigen, sachlichen, fachlichen
und persönlichen Parteibestimmung“ seien wissent-
lich unter fadenscheinigen, falschen, unsachlichen
und teilweise betrügerischen Absichten propagiert
worden. Die Regierungsparteien hätten nach jeder
Wahlperiode eine für jeden Wahlberechtigten per-
sönlich zugängliche Bilanz fertigen müssen, in der
jede politische Entscheidung zu begründen gewesen
wäre. Daran hätten sich die Oppositionsparteien
orientieren und dementsprechend ihre Änderungs-
absichten und Vorstellungen erläutern können.
Die Volksvertreter würden ähnlich wie ein Rechts-
anwalt für seinen Mandanten mit einer Vollmacht des
Volkes handeln. Wenn ein Anwalt seine Vollmacht
mißbrauchen würde oder die Vollmacht unter fal-
schen Vorgaben erschlichen hätte, wie dies die ge-
wählten Parteien getan hätten, würde ihm sofort nach
Bekanntwerden seines Zuwiderhandelns die Voll-
macht entzogen werden.
Der Einspruchsführer verlangt deshalb, daß die SPD
das ihr vom Volk durch die Bundestagswahl ge-
schenkte Vertrauen nicht enttäusche und ihre Ver-
pflichtung gegenüber dem Wähler einhalte. Die neue
Bundesregierung solle ihm eine Lebenssituation ge-
währen, die durch die Verfassung und die Wahlpro-
gramme der SPD und der Partei BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, die er mit der Erst- bzw. Zweitstimme
gewählt habe, zugesichert worden sei. Ansonsten sei
das Ergebnis der Wahl unter falschen und faden-
scheinigen Vorgaben zustande gekommen.
Bei Erfüllung seiner Forderungen werde er – der Ein-
spruchsführer – seinen Einspruch gegebenenfalls

zurücknehmen. Er wolle wieder eine berufliche Per-
spektive und finanzielle Lebensverhältnisse, die ihn
nicht über Tage im Monat hungern lassen.
Das Sekretariat des Wahlprüfungsausschusses hat den
Einspruchsführer gebeten, die Tatsachen zu benen-
nen, durch die er die Wahlrechtsvorschriften verletzt
sieht, weil anhand der Einspruchsschrift nicht zu
ersehen war, welchen Wahlfehler er konkret bean-
standet.
Der Einspruchsführer hat daraufhin mit weiteren
Schreiben an den Wahlprüfungsausschuß seinen Ein-
spruch ergänzt, indem er ähnliche Gründe wie in sei-
nem ersten Schreiben nannte. Seiner Ansicht nach
„schmieren die Parteien den Wählern Honig ums
Maul“ und versuchen, sie zu manipulieren. Es man-
gele an Objektivität und klaren Informationen zur tat-
sächlichen Beurteilung einer Partei und deren Ab-
sichten. Die Politik unterliege häufig Sachzwängen,
z. B. den Lobbyisten. Es werde in der Politik viel ver-
sprochen, aber wenig davon eingehalten. Keine Partei
dürfe sich, wie die „Kohlregierung“ das lange Jahre
getan habe, aus ökonomischen oder sonstigen Grün-
den einer Lobby unterwerfen und anderen Bürgern
die Rechte verwehren.
Der Einspruchsführer wies in einem als Petition
bezeichneten Schreiben darauf hin, daß er mit dem
von ihm bezogenen Arbeitslosengeld unterhalb des
Sozialhilfesatzes liege und immer neue Unterlagen
und Belege beibringen müsse, um mehr Geld zu
bekommen. Auf Nachfrage des Sekretariats des
Wahlprüfungsausschusses erklärte er, daß er ebenfalls
eine Petition mit dem Ziel des Erhalts von Sozialhilfe
an den Bundestag habe richten wollen. Diesbezüglich
ist der Vorgang an den Petitionsausschuß abgegeben
worden.
Wegen des weiteren Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Akteninhalt verwiesen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der

Drucksache 14/1560 – 278 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet, weil ein Wahlfehler anhand des
ermittelten Sachverhalts nicht festgestellt werden konnte.
Das Wahlprüfungsverfahren ist dazu bestimmt, die ord-
nungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu
gewährleisten. Es setzt deshalb die Rüge von Mängeln
bei der Anwendung der für die Wahl geltenden wahl-
rechtlichen Regelungen voraus. Wahlfehler liegen vor,
wenn im konkreten Fall die rechtlichen Regelungen über
die Vorbereitung, Durchführung oder Feststellung des
Ergebnisses der Bundestagswahl nicht eingehalten
worden sind (vgl. BVerfGE 89, 243, 251, 254).
Aufgabe der Wahlprüfung ist es jedoch nicht, die Tätig-
keit der Parteien, insbesondere hinsichtlich der Erfüllung
ihrer Aussagen im Wahlkampf, nach der Wahl zu kon-
trollieren.
Die Parteien haben die ihnen von der Verfassung über-
tragene Aufgabe, an der politischen Willensbildung des
Volkes mitzuwirken. Diese Aufgabe hat das Bundesver-
fassungsgericht wie folgt formuliert: „Zwar haben sie
[die Parteien] kein Monopol, die Willensbildung des
Volkes zu beeinflussen. Neben ihnen wirken auch die
einzelnen Bürger sowie Verbände, Gruppen und Ver-
einigungen auf den Prozeß der Meinungs- und Willens-
bildung ein. Artikel 21 Grundgesetz (GG) rechtfertigt
allerdings die herausgehobene Stellung der Parteien im
Wahlrecht. Die Parteien sind indes nicht bloße Wahlvor-
bereitungsorganisationen, und nicht nur in dieser Funk-
tion sind sie für die demokratische Ordnung unerläßlich.
Sie sind vornehmlich berufen, die Bürger freiwillig zu
politischen Handlungseinheiten mit dem Ziel der Betei-
ligung an der Willensbildung in den Staatsorganen orga-
nisatorisch zusammenzuschließen und ihnen so einen
wirksamen Einfluß auf das staatliche Geschehen zu
ermöglichen. Den Parteien obliegt es, politische Ziele zu

formulieren und diese den Bürgern zu vermitteln sowie
daran mitzuwirken, daß die Gesellschaft wie auch den
einzelnen Bürger betreffende Probleme erkannt, benannt
und angemessenen Lösungen zugeführt werden.“
(BVerfGE 85, 264, 284). Dem mündigen Bürger obliegt
es schließlich selbst zu entscheiden, inwieweit er den
Aussagen und politischen Zielen der Parteien vertraut
und deshalb bestimmte Parteien wählt bzw. nicht wählt.
Er hat jedoch nach der Wahl keinen durchsetzbaren
Anspruch auf Erfüllung dieser politischen Ziele.
Die vom Einspruchsführer genannten Anfechtungsgrün-
de für die Bundestagswahl bringen seine Politikverdros-
senheit verbunden mit seiner Unzufriedenheit wegen
seiner persönlichen Lebenssituation zum Ausdruck. Sie
sind nicht geeignet, einen Wahleinspruch erfolgreich zu
begründen, weil sie keine konkreten Tatsachen enthalten,
die für die Wahlprüfung relevant sein könnten.
Der Wahlprüfungsausschuß sieht sich mangels hinrei-
chend bestimmtem Anfechtungsgegenstand an einer
näheren Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung findet
weder von Amts wegen statt noch erfolgt sie stets in Ge-
stalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr er-
folgt nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung nur
auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung muß
mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung ge-
stützt wird, erkennen lassen und genügend substantiierte
Tatsachen enthalten (BVerfGE 40, 11, 30).
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 279 – Drucksache 14/1560

Anlage 98

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 22/98 –
des Herrn Uwe Sauter

wohnhaft: Karlsruher Str. 9, 76703 Kraichtal
c/o Elke Kachel, Augartenstr. 81, 76137 Karlsruhe

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag
vom 27. September 1998

hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 29. September 1998 hat der Ein-

spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag eingelegt.
Der Einspruchsführer beantragt, die Wahl wegen des
Ausschlusses „koalitionsfreier“ Wähler von der Wahl
bzw. deren Irreführung hin zu bestehenden Wahlvor-
schlägen, zu denen kein Vertrauen bestehe, für nich-
tig zu erklären und Neuwahlen anzusetzen.
Er begründet seinen Einspruch im wesentlichen da-
mit, daß er als „koalitionsfreier“ Wähler von der
Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden sei.
Eine nach dem Bundeswahlgesetz (BWG) durch-
geführte Wahl sei keine „freie“ Wahl im Sinne des
Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG).
Das Bundeswahlgesetz breche das Grundrecht auf
Koalitionsfreiheit (Artikel 9 GG). Wählbar sei nach
§ 34 Abs. 2 BWG ausschließlich nur ein auf dem
Stimmzettel aufgeführter Bewerber (Erststimme) und
nur eine auf dem Stimmzettel aufgeführte Landesliste
(Zweitstimme). Der Wähler spreche mit seiner
Stimmabgabe einem Vorschlag seinen „Koalitions-
beitritt“ aus, er trete also einer Gesellschaft bei.
Weder sei es möglich, den Stimmzettel nach eigenen
Überzeugungen zu ergänzen, noch könne der Beitritt
zu einer Gesellschaft unter amtlicher Anerkennung
der Stimmabgabe verweigert werden. Koalitionsfreie
Wähler würden zu einer der nachfolgenden Handlun-
gen genötigt:
1. Zur Wahrung seiner Koalitionsfreiheit könne der

Wähler der Wahl fernbleiben. Das unzutreffende
Stichwort laute „Wahlverweigerer“.

2. Ebenso könne durch Abgabe eines ungültigen
Stimmzettels die Zustimmung verweigert wer-
den. Durch Aberkennung der Befähigung, einen
Stimmzettel ausfüllen zu können, werde der ko-
alitionsfreie Wähler in seiner Würde verletzt.

3. Der Wähler könne einem Vorschlag seine Stimme
geben, dem er am wenigsten Mißtrauen entgegen-
bringe. Hierdurch würden Mehrheiten gebildet, die
nicht im Interesse des Souveräns seien.

Der Wille zur politischen Veränderung werde durch
keine dieser Handlungen ersichtlich. Er persönlich
habe sich dafür entschieden, der Wahl fernzubleiben,
da er es nicht verantworten könne, einem Wahlvor-
schlag seine Stimme, nicht aber sein Vertrauen zu
geben.
Nach Auffassung des Einspruchsführers führt das
Wahlsystem zu nachhaltigen, verfassungsrechtlich
besorgniserregenden Auswirkungen. Hierzu führt er
einige Beispiele auf:
Entgegen den Bestimmungen des Artikels 20 Abs. 2
Satz 1 GG gehe die Staatsgewalt nicht vom Volke
aus, sondern werde von einigen autonomen Gruppen
ausgeübt. In der Bundesrepublik Deutschland seien
nur ca. 3 % der Bevölkerung politisch organisiert. Es
bestehe Ämterpatronage. Entgegen den Bestimmun-
gen des Artikels 3 Abs. 3 GG würden gehobene
staatliche Ämter nicht nach persönlichen Fähigkeiten,
sondern nach politischer Zugehörigkeit besetzt. Der
Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung sei höher
als der Anteil der politisch Organisierten. Wegen der
fehlenden Lobby bleibe eine Parteibildung bei den
Arbeitslosen aus. Dies spreche dafür, daß zu wenig in
die politische Bildung investiert würde. Eine unzurei-
chende Kenntnis über das Wahlrecht -– insbesondere
Wahlvorschlagsrecht – manifestiere die Trennung der
Staatsgewalt vom Volk. Da zahlreiche Wähler ihre
Stimme einer Gruppe gegeben hätten, zu der sie aber
kein Vertrauen gehabt hätten, sei davon auszugehen,
daß die ausgezählten Verhältnisse nicht dem festzu-
stellenden Spektrum des politischen Willens entsprä-
chen.
Ferner zitiert der Einspruchsführer Artikel 21 Abs. 1
Satz 1 GG. Parteien im Sinne des Grundgesetzes

Drucksache 14/1560 – 280 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

seien reelle und imaginäre Gesellschaften. Reelle
Parteien hätten einen Namen, unter dem sie klagen
und verklagt werden könnten. Imaginäre Parteien
seien Gruppen von ausreichender Personenzahl mit
ausreichend gleichem politischem Interesse, die sich
aufgrund von Potentialbarrieren nicht in einer Partei
kristallisiert hätten; aber nur die reellen Parteien er-
hielten staatliche Förderung, obwohl reelle und ima-
ginäre Parteien nach der demokratischen Grundord-
nung einander gleichständen. Es sei stetige Aufgabe
des Staates, neue politische Willensbildungen zu kon-
stituieren. Durch das „Parteienfinanzierungsgesetz“
sowie durch Zuschüsse an parteinahe Stiftungen wer-
de die Konservierung „konzerngleicher“ Institutionen
gepflegt.
Nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG seien die Abge-
ordneten des Deutschen Bundestages Vertreter des
ganzen Volkes und in ihren Entscheidungen nur
ihrem Gewissen unterworfen. Da von den koalitions-
freien Wählern keine oder nur eine falsch bewertete
Vertrauensfrage eingeholt werde, könne ein Bundes-
tagsabgeordneter kein Vertreter des ganzen Volkes
sein. Er sei in seiner Entscheidung auch nicht seinem
Gewissen unterworfen, da dieses mangels Vertrauens-
frage nicht gefordert sei. Seine Entscheidungen seien
folglich nicht „frei nach“, sondern „frei von“ seinem
Gewissen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen des
Einspruchsführers wird auf den Akteninhalt verwie-
sen.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers läßt keinerlei Wahlfehler erkennen.
Das Wahlprüfungsverfahren ist dazu bestimmt, die ord-
nungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu
gewährleisten. Es setzt deshalb die Rüge von Mängeln
bei der Anwendung der für die Wahl geltenden wahl-
rechtlichen Regelungen voraus. Wahlfehler liegen vor,
wenn die rechtlichen Regelungen über die Vorbereitung
und Durchführung der Wahl nicht eingehalten werden
(vgl. BVerfGE 89, 243, 251, 254).
Einen solchen Fehler hat der Einspruchsführer jedoch
nicht vorgetragen. Er beanstandet vielmehr allgemein
das geltende Wahlsystem. Ein solcher Vortrag vermag
einen Wahleinspruch nicht erfolgreich zu begründen.
Der Wahlprüfungsausschuß kann deshalb nur folgende
Hinweise geben:
Aufgabe der Bundestagswahlen ist es, die Zusammen-
setzung des jeweils nächsten Bundestages zu bestimmen.

Dies ist nur möglich, wenn die Wähler positiv entschei-
den, welche der aufgestellten Kandidaten in den Bun-
destag einziehen sollen. Dieses Ziel kann mit den Vor-
schlägen des Einspruchsführers nicht erreicht werden.
Eine Stimmabgabe von Wählern, die mit keinem der
vorgeschlagenen Kandidaten einverstanden sind und
deshalb über ihren Stimmzettel lediglich Kritik äußern,
würde sich in keiner Weise konstruktiv auswirken. Als
bloße Unmutsäußerung könnte dies nicht zur Bildung
stabiler und handlungsfähiger politischer Mehrheiten
beitragen.
Ebensowenig wäre es sinnvoll, wenn die Wähler den
Stimmzettel nach ihren eigenen Überzeugungen ergän-
zen könnten. Jedem wahlberechtigten Bundesbürger
steht es grundsätzlich frei, sich auch selbst als Kandida-
ten aufstellen zu lassen. Die Regelungen des Bundes-
wahlgesetzes knüpfen die Zulassung von Wahlbewer-
bern allerdings an gewisse Voraussetzungen, die sicher-
stellen sollen, daß die Vorgeschlagenen auch eine Ge-
währ für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten.
Diese Ziele würden durch den Vorschlag des Ein-
spruchsführers unterlaufen. Könnte jeder Wähler nach
Gutdünken seinen Stimmzettel um eigene Kandidaten
ergänzen und diese sodann wählen, wäre eine Stimmen-
zersplitterung zu befürchten, die ebenfalls das Zustande-
kommen stabiler und handlungsfähiger politischer
Mehrheiten verhinderte.
Unzutreffend ist auch die vom Einspruchsführer vorge-
nommene Unterscheidung zwischen „reellen“ und „ima-
ginären“ Parteien. Die Rechtsordnung der Bundesrepu-
blik Deutschland kennt nur einen Parteibegriff, und
dieser ist in Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 GG und § 2 des
Parteiengesetzes definiert. Danach sind Parteien Ver-
einigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere
Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf
die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der
Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder
einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem
Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere
nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der
Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der
Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernst-
haftigkeit dieser Zielsetzung bieten.
Nur auf diese Weise können die Parteien die ihnen von
der Verfassung übertragene Aufgabe, die Mitwirkung an
der politischen Willensbildung des Volkes, erfüllen. Die-
se Aufgabe hat das Bundesverfassungsgericht wie folgt
formuliert: „Zwar haben sie [die Parteien] kein Monopol,
die Willensbildung des Volkes zu beeinflussen. Neben
ihnen wirken auch die einzelnen Bürger sowie Verbände,
Gruppen und Vereinigungen auf den Prozeß der Mei-
nungs- und Willensbildung ein. Art. 21 GG rechtfertigt
allerdings die herausgehobene Stellung der Parteien im
Wahlrecht. Die Parteien sind indes nicht bloße Wahlvor-
bereitungsorganisationen, und nicht nur in dieser Funkti-
on sind sie für die demokratische Ordnung unerläßlich.
Sie sind vornehmlich berufen, die Bürger freiwillig zu
politischen Handlungseinheiten mit dem Ziel der Betei-
ligung an der Willensbildung in den Staatsorganen orga-
nisatorisch zusammenzuschließen und ihnen so einen
wirksamen Einfluß auf das staatliche Geschehen zu er-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 281 – Drucksache 14/1560

möglichen. Den Parteien obliegt es, politische Ziele zu
formulieren und diese den Bürgern zu vermitteln sowie
daran mitzuwirken, daß die Gesellschaft wie auch den
einzelnen Bürger betreffende Probleme erkannt, benannt
und angemessenen Lösungen zugeführt werden.“
(BVerfGE 85, 264, 284).
Gegen diese herausgehobene Stellung der Parteien kann
der Einspruchsführer auch nicht einwenden, nur ein ge-
ringer Bruchteil der Bürger sei politisch organisiert, und
es mangele überdies an ausreichender Kenntnis über das
Wahlrecht und das Wahlvorschlagsrecht. Denn hier ist
der mündige Bürger selbst berufen, sich zu informieren
und für Abhilfe zu sorgen. Die Gründung der Parteien ist
frei (Artikel 21 Abs. 1 Satz 2 GG). Bürgern, die mit den
bereits bestehenden Parteien nicht einverstanden sind,
steht es deshalb frei, sich jederzeit selbst zu einer neuen
Partei zusammenzufinden. Wenn dies aufgrund von
„Potentialbarrieren“ scheitert, kann dies nicht dem Staat
angelastet werden. Denn es ist keinesfalls Aufgabe des
Staates – so wie aber der Einspruchsführer meint – „neue
Willensbildungen zu konstituieren“. Dies muß der mün-
dige Bürger in einem demokratisch verfaßten Staats-
wesen selbst tun. Dabei kann ihm der Staat auch nicht
die – unter Umständen mühevolle – Aufgabe abnehmen,
nach Gleichgesinnten zu suchen und sodann die Organi-
sationsstrukturen der so gebildeten Gruppe in einer Weise

zu verfestigen, daß sie den Anforderungen des gesetzli-
chen Parteienbegriffs entspricht. Denn nur wenn sie nach
Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl
ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der
Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernst-
haftigkeit ihrer Zielsetzung bietet und überdies einen
gewissen Erfolg bei Europa-, Bundestags- und Land-
tagswahlen erzielt, ist es auch gerechtfertigt, ihr staat-
liche Mittel in Form der Parteienfinanzierung zukommen
zu lassen. Andernfalls würden diese Mittel in uneffi-
zienter Weise auf zahlreiche Splittergruppen verstreut.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 282 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 283 – Drucksache 14/1560

Anlage 99

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 42/98 –
des Herrn Axel Weirich

wohnhaft: Dumnissusstr. 6, 55481 Kirchberg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom

27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 1. Oktober 1998 hat der Ein-

spruchsführer beim Landeswahlleiter Rheinland-Pfalz
Einspruch gegen die Durchführung und das Ergebnis
der Bundestagswahl in der Verbandsgemeinde Kirch-
berg eingelegt. Er hat seinen Einspruch mit Schreiben
vom 13. Oktober 1998 ergänzt.
Der Einspruchsführer wendet sich gegen das Wahl-
ergebnis im Wahlkreis 149 Cochem und gegen die
Wahl der F.D.P.-Abgeordneten Marita Sehn in den
14. Deutschen Bundestag.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Stadtbürgermeister der Stadt Kirchberg veröf-
fentlichte am 24. September 1998 im amtlichen Mit-
teilungsblatt „Mitteilungen der Verbandsgemeinde
Kirchberg Hunsrück“ Nr. 39/98 folgenden Text:
„Am kommenden Sonntag, 27. 09. 1998 wird ge-
wählt: Bundestag und Landrat. Zu Beginn meiner
Amtszeit haben wir am 16. 11. 1994 eine Feierstunde
im katholischen Pfarrsaal durchgeführt. Anlaß war
ein kleines Dankeschön für Frau Sehn, die in den Jah-
ren 1990 bis 1994 Mitglied des Deutschen Bundesta-
ges war. Mit der abgebildeten Anzeige wurde damals
im Mitteilungsblatt vom 10. 11. 1994 zu dieser Feier-
stunde eingeladen. Wir wissen, daß Frau Sehn auf ih-
rer Landesliste günstig plaziert ist. An dieser Stelle
dürfen wir keine ‚Schleichwerbung‘ für Parteien ma-
chen. Dennoch wäre es ‚ein starkes Stück‘, wenn
wieder eine Mitbürgerin aus Kirchberg Mitglied des
höchsten deutschen Parlaments würde. Dies wäre
wieder eine Feierstunde wert. Lassen wir die Wähler
entscheiden.“
Die erwähnte Anzeige aus dem Jahr 1994 ist in dem
Mitteilungsblatt Nr. 39/98 ebenfalls abgedruckt.
Im Wahlkreis 149 erreichte die SPD 36,0, die CDU
45,7, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5,0, die F.D.P.
8,5 und die PDS 0,8 % der gültigen Zweitstimmen.
Mit der Mehrheit der Erststimmen wurde der Kandi-

dat der CDU in den Bundestag gewählt. Die Abge-
ordnete Marita Sehn errang ihr Mandat über Platz 3
der Landesliste von Rheinland-Pfalz.
Der Einspruchsführer sieht in der beschriebenen
Mitteilung eine unrechtmäßige Wahlwerbung für die
F.D.P. und für ihre Kandidatin im Wahlkreis 149. Der
Stadtbürgermeister hat nach Meinung des Einspruchs-
führers sein Amt mißbraucht. Der Bürgermeister sei
auch Wahlleiter bzw. Wahlvorsteher in einem der
beiden Wahlbezirke der Stadt Kirchberg und hätte
deshalb ganz besonders zu politischer Neutralität ver-
pflichtet gewesen sein müssen. Das Wahlergebnis für
die F.D.P. im Bereich der Verbandsgemeinde Kirch-
berg – dem Verbreitungsgebiet des amtlichen Mittei-
lungsblattes - habe sowohl weit über dem landeswei-
ten Ergebnis für die F.D.P. wie auch weit über dem
Ergebnis im Rhein-Hunsrück-Kreis gelegen. Hieraus
könne geschlossen werden, daß die unrechtmäßige
Wahlwerbung des Bürgermeisters durchaus einen Ef-
fekt auf das Wahlverhalten der Wählerinnen und
Wähler im Verbreitungsgebiet des amtlichen Mittei-
lungsblattes gehabt habe.
Zu dem Einspruch hat der zuständige Kreiswahlleiter
des Wahlkreises 149 Cochem eine Stellungnahme
abgegeben. Er führt aus, nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts verletze eine auf Wahl-
beeinflussung gerichtete, parteiergreifende Einwir-
kung von Staatsorganen zugunsten oder zu Lasten
einzelner an einem Wahlkampf beteiligter politischer
Parteien oder Bewerbern den Grundsatz der freien
Wahl. Dieser erfordere nicht nur, daß der Akt der
Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem
Druck bleibe, sondern ebenso, daß die Wähler ihr
Urteil in einem freien, offenen Prozeß der Meinungs-
bildung gewinnen und fällen können. Daraus ergebe
sich eine strikte Neutralitätspflicht der Gemeinden
und ihrer Organe. Hieraus folge jedoch nicht, daß die
jeweiligen Amtsinhaber sich jeglicher Meinungsäuße-
rung im Zusammenhang mit der Wahl enthalten
müßten. Dies wäre mit ihrem grundgesetzlich ge-
schützten Recht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 5

Drucksache 14/1560 – 284 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Die
Grenzen für die unzulässige Betätigung eines Bür-
germeisters seien jedoch dann überschritten, wenn er
das ihm aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit zufallen-
de Gewicht und die ihm kraft seines Amtes gegebe-
nen Einflußmöglichkeiten in einer Weise nutze, die
mit seiner der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe
unvereinbar sei.
Der Stadtbürgermeister habe den vom Einspruchs-
führer beanstandeten Artikel als Mitteilung des Stadt-
bürgermeisters der Stadt Kirchberg im nichtamtlichen
Teil des amtlichen Mitteilungsblattes veröffentlichen
lassen. Dem unbefangenen Leser habe sich dieser
Artikel in dem Mitteilungsblatt als amtlicher Wahl-
aufruf eines Gemeindeorgans zugunsten der Kandi-
datin der F.D.P. darstellen müssen. Der Artikel sei
gerade in dem Teil erschienen, in dem die Gemein-
den, vertreten durch die Orts- bzw. Stadtbürgermei-
ster, Nachrichten in eigener Verantwortung an die
Einwohner der jeweiligen Gemeinde weitergeben
würden. Hierbei spiele es auch keine Rolle, ob es sich
um den amtlichen oder, wie in diesem Falle, um den
nichtamtlichen Teil gehandelt habe.
Aufgrund einer Dienstaufsichtsbeschwerde des Ein-
spruchsführers bei der Kreisverwaltung des Rhein-
Hunsrück-Kreises gegen den Stadtbürgermeister der
Stadt Kirchberg habe die dortige Kommunalauf-
sichtsbehörde die Veröffentlichung des Artikels we-
gen der Verletzung der Grundsätze der Neutralität des
Bürgermeisters unmittelbar vor der Bundestagswahl
formell beanstandet.
Nicht jeder Rechtsverstoß führe jedoch zur Ungül-
tigkeitserklärung einer Wahl. Das Zweitstimmen-
ergebnis der F.D.P. in der Verbandsgemeinde Kirch-
berg bei der Bundestagswahl 1998 habe 9,74 %
(= 1.205 Stimmen) betragen, das in der benachbarten
Verbandsgemeinde Simmern 9,71 %. Die Kandidatin
der F.D.P. wohne seit Jahren in Kirchberg und sei
von 1990 bis 1994 bereits Mitglied des Bundestages
gewesen. Sie habe deshalb dort einen „Heimvorteil“,
der sich bei Bundestagswahlen auch bei den Zweit-
stimmen regelmäßig auswirke. Das Zweitstimmener-
gebnis der Verbandsgemeinde Kirchberg könne daher
nicht mit dem Ergebnis des Rhein-Hunsrück-Kreises
(8,1 %) oder dem des Landes Rheinland-Pfalz
(7,1 %) verglichen werden. Hervorzuheben sei, daß
das Zweitstimmenergebnis der F.D.P. in der benach-
barten Verbandsgemeinde Simmern auch ohne unzu-
lässige Wahlwerbung genauso hoch ausgefallen sei
wie das in der Verbandsgemeinde Kirchberg, wo
noch der Heimvorteil beachtet werden müsse. In an-
deren zum Wahlkreis 149 Cochem gehörenden Ver-
bandsgemeinden hätten die Zweitstimmenergebnisse
der F.D.P. sogar noch weit über dem Ergebnis in der
Verbandsgemeinde Kirchberg gelegen. Es lägen
keine Anhaltspunkte vor, daß sich ohne diesen Fehler
eine andere über das maßgebliche Wahlergebnis ent-
scheidende Mehrheit ergeben hätte.
Die Stellungnahme des Kreiswahlleiters wurde dem
Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben. Er hat darauf
erwidert, daß er den Bundeswahlleiter bereits am

24. September 1998 – und damit vor dem Wahlter-
min – von dem Vorfall informiert habe. Eine Verhin-
derung des Verstoßes gegen diese verfassungsmäßi-
gen Rechte wäre nur möglich gewesen, wenn die
Bundestagswahl am 27. September 1998 im Verbrei-
tungsgebiet des Mitteilungsblattes mit dem beanstan-
deten Artikel, zumindest aber in der Stadt Kirchberg,
abgesagt worden wäre. Da dies nicht geschehen sei,
müsse das Wahlergebnis im Wahlkreis 149 Cochem
als nicht verfassungsmäßig zustande gekommen an-
gesehen werden. Der Verstoß gegen die beiden Ver-
fassungsgrundsätze der freien und gleichen Wahl
könne seines Erachtens nicht im nachhinein behoben
werden.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Einspruch hat trotz eines fest-
zustellenden Wahlfehlers keinen Erfolg, denn der Fehler
entfaltet keine Auswirkungen auf die Mandatsverteilung
im 14. Deutschen Bundestag.
Die in Rede stehende Veröffentlichung des Stadtbürger-
meisters von Kirchberg verletzt die ihm obliegende
Neutralitätspflicht im Vorfeld von Wahlen. Den Staats-
organen ist es von Verfassungs wegen untersagt, sich in
amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen zu Volks-
vertretungen mit bestimmten Wahlvorschlagsträgern,
insbesondere politischen Parteien und deren Wahlbewer-
bern, zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher
Mittel zu unterstützen oder sie zu bekämpfen, um so
die Entscheidung der Wahlberechtigten zu beeinflussen.
Das Demokratieprinzip des Artikels 20 Abs. 1 GG, der
Grundsatz der Wahlfreiheit (Artikel 38 Abs. 1 GG) und
insbesondere das Recht der politischen Parteien und son-
stiger Wahlvorschlagsträger auf Wettbewerbs- und
Chancengleichheit bei Wahlen werden verletzt, wenn
öffentliche Organe als solche unter Verletzung ihrer
Neutralitätspflicht unter Einsatz öffentlicher Mittel und
Möglichkeiten parteiergreifend zugunsten oder zu Lasten
einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in
den Wahlkampf einwirken (Schreiber, Wahlrecht, § 1
Rn. 23w, s. dazu eingehend BVerfGE 44, 125, 140).
Diese Grundsätze sind hier verletzt, wie bereits der
Kreiswahlleiter des Wahlkreises 149 in seiner Stellung-
nahme zutreffend dargelegt hat. Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird insoweit auf dessen Ausführungen
verwiesen.
Der vorliegende Wahleinspruch bleibt dennoch ohne Er-
folg, denn der festgestellte Fehler hat keinen Einfluß auf
die Mandatsverteilung im Bundestag. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich
der Wahlprüfungsausschuß stets angeschlossen hat, kön-
nen nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 285 – Drucksache 14/1560

erfolgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung
von Einfluß sind oder hätten sein können. Infolgedessen
scheiden alle Verstöße von vornherein als unerheblich
aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berüh-
ren (seit BVerfGE 4, 370 [372] ständige Rechtspre-
chung). Selbst solche Wahlfehler, die die Ermittlung des
Wahlergebnisses betreffen, sind dann unerheblich, wenn
sie angesichts des Stimmenverhältnisses keinen Einfluß
auf die Mandatsverteilung haben können. Ein Wahl-
einspruch kann daher nur dann Erfolg haben, wenn er
auf Wahlfehler gestützt wird, die auf die Sitzverteilung
von Einfluß sind oder sein können. Dabei darf es sich
nicht nur um eine theoretische Möglichkeit handeln, sie
muß eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung kon-
krete und nicht ganz fernliegende sein (BVerfGE 89,
243, 254).
Im vorliegenden Fall kann mit hinreichender Sicherheit
davon ausgegangen werden, daß die Zusammensetzung

des 14. Deutschen Bundestages auch ohne den in Rede
stehenden Wahlfehler dieselbe wäre. Der Wahlprüfungs-
ausschuß hat dazu eine Vergleichsberechnung durchge-
führt, die von der – extremen und unwahrscheinlichen –
Annahme ausgeht, daß alle in der Gemeinde Kirchberg
bei der Bundestagswahl für die F.D.P. abgegebenen
Stimmen (1 205) von dem in Rede stehenden Wahlfehler
beeinflußt waren und ohne ihn für andere Parteien abge-
geben worden wären. Für die Vergleichsberechnung
wurden diese Stimmen dann auf die anderen Parteien
entsprechend ihrem Ergebnis im Wahlkreis 149 verteilt.
Diese Berechnung führte für das Zweitstimmenergebnis
zu keinen Abweichungen gegenüber dem amtlichen
Endergebnis der Bundestagswahl, auf dessen Grundlage
die Sitzverteilung im 14. Deutschen Bundestag vorge-
nommen wurde. Amtliches Ergebnis und Vergleichsbe-
rechnung führen dabei zu denselben Ergebnissen. Für
den Gesamtproporz der Parteien berechnet sich dies wie
folgt:

Wahlergebnis im Wahlkreis 149
Amtliches Endergebnis
Vergleichsberechnung

SPD CDU GRÜNE F.D.P. PDS Sonstige
43 293 54 974 6 015 10 184 1 010 4 842
+474 +601 +65 –1 205 +12 +53

Verteilung der Sitze auf die Listenverbindungen
Amtliches Endergebnis
Vergleichsberechnung

Sitze
insgesamt

Zweitstimmen
nach Parteien

Zweitstimmen
insgesamt

Ganzzahliger
Anteil „Reste“

Sitze nach dem
größten Rest

Sitze
insgesamt

SPD 20 181 269
20 181 743

285
285

0,268
0,275

0
0

285
285

CDU 14 004 908
14 005 509

197
197

0,963
0,972

1
1

198
198

CSU 3 324 480
3 324 480

46
46

0,992
0,993

1
1

47
47

GRÜNE 3 301 624
3 301 689

46
46

0,669
0,670

1
1

47
47

F.D.P. 3 080 955
3 079 750

43
43

0,550
0,533

0
0

43
43

PDS

656 x

2 515 454
2 515 466

: 46.408.690
:46 408 637

35
35

0,557
0,557

1
1

36
36

Gesamt 46 408 690
46 408 637

652
652

4
4

Drucksache 14/1560 – 286 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Auch bei der Unterverteilung der Sitze auf die Landes-
listen der einzelnen Parteien ergeben sich in der Ver-
gleichsberechnung keine Abweichungen zum amtlichen
Endergebnis der Wahl. Auswirkungen des Wahlfehlers
auf das Ergebnis der Erststimmenwahl sind ebenfalls
ausgeschlossen, da nicht die Abgeordnete Marita Sehn,
sondern der Kandidat der CDU die Mehrheit der im
Wahlkreis 149 abgegebenen Erststimmen auf sich ver-
einigen und somit als direkt gewählter Wahlkreisabge-
ordneter in den Bundestag einziehen konnte.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 287 – Drucksache 14/1560

Anlage 100

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 69/98 –
des Herrn Corvin Fischer

wohnhaft: Neuhof 1/Breitenburger Weg 3, 25524 Itzehoe
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1998 hat der Ein-

spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag eingelegt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch
damit, die gemäß Artikel 38 Abs. 1 des Grundgeset-
zes (GG) in allgemeiner, unmittelbarer, freier, glei-
cher und geheimer Wahl zu wählenden Abgeordneten
seien in dieser Wahl nicht von Wählern, sondern tat-
sächlich von den Parteien gewählt worden. Dies er-
gebe sich schon aus der Tatsache, daß kein Wahlbe-
rechtigter darüber informiert worden sei, daß er sich
der Stimme enthalten könne und daß es eine Nein-
Stimme nicht gebe. Bei der Zusammensetzung des
Deutschen Bundestages habe der Wähler hinsichtlich
der Direktmandate nur zwischen den aussichtsreichen
Kandidaten wählen oder nicht zur Wahl gehen kön-
nen. Die Ablehnung der von den Parteien aufgestell-
ten Wahlkandidaten sei nicht möglich gewesen. Der
Wähler habe durch seine Wahl keine Alternative zu
den von den Parteien aufgestellten Kandidaten.
Als Wahlberechtigter im Wahlkreis Steinburg/Dith-
marschen-Süd lege er daher Widerspruch gegen die
Wahl der direkt gewählten Abgeordneten Cornelie
Sonntag-Wolgast ein.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet. Der Vortrag des Einspruchsfüh-
rers läßt keinerlei Wahlfehler erkennen.

Die Voraussetzungen, unter denen Kandidaten für die
Bundestagswahlen aufgestellt werden können, sind in
den §§ 18 ff. des Bundeswahlgesetzes (BWG) geregelt.
Der Einspruchsführer hat keinerlei konkrete Hinweise
für die Verletzung dieser Vorschriften vorgetragen. So-
weit er die geltenden Regelungen an sich und damit de-
ren Verfassungsmäßigkeit in Frage stellen will, kann
dies seinen Wahleinspruch ebenfalls nicht erfolgreich
begründen. Denn der Bundestag und der Wahlprüfungs-
ausschuß sehen sich nicht berufen, im Wahlprüfungsver-
fahren die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvor-
schriften festzustellen. Sie haben diese Kontrolle stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Der Wahlprüfungsausschuß kann deshalb nur folgende
Hinweise geben:
Es ist zutreffend, daß zum überwiegenden Teil die Par-
teien über die Aufstellung der Kandidaten für den Deut-
schen Bundestag entscheiden. Dies entspricht ihrem ver-
fassungsrechtlichen Auftrag in Artikel 21 Abs. 1 GG.
Danach wirken die Parteien bei der politischen Willens-
bildung des Volkes mit. § 2 Abs. 1 des Parteiengesetzes
präzisiert dies dahin gehend, daß eine Vereinigung von
Bürgern nur dann als Partei anzusehen ist, wenn sie den
Willen besitzt, an der Vertretung des Volkes im Deut-
schen Bundestag oder einem Landtag mitzuwirken. Das
Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, daß diese Be-
griffsbestimmung dem Parteibegriff des Artikels 21
Abs. 1 GG entspricht und dazu ausgeführt, daß zur ver-
fassungsmäßigen Aufgabe der Parteien vor allem die
Tätigkeit gehört, mit deren Hilfe sich das Volk politisch
organisiert und die insbesondere in Wahlen und Ab-
stimmungen ihren Niederschlag findet. Dieser Willens-
bildungsprozeß setze in der heutigen parlamentarischen
Demokratie die Existenz von politischen Parteien vor-
aus, weil allein sie in der Lage seien, die Aktivbürger zu
politischen Handlungseinheiten mit dem Ziel der Betei-
ligung an Wahlen organisatorisch zusammenzuschließen.
Sie seien durch Artikel 21 Abs. 1 GG in den Rang einer
verfassungsrechtlichen Institution erhoben worden. Das
Bundesverfassungsgericht habe ihre Teilnahme an den

Drucksache 14/1560 – 288 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wahlen immer wieder als das Kernstück ihrer Tätigkeit
bezeichnet (BVerfGE 21, 260, 264).
Ist aber die Teilnahme der Parteien an den Wahlen ein
Kernstück ihrer Tätigkeit, so können sie auch auf die
Aufstellung eigener Kandidaten nicht verzichten. Dem
tragen die Vorschriften in den §§ 18 ff. BWG Rechnung.
Dennoch ist es nicht so, daß nur die Parteien über die
Aufstellung der Wahlbewerber für den Bundestag
bestimmen könnten. Vorschläge für die direkt in den
Wahlkreisen zu wählenden Abgeordneten können näm-
lich nach Maßgabe des § 20 BWG auch von Wahlbe-
rechtigten eingereicht werden. Voraussetzung ist ledig-
lich, daß solche Vorschläge für parteilose Bewerber von
mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises per-
sönlich und handschriftlich unterzeichnet werden. Dar-
über hinaus steht es Wählern, die mit den bestehenden
Parteien nicht einverstanden sind, jederzeit frei, sich zu
einer neuen Partei zusammenzufinden und damit auch
für die Aufstellung eigener Bewerber für Bundestags-
und andere Wahlen zu sorgen.
Keinen Sinn machte es dagegen, auf den Stimmzetteln
auch Möglichkeiten für eine Stimmenthaltung oder für
eine Nein-Stimme vorzusehen. Aufgabe der Bundes-
tagswahlen ist es, die Zusammensetzung des jeweils

nächsten Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der
aufgestellten Kandidaten dann auch tatsächlich in den
Bundestag einziehen sollen. Stimmenthaltungen oder
Nein-Stimmen könnten eine solche Entscheidung jedoch
nicht herbeiführen und würden sich daher nicht kon-
struktiv auswirken. Bloße Unmutsäußerungen können
Bürger in einer demokratischen und pluralistischen
Gesellschaft auch auf andere Weise abgeben.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 289 – Drucksache 14/1560

Anlage 101

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 92/98 –
des Herrn Rolf Hannss

wohnhaft: Volksdorfer Weg 160, 22393 Hamburg
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. November 1998, eingegangen

beim Bundestag am 25. November 1998, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998
Einspruch eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs gibt er an, er sei
– bei der Erbringung von 200 gültigen Unterstüt-

zungsunterschriften durch unnötige Zeitverzöge-
rung,

– durch einen amtlichen Vordruck, der für ihn als
Einzelbewerber nicht zutreffend gewesen sei,

– bei der Werbung für Unterstützungsunterschriften
in der Kantine des Ortsamtes Alstertal sowie in
Haftanstalten und

– durch gesetzliche Vorschriften, die gegen Gesetze
verstoßen würden,

daran gehindert worden, als Einzelkandidat für die
Bundestagswahl zu kandidieren.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde,
der sich aus den Angaben des Einspruchsführers ein-
schließlich der von ihm übersandten Kopien seines
Schriftverkehrs sowie den damit übereinstimmenden
Angaben des Kreiswahlleiters ergibt:
Am 4. März 1998 sandte der Einspruchsführer seine
Beteiligungsanzeige für die Bundestagswahl an den
zuständigen Kreiswahlleiter, erhielt jedoch erst nach
telefonischer Nachfrage und nochmaliger Übersen-
dung der Beteiligungsanzeige eine Antwort. Mit Da-
tum vom 22. April 1998 übersandte der Kreiswahl-
leiter ihm 2000 amtliche Formblätter für Unterstüt-
zungsunterschriften und die Rechtsgrundlagen für die
Bundestagswahl. Da die Formblätter nicht den im
Schreiben vom 4. März 1998 geforderten Angaben
des Einspruchsführers entsprachen, erbat dieser am
28. April 1998 die Übersendung von 2000 neuen, be-
richtigten Formblättern, die folgende Kurzbezeich-

nung enthalten sollten: „SPD abwählen = keine Stim-
me für die SPD!“ Gleichzeitig wies der Einspruchs-
führer auf zahlreiche inhaltliche Fehler hin, die der
amtliche Vordruck seiner Ansicht nach enthalte.
Am 30. April 1998 erhielt er schließlich 2000 kor-
rigierte Formblätter mit der geforderten Kurzbe-
zeichnung sowie ein Adressen- und Straßenverzeich-
nis.
Am 2. Mai 1998 beantragte der Einspruchsführer
beim Kreiswahlleiter die Zurverfügungstellung eines
Kraftfahrzeuges zur Verteilung seiner Druckschriften
sowie 5 000 DM Wahlkampfkostenvorschuß. Der
Kreiswahlleiter hat die Bereitstellung eines PKW für
den Einspruchsführer abgelehnt. Bezüglich der
Wahlkampfkostenerstattung wurde der Einspruchs-
führer auf § 49b Bundeswahlgesetz (BWG) hinge-
wiesen, wonach diese innerhalb von zwei Monaten
nach dem Zusammentritt des Bundestages beantragt
werden könne.
Mit Schreiben vom 4. Mai und vom 21. Juni 1998
ergänzte der Einspruchsführer die Beanstandungen
auf dem genannten Formblatt. In weiteren Schreiben
an den Kreiswahlleiter stellte er neue Forderungen
zur Unterstützung seines Wahlkampfes.
Die von dem Einspruchsführer beantragte Nutzung
der Kantine des Ortsamtes Alstertal zur Sammlung
von Unterstützungsunterschriften wurde abgelehnt.
Der Einspruchsführer meint, dies verstoße gegen die
Gleichheit vor dem Gesetz, weil man der SPD-
Kandidatin in diesem Wahlkreis diese Rechte nicht
verwehrt habe.
Des weiteren bat der Einspruchsführer am 9. Juli
1998 zwei Justizvollzugsanstalten, in denen er auch
Unterstützungsunterschriften sammeln wollte, und die
Justizbehörde Hamburg um Angaben über deren
Insassen. Eine der Justizvollzugsanstalten lehnte das
Auslegen und Einsammeln der amtlichen Formblätter
für Unterstützungsunterschriften aus organisatori-
schen Gründen zunächst ab. Das Strafvollzugsamt der

Drucksache 14/1560 – 290 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Freien und Hansestadt Hamburg teilte dem Ein-
spruchsführer jedoch unter Hinweis auf den Beschluß
des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom
25. September 1986 am 20. Juli 1998 mit, daß er je-
weils 200 Formblätter für Unterstützungsunterschrif-
ten in den beiden Justizvollzugsanstalten auslegen
könne. Eine der Justizvollzugsanstalten bat ihn dann
um Übersendung der Formblätter, um diese an einem
in der Anstalt frei zugänglichen Platz auszulegen.
Außerdem übersandte der Landeswahlleiter dem Ein-
spruchsführer auf seine Anforderung vom 11. März
1998 die Rechtsgrundlagen über Volksinitiativen,
Volksbegehren und Volksentscheide.
Nach Ansicht des Einspruchsführers werden neuen
Mitbewerbern für die Bundestagswahl durch die Ab-
fassung des Vordrucks für Unterstützungsunter-
schriften große Schwierigkeiten gemacht. Der Vor-
druck zeige außerdem deutlich, daß ein Unterschied
zwischen Landesliste und Kreiswahlvorschlag ge-
macht werde, der „rechtsunzulässig“ nach dem
Grundgesetz sei. Er – der Einspruchsführer – mache
deshalb diese Beanstandungen des genannten Vor-
drucks ebenfalls zum Gegenstand seines Einspruchs.
Hierbei handelt es sich u.a. um folgende Beanstan-
dungen:

Die Zeilen auf dem Vordruck, die sich auf Kreis-
wahlvorschläge von Parteien beziehen, würden für
den Einspruchsführer wegen seiner beabsichtigten
Kandidatur als Einzelkandidat nicht zutreffen,
weshalb diese wegzulassen seien. Der Hinweis
„Jeder Wahlberechtigte darf mit seiner Unter-
schrift nur einen Kreiswahlvorschlag unterstüt-
zen“, verbunden mit dem Hinweis auf § 107a des
Strafgesetzbuches, sei rechtlich nicht zulässig,
weil die Unterzeichner die Vorschrift wahrschein-
lich nicht kennen und aus dem Wortlaut der Vor-
schrift des Strafgesetzbuches nicht hervorgehe,
daß sie auch für Unterstützungsunterschriften gel-
te. Demnach müsse ein Wahlberechtigter mehrere
Kreiswahlvorschläge unterstützen können. Eine
weitere Beanstandung des Einspruchsführers be-
zieht sich auf den Hinweis in der Kopfzeile des
Formblattes, daß eine Unterschrift nur gültig sei,
wenn sie der Unterzeichner persönlich und hand-
schriftlich geleistet habe. Der Hinweis sei über-
flüssig, weil er an der Stelle, wo die Unterschrift
zu leisten ist, nochmals abgedruckt sei. Im übrigen
müßten auch maschinelle Unterschriften oder
Stempel zugelassen werden. Für Menschen, wie
z. B. Boris Becker, die häufig unterschreiben müs-
sen, sei das heute allgemein üblich. Des weiteren
sei das Wort „Druckschrift“ falsches Deutsch und
müsse richtig „Blockschrift“ heißen. Es folgen
weitere Hinweise auf Fehler bezüglich des Auf-
baus des Formblattes und ähnliches mehr.

Die von dem Einspruchsführer beanstandeten Fehler
auf dem amtlichen Formblatt seien jedoch auf den
2 000 korrigierten Formblättern, die er erhalten habe,
wiederum unberücksichtigt geblieben. Der Ein-
spruchsführer verlangt die Abfassung eines Form-

blattes ohne die „völlig unwichtigen, unzutreffenden
und irritierenden Hinweise“, welche das Sammeln
von Unterstützungsunterschriften nur erschweren
würden. Das derzeitige amtliche Formblatt zur
Sammlung von Unterstützungsunterschriften verstoße
gegen „Gesetz und Recht“.
Im übrigen habe er von den zuständigen Stellen erst
viel zu spät die angeforderten Straßen- und Stadt-
pläne, die zudem auch noch veraltet gewesen seien,
erhalten.
Aus dem dargestellten Ablauf der Ereignisse ist nach
Ansicht des Einspruchsführers ersichtlich, daß eine
„perfekte Verzögerung“ bezüglich seiner beabsich-
tigten Kandidatur als Einzelbewerber für die Bun-
destagswahl eingetreten ist.
Wegen des weiteren Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Der Einspruchsführer beantragt, die Bundestagswahl
für den Wahlkreis 15 (Hamburg-Nord) für ungültig
zu erklären.
Der Kreiswahlleiter für den Wahlkreis 15 (Hamburg-
Nord) hat in seiner Stellungnahme zu dem Einspruch
folgendes ausgeführt:
Eine abweichende Gestaltung der amtlichen Form-
blätter für Unterstützungsunterschriften sei aufgrund
der verbindlichen Anlage 14 zur Bundeswahlordnung
(BWO) nicht möglich. Im übrigen seien die Bean-
standungen des Einspruchsführers bezüglich fehler-
hafter Schreibweise seines Namens und nicht voll-
ständig lesbarer Fußnoten berechtigt, aber von nach-
rangiger Bedeutung, weil die Formblätter auch ohne
diese Mängel von dem Einspruchsführer grundsätz-
lich beanstandet worden wären.
Das an den Einspruchsführer gesandte Adressen- und
Straßenverzeichnis habe eine Ergänzung mit Stand
Februar 1998 und Hinweise, welche Ortsteile zu dem
Wahlkreis 15 gehören, enthalten. Eine aktuellere
Ausgabe habe zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen.
Das Verzeichnis sei jedoch für den benötigten Zweck
ausreichend gewesen.
Für die Durchführung der Bundestagswahl 1998 sei
vom Bezirksamt Hamburg-Nord Mitte April eine ge-
sonderte Geschäftsstelle eingerichtet worden. Dem
Einspruchsführer seien innerhalb eines angemessenen
Zeitraumes die notwendigen Unterlagen zur Verfü-
gung gestellt worden. Er habe aber keinen Kreis-
wahlvorschlag eingereicht und damit den Rechtsweg
nicht ausgeschöpft.
Das Ortsamt Alstertal habe ihm – dem Kreiswahl-
leiter – auf Anfrage mitgeteilt, daß die Nutzung der
Räume des Ortsamtes restriktiv gehandhabt werde
und sich auf soziale und gesellige Treffen beschrän-
ke. Parteiveranstaltungen würden dort nicht stattfin-
den. Die Mitbenutzung von Schulen für Parteiveran-
staltungen (um eine solche habe es sich bei der Ver-
anstaltung mit der SPD-Kandidatin für den Wahl-
kreis 15 gehandelt) sei jedoch mit Genehmigung des

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 291 – Drucksache 14/1560

zuständigen Verwaltungsamtes zulässig. Das Ortsamt
Alstertal habe hierauf keinen Einfluß.
Eine weitere Stellungnahme zu dem Einspruch hat die
Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg
abgegeben:
Da der Einspruchsführer in seinen Schreiben vom
6. Juli 1998 an die Justizbehörde Hamburg und am
9. Juli 1998 an die beiden Justizvollzugsanstalten die
von ihm im Jahre 1986 vom Oberverwaltungsgericht
Hamburg erwirkte Entscheidung nicht erwähnt habe,
sei sein Schreiben im üblichen Geschäftsgang und
somit am 20. Juli 1998 beantwortet und auch die bei-
den Justizvollzugsanstalten an diesem Tag über die
Zulässigkeit der Auslegung von Formblättern infor-
miert worden. Bei einem entsprechenden Hinweis
seitens des Einspruchsführers hätten die Justizvoll-
zugsanstalten schon früher informiert werden können.
Im übrigen sei die Nichtbekanntgabe der Anzahl der
Inhaftierten in den Justizvollzugsanstalten keine Be-
hinderung für die Erbringung von 200 Unterstüt-
zungsunterschriften.
Dem Einspruchsführer wurden die Stellungnahmen
des Kreiswahlleiters und der Justizbehörde der Freien
und Hansestadt Hamburg bekanntgegeben. Er hat sich
daraufhin zu der Äußerung des Kreiswahlleiters, daß
er keinen Kreiswahlvorschlag eingereicht und damit
den Rechtsweg nicht ausgeschöpft habe, eingelassen.
Die Nichteinreichung seines Kreiswahlvorschlages
habe mit der Ausschöpfung eines Rechtsweges nichts
zu tun. Sie sei nur eine Folge dessen gewesen, daß
durch Handlungen seitens des Kreiswahlleiters und
der Freien und Hansestadt Hamburg die Vorausset-
zungen für die ordnungsgemäße Einreichung des
Kreiswahlvorschlags nicht erfüllt worden seien. Der
Einspruchsführer gehe aber davon aus, daß sich der
Kreiswahlleiter bei dem Begriff Rechtsweg geirrt
habe.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offen-
sichtlich unbegründet.
Die Rügen des Einspruchsführers bezüglich der Form,
des Inhalts und des Aufbaus der amtlichen Formblätter
für Unterstützungsunterschriften sowie der angeblichen
Behinderungen durch verschiedene Behörden bei der
Erbringung von Unterstützungsunterschriften begründen
keinen Wahlfehler.
Kreiswahlvorschläge, die nicht von politischen Parteien
eingereicht werden, müssen gemäß § 20 Abs. 3 BWG
von mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises
persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Die

Wahlberechtigung der Unterzeichner eines solchen
Kreiswahlvorschlages muß im Zeitpunkt der Unter-
zeichnung gegeben sein und ist bei Einreichung dessel-
ben nachzuweisen (§ 20 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz
2 BWG). Der Nachweis der Wahlberechtigung ist vom
Unterzeichner durch Vorlage von Bescheinigungen der
Gemeindebehörden zu erbringen. Sowohl die erforder-
lichen Unterschriften als auch der Nachweis der Wahl-
berechtigung des jeweiligen Unterzeichners sind ge-
mäß § 34 Abs. 4 Bundeswahlordnung (BWO) auf amt-
lichen Formblättern nach Anlage 14 BWO zu erbringen.
Diese Formblätter müssen gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 6
BWO vom Kreiswahlleiter beschafft werden. Die Ver-
wendung derartiger Formblätter soll einen Mißbrauch
durch Blankounterschriften verhindern und den Behör-
den die Bearbeitung und Kontrolle der Wahlvorschläge
erleichtern. Im vorliegenden Fall wurde durch die recht-
zeitige Übersendung der 2000 korrigierten Formblätter
am 30. April 1998 an den Einspruchsführer die Voraus-
setzung für ihre ordnungsgemäße Verwendung seitens
des Kreiswahlleiters erfüllt.
Die Ausgestaltung der amtlichen Formblätter, die so-
wohl für Kreiswahlvorschläge von Parteien (§ 20 Abs. 2
BWG) als auch für sogenannte andere Kreiswahlvor-
schläge (§ 20 Abs. 3 BWG) verwendet werden können
und müssen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich
(BVerGE 58, 169f.). Wie bei vielen anderen amtlichen
Vordrucken auch, ist das jeweils zutreffende auszufüllen,
was auf dem Formblatt auch deutlich gekennzeichnet ist,
indem in der ersten auszufüllenden Zeile steht: Ich unter-
stütze durch meine Unterschrift A: den Kreiswahlvor-
schlag der ... (Name der Partei oder ihre Kurzbezeich-
nung) oder B: den Kreiswahlvorschlag der ... (Kennwort
des anderen Kreiswahlvorschlages), welcher für den Ein-
spruchsführer zutreffend gewesen wäre. Das Formblatt
ist insofern eindeutig. Es besteht deshalb keine Notwen-
digkeit, zwei verschiedene Formblätter für den Kreis-
wahlvorschlag einer Partei oder eines anderen Kreis-
wahlvorschlages zu entwickeln. Ob bestimmte Hinweise
auf dem Formblatt doppelt oder überflüssig sind, mag
dahinstehen, weil dies für das Wahlprüfungsverfahren
unerheblich ist.
Auch der vom Einspruchsführer behauptete „rechtsun-
zulässige“ Unterschied, den das Formblatt zwischen
Landesliste und Kreiswahlvorschlag mache, ist unbe-
gründet. Das Formblatt gemäß Anlage 14 BWO gilt
nämlich nur für Kreiswahlvorschläge, während für die
Erbringung von Unterstützungsunterschriften für Lan-
deslisten von Parteien gemäß § 39 Abs. 3 BWO das
Formblatt gemäß Anlage 21 BWO zu verwenden ist.
Ebenso ist der Hinweis im Kopf des Formblattes „Jeder
Wahlberechtigte darf mit seiner Unterschrift nur einen
Kreiswahlvorschlag unterstützen. Wer mehrere Kreis-
wahlvorschläge unterzeichnet, macht sich nach § 108d
i.V.m. § 107a des Strafgesetzbuches strafbar“, rechtlich
unbedenklich. Von der Ernsthaftigkeit der Unterstützung
des Kreiswahlvorschlages kann nur ausgegangen wer-
den, wenn jeder Wahlberechtigte nur einen Kreiswahl-
vorschlag unterzeichnet. Hat ein Wahlberechtigter meh-
rere Kreiswahlvorschläge unterzeichnet, sind alle Unter-
schriften gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 BWO ungültig, wäh-

Drucksache 14/1560 – 292 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

rend bei der mehrfachen Unterzeichnung eines Kreis-
wahlvorschlages bis auf eine Unterschrift alle übri-
gen als ungültig zu beurteilen sind (vgl. Schreiber,
Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 6. Auflage, § 20
Rn. 12). Dabei ist es unerheblich, ob der Unterzeichner
die entsprechenden Vorschriften des Strafgesetzbuches
kennt oder nicht.
Die Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 2 BWO, wonach der
Kreiswahlvorschlag persönlich und handschriftlich zu
unterzeichnen ist, läßt keine Stellvertretung zu und soll
verhindern, daß Unterschriften gefälscht werden. Inso-
fern ist auch die Verwendung eines Stempels oder einer
per EDV eingescannten Unterschrift – wie vom Ein-
spruchsführer gefordert – verboten, weil hier die Gefahr
der Fälschung nicht ausgeschlossen werden kann. Des
gleichen können die Unterzeichnung und das Einreichen
eines Wahlvorschlages als Stellvertreter eines anderen,
auch wenn dieser seine Zustimmung erteilt hat, als
Urkundenfälschung in Tateinheit mit (versuchter) Wahl-
fälschung gewertet werden.
Inwieweit das amtliche Formblatt gegen „Recht und Ge-
setz“ verstoße, wurde vom Einspruchsführer nicht näher
dargetan und kann deshalb auch nicht geprüft werden.
Auch aus dem weiteren Vortrag des Einspruchsführers
ist kein Wahlfehler ersichtlich. Die Justizvollzugsan-
stalten wurden vom Einspruchsführer erst mit Schreiben
vom 9. Juli 1998 über seine Absicht informiert, dort
Unterstützungsunterschriften zu sammeln, obwohl die
Frist für die Einreichung des Kreiswahlvorschlags am
23. Juli 1998 um 18.00 Uhr (§ 19 BWG) ablief. Ob sie
die vom Einspruchsführer im Jahre 1986 vom Oberver-
waltungsgericht Hamburg erwirkte Entscheidung über
die Zulässigkeit der Auslegung von Formblättern für
Unterstützungsunterschriften in Justizvollzugsanstalten
hätten kennen und dementsprechend die sofortige Aus-
legung hätten ermöglichen müssen, mag dahinstehen.
Jedenfalls bedeutet die Unkenntnis dieser Entscheidung
seitens der Justizvollzugsanstalten keinen für die Wahl-

prüfung relevanten Fehler. Wahlfehler liegen nämlich
nur vor, wenn die rechtlichen Regelungen über die Vor-
bereitung und Durchführung der Wahl nicht eingehalten
werden. Solche Wahlfehler können in erster Linie den
amtlichen Wahlorganen (§ 8 BWG) unterlaufen; Dritte
können Wahlfehler nur insoweit begehen, als sie unter
Bindung an wahlgesetzliche Anforderungen kraft Geset-
zes Aufgaben bei der Organisation einer Wahl erfüllen
(vgl. BVerfG E 89, 243, 251). Dies ist für die Justizvoll-
zugsanstalten und auch für die Justizbehörde der Freien
und Hansestadt Hamburg nicht zutreffend.
Das Ortsamt Alstertal hat durch die Nichtzurverfügung-
stellung seiner Räume zur Sammlung von Unterstüt-
zungsunterschriften durch den Einspruchsführer nicht
gegen Wahlrechtsvorschriften verstoßen. Es kann frei
über die Nutzung seiner Räume durch Dritte entscheiden
und ist im übrigen kein Wahlorgan im oben beschriebe-
nen Sinne, welches Wahlfehler begehen könnte. Selbst
wenn die SPD-Kandidatin die Räume des Ortsamtes
Alstertal zu Wahlkampfzwecken hätte nutzen können,
was nicht der Fall gewesen ist, wäre hierin kein Verstoß
gegen wahlprüfungsrechtlich relevante Vorschriften zu
sehen.
Der Einspruch ist nach alledem gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 293 – Drucksache 14/1560

Anlage 102

Beschluß

In der Wahlanfechtungssache – Az: WP 110/98 –
des Herrn Dr. Rudolf Seebald

wohnhaft: Sachsenweg 4, 66121 Saarbrücken
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag

vom 27. September 1998
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:

Der Wahleinspruch wird teilweise als unzulässig, im übrigen als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. November 1998, eingegangen

beim Bundestag per Telefax am 25. November 1998,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag am 27. Septem-
ber 1998 Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer nennt folgende Umstände, die
seiner Meinung nach den „Wahlmangel“ begründen:
Aus dem Grundgesetz ergäbe sich das Recht des Vol-
kes, alle Staatsgewalt selbst in geheimen Wahlen und
Abstimmungen auszuüben und die Volksvertretung in
allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und ge-
heimer Wahl zu wählen.
Die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Recht-
sprechung seien der Gewaltenteilung unterworfen und
hätten die Aufgabe, sich gegenseitig zu kontrollieren
und ihre Zuständigkeiten zu wahren. Die drei Ge-
walten bedürften „einer demokratischen Legitima-
tionskette und nicht der unmittelbaren Wahl durch
das Volk“.
Dagegen sei die unmittelbare Wahl der Volksvertre-
tung durch das Volk Bestandteil des demokratischen
Prinzips.
Die Volksvertreter dürften in keinem der drei beson-
deren Staatsorgane (gemeint sind wahrscheinlich die
drei Gewalten) Funktionen ausüben, aber sie hätten
die Kompetenz, alle drei Organe zu kontrollieren.
Voraussetzung dafür sei die Einhaltung der Trennung
zwischen „der Vertretung des höchsten und umfas-
senden Staatsorgans Volk“ einerseits und den drei
besonderen Gewalten andererseits.
Die Bundestagswahl 1998 sei von den „Lizenz-, Mo-
nopol- und Kartellparteien“ so ausgerichtet worden,
daß der Wähler den Eindruck gehabt haben müsse, es
gehe nicht darum, dem deutschen Volk als höchstem
Staatsorgan für vier Jahre eine neue Vertretung zu
wählen, sondern „eine im Bund regierende durch eine
in der Ländermehrzahl regierende Machterhaltungs-
organisation“ abzulösen.

Da es für die Regierung unerträglich gewesen sei,
neue, systemkritische Parteien oder Parteien- bzw.
Listenvereinigungen oder Oppositionsbündnisse für
die Wahl als Partei anzuerkennen, wie dies nach § 18
Bundeswahlgesetz (BWG) vorgeschrieben sei, habe
sie für diese Aufgabe durch das Bundesministerium
des Innern einen sogenannten Bundeswahlausschuß
aussuchen lassen, der diesem Anliegen in „voraus-
schauendem Gehorsam“ nachgekommen sei. Sollte
dieses Gremium den Tatbestand des „Verfassungs-
hochverrats“ erfüllen, wäre dagegen nicht einmal ein
Rechtsmittel oder eine Verfassungsbeschwerde gege-
ben. Erst der neu gewählte Bundestag könnte die
Wahlprüfung durchführen. Erst recht werde keine
weisungsabhängige Staatsanwaltschaft ernsthafte Er-
mittlungen gegen die ausgesuchten Ausschußmitglie-
der aufnehmen.
An diesem Bundeswahlausschuß sei der „für das ge-
genwärtige System gefährliche Versuch kläglich ge-
scheitert“,
– eine offene Listenvereinigung aller 5% nahen und

regierungsfernen Parteien und sonstigen Vereini-
gungen,

– eine gemeinsame Liste als „parlamentarischen
Arm“ der sozialen, ökologischen, pazifistischen,
kirchlichen und gewerkschaftlichen Oppositions-
bewegung und

– ein Bündnis für Volksabstimmung und Direktwahl
zuzulassen.
Durch die Nichtzulassung der genannten Vereinigun-
gen und Bündnisse habe der Bundeswahlausschuß
den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeite-
ten und in § 92 des Strafgesetzbuches gesetzlich defi-
nierten Verfassungsgrundsatz „Recht auf Bildung und
Ausübung einer parlamentarischen Opposition“ be-
seitigt.
Somit seien die Grundsätze der unmittelbaren, freien,
gleichen und allgemeinen Wahl wie folgt verletzt
worden:

Drucksache 14/1560 – 294 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Die Allgemeinheit der Wahl bedeute, daß alle Men-
schen deutscher Staatsangehörigkeit mitwirken kön-
nen, wobei die Rechtsfähigkeit des Menschen und die
Staatsangehörigkeit mit der Geburt beginne.
Die mangelnde Freiheit der Wahl ergebe sich daraus,
daß ein Wähler keine Möglichkeit und damit nicht die
Freiheit gehabt habe, wirklich oppositionelle Volks-
vertreter zu wählen.
Gleichheit der Wahl wäre nur dann gegeben gewesen,
wenn alle Parteien und politischen Vereinigungen, die
ihre Beteiligung an der Wahl angezeigt haben, glei-
che Startchancen für einen Wahlerfolg gehabt hätten.
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts sei das Wahlvorschlagsrecht ein Kernstück des
Bürgerrechts auf aktive Teilnahme an der Wahl und
dürfe nicht auf politische Parteien beschränkt werden
(BVerfGE 44, 417). Der Grundsatz der Chancen-
gleichheit erfordere, daß die Rechtsordnung jedem
Wahlbewerber grundsätzlich die gleichen Möglich-
keiten für Wahlvorschläge und im Wahlverfahren
gebe, um gleiche Chancen im Wettbewerb um Wäh-
lerstimmen zu gewährleisten.
Die Unmittelbarkeit der Wahl sei nicht gegeben,
wenn es in der Macht der etablierten Parteien liege,
sich in ihrem Sinne als einzige Mittler zwischen den
Wähler und die Volksvertretung zu stellen und alle
Versuche der Bildung einer wirksamen Opposition
durch die Wahlorgane im Keim erstickt würden.
Es bleibe somit vorbehalten, die eigentlich zur Auf-
sicht und Kontrolle verpflichteten Amtsträger durch
„Mobilisierung des politischen Strafrechts im Hin-
blick auf Verfassungsuntreue, Friedens- und Verfas-
sungshochverrrat oder Rechtsbeugung“ zur Rechen-
schaft zu ziehen.
Des weiteren stellt der Einspruchsführer folgende
Anträge:
Er fordert den Präsidenten des Bundestages, den
Bundeswahlleiter und die Landeswahlleiter auf, sich
dem Einspruch anzuschließen bzw. selbst Einspruch
einzulegen. Hilfsweise fordert er neben den genann-
ten „Amtsträgern“ den Bundesminister des Innern,
alle Fraktionen sowie alle Einspruchsführer auf, auch
noch nach Fristablauf für die Anfechtung der
Bundestagswahl dem Bundestagspräsidenten alle
Umstände bekanntzugeben, die einen Wahlmangel
begründen könnten, damit dieser nach Kenntnis der
Umstände binnen eines Monats in amtlicher Eigen-
schaft Einspruch einlegen könne. Der Wahlprüfungs-
ausschuß solle alle Wahlberechtigten auffordern, dem
Bundestagspräsidenten potentielle Wahlmängel samt
Beweismitteln mitzuteilen. Außerdem solle der
Wahlprüfungsausschuß bereits vor dem Anfallen von
Kosten entscheiden, welche Auslagen der Ein-
spruchsführer als notwendig im Sinne von § 19
Abs. 1 Satz 2 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG)
anzuerkennen seien und welche Verfahrenskosten,
insbesondere für Sachverständige und Zeugen, unab-
hängig vom Erfolg des Einspruchs vom Bund getra-
gen werden müßten.

Der Einspruchsführer bezeichnet die oben genannten
Personen und Fraktionen des Bundestages als „Ein-
spruchsgemeinschaft“. Diese beantrage beim Wahl-
prüfungsausschuß, eine Vorabentscheidung darüber
zu treffen, welche Folgen sich aus einer eventuellen
Ungültigkeit der Bundestagswahl ergäben. Die sog.
Einspruchsgemeinschaft beantrage für den Fall, daß
eine Wiederholungswahl stattfinden müsse, diese mit
völlig neuen Wahlvorschlägen und Wählerverzeich-
nissen durchzuführen.
Weitere Anträge stellt der Einspruchsführer in seinem
Nachtrag zum Einspruch vom 25. November 1998:
So solle der Wahlprüfungsausschuß feststellen, daß
keine Wiederholungswahl stattfinde, weil innerhalb
von sechs Monaten gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 BWG
ein neuer Bundestag gewählt werde. Eine Wieder-
holungswahl könne nur nach denselben Vorschriften
des Bundeswahlgesetzes stattfinden wie die ursprüng-
liche Bundestagswahl. Da aber die Nichtzulassung
von Listenvereinigungen verfassungswidrig sei, weil
damit das Recht auf Bildung einer parlamentarischen
Opposition untergraben worden sei, müsse das Bun-
deswahlgesetz geändert werden, um allen Parteien
und sonstigen politischen Vereinigungen die Mög-
lichkeit zu geben, eine gemeinsame Liste im Sinne
von § 27 BWG aufzustellen und gemeinsame Direkt-
kandidaten als Kreiswahlvorschläge gemäß § 20
BWG einzureichen. Ohne diese Änderungen des
Bundeswahlgesetzes wäre der Aufbau einer par-
lamentarischen Opposition aussichtslos. Weiterhin
beantragt der Einspruchsführer, daß entgegen der
Regelung des § 2 Parteiengesetz (PartG) auch mit-
gliedschaftlich organisierte Berufsvereinigungen, Ar-
beitslosenverbände, Friedensinitiativen oder andere
Gemeinschaften aller Art vom Bundeswahlleiter als
Partei anzuerkennen sind.
Schließlich solle der Wahlprüfungsausschuß dem
Bundestag vorschlagen, anstelle einer Wieder-
holungswahl oder einer Neuwahl des Bundestages
eine verfassungsgebende Nationalversammlung ein-
zuberufen. Deren Aufgabe solle darin bestehen, zwei
Verfassungsentwürfe alternativ auszuarbeiten, die
beide in Übereinstimmung mit Artikel 146 GG dem
deutschen Volk zur freien Entscheidung im Wege
einer Volksabstimmung vorzulegen seien. Als Be-
gründung für diesen Antrag gibt der Einspruchsführer
an, die einzige deutsche Verfassung, die dem Volk je
zur Abstimmung vorgelegt worden sei, sei die der
Deutschen Demokratischen Republik von 1968 gewe-
sen. Um zu verhindern, daß im Mai 1999 das „verfas-
sungslose System“, welches nur auf der vorläufigen
Ordnung des Grundgesetzes beruhe, auch noch sein
50jähriges Jubiläum feiere, müsse zuvor Artikel 146
GG verwirklicht werden. Danach verliere das Grund-
gesetz an dem Tag seine Gültigkeit, an dem eine Ver-
fassung in Kraft trete, die das deutsche Volk in freier
Entscheidung beschlossen habe.
Wegen des weiteren Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 295 – Drucksache 14/1560

Gemäß der Niederschrift über die 1. Sitzung des
Bundeswahlausschusses für die Bundestagswahl 1998
wurden am 17. Juli 1998 vom Bundeswahlausschuß
u.a. folgende vier Entscheidungen jeweils einstimmig
mit den Stimmen aller anwesenden Mitglieder getrof-
fen:
1. Die am 16. Juni 1998 für die Beteiligung an der

Bundestagswahl angezeigte Vereinigung „Arbei-
ten für eine friedliche, gerechte und zukunfts-
trächtige Republik ’98 – A’98 – “, für die der Ein-
spruchsführer als Vorsitzender erschienen ist,
wurde nicht als Partei anerkannt. Der Bundes-
wahlausschuß war der Ansicht, daß die nachfol-
genden formellen und materiellen Gründe für die
Zulassung als Partei nicht erfüllt worden sind.
Die Anzeige sei nicht von drei Mitgliedern des
Bundesvorstandes der Vereinigung handschriftlich
und persönlich unterzeichnet worden. Satzung und
Programm der Vereinigung sowie ein Nachweis
über die satzungsmäßige Bestellung des Vorstan-
des seien nicht beigefügt gewesen. Diese Mängel
seien auch nach Aufforderung nicht beseitigt wor-
den.
Die Voraussetzungen der Parteieigenschaft nach
§ 2 Abs. 1 PartG seien nicht erfüllt worden, weil
keine ausreichende Organisationsstruktur, insbe-
sondere keine Landesverbände, bestanden hätten
und trotz Aufforderung keine Angaben über die
Mitgliederzahl und das Hervortreten der Vereini-
gung in der Öffentlichkeit gemacht worden seien.

2. Die am 29. Juni 1998 für die Beteiligung an der
Bundestagswahl angezeigte Vereinigung „AB-
STIMMUNG und direkte WAHLEN am 27. Sep-
tember 1998 – AuW’98 – “, für die der Einspruchs-
führer als Vorsitzender erschienen ist, wurde nicht
als Partei anerkannt. Nach Ansicht des Bundes-
wahlausschusses seien die Voraussetzungen der
Parteieigenschaft nach § 2 Abs. 1 PartG nicht er-
füllt worden, weil keine ausreichende Organisa-
tionsstruktur, insbesondere keine Landesverbände,
bestanden hätten und die Vereinigung bisher nicht
nachhaltig in der Öffentlichkeit hervorgetreten sei.

3. Die am 23. Januar 1998 (vor Bestimmung des
Wahltages) für die Beteiligung an der Bundes-
tagswahl angezeigte „Kommunistische Partei
Deutschlands 1998 – KPD ’98 –“, für die der Ein-
spruchsführer als Vorsitzender erschienen ist,
wurde nicht als Partei anerkannt. Der Bundes-
wahlausschuß war der Ansicht, daß die nachfol-
genden formellen und materiellen Gründe für die
Zulassung als Partei nicht erfüllt worden sind.
Die Anzeige sei nicht von drei Mitgliedern des
Bundesvorstandes der Partei handschriftlich und
persönlich unterzeichnet worden. Dieser Mangel
sei auch nach Aufforderung nicht beseitigt wor-
den.
Die Voraussetzungen der Parteieigenschaft nach
§ 2 Abs. 1 PartG seien nicht erfüllt worden, weil
keine ausreichende Organisationsstruktur, insbe-

sondere keine Landesverbände, bestanden hätten
und die Partei bisher nicht nachhaltig in der
Öffentlichkeit hervorgetreten sei.

4. Die am 26. Januar 1998 (vor Bestimmung des
Wahltages) für die Beteiligung an der Bundes-
tagswahl angezeigte Vereinigung „Aufruf zum
Widerstand 1998 – Widerstand ’98“, für die der
Einspruchsführer als Vorsitzender erschienen ist,
wurde nicht als Partei anerkannt. Der Bundes-
wahlausschuß war der Ansicht, daß die nachfol-
genden formellen und materiellen Gründe für die
Zulassung als Partei nicht erfüllt worden sind.
Die Anzeige sei nicht von drei Mitgliedern des
Bundesvorstandes der Vereinigung handschriftlich
und persönlich unterzeichnet worden. Dieser
Mangel sei auch nach Aufforderung nicht beseitigt
worden.
Die Voraussetzungen der Parteieigenschaft nach
§ 2 Abs. 1 PartG seien nicht erfüllt worden, weil
keine ausreichende Organisationsstruktur, insbe-
sondere keine Landesverbände, bestanden hätten
und die Vereinigung bisher nicht nachhaltig in der
Öffentlichkeit hervorgetreten sei.

2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 2 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von
der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen.
Er ist unzulässig, soweit der Einspruchsführer sich als
Bevollmächtigter der Einspruchsgemeinschaft benannt
hat, weil er weder ausgeführt hat, wer im einzelnen zu
dieser Einspruchsgemeinschaft gehört, noch entspre-
chende Vollmachten der anderen Einspruchsführer vor-
gelegt hat. Die Voraussetzung gemäß § 2 Abs. 3
zweiter Halbsatz WPrüfG wurde somit nicht erfüllt.
Soweit der Einspruchsführer für sich selbst den Ein-
spruch eingelegt hat, ist er zulässig, jedoch offensichtlich
unbegründet.
Die Beschlüsse des Bundeswahlausschusses, die vier ge-
nannten Vereinigungen jeweils nicht als Partei im Sinne
des § 2 PartG anzuerkennen und damit nicht zur Bun-
destagswahl 1998 zuzulassen, lassen keinen Wahlfehler
erkennen.
Nach § 18 Abs. 2 BWG können Parteien, die im Deut-
schen Bundestag oder einem Landtag seit der letzten
Wahl nicht auf Grund eigener Wahlvorschläge ununter-
brochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten wa-
ren, als solche einen Wahlvorschlag nur einreichen,
wenn sie dem Bundeswahlleiter ordnungsgemäß ihre
Beteiligung an der Wahl angezeigt haben und der Bun-
deswahlausschuß ihre Parteieigenschaft festgestellt hat.

Drucksache 14/1560 – 296 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bei der Feststellung der Parteieigenschaft ist der Bun-
deswahlausschuß an den Parteienbegriff des § 2 PartG
gebunden. Danach sind Parteien Vereinigungen von
Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit im Bereich
des Bundes oder eines Landes auf die politische Wil-
lensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des
Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag
mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der
tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang
und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer
Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffent-
lichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit
ihrer Zielsetzung bieten.
Die Beteiligungsanzeige muß gemäß § 18 Abs. 2 BWG
von mindestens drei Mitgliedern des Bundesvorstandes
der Partei oder Vereinigung, darunter dem Vorsitzenden
oder seinem Stellvertreter, persönlich und handschrift-
lich unterzeichnet sein. Außerdem sind der Beteiligungs-
anzeige die schriftliche Satzung und das schriftliche Pro-
gramm der Partei sowie ein Nachweis über die satzungs-
gemäße Bestellung des Vorstandes beizufügen (§ 18
Abs. 2 BWG).
Der Einspruchsführer, der für alle vier angezeigten Ver-
einigungen als Vorsitzender aufgetreten ist, hat bei der
Vereinigung „ABSTIMMUNG und direkte WAHLEN
am 27. September 1998“ zwei materielle Voraussetzun-
gen (ausreichende Organisationsstruktur und Hervortre-
ten in der Öffentlichkeit), bei den anderen drei Vereini-
gungen trotz Aufforderung durch den Bundeswahlleiter
mehrere formelle und materielle Voraussetzungen nicht
erfüllt.
Der Bundeswahlausschuß ist deshalb zu Recht davon
ausgegangen, daß sich die vom Einspruchsführer vertre-
tenen vier Vereinigungen im Zeitpunkt der Entscheidung
über ihre Anerkennung als Partei aufgrund der Würdi-
gung aller bekannten Tatsachen nicht ausreichend als
Partei dargestellt haben und somit die gesetzlichen
Merkmale, die an die Zulassung einer Partei zu Bundes-
tagswahlen gestellt werden, nicht erfüllt worden sind.
Der Einspruchsführer selbst hat in seiner Einspruchs-
schrift keine Tatsachen vorgetragen, die auf die Erfül-
lung der Voraussetzungen für die Anerkennung als Par-
tei zumindest für eine der vier Vereinigungen schließen
lassen könnten. Die Kritik des Einspruchsführers an den
Entscheidungen des Bundeswahlausschusses entbehrt in-
sofern jeder Grundlage. Es besteht auch keine Veranlas-
sung, gegen den Bundeswahlausschuß wegen angeb-
lichen Verstoßes gegen den Verfassungsgrundsatz
„Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentari-
schen Opposition“ strafrechtliche Ermittlungen einzu-
leiten. Die Nichtzulassung der vier Vereinigungen zur
Bundestagswahl ist allein aufgrund der Nichterfüllung
der gesetzlichen Voraussetzungen und nicht aus poli-
tischen Gründen erfolgt.
Des weiteren sind auch die Rügen des Einspruchsführers
im Hinblick auf die Verletzung der in Artikel 38 Abs. 1
Grundgesetz (GG) garantierten Wahlrechtsgrundsätze
nicht geeignet, den Einspruch erfolgreich zu begründen.
Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl bedeutet, daß
grundsätzlich allen Staatsbürgern das aktive Wahlrecht

zusteht. Es ist deshalb nur zulässig, die Wahlberechti-
gung an Bedingungen zu knüpfen, die jeder Staatsbürger
erfüllen kann und die sachlich besonders gerechtfertigt
sind, wie z. B. das Mindestwahlalter. Einen konkreten
Verstoß gegen diesen Grundsatz hat der Einspruchsfüh-
rer nicht dargetan. Soweit er sich mit seiner Einlassung,
die Rechtsfähigkeit und die Staatsangehörigkeit eines
Menschen beginne mit der Geburt, gegen das in Arti-
kel 38 Abs. 2 erster Halbsatz GG und § 12 Abs. 1 Nr. 1
BWG festgelegte Mindestalter von achtzehn Jahren für
die Ausübung des aktiven Wahlrechts wendet, liegt
hierin kein Wahlfehler. Das Mindestwahlalter ist in der
genannten Norm des Grundgesetzes ausdrücklich gere-
gelt und somit geltendes Verfassungsrecht. Die Herab-
setzung oder gar Abschaffung des Mindestwahlalters
kann nur im Rahmen einer Änderung der Verfassung
erfolgen. Zu einer Grundgesetzänderung ist gemäß Ar-
tikel 79 Abs. 2 GG die Zustimmung von zwei Dritteln
der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der
Stimmen des Bundesrates erforderlich.
Die Freiheit der Wahl bedeutet vor allem, daß jeder
Wahlberechtigte sein aktives Wahlrecht ohne (physi-
schen) Zwang oder (psychologischen) Druck oder
sonstige direkte oder indirekte Einflußnahme auf sein
Abstimmungsverhalten, insbesondere während des
Wahlaktes, ausüben können muß. Eine Verletzung des
Grundsatzes der freien Wahl in dem genannten Sinne hat
der Einspruchsführer nicht vorgetragen. Der Einspruchs-
führer geht fehl in der Annahme, die Freiheit der Wahl
bestünde in der Möglichkeit, „oppositionelle Volksver-
treter“ zu wählen.
Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet zu-
nächst, daß die Stimme jedes Wählers den gleichen
Zählwert haben und darüber hinaus auch der gleiche Er-
folgswert jeder Wählerstimme gewährleistet sein muß.
Offensichtlich rügt der Einspruchsführer eine Verletzung
des Prinzips der Wettbewerbs- und Chancengleichheit
aller Wahlvorschlagsträger und Wahlbewerber, das sich
aus den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit
der Wahl ableitet. Danach muß – wie der Einspruchsfüh-
rer richtig ausführt – die Rechtsordnung jeder Partei,
jeder Wählergruppe und jedem Wahlbewerber grund-
sätzlich die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und
im Wahlverfahren gewährleisten. Dies bedeutet jedoch
nicht, daß Differenzierungen verfassungsrechtlich unzu-
lässig sind. Eine unterschiedliche Behandlung von
Wahlvorschlagsträgern, durch die deren Chancengleich-
heit beeinflußt werden kann, ist vielmehr dann zulässig,
wenn sich dafür ein sachlich zwingender, rechtfertigen-
der Grund ergibt. Dementsprechend ist die Differenzie-
rung zwischen parlamentarisch schon vertretenen und
„neuen“ Parteien, d.h. solchen, die noch nicht im Parla-
ment vertreten sind, bei der Zulassung zur Wahl ohne
Verstoß gegen die Grundsätze der formalen Wahlrechts-
gleichheit und Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungsrechtlich zulässig. Bei neuen Parteien ist nicht wie
bei schon im Parlament vertretenen Parteien evident, daß
sie sich an der politischen Willensbildung beteiligen
wollen und werden. Im Interesse der Erreichung stabiler
Mehrheitsverhältnisse ist es deshalb möglich, nur solche
Vereinigungen als Parteien zur Wahl zuzulassen, von
denen vermutet werden kann, daß sie eine ausreichende

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 297 – Drucksache 14/1560

Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten,
was wiederum an die Erfüllung bestimmter Kriterien ge-
bunden ist (s. o. § 2 PartG). Neue Parteien müssen des-
halb im Rahmen des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 bis 4
BWG die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen darlegen.
Der Einspruchsführer hat aber für keine der von ihm
vertretenen Vereinigungen nachgewiesen, daß diese ge-
setzlich geforderten Voraussetzungen für die Zulassung
als Partei erfüllt seien. Abgesehen davon, daß die Verei-
nigungen über keine ausreichende Organisationsstruktur
in Form von Landesverbänden verfügten, hat er keine
Angaben zu ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit und
bei der Vereinigung „Arbeiten für eine friedliche,
gerechte und zukunftsträchtige Republik“ auch keine
Angaben zur Mitgliederzahl der Vereinigung gemacht.
Ihnen war daher die Anerkennung als Partei durch den
Bundeswahlausschuß zu versagen.
Die Behauptung des Einspruchsführers, der Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl sei verletzt, weil die eta-
blierten Parteien alle Versuche der Bildung einer wirk-
samen Opposition unterdrückt hätten, kann ebenfalls
nicht zum Erfolg des Einspruchs führen. Der Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl ist dann erfüllt, wenn die
Abgeordneten allein durch die Stimmabgabe der Wähler
ohne Zwischenschaltung eines fremden Willens gewählt
werden. Der Einfluß von Parteien muß spätestens mit
dem Beginn der Stimmabgabe abgeschlossen sein. Tat-
sachen, die eine Verletzung dieses Grundsatzes begrün-
den würden, hat der Einspruchsführer nicht genannt. Der
Vorwurf an die Parteien, sie nähmen eine Mittlerrolle
zwischen den Wählern und der Volksvertretung wahr,
reicht dafür jedenfalls nicht aus. Diese Mittlerrolle ent-
spricht gerade dem grundgesetzlichen Auftrag an die
Parteien, an der politischen Willensbildung mitzuwirken
(Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 GG).
Soweit der Einspruchsführer beantragt, einzelne Be-
stimmungen des Bundeswahlgesetzes (§§ 20, 27 BWG)
und § 2 des Parteiengesetzes zu ändern, ist darauf hin-
zuweisen, daß das Wahlprüfungsverfahren selbst für Ge-
setzesänderungen nicht geeignet ist. Dies kann nur im
Rahmen des im Grundgesetz vorgeschriebenen Gesetz-
gebungsverfahrens erfolgen, das durch einen Antrag von
Gesetzesinitiativberechtigten eingeleitet wird, zu denen
weder der Wahlprüfungsausschuß noch der Einspruchs-
führer gehören. Alleinige Aufgabe der Wahlprüfung ist
es festzustellen, ob durch Verletzung der Wahlrechts-
bestimmungen das Wahlergebnis beeinflußt worden ist
und diese Verletzung Einfluß auf die Mandatsverteilung
gehabt hat oder hätte haben können. Nach den Ausfüh-
rungen des Einspruchsführers zur Begründung seines
Einspruchs ist dies nicht der Fall.
Sollte der Einspruchsführer indes die Verfassungs-
widrigkeit der zitierten Gesetzesvorschriften behauptet

haben wollen, könnte er auch damit keinen Erfolg haben.
Der Wahlprüfungsausschuß sieht sich nämlich nicht
dazu berufen, die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften festzustellen. Er hat diese Kontrolle
stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Ebensowenig kann dem Antrag des Einspruchsführers,
dem Bundestag die Einberufung einer verfassungs-
gebenden Nationalversammlung vorzuschlagen, um Ar-
tikel 146 GG zu verwirklichen, stattgegeben werden. Im
Wahlprüfungsverfahren können nur Verstöße gegen die
in Kraft befindlichen Vorschriften des Wahlrechts bei
der Vorbereitung, der Durchführung und der Stimmen-
auszählung einer Wahl zum Bundestag gerügt werden.
Artikel 146 GG regelt das Wahlverfahren zum Bundes-
tag jedoch nicht; er regelt lediglich, unter welchen Be-
dingungen das derzeit geltende Grundgesetz außer Kraft
treten kann. Bis dahin sind die einschlägigen Vorschrif-
ten des Grundgesetzes ungeschmälert anzuwenden. Für
das Wahlrecht maßgeblich ist Artikel 38 GG, der den
Gesetzgeber ausdrücklich in Absatz 3 beauftragt hat, das
Nähere über das Wahlverfahren durch Bundesgesetz zu
regeln. Diesem Auftrag ist der Bundesgesetzgeber durch
den Erlaß des Bundeswahlgesetzes nachgekommen.
Eine Entscheidung darüber, welche Auslagen von Ein-
spruchsführern allgemein als erstattungsfähig anzuer-
kennen sind, ist gemäß § 19 Abs. 1 WPrüfG nicht mög-
lich. Notwendige Auslagen können nur dann erstattet
werden, wenn dem Einspruch stattgegeben oder der Ein-
spruch nur deshalb zurückgewiesen wurde, weil der gel-
tend gemachte Mangel keinen Einfluß auf das Wahl-
ergebnis gehabt hat. Beide Voraussetzungen liegen bei
diesem Einspruch nicht vor. Eine allgemeine Entschei-
dung, ob und welche Auslagen zu erstatten sind, ist indes
nicht möglich. Dies kann nur anhand eines konkreten
Falls entschieden werden.
Der Einspruch ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 2
WPrüfG teilweise als unzulässig, im übrigen gemäß § 6
Abs. 1 a Nr. 3 WPrüfG als offensichtlich unbegründet
zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 11. August 1993),
der als Anlage beigefügt ist, unter den dort genann-
ten Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesver-
fassungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen ei-
ner Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung
des Deutschen Bundestages – –
beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein.

Drucksache 14/1560 – 298 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

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