BT-Drucksache 14/1546

Ordnungspolitisch vernüftige Steuergesetze verabschieden

Vom 7. September 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1546
14. Wahlperiode 07. 09. 99

Antrag
der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Gisela Frick,
Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin,
Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Carl-Ludwig Thiele und der Fraktion
der F.D.P.

Ordnungspolitisch vernünftige Steuergesetze verabschieden

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der rot-grünen Bundesregierung fehlt in der Steuerpolitik jede ordnungspoliti-
sche Orientierung. Das wird durch die dem Deutschen Bundestag heute in erster
Lesung vorliegenden Gesetzentwürfe zur Bereinigung von steuerlichen Vor-
schriften, zur Fortführung der ökologischen Steuerreform sowie zur Familien-
förderung bewiesen. Die Gesetzentwürfe führen zu einer deutlichen Erhöhung
der Steuerbelastung, weiteren Verkomplizierung des Steuerrechts, lassen jedes
steuerpolitische Konzept vermissen, verunsichern so Bürger und Wirtschaft und
behindern die Schaffung von Arbeitsplätzen.

1. Die Fortsetzung der sog. ökologischen Steuerreform ist nichts anderes als die
massive Erhöhung der Steuern auf Heizöl, Benzin, Erdgas und Strom. Dabei
werden ökologische Brüche aus der ersten Stufe der sog. Reform nicht besei-
tigt. Trotz heftiger Proteste von Bürgern und Unternehmern wird Benzin in
den nächsten vier Jahren um 24 Pf pro Liter teurer, nachdem die Koalition die
Steuer bereits in diesem Jahr um 6 Pf angehoben hat. Die Steuer für Strom
steigt – nach der Erhöhung in diesem Jahr um 2 Pf – bis 2003 um weitere 2 Pf
pro kWh. Für die Bürger bedeutet das Steuererhöhungen von insgesamt
rd. 70 Mrd. DM.

Diese gigantische Mehrbelastung wird wahrheitswidrig als sozial bezeichnet.
Die Koalition nimmt in Kauf, dass weite Teile der Bevölkerung, die von der
Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge nicht profitieren, diese Steuer-
erhöhungen voll tragen müssen. Dazu gehören Rentner und Hausfrauen, Be-
amte, Studenten, Schüler, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Die sog.
ökologische Steuerreform führt also zu weiteren Belastungen insbesondere
vieler sozial schwacher Bevölkerungsteile. Besonders krass sind die Steuer-
erhöhungen für Arbeitnehmer, die für den Weg von ihrer Wohnung zur Ar-
beitsstätte auf ihr Auto angewiesen sind, also in erster Linie die Landbevöl-
kerung.

Drucksache 14/1546 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
2. Vor dem Hintergrund dieser Steuererhöhungen zeigt der Gesetzentwurf zur
Besteuerung der Familien erneut die Widersprüchlichkeit der Steuerpolitik
der rot-grünen Koalition. Es ist völlig abwegig, dass die Familien die Anhe-
bung des Kindergelds und der Kinderfreibeträge als eigentlich entlastende
Maßnahmen durch höhere Steuern auf Strom, Gas und Benzin mitfinanzieren
müssen. Familien, die Sozialhilfe beziehen oder in denen die Eltern arbeitslos
sind, haben von den Entlastungen überhaupt nichts.

Im übrigen sind die Beschlüsse zur Besteuerung der Familien halbherzig.
Von der zunächst vorgesehenen Einführung eines einheitlichen Grundfreibe-
trags für jedes Kind hat die Koalition absehen müssen, weil eine lineare Ent-
lastung der Familien bei progressiver Belastung verfassungswidrig gewesen
wäre. Darauf hat die F.D.P. immer hingewiesen. Die jetzt vorgesehene Erhö-
hung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen geht zwar in die richtige Rich-
tung. Den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wird allerdings
völlig unzureichend Rechnung getragen.

3. Der mit dem Titel „Steuerbereinigungsgesetz“ versehene Gesetzentwurf ent-
hält vor allem eine eklatante Schlechterstellung bei der Besteuerung von Le-
bensversicherungen mit Kapitalwahlrecht. Millionen von Versicherungsneh-
mern, die künftig privat für ihr Alter vorsorgen, sollen zur Kasse gebeten
werden. Die Aufforderung des Bundesministers für Arbeit und Sozialord-
nung, Walter Riester, nach mehr privater Vorsorge und die von der Koalition
jetzt geforderten höheren Steuern auf Lebensversicherungen sind ein klassi-
scher Widerspruch. Wer mehr private Vorsorge fordert, darf diese nicht durch
höhere Steuern zunichte machen. Hier zeigt sich erneut, dass es in der politi-
schen Zielsetzung von Rot/Grün zahlreiche unverständliche und unlösbare
Konflikte gibt. Die unterschiedlichen Arten, privat für das Alter vorzusorgen,
werden behindert.

Weitere Änderungen im Steuerbereinigungsgesetz korrigieren nicht einmal
ein halbes Jahr nach der Verabschiedung des sog. Steuerentlastungsgesetzes
einige vollkommen überzogene Maßnahmen. Der gesamte steuerrechtliche
Sachverstand hatte ebenso wie die F.D.P. seinerzeit darauf hingewiesen, dass
diese Regelungen vollkommen unhaltbar sind. Die Änderungen bei der Be-
steuerung ausländischer Werkvertragsunternehmer werden z.B. jetzt zurück-
genommen, weil sie die Geschäftsbeziehungen der deutschen Wirtschaft zu
diesen stören und das gute Verhältnis insbesondere zu den Nachbarstaaten
Deutschlands belasten. Die Abmilderung der Besteuerung von Schachtel-
dividenden wird jetzt damit begründet, dass die von Rot-Grün im Frühjahr
durchgesetzte Regelung Standortnachteile für Deutschland bringt. Es werden
allerdings nur einige gravierende Fehler des Steuerentlastungsgesetzes berei-
nigt. Weitere Fehlerkorrekturen scheinen unvermeidlich.

Der Deutsche Bundestag beschließt:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die vorgelegten Ge-
setzentwürfe zurückzuziehen und ein Steuerkonzept vorzulegen, mit dem die
Steuerbelastung umfassend gesenkt und das Steuerrecht durch den Wegfall steu-
erlicher Sondertatbestände spürbar vereinfacht wird. Die unterschiedliche Be-
steuerung der verschiedenen Einkunftsarten muss beseitigt werden. Nur so ist
Steuergerechtigkeit zu schaffen.

Berlin, den 7. September 1999

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.