BT-Drucksache 14/1335

Abschaffung der Arbeitserlaubnispflicht

Vom 1. Juli 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1335
14. Wahlperiode

01. 07. 99

Antrag
der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Heinrich L. Kolb, Ina
Lenke, Klaus Haupt, Detlef Parr, Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Rainer Funke, Dr. Karlheinz Guttmacher, Ulrich Heinrich, Walter
Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Jürgen Koppelin, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Jürgen W. Möllemann, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Marita
Sehn, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele und der Fraktion der F.D.P.

Abschaffung der Arbeitserlaubnispflicht

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Arbeitserlaubnisrecht (§§ 284 ff. SGB III) hat sich im Laufe der letzten
Jahre angesichts des zunehmenden Aufenthalts von Ausländern, die nicht
EU-Ausländer sind, in Deutschland zu einem Instrument der Arbeitsver-
hinderung entwickelt. Arbeitsplätze, die nur theoretisch mit inländischen
Arbeitskräften besetzt werden können, werden in die illegale Beschäftigung
verlagert, weil passende ausländische Arbeitskräfte keine oder nur nach
mehreren Wochen eine Arbeitserlaubnis erhalten. Arbeitgeber, Arbeitsu-
chende und Arbeitsverwaltung werden oft wochenlang unproduktiv und
kostenintensiv von ihrer eigentlichen Tätigkeit abgehalten.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
das Arbeitserlaubnisrecht dahin gehend zu ändern, daß Ausländer, die recht-
mäßig und nicht als Touristen in Deutschland leben, für die Dauer ihres er-
laubten Aufenthalts die Genehmigung erhalten, für ihren eigenen Lebens-
unterhalt zu sorgen und einer Beschäftigung nachzugehen. Diese
Genehmigung soll unabhängig von einer bestimmten Beschäftigung bei ei-
nem bestimmten Arbeitgeber gelten. Sie soll mit dem Aufenthaltsstatus er-
teilt werden.

Bonn, den 1. Juli 1999

Dirk Niebel
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Heinrich L. Kolb
Ina Lenke
Klaus Haupt
Detlef Parr
Hildebrecht Braun (Augsburg)

Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Rainer Funke
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger

Begründung
Die Abschaffung der Arbeitserlaubnispflicht ist eine wirksame Maßnahme
zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und trägt zur sozialen Gerechtigkeit bei,
da Personen im Sozialleistungsbezug bei Schwarzarbeit keine Steuern und
keine Sozialabgaben zahlen.
Die Abschaffung ist weiterhin eine effektive Maßnahme zur Deregulierung
des Arbeitsmarktes, weil ein hoher bürokratischer Aufwand mit der Ertei-
lung der Arbeitserlaubnis durch die Aufenthaltsgenehmigung wegfällt.
Die Abhängigkeit von den staatlichen Sozialkassen, das Arbeitsaufnahme-
verbot und die Verpflichtung zum Nichtstun festigen die Ressentiments ge-
gen ausländische Bürgerinnen und Bürger. Viele Ausländer, die sich in
Deutschland aufhalten, würden gern ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft
erwirtschaften, dürfen dies aber nicht, weil sie einem Arbeitsverbot unter-
liegen. Der freie Zugang zum Arbeitsmarkt und damit die Bestreitung des
Lebensunterhalts aus eigener Kraft gehören zu den Grundlagen eines men-
schenwürdigen Lebens und individueller Freiheit.
Viele Arbeitgeber können Arbeitsplätze nicht mit inländischen Arbeits-
kräften besetzen, weil diese beispielsweise zu wenig motiviert oder zu we-
nig qualifiziert sind, weil die Arbeit zu geringe intellektuelle Ansprüche er-
füllt, zu hohe körperliche Belastungen mit sich bringt, der Lohn auf die
Sozialleistung angerechnet wird oder es keinen angemessenen Abstand zwi-
schen Lohn und Sozialleistung gibt. Manche Arbeitsplätze können deshalb
nicht besetzt werden.
Wenn Arbeitgeber geeignete ausländische Mitarbeiter gefunden haben, gibt
es langwierige Verzögerungen durch ein mindestens vierwöchiges Prü-
fungsverfahren, bis diesen eventuell eine Arbeitserlaubnis erteilt wird. Die-
se Arbeitskräfte müssen über das Arbeitsamt vermittelt werden. Das Ar-
beitsamt muß den Nachweis führen, daß es keine bevorrechtigten Bewerber
für diesen Arbeitsplatz gibt. Fast drei Viertel aller ausländischen Antrag-
steller bekommen Arbeitsgenehmigungen, weil geeignete deutsche oder EU-
Arbeitnehmer nicht zur Verfügung stehen. Der Wettbewerb z.B. um Ar-
beitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft ist gering.
Seit Jahren ist der Anteil der arbeitsmarktabhängigen Erlaubnisse gleich
trotz wachsender Erwerbslosigkeit. Nach Auskunft der Bundesanstalt für
Arbeit wurden in den Jahren 1995 bis 1998 jährlich durchschnittlich ca.
1 230000 Arbeitsgenehmigungen erteilt und durchschnittlich 71582 Ar-
beitsgenehmigungen abgelehnt. Die Ablehnungen werden in den meisten
Fällen dadurch begründet, daß vorrangig berechtigte inländische Arbeit-
nehmer, also Deutsche, EU-Bürger oder Ausländer mit einem Rechtsan-
spruch auf eine Arbeitsgenehmigung, zur Verfügung standen. Ob diese Ar-
beitnehmer die betreffenden Plätze tatsächlich angenommen haben, ist
höchst zweifelhaft und statistisch nicht belegbar.

Drucksache 14/1335 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)

Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Auch bei Anträgen auf Verlängerung einer Arbeitserlaubnis findet dieses
Prüfverfahren statt. Hier greift die Arbeitserlaubnispflicht mehr und mehr
in bestehende Arbeitsverhältnisse ein. Die geltende Rechtslage führt zu un-
zumutbaren Aktionen bei der Suche bevorrechtigter Arbeitskräfte und bin-
det in unverhältnismäßig hohem Maße Potential bei der Arbeitsverwaltung.
Bei der Bundesanstalt für Arbeit sind am 1. Mai 1998 in der Organisati-
onseinheit „Sachbearbeitung für zusammengefaßte Aufgaben“ (SzA) rd.
685 Kräfte für den Anteil Arbeitsgenehmigungsverfahren eingesetzt. Eine
Ermittlung der Personalkosten war nicht möglich.
Erkenntnisse, inwieweit Arbeitsvermittler und Arbeitsberater indirekt im
Rahmen ihrer Vermittlungs- und Beratungstätigkeit oder Sachbearbeiter bei
Genehmigungs- und Widerspruchsverfahren eingebunden sind, liegen nicht
vor. Das gesamte Verfahren der Arbeitsmarktprüfung wird jedoch von Ar-
beitsvermittlern durchgeführt. Diese stehen in der dafür benötigten Zeit für
das tatsächliche Vermittlungsgeschäft nicht zur Verfügung. Spannungen, die
sich im Verlauf des Prüfverfahrens zwischen Arbeitsvermittlern und den Ar-
beitgebern, die ja ihrer Auffassung nach bereits eine geeignete Arbeitskraft
gefunden haben, ergeben können, können zu einer Beeinträchtigung der ver-
trauensvollen Zusammenarbeit in der Zukunft führen. Dies kann im Ex-
tremfall zur Nichteinschaltung der Arbeitsverwaltung bei zukünftigen Stel-
lenbesetzungen führen.
Ausländer, die einen Arbeitsplatz gefunden haben, der dem Arbeitsamt even-
tuell vorher nicht bekannt war, können nicht eingestellt werden, wenn als
formale Voraussetzung die Arbeitserlaubnis fehlt. Es treten dieselben
Schwierigkeiten wie oben benannt auf.
Asylbewerber in langwierigen Asylverfahren und Bürgerkriegsflüchtlinge
haben kaum eine Chance auf eine Aufenthaltsbefugnis, wenn sie ihren Le-
bensunterhalt nicht selbst bestreiten können. Tausende von Menschen dür-
fen auf lange Sicht nicht arbeiten, dies belastet die Sozialkassen und ver-
stärkt die Abwanderung in die Schwarzarbeit. Erst die Arbeitsmöglichkeit
schafft die Voraussetzung zur Kürzung von Sozialhilfe im Falle von Ar-
beitsverweigerung.
Nach Abschaffung der Arbeitserlaubnispflicht können alle Ausländer mit
Aufenthaltsgenehmigung, folglich alle Ausländer, die sich nicht als Touri-
sten oder illegal in Deutschland aufhalten, arbeitserlaubnisfrei gestellt wer-
den. Es geht ausdrücklich nicht darum, ausländische Arbeitskräfte anzu-
werben. Genau deswegen sind z. B. Touristen von der Regelung
ausgeschlossen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1335

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