BT-Drucksache 14/1243

zu dem Antrag Drs. 14/315 - Unterstützung der demokratischen Entwicklung in Nigeria - zu dem Antrag Drs. 14/283 - Demokratische Entwicklung in Nigeria unterstützen

Vom 23. Juni 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1243
14. Wahlperiode

23. 06. 99

Beschlußempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(20. Ausschuß)

a) zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/315 –

Unterstützung der demokratischen Entwicklung in Nigeria

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Christian Ruck,
Karl Lamers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/283 –

Demokratische Entwicklung in Nigeria unterstützen

A. Problem
Das afrikanische Schlüsselland Nigeria hat nach 15 Jahren militäri-
scher Herrschaft mit der im Februar 1999 durchgeführten demokrati-
schen und freien Wahl einen hoffnungsvollen ersten Schritt zu einer
zivilen demokratischen Führung des Landes getan. Am 29. Mai 1999
wird der gewählte Präsident Olusegun Obasanjo sein Amt antreten.
Die Antragsteller halten es für notwendig, die demokratische Ent-
wicklung Nigerias zukünftig verstärkt zu unterstützen. Die Bundes-
regierung wird deshalb aufgefordert, bei der Demokratisierungshilfe,
in der Technischen Zusammenarbeit und bei der Schuldenregelung
klare Signale zu setzen.

B. Lösung
Die Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
haben sich interfraktionell auf eine aktualisierte Zusammenfassung
der Anträge in den Drucksachen 14/315 und 14/283 verständigt. Die
Neufassung des Antrags hat der Ausschuß für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung einstimmig angenommen.
Einstimmigkeit im Ausschuß

Drucksache 14/1243 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

C. Alternativen
Zustimmung zu einem der beiden Anträge in den Drucksachen
14/315 und 14/283.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1243

Beschlußempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
die Anträge in den Drucksachen 14/315 und 14/283 in der folgenden
Fassung anzunehmen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Nigeria ist aufgrund geographischer Größe und Einwohnerzahl nach
Südafrika das bedeutendste Schlüsselland Subsahara-Afrikas. Das
Land ist geprägt durch seine mehr als 250 Ethnien sowie durch die
unterschiedlichen Interessen der drei großen Regionen des Landes,
dem vorwiegend islamischen Norden (Haussa-Fulani), dem Westen
(Yoruba) und dem von Christen dominierten Osten (Igobo). Die Be-
völkerung hatte seit 1960 eine Vielzahl von Militärputschen zu ertra-
gen – zuletzt durch das Schreckensregime des Diktators Abacha. Der
unerwartete Tod Abachas im Juni 1998 führte bei der großen Mehr-
heit der Nigerianer zu einem erstaunlichen politischen Klimawech-
sel. Der Übergangspräsident Abubakar hat den Prozeß der Demokra-
tisierung durch die im Februar durchgeführten freien Wahlen einge-
leitet. Trotz beobachteter Unregelmäßigkeiten während der Wahlen
wurde das Wahlergebnis von internationalen Beobachtern bestätigt
und als wichtige Voraussetzung für eine positive Entwicklung in
Nigeria gewertet. Am 29. Mai 1999 wird der gewählte Präsident
Olusegun Obsanajo sein Amt antreten.
Die Menschenrechtssituation hat sich in den letzten Monaten verbes-
sert. Viele politische Gefangene wurden freigelassen, und die Presse-
freiheit wird zunehmend gewährleistet. Ernste Anstrengungen zur Be-
kämpfung der Korruption wurden vorgenommen. Übergriffe der Sicher-
heitsorgane (Polizei und Armee) sind seltener geworden, gleichzeitig
hat sich jedoch die Situation im Nigerdelta weiter zugespitzt.
In der Vergangenheit hat sich die Bundesregierung auf solche Maß-
nahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit beschränkt,
welche ausschließlich den armen und ärmsten Bevölkerungsgruppen
unmittelbar zugute kamen. Darüber hinaus wurden lediglich Maß-
nahmen zur Förderung der Demokratiebewegung und der Menschen-
rechtsorganisationen unterstützt. Neuzusagen im Bereich der Techni-
schen Zusammenarbeit wurden storniert und keine weiteren Projekte
und Programme vereinbart.
Die derzeitigen Entwicklungen in Nigeria sind nicht mehr mit der
Situation vergleichbar, welche zu dem Beschluß des Deutschen Bun-
destages im Juni 1998 (13/10979) geführt hat. Die nigerianischen
Reformkräfte müssen in ihrem Bemühen um einen durchgreifenden
Wandel des Landes in Richtung eines demokratischen Rechtsstaates
gestärkt werden. Es liegt nicht zuletzt auch an Deutschland und der
Europäischen Union, diesen Prozeß positiv und nachhaltig zu unter-
stützen und zu seinem Erfolg beizutragen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt folgende von der Bundes-
regierung eingeleitete Maßnahmen:

– die Unterstützung der Entwicklung Nigerias durch positive politi-
sche Signale. Im Juli 1998 hat Staatsminister Helmut Schäfer und

Drucksache 14/1243 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

im November 1998 der Afrikabeauftragte den Besucheraustausch
auf politischer Ebene aufgenommen. Der Afrikaverein plant mit
Unterstützung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie in der zweiten Jahreshälfte die Entsendung einer
hochrangigen Wirtschaftsdelegation;

– die teilweise Aufhebung der gegenüber Nigeria verhängten Sank-
tionen. Die Europäische Union hat seit dem 1. November 1998
einen neuen Gemeinsamen Standpunkt in Kraft treten lassen, in
dem die Sanktionen vollständig (z.B. Visarestriktionen) oder
schrittweise (im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit) auf-
gehoben werden. Im EZ-Bereich sind bereits jetzt Projektidentifi-
zierungen und die Aufnahme von Verhandlungen über künftige
Projekte möglich;

– den Beitrag zu der Wahlbeobachter-Mission zu den Wahlen im
Jahr 1999 unter dem Dach der Vereinten Nationen. Die Bundes-
regierung hat die Wahlen materiell und personell unterstützt;

– die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen in Nigeria.
Die EZ-Sanktionen ließen auch in den letzten Jahren die Unter-
stützung von Nichtregierungsorganisationen ausdrücklich zu. Die
Bundesregierung wird diese Politik u.a. mit Hilfe der politischen
Stiftungen weiter verfolgen.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
– sich im bilateralen Dialog weiterhin für eine Freilassung aller

politischen Gefangenen einzusetzen. Grundsätzlich sind für alle
Inhaftierten rechtsstaatliche Verfahren zügig durchzuführen. Es
soll darauf hingewirkt werden, das Dekret 2 aufzuheben, wonach
immer noch eine Festnahme ohne sofortige Anklageerhebung
möglich ist;

– den Prozeß der Demokratisierung, die gewählte zivile demokrati-
sche Regierung, den Aufbau der Zivilgesellschaft und die voll-
ständige Wiederherstellung demokratischer Strukturen mit allen
ihren Möglichkeiten in Kooperation mit politischen Stiftungen
und Nichtregierungsorganisationen zu unterstützen;

– die Technische Zusammenarbeit wieder aufzunehmen, wenn ge-
währleistet ist, daß die Maßnahmen zu einer nachhaltigen Ver-
besserung der Lebensverhältnisse insbesondere für die von der
politischen und ökonomischen Krise am meisten betroffenen Be-
völkerungskreise führen und zum Schutz und zur Wiederherstel-
lung der natürlichen Lebensgrundlagen beitragen. Darüber hinaus
muß geprüft werden, ob bei der Ölförderung internationale Min-
deststandards des Umweltschutzes eingehalten werden;

– sich im Rahmen der EU dafür einzusetzen, daß eine friedliche
dauerhafte Lösung der Konflikte im Nigerdelta erreicht wird;

– sich in der EU für eine Rückführung der Sanktionen gegen Nige-
ria einzusetzen, wenn der jetzt begonnene Demokratisierungspro-
zeß zügig fortgeführt wird, die Menschenrechte gewährleistet
sind und die Rechtsstaatlichkeit gesichert ist. Die Bundesregie-
rung sollte sich für ein streng konditioniertes, multilateral abge-
stimmtes Schuldenmoratorium im Pariser Club einsetzen und so
bald wie möglich die notwendigen Schritte einleiten, um der
neuen Demokratie bessere Startmöglichkeiten zu geben;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1243

– bis Ende 1999 einen Zwischenbericht über ihre gesamten Bemü-
hungen und den politischen Entwicklungen in Nigeria zu geben.

Bonn, den 17. Mai 1999

Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Rudolf Kraus Ingrid Becker-Inglau Marlies Pretzlaff Hans-Christian Ströbele
Vorsitzender Berichterstatterin Berichterstatterin Berichterstatter

Gerhard Schüßler Carsten Hübner
Berichterstatter Berichterstatter

Drucksache 14/1243 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Frau Ingrid Becker-Inglau, Frau Marlies Pretzlaff,
Hans-Christian Ströbele, Gerhard Schüßler und Carsten Hübner

I. Zum Beratungsverfahren
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache
14/315 – in seiner 19. Sitzung am 28. Januar 1999 und
den Antrag der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache
14/283 – in seiner 16. Sitzung am 21. Januar 1999 feder-
führend an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung und mitberatend an den Aus-
wärtigen Ausschuß und den Ausschuß für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe überwiesen.
Der Auswärtige Ausschuß hat über die Anträge in sei-
ner 15. Sitzung am 21. April 1999 beraten und die An-
nahme einer interfraktionellen Beschlußempfehlung, die
die Fassung der Beschlußempfehlung des Ausschusses
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
hatte, empfohlen.
Der Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat über die Anträge in seiner 10. Sitzung am
24. März 1999 beraten und die Annahme einer auf der
Grundlage der beiden vorliegenden Anträge fußenden
Fassung empfohlen. Die aktuelle Entwicklung seit den
Wahlen – die menschenrechtliche Entwicklung sowie die
Wahldurchführung – sollte dabei einbezogen werden.
Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung hat über die Anträge in seiner 10. Sit-
zung am 21. April 1999 abschließend beraten. Er emp-
fiehlt einstimmig, die beiden Anträge in den Druck-
sachen 14/315 und 14/283 in der Fassung der Be-
schlußempfehlung anzunehmen.

II. Zum Inhalt der Beratungen
Die Fraktion der SPD brachte zum Ausdruck, der un-
erwartete Tod des Diktators Abacha im Juni 1998 habe
in Nigeria zu einem erstaunlichen politischen Klima-
wechsel geführt. Der Prozeß der Demokratisierung ha-
be zu im Februar dieses Jahres durchgeführten freien
Wahlen geführt. Am 29. Mai 1999 werde der aus den
Wahlen als Sieger hervorgegangene Olusegun Oba-
sanjo sein Amt als Präsident antreten. In der Vergan-
genheit habe sich die Bundesregierung wegen des in
Nigeria herrschenden Schreckenregimes auf solche
Maßnahmen der entwicklungspolitischen Zusammenar-
beit beschränkt, die den armen und ärmsten Bevölke-
rungsgruppen unmittelbar zugute gekommen seien.
Nunmehr liege eine neue Situation vor. Wenn man den
neuen, in einer demokratischen Wahl gewählten Präsi-
denten unterstützen wolle, so bedürfe es erheblicher
entwicklungspolitischer Unterstützung sowohl von
deutscher Seite als auch von seiten der EU. Diese Auf-
fassung sei sowohl in dem Antrag der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch in dem An-
trag der Fraktion der CDU/CSU zum Ausdruck gelangt.
Wegen der vielen Ähnlichkeiten in den Anträgen hätten

die Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die heute dem Ausschuß vorliegende ge-
meinsame Beschlußempfehlung zu den beiden Anträ-
gen erarbeitet.
In der Beschlußempfehlung werde eine Sachdarstellung
gegeben, und es werde über die eingeleiteten Maßnah-
men berichtet. Außerdem enthalte die Beschlußempfeh-
lung Forderungen an die Bundesregierung. Diese werde
aufgefordert, auf den Demokratisierungsprozeß weiter
Einfluß zu nehmen, auch auf der EU-Ebene. Die Krite-
rien, die in Deutschland als notwendige Voraussetzung
für wirtschaftliche Zusammenarbeit angesehen würden,
sollten auch Nigeria betreffend zum Maßstab genommen
werden.
Die Fraktion der CDU/CSU schloß sich den Ausfüh-
rungen der Fraktion der SPD an. Sie freue sich darüber,
daß es nach dem Tode des Diktators Abacha in Nigeria
zu einem Wandel zur Demokratie hin gekommen sei.
Wenn wirklich demokratische Verhältnisse eintreten
sollten, müßten die demokratischen Bestrebungen in
Nigeria nach Kräften unterstützt werden. Die Frage der
Wahlberechtigung sollte weiter im Auge behalten wer-
den. In Zukunft sollten mehr Bürger als bisher das Wahl-
recht besitzen. Was den neuen Präsidenten Olusegun
Obasanjo angehe, so verknüpfe man mit ihm auch auf
seiten der Fraktion der CDU/CSU Hoffnungen, ohne je-
doch zu übersehen, daß ihn das Militär unterstützt
habe.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führte aus,
was nun in Nigeria geschehen sei, sei ein erster Schritt
zur Demokratisierung hin. Weitere Schritte sollten be-
gleitet und unterstützt, Sanktionen sollten aufgehoben
werden. Man hoffe sehr, daß das Land zu einer fried-
lichen Entwicklung gelangen werde. Nigeria könnte ein
Land werden, in dem beispielhaft auch für die anderen
Länder Afrikas Demokratie und relativer Wohlstand
herrschten.
Die Fraktionen der F.D.P. und PDS begrüßten und
unterstützten den gemeinsamen Antrag der Fraktionen
SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Die Bundesregierung erklärte, sie habe die Hoffnung,
daß nach der Übergabe der Macht an General Olusegun
Obasanjo am 29. Mai 1999 wieder demokratische Ver-
hältnisse in Nigeria etabliert und Maßnahmen zur Sanie-
rung von Staat und Gesellschaft eingeleitet würden. Vor-
aussetzung für eine Intensivierung der Entwicklungszu-
sammenarbeit mit Nigeria sei allerdings die Erstellung
eines Reform- und Entwicklungsprogramms durch die
neue Regierung sowie die Einhaltung eines mit dem IWF
vereinbarten Stabilisierungsprogramms. Erst im An-
schluß daran könnten Verhandlungen zur Lösung der
Auslandsschuldenproblematik im Pariser Club aufge-
nommen werden. Die Bundesregierung ermutige die EU,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/1243

und die Weltbank bei der Lösung der Konflikte in Nige-
ria mitzuwirken. Erfreulicherweise seien alle politischen
Gefangenen bereits freigelassen worden.

Der Ausschuß stimmte den Anträgen in den Druck-
sachen 14/315 und 14/283 einstimmig in der Fassung der
Beschlußempfehlung zu.

Bonn, den 17. Mai 1999

Ingrid Becker-Inglau Marlies Pretzlaff Hans-Christian Ströbele
Berichterstatterin Berichterstatterin Berichterstatter
Gerhard Schüßler Carsten Hübner
Berichterstatter Berichterstatter

Drucksache 14/1243 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

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