Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2024, Az. 1 B 49/23

1. Senat | REWIS RS 2024, 584

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Gegenstand

Zur entsprechenden Geltung der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG in Fällen des Absehens vom Erlass einer erneuten Abschiebungsandrohung bei der Ablehnung eines Folgeantrages nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] für das [X.] vom 11. September 2023 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

1. Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg, weil sie bereits nicht den [X.] des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.

2

1.1 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

3

Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substanziiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 [X.] - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 [X.] - juris Rn. 3 m. w. N.). Es genügt nicht, darauf hinzuweisen, dass sich das [X.] zu der Frage noch nicht geäußert hat. Vielmehr ist darzulegen, dass die Antwort, die die Vorinstanz gegeben hat, mindestens zu Bedenken Anlass gibt und es deshalb im Interesse der Rechtssicherheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer revisionsgerichtlichen Klärung der Frage bedarf. Das nötigt zu einer Auseinandersetzung mit der Lösung und der Argumentation in der angefochtenen Entscheidung (BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2013 - 4 [X.] 1.13 - [X.] 81 Nr. 40 m. w. N.).

4

1.2 Hieran gemessen ist die Revision nicht wegen der Frage zuzulassen,

"ob in den Fällen, [in denen] das [X.] in einem Asylfolgeverfahren unter Anwendung des § 71 Abs. 5 Satz 1 [X.] auf Erlass einer erneuten Abschiebungsandrohung verzichtet, § 36 Abs. 3 Satz 1 [X.] über § 71 Abs. 4 Halbs. 1 [X.] entsprechend anzuwenden ist, oder ob in den Fällen des § 71 Abs. 5 Satz 1 [X.] die Vorschrift des § 71 Abs. 4 Halbs. 1 [X.] keine Anwendung findet bzw. ob jedenfalls die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht gelten soll,"

weil die Beschwerde nicht den [X.] an eine Grundsatzrüge genügt.

5

Soweit die Beschwerde ihre Rechtsauffassung teilende erstinstanzliche Rechtsprechung anführt, ersetzt dies nicht die gebotene Auseinandersetzung mit der Begründung des [X.], zumal die genannten Entscheidungen an den von der Beschwerde zitierten Stellen die Frage der statthaften [X.] im Eilverfahren (nach § 80 Abs. 5 oder § 123 VwGO) behandeln und zu der hier maßgeblichen Frage der entsprechenden Geltung der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 [X.] für Klagen gegen die Ablehnung von [X.] in Fällen des [X.] vom Erlass einer weiteren Abschiebungsandrohung nicht näher begründet sind.

6

Die Beschwerde setzt sich insbesondere nicht hinreichend mit den tragenden Begründungserwägungen der Vorinstanz auseinander. Danach handelt es sich bei dem Verweis in § 71 Abs. 4 Halbs. 2 [X.], nach dem die §§ 34, 35 und 36 [X.] im Fall des [X.] der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG entsprechend anzuwenden sind, um eine Rechtsfolgenverweisung, die auch in Fällen des [X.] vom Erlass einer erneuten Abschiebungsandrohung (§ 71 Abs. 5 Satz 1 [X.]) gelte, weil die Verweisungsnorm des § 71 Abs. 4 Halbs. 1 [X.] andernfalls leerliefe ([X.] f.; ebenso [X.], Beschluss vom 12. Oktober 2022 - 3 [X.]/22 - juris Rn. 21 m. w. N.). Ausgehend von einer Rechtsfolgenverweisung sei die Klage binnen Wochenfrist zu erheben, und zwar sowohl in Fällen, in denen das [X.] (Bundesamt) die Ablehnung des [X.] mit einer neuen Abschiebungsandrohung verbunden habe, als auch dann, wenn es von dem Erlass einer neuen Abschiebungsandrohung abgesehen habe (so nunmehr auch [X.], in: [X.], [X.] Ausländerrecht, 39. Edition Stand 1. Oktober 2023, § 71 [X.] Rn. 32).

7

Die entsprechende Anwendung von § 36 Abs. 3 Satz 1 [X.] sowohl in Fällen des § 71 Abs. 4 als auch Abs. 5 [X.] stützt das Berufungsgericht auf deren Wortlaut, nach dem in beiden Regelungen vorausgesetzt wird, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Mit dieser Erwägung setzt sich die Beschwerde nicht in der gebotenen Weise auseinander, sondern beschränkt sich auf den Hinweis, dem Wortlaut des § 71 Abs. 5 Satz 1 [X.] sei gerade kein Verweis auf §§ 34, 35 und 36 [X.] zu entnehmen.

8

In systematischer Hinsicht knüpft das Berufungsgericht an § 36 Abs. 3 Satz 10 [X.] an, nach dem auch Eilanträge gegen die Anordnung und Befristung eines mit der Ablehnung eines [X.] verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 [X.] innerhalb einer Woche zu stellen sind. [X.] diese Frist nicht auch für Rechtsbehelfe gegen die (bei Ablehnung des [X.] nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 [X.] zu treffende) [X.], käme es regelmäßig zu unterschiedlichen Rechtsbehelfsfristen bei Haupt- und Nebenentscheidung. Dies liefe dem [X.], den der Gesetzgeber § 36 Abs. 3 Satz 10 [X.] beigemessen habe ([X.]. 18/6185, [X.]) zuwider. Die Annahme des Laufs einer längeren Frist in den Fällen des § 71 Abs. 5 [X.] stehe auch zu der von der Vorschrift bezweckten Verfahrensbeschleunigung im Widerspruch ([X.]). Dieser nicht allein an systematischen Gesichtspunkten, sondern auch an Sinn und Zweck der hier maßgeblichen Normen orientierten Begründung des [X.] setzt die Beschwerde lediglich den Hinweis entgegen, die Systematik des Gesetzes spreche eindeutig dafür, dass in § 71 Abs. 5 [X.] eine andere Regelung beabsichtigt sei als § 71 Abs. 4 [X.], und genügt damit nicht den [X.] des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

9

Die Beschwerde rügt schließlich, die Auffassung des Berufungsgerichts stehe mit den Anforderungen aus Art. 42 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/[X.] und aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht in Einklang, namentlich im Hinblick auf die danach gebotene Rechtsklarheit. Damit wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht aufgezeigt. Insoweit hätte die Beschwerde auf die Frage eingehen müssen, ob der Informationspflicht nicht durch die dem angefochtenen Bescheid beigefügte, auf die Wochenfrist hinweisende Rechtsmittelbelehrung Rechnung getragen wurde. Eine Auslegung des § 71 Abs. 5 Satz 1 [X.] "gegen den klaren Wortlaut" hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Beschwerde jedenfalls nicht vorgenommen, sodass hieraus auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache folgt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 [X.]; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

Meta

1 B 49/23

18.01.2024

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 11. September 2023, Az: 11 A 1/22.A, Beschluss

§ 36 Abs 3 AsylVfG 1992, § 71 Abs 4 AsylVfG 1992, § 71 Abs 5 AsylVfG 1992, § 74 Abs 1 Halbs 2 AsylVfG 1992, § 51 Abs 1 VwVfG, § 51 Abs 2 VwVfG, § 51 Abs 3 VwVfG, Art 42 Abs 3 EURL 32/2013

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2024, Az. 1 B 49/23 (REWIS RS 2024, 584)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 584

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