Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2017, Az. V ZB 79/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17064

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:190117BVZB79.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]/16
vom

19. Januar 2017

in dem Notarbeschwerdeverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 29 Nr. 1
Die bloße Bitte um Verlegung eines [X.] stellt sich auch aus dem objektivierten Empfängerhorizont des Notars regelmäßig nicht als eigenständiges Ersuchen um amtliches Tätigwerden dar, sondern lediglich als notwendige Mitwirkung an der Vorbereitung der Beurkundung.
[X.], Beschluss vom 19. Januar 2017 -
V [X.]/16 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 19. Januar 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Weinland und die Richter Dr.
Kazele, [X.] und Dr. Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 2.
Mai
2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt

Gründe:

I.

Die Antragstellerin stand mit der P.

GmbH (nach-folgend [X.]) in Vertragsverhandlungen über den Erwerb eines Grund-stücks. Die P.
GmbH wandte sich am 26. September 2014 per Email an den Notar (Antragsgegner) mit der Bitte um Fertigung eines [X.] und um einen Beurkundungstermin am 10. Oktober 2014. Der Notar übersandte der Antragstellerin per Email am 30. September 2014 den Vertragsentwurf und teilte mit, dass er für den 10. Oktober 2014 einen Beurkundungstermin reser-viert habe. Die Antragstellerin dankte am selben Tage per Email und erklärte, 1
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dass die Beurkundung nach soeben erfolgter Absprache mit der [X.] am 30. oder 31. Oktober 2014 stattfinden solle. Am Folgetag wurde zwischen dem Büro des Notars und der Antragstellerin als Beurkundungstermin der 30. Okto-ber 2014 vereinbart. Zur Beurkundung kam es nicht. Der Notar übersandte der Antragstellerin unter dem 29.
Juni 2015 eine Kostenberechnung auf der [X.] der Gebühren für die vorzeitige Beendigung des [X.].

Das [X.] hat die Kostenberechnung auf Antrag der Antragstelle-rin aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Notars
hat das Ober-landesgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit die-ser möchte der Notar die Zurückweisung der Kostenbeschwerde der Antragstel-lerin erreichen.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Antragstellerin sei nicht Kosten-schuldnerin, da sie dem Notar keinen Beurkundungsauftrag erteilt habe. Die Übersendung des [X.] und die Entgegennahme dieses Entwurfs durch den potentiellen Vertragspartner allein reiche regelmäßig nicht aus, um den Empfänger zum Kostenschuldner werden zu lassen. Die [X.] habe gegenüber dem Notar keine Änderungswünsche bezüglich des Entwurfs geäußert. Sie habe lediglich um einen anderen als den vorge-schlagenen Beurkundungstermin gebeten und den neuen Termin mit dem Notar vereinbart. Hieraus habe der Notar nicht schließen dürfen, dass die Antragstel-lerin neben der P.
GmbH einen eigenen Beurkundungsauftrag mit entsprechen-der Kostenfolge habe erteilen wollen. Gegen die Erteilung eines eigenen [X.] spreche schon, dass es sich bei der Bestätigung eines Beurkundungster-mins um eine notwendige Mitwirkungshandlung eines an der Beurkundung Be-2
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teiligten handele. Es könne, wenn ein Beteiligter bereits Beurkundungsauftrag erteilt habe, auch nicht darauf ankommen, ob der andere Beteiligte den vorge-schlagenen Termin akzeptiere oder um einen anderen Termin bitte. Die Antrag-stellerin habe sich bei ihrer Bitte um Terminsverlegung zudem ausdrücklich auf eine Absprache mit der [X.] bezogen, die dem Notar bereits Beurkun-dungsauftrag erteilt gehabt habe. Hierdurch habe sie deutlich gemacht, keinen eigenen Auftrag erteilen zu wollen.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwer-degericht statthaft (§ 129 Abs. 2, § 130 Abs. 3 Satz 1 [X.] i.V.m. §
70 Abs.
1 FamFG). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 130 Abs. 3 Satz 1 [X.] i.V.m. § 71 Abs. 1 FamFG), insbesondere ist der Notar für die Rechtsbe-schwerde in Notarkostensachen selbst postulationsfähig (§ 130 Abs. 3 Satz 2 [X.]). Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, denn die Antragstel-lerin ist nicht Schuldnerin der nach der Berechnung des Notars angefallenen Kosten.

1. Das Beschwerdegericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, dass die [X.] dem Notar die Notarkosten nicht aus § 29 Nr. 1 [X.] schuldet.

a) Kostenschuldner ist nach dieser Vorschrift, wer dem Notar den Auftrag erteilt oder den Antrag gestellt hat. Unter dem -
hier interessierenden
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Begriff des Auftrags ist jedes an den Notar gerichtete Ansuchen zu verstehen, das auf die Vornahme einer notariellen Amtstätigkeit gerichtet ist ([X.]/[X.], [X.]., [X.], § 4 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.]/4
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[X.], [X.], 2. Aufl., § 4 Rn. 2). Einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es nicht. Der Beurkundungsauftrag kann auch durch schlüssiges Verhal-ten erteilt werden (vgl. [X.], NdsRpfl
2015, 374 f.; [X.], [X.] 1997, 604 f. jeweils noch zu § 2 Nr. 1 [X.]; [X.]/[X.], [X.]., [X.], § 29 Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 29 Rn. 19; LK-[X.]/[X.], 2. Aufl., §
29 Rn. 10).
Maßgeblich ist, ob das Verhal-ten für den Notar nach [X.] und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) den Schluss zulässt, es werde ihm ein Auftrag mit der ge-setzlichen Kostenfolge erteilt; dies kann nur unter Heranziehung und Wertung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. [X.], NdsRpfl
2015, 374; [X.], [X.] 1997, 604 f.; [X.], [X.] 1986, 761, 763; [X.] 1979, 93, 95; LK-[X.]/[X.], 2. Aufl., §
29 Rn. 10; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 29 Rn. 19).

Einen Auftrag erteilt regelmäßig jedenfalls derjenige, der durch sein An-suchen unmittelbar die notarielle Amtstätigkeit veranlasst, etwa indem er den Notar um die Fertigung eines Entwurfs oder erstmals
um einen Beurkundungs-termin bittet. Ein solcher Auftrag kann auch anzunehmen sein, wenn bereits durch einen anderen Kostenschuldner Beurkundungsauftrag erteilt wurde. So kann die Amtstätigkeit des Notars etwa dadurch veranlasst werden, dass ein weiterer Beteiligter den Notar um Änderungen an dem Entwurf des zu [X.] bittet (vgl. [X.], NdsRpfl
2015, 374, 375; [X.], [X.] 2016, 272; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 29 Rn. 21).

Ob im Einzelfall eine Auftragserteilung vorliegt, ist Ergebnis tatrichterli-cher Würdigung und unterliegt daher nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dieses kann lediglich prüfen, ob der maßgebliche Rechtsbegriff verkannt, Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Er-7
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fahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände nicht beachtet worden sind (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 14. Februar 2014 -
V [X.], NVwZ 2014, 967 Rn. 9; Urteil vom 1.
März 2013 -
V [X.], [X.], 1946 Rn. 15; [X.], Beschluss vom 14. Januar 2014 -
II ZB 5/12, [X.], 618 Rn. 30 mwN).

b) Ein solcher Rechtsfehler
liegt hier nicht vor.

aa) Das Beschwerdegericht legt seiner Würdigung zugrunde, dass der Umstand, dass die [X.] bereits einen Beurkundungsauftrag erteilt hatte, der Annahme eines weiteren Auftrags durch die Antragstellerin nicht entgegen-steht. Mehrere Auftraggeber desselben Geschäfts sind jeweils Kostenschuldner und haften dem Notar nach § 32 Abs. 1 [X.] als Gesamtschuldner. [X.] geht es
weiter davon aus, dass die bloße Entgegennahme des von [X.] Seite beauftragten und von dem Notar gefertigten [X.] für sich genommen ebenso wenig als Auftrag im Sinne von
§ 29 Nr. 1 [X.] angese-hen werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom
21.
Mai 2013 -
8 W 1982/12,
juris Rn. 19; [X.], [X.] 2012, 36, 37; [X.] 1979, 93, 96; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 29 Rn.
19; Notarkasse, Streifzug durch das [X.], 11. Aufl., Rn. 569; a.[X.], [X.] 2008, 562) wie die schlichte Bestätigung des von der Gegenseite vorgeschlagenen und durch den Notar mitgeteilten [X.].

bb) Frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des [X.], ein Auftrag sei nicht dadurch erteilt worden, dass die Antragstellerin um Verlegung des vorgeschlagenen [X.] auf einen anderen, mit der [X.] abgesprochenen Termin gebeten hat. Die bloße Bitte um [X.] eines [X.] stellt sich auch aus dem objektivierten Emp-9
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fängerhorizont des Notars regelmäßig nicht als eigenständiges Ersuchen um amtliches Tätigwerden dar, sondern lediglich als notwendige Mitwirkung an der Vorbereitung der Beurkundung.
Wollte man in jeder Vereinbarung eines Beur-kundungstermins unabhängig von den Umständen des Einzelfalles einen ei-genständigen Beurkundungsauftrag erblicken, so wäre derjenige, der zu einem von dem Notar mitgeteilten Beurkundungstermin verhindert ist, angesichts der Kostenfolge gehalten, Kontakt mit dem Notar zu vermeiden und die [X.] ausschließlich mit demjenigen zu vereinbaren, der den Beurkundungs-auftrag erteilt hat. Die Haftung für die Kosten der Beurkundung kann aber nicht davon abhängen, auf welche Art und Weise die Verlegung des Termins für [X.] vereinbart worden ist.

cc) Der Ansicht des Notars, in der vorbehaltlosen Vereinbarung eines (neuen) [X.] müsse ein eigenständiger Beurkundungsauftrag gesehen werden, ist zudem entgegenzuhalten, dass ein entsprechender Vor-behalt rechtlich unwirksam wäre. Der Notar handelt bei der Ausübung der [X.] ausschließlich als Träger eines öffentlichen Amtes, dem die Rechtssuchenden nicht als Vertragspartner, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis als Verfahrensbeteiligte gegenübertreten ([X.], Urteil vom 14. November 2002 -
III ZR 87/02, [X.]Z 152, 391, 394). Der Auftrag im Sinne von
§ 29 Nr. 1 [X.] ist daher eine grundsätzlich bedingungsfeindliche Verfahrenshandlung. Die Erklärung eines Kostenschuldners, die Kosten der von ihm beauftragten Amtstätigkeit des Notars nicht übernehmen zu wollen, wäre unbeachtlich (NK-GK/[X.], § 29
[X.] Rn. 7).

dd) Entgegen der Ansicht des Notars ergibt sich durch dieses Verständ-nis der Auftragserteilung im Kostenrecht auch kein Wertungswiderspruch zu den Regelungen der [X.] über die Amtspflichten des Notars. 12
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Diese sind nicht notwendig auf den Auftraggeber im kostenrechtlichen Sinne beschränkt. Auftraggeber im Sinne der [X.] ist vielmehr auch derjenige, dem gegenüber der Notar selbständig und ausdrücklich Amtspflich-ten übernimmt (vgl. [X.], Urteil vom 21. November 1996 -
IX ZR 182/95, [X.]Z 134, 100, 112 f.; Urteil vom 15. April 1999 -
IX ZR 328/97, NJW 1999, 2183, 2184). Amtspflichten können folglich auch gegenüber Personen bestehen, die nicht Kostenschuldner des Notars sind.

2. Andere Grundlagen für eine Kostenschuld der Antragstellerin kommen nicht in Betracht. Sie haftet nicht nach § 30 [X.], da es zu der beabsichtig-ten Beurkundung nicht gekommen ist. Die Antragstellerin haftet auch nicht ge-mäß § 29 Nr. 3 [X.] für die Kostenschuld eines anderen kraft
Gesetzes, namentlich nicht für die Kostenschuld der [X.], die diese aufgrund des von ihr erteilten [X.] trifft. Eine solche gesetzliche Haftung ergibt sich insbesondere nicht aus § 448 Abs. 2 BGB. Diese Regelung begründet [X.] Kostentragungspflicht des Käufers gegenüber dem Notar, sondern betrifft allein das Innenverhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrags (BayObLG, [X.] 1994, 947, 948; Gläser in [X.], [X.], 19. Aufl., §
29 Rn. 33; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 29 Rn.
31). Die Kos-tenregelung in §
448 Abs. 2 BGB setzt zudem voraus, dass der Kaufvertrag wirksam wird (Senat, Urteil vom 9. November 2012 -
V [X.], [X.], 928 Rn. 15).
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IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 130 Abs. 3 Satz 1 [X.] i.V.m. §
84 FamFG, der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren aus der Höhe der streitgegenständlichen Kostenberechnung.

Stresemann

Weinland

Kazele

Göbel Hamdorf

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.08.2015 -
8 OH 39/15 -

O[X.], Entscheidung vom 02.05.2016 -
2 W 101/15 -

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Meta

V ZB 79/16

19.01.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2017, Az. V ZB 79/16 (REWIS RS 2017, 17064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17064

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 79/16

V ZR 102/13

V ZR 92/12

II ZB 5/12

V ZR 182/11

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