Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.06.2014, Az. I R 41/12

1. Senat | REWIS RS 2014, 4626

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gemeinnützigkeit einer Förderkörperschaft - Versagung der Befreiung von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer wegen Verstoßes der tatsächlichen Geschäftsführung gegen Satzungsbestimmungen


Leitsatz

NV: Ist im Gesellschaftsvertrag einer sog. Förderkörperschaft bestimmt, dass der Satzungszweck der Förderkörperschaft mit dem Satzungszweck der empfangenden Körperschaft übereinstimmen muss und werden Mittel an eine Körperschaft weitergegeben, die wegen anderer Zwecke als gemeinnützig anerkannt ist, verstößt die tatsächliche Geschäftsführung gegen die Satzungsbestimmungen (§§ 59, 63 Abs. 1 AO) .

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, die Gemeinnützigkeit für die Streitjahre (2005 und 2006) zu versagen ist, weil sie die von ihr erwirtschafteten Mittel ausschließlich an andere Körperschaften weitergeleitet hat, deren steuerbegünstigte [[X.].] nicht denen der Klägerin entsprechen.

2

Die Klägerin wurde 2004 gegründet. Sie verfolgt nach § 2 ihres Gesellschaftsvertrags vom … August 2004 "ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts 'Steuerbegünstigte Zwecke der Abgabenordnung'". Als Gesellschaftszweck wird die Förderung der Wissenschaft und des Sports angegeben. § 2 des Gesellschaftsvertrags enthält weiter folgende Regelung: "Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch die finanzielle Förderung anderer steuerbegünstigter Körperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die der selbstlosen Förderung der Wissenschaft und/ oder des Sports dienen."

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) hatte der Klägerin zunächst am … September 2004 eine auf 18 Monate befristete vorläufige (widerrufliche) Bescheinigung darüber erteilt, dass die Klägerin nach der eingereichten Satzung steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken dient. Für das Kalenderjahr 2004 wurde zudem durch das zwischenzeitlich für die Klägerin zuständig gewordene Finanzamt [X.] ein Freistellungsbescheid zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer erlassen.

4

In den Streitjahren erzielte die Klägerin lediglich Einkünfte aus wirtschaftlichen Aktivitäten (Provisionserlöse aus einer GmbH-Beteiligung, [X.]ergütungen für Managementdienstleistungen). Sie wendete nahezu ihre gesamten Einkünfte aus diesen wirtschaftlichen Aktivitäten einem [X.]erein ([X.]) zu. Dieser war nach den für die Streitjahre geltenden [X.]n des zuständigen Finanzamts wegen der Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Bekämpfung von Tierseuchen als gemeinnützig anerkannt. [X.] bestätigte der Klägerin durch entsprechende Bescheinigungen, dass die Zuwendung in 2005 für die öffentliche Gesundheitspflege und die Zuwendung in 2006 für die Förderung wissenschaftlicher Projekte verwandt worden sind.

5

Das [X.] versagte die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und erließ entsprechende [X.] und Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre sowie die entsprechenden Feststellungsbescheide. Da die Aktivitäten der Klägerin überwiegend im wirtschaftlichen Bereich und im Bereich der [X.]ermögensverwaltung lägen, sei eine selbstlose Förderung der satzungsmäßigen Zwecke nicht mehr gegeben. Darüber hinaus seien die Mittel der Klägerin nicht satzungsgemäß zur Förderung der Wissenschaft oder des Sports verwandt worden.

6

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom [X.] ([X.]) mit Urteil vom 26. April 2012  4 K 2239/09 (veröffentlicht in [X.] 2013, 434) als unbegründet abgewiesen.

7

Die Klägerin hat gegen das Urteil des [X.] Revision eingelegt.

8

Sie beantragt, das Urteil des [X.] und die angefochtenen Steuerbescheide sowie die angefochtenen Feststellungsbescheide aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, für die Streitjahre hinsichtlich der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer [X.] zu erteilen.

9

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin für die Streitjahre nicht von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit ist.

1. Soweit die Klage sich gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 3 und 38 Abs. 1 des [X.] ([X.] 2002) zum 31. Dezember 2005 und 31. Dezember 2006 sowie über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 37 Abs. 2 [X.] 2002 zum 31. Dezember 2005 und 31. Dezember 2006 richtet, ist die Revision mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig ist.

Der Senat kann keine Beschwer erkennen. Die festgestellten Beträge wurden jeweils mit 0 € angesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass die Bescheide in sonstiger Weise eine Beschwer enthalten, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

2. Im Übrigen ist die Revision in der Sache zurückzuweisen. Die Klägerin ist nicht von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit, weil ihre tatsächliche Geschäftsführung nicht mit dem in § 2 ihres Gesellschaftsvertrags bestimmten Zweck übereinstimmt.

a) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 [X.] 2002 sind von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und [X.]ermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen [X.]erfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung --[X.]-- in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung). [X.]oraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigung ist, dass sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen [X.]erfassung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 [X.] entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird (§ 59 [X.]). Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die [X.]oraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 [X.]). Für die Gewerbesteuer gilt gemäß § 3 Nr. 6 des [X.] 2002 Entsprechendes.

b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das [X.] zutreffend entschieden, dass die Klägerin nach ihrem Gesellschaftsvertrag vom 12. August 2004 gemeinnützige Zwecke verfolgt, nämlich die Förderung der Wissenschaft (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) und des Sports (§ 52 Abs. 2 Nr. [X.]). Weiter hat das [X.] im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Steuervergünstigung deshalb zu versagen ist, weil die tatsächliche Geschäftsführung der Klägerin in den Streitjahren nicht den Satzungsbestimmungen entsprochen hat (§§ 59, 63 Abs. 1 [X.]).

aa) Nach § 2 ihres Gesellschaftsvertrags verwirklicht die Klägerin ihren Satzungszweck "insbesondere ... durch die finanzielle Förderung anderer steuerbegünstigter Körperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die der selbstlosen Förderung der Wissenschaft und/oder des Sports dienen". Nach den Feststellungen des [X.] hat sie in den Streitjahren Zuwendungen an [X.] geleistet, der ausweislich der entsprechenden Freistellungsbescheide der für [X.] zuständigen Finanzbehörde wegen der Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Bekämpfung von Tierseuchen als gemeinnützig anerkannt war. Die tatsächliche Geschäftsführung der Klägerin entsprach somit in den Streitjahren nicht den Bestimmungen, die die Satzung der Klägerin über die [X.]oraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 [X.]).

bb) Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegen halten, dass die dem [X.] zugewandten Mittel faktisch im Sinne der [X.] der Klägerin verwendet worden seien, weil die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege eine "Schnittmenge" mit der Förderung der Wissenschaft aufweise. Denn entscheidend ist allein, welcher Zweck unmittelbar gefördert wird. Da [X.] ausschließlich der Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege dient, sind die Mittel der Klägerin daher auch nur für die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege zu verwenden. Auf mögliche Schnittmengen zwischen einzelnen gemeinnützigen Zwecken des [X.] in § 52 Abs. [X.] (vgl. hierzu z.B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 5[X.] Rz 124) kommt es danach nicht an.

Nur dieses Ergebnis entspricht dem durch Form- und Inhaltsstrenge gekennzeichneten Gemeinnützigkeitsrecht (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. Juli 1998 I R 156/94, [X.], 546, [X.], 162), wonach es nicht in das Belieben der jeweiligen Körperschaft gestellt ist, wie und in welchem Umfang Mittel gemeinnützig verwendet werden, und dieses Ergebnis entspricht auch der unter verwaltungspraktischen Gesichtspunkten mit der Anerkennung von gemeinnützigen Zwecken i.S. des § 5[X.] (auch) verfolgten gesetzgeberischen Intention, bei reinen Fördergesellschaften den [X.] nur auf [X.] der (letztlich) mittelverwendenden Körperschaft und nicht zusätzlich auf [X.] der Förderkörperschaft zu prüfen.

cc) [X.]on daher stellt sich die von der [X.]orinstanz und der Revision aufgeworfene Frage nicht mehr, ob die Klägerin durch ihre tatsächliche Geschäftsführung ihre Gesellschaftszwecke (Förderung der Wissenschaft und des Sports) --wie von § 57 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorausgesetzt-- auch unmittelbar verwirklicht hat, wenn die [X.]oraussetzungen des hier in Betracht kommenden Ausnahmetatbestandes des § 58 Nr. 1 [X.] erfüllt sind. Denn selbst wenn --entgegen der Auffassung der [X.]orinstanz-- § 58 Nr. 1 [X.] nicht voraussetzen sollte, dass die gemeinnützigen Zwecke der geförderten Körperschaft denen der fördernden Körperschaft entsprechen müssen, käme es hierauf im Streitfall nicht an, da jedenfalls in der Satzung der Klägerin festgeschrieben ist, dass die [X.] der geförderten Körperschaft mit denen der Klägerin übereinstimmen müssen.

dd) Die Klägerin kann sich --worauf das [X.] zutreffend hinweist-- bei einem [X.]erstoß der tatsächlichen Geschäftsführung gegen Satzungsbestimmungen auch nicht auf einen aus der Erteilung der vorläufigen Freistellungsbescheinigung vom … September 2004 möglicherweise abzuleitenden [X.]ertrauensschutz berufen. Insoweit erübrigen sich auch weitere Ausführungen zu der von der Klägerin in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen [X.]erwaltungsanweisung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AE[X.]) 2008 zu § 59 Nr. 8 (BStBl I 2008, 26; jetzt abgelöst durch das [X.]erfahren nach § 60a [X.] i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung des Ehrenamtes vom 21. März 2013, [X.], 556, [X.], 339, vgl. hierzu AE[X.] 2014 zu § 60a Nr. 1, [X.], 290) sowie zu einer entsprechenden Anwendung der Regelung des § 176 Abs. [X.]. Eine vorläufige Freistellungsbescheinigung enthält jedenfalls keine positive Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsführung der Körperschaft.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 41/12

25.06.2014

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 26. April 2012, Az: 4 K 2239/09, Urteil

§ 57 AO, § 58 Nr 1 AO, § 63 Abs 1 AO, § 5 Abs 1 Nr 9 KStG 2002, § 3 Nr 6 GewStG 2002, § 59 AO, KStG VZ 2005, KStG VZ 2006, GewStG VZ 2005, GewStG VZ 2006, § 52 Abs 2 Nr 1 AO, § 52 Abs 2 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.06.2014, Az. I R 41/12 (REWIS RS 2014, 4626)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4626

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 59/11 (Bundesfinanzhof)

Keine Gemeinnützigkeit eines ausgegliederten Krankenhauslabors - Steuerbefreiung von Hilfspersonen - Unmittelbarkeitserfordernis


I R 91/09 (Bundesfinanzhof)

Anforderungen an die satzungsgemäße Vermögensbindung


V R 37/20 (Bundesfinanzhof)

Gemeinnütziges wissenschaftliches Editieren


V R 49/15 (Bundesfinanzhof)

Zur Zulässigkeit einer Klage gegen einen auf 0 € lautenden Körperschaftsteuerbescheid


6 K 173/19 (FG München)

Anerkennung der Gemeinnützigkeit - Steuervergünstigungen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.