Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2013, Az. III ZR 250/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4443

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 250/12

Verkündet am:

4. Juli 2013

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 839 Ca, Fm
Zu den Amtspflichten bei Mäharbeiten am Grünstreifen einer [X.].
[X.], Urteil vom 4. Juli 2013 -
III ZR 250/12 -
OLG Brandenburg

LG [X.] (Oder)
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Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
4.
Juli 2013
durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.], [X.], [X.] und Dr. Remmert

für Recht erkannt:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 17.
Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Steinschlagschäden, die infolge von
Mäharbeiten an dem Pkw
der Klägerin
entstanden sind.

Am 6.
September 2010 fuhr der
Ehemann der Klägerin mit diesem Pkw von [X.] kommend auf der [X.] in Richtung der Autobahn 20. Zur gleichen Zeit mähten die Zeugen S.

und [X.]

, beide [X.] der [X.]nmeisterei [X.]

, die zur [X.] gehörenden seitlichen Grünstreifen. Die [X.] ist in dem maßgeblichen Bereich mit einer Schutzplanke versehen. Deswegen konnten die
Arbeiten an dieser Stelle nur mit so
genannten Freischneidern ausgeführt
werden.
Das sind Handmotor-1
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sensen, die über keine Auffangkörbe verfügen und die das Mähgut auf der vom Bediener aus gesehen linken Seite auswerfen. In der Bedienungsanleitung des verwendeten Geräts ist vorgegeben, dass sich sowohl während des [X.] als auch während der Arbeit im Umkreis von 15
m keine weiteren Personen aufhalten dürfen. Dieser Abstand sei wegen der Gefahr der Sachbe-schädigung durch wegschleudernde Gegenstände auch zu Sachen einzuhalten.

Als der Ehemann der Klägerin an den
Zeugen S.

und [X.]

, die sich zu diesem Zeitpunkt auf dem zur Gegenfahrbahn gehörenden [X.] Grünstreifen
befanden,
vorbeifuhr, wurde das Fahrzeug der Klägerin durch beim Mähen aufgewirbelte Steine beschädigt. Die Klägerin macht [X.] in Höhe von 978,32

nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsan-waltskosten
geltend.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen stattgegeben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der [X.] seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1.
Das Berufungsgericht hat einen Amtshaftungsanspruch aus §
839 Abs.
1 Satz
1 BGB i.V.m. Art.
34 GG wegen der Beschädigung des Fahrzeugs der Klägerin durch die bei den Mäharbeiten hochgeschleuderten Steine bejaht. Eine 3
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Amtspflichtverletzung des
Beklagten
sei dadurch begründet, dass der Zeuge [X.]

den seitlichen Grünstreifen der [X.] mit einer Motor-sense so gemäht habe, dass dabei
Steine oder andere Gegenstände auf das vorbeifahrende Auto der Klägerin fliegen und dieses beschädigen konnten.

Dem beklagten Land obliege die (öffentlich-rechtliche) Verkehrssiche-rungspflicht hinsichtlich des betreffenden Streckenabschnitts. Diese Pflicht gehe dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der [X.] drohten. Zur Verkehrssicherungspflicht gehöre auch das Mähen zum [X.]nkörper gehörender Grünstreifen.

Bei Wahrnehmung dieser Pflichten sei der Beklagte
gehalten gewesen, bei den Mäharbeiten des zum [X.]nkörper gehörenden [X.] das Hochschleudern von Steinen und eine Beschädigung von vorbeifahrenden Fahrzeugen so weit wie möglich
zu vermeiden. Der Fahrzeugverkehr sei vor
dieser Gefahr auch nicht durch aufgestellte Warnhinweise hinreichend ge-schützt, weil die Verkehrsteilnehmer durch ihre Fahrweise eine Beschädigung ihrer
Fahrzeuge
infolge hochgeschleuderter Steine
nicht vermeiden könnten. Zumutbare Schutzmaßnahmen seien
hier mit vertretbarem technischem und wirtschaftlichem
Aufwand erreichbar gewesen. Der Beklagte hätte entlang der [X.] entweder eine Schutzplane errichten oder ein zweites Fahrzeug als Schutzschild vor
dem jeweils zu [X.] Bereich einsetzen können. [X.] wäre an die Wahl einer verkehrsärmeren Tageszeit mit Unterbrechung der Arbeit während der Vorbeifahrt von Verkehrsteilnehmern zu denken. [X.] das Aufstellen einer mobilen (z.B. auf Rollen montierten) wiederverwend-baren Schutzwand aus Kunststoffplanen erscheine sowohl technisch als auch 8
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wirtschaftlich vertretbar und im Hinblick auf die Risikoabwägung
auch hinnehm-bar. Diese ließe sich entsprechend der zu [X.] Fläche auf dem [X.] weiterfahren und würde den fahrbaren Bereich jeweils von der Gefahrenquelle abschirmen. Zwar ergebe sich auch hier ein zusätzlicher wirtschaftlicher Aufwand für den
Beklagten. Dieser Aufwand sei aber angesichts der im vorliegenden Fall deutlich hervorgetretenen erheblichen Gefahren, die von aufgeschleuderten Steinen für Sachen und Menschen ausgehen könnten, zuzumuten. Selbst die Verdoppelung der Arbeitskraft durch Fahren eines zwei-ten Fahrzeugs sei hinzunehmen, um die Verkehrsteilnehmer, die sich nicht selbst in diese Gefahr des Steinschlags durch Mäharbeiten
begeben hätten, zu schützen. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Amtshaftung lägen vor.

2.
Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Beklagte macht geltend, dass im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts alle zumutbaren Maßnahmen getroffen worden seien und die Mitarbeiter des Beklagten kein Schuldvorwurf treffe. Das Abspannen mit Planen sei wirtschaftlich unzumutbar, ebenso
der zusätzliche Kostenaufwand durch Mitfahren eines weiteren Pkw zur Abschirmung des vorbeifließenden Verkehrs vor aufgewirbelten Steinen. Bei den Arbeiten selbst hätten die Mitarbeiter alles zur Vermeidung der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer unternommen. Da das [X.] festgestellt habe, dass die Verkehrssicherungspflicht nicht ver-letzt worden sei, sei nach der [X.] ein Verschulden der Mitarbeiter des Beklagten zu verneinen. Soweit das Berufungsgericht Überle-gungen
zu mobilen Schutzwänden anstelle,
fehle es an einem geeigneten Sachvortrag der Klägerin oder konkreten tatrichterlichen Feststellungen. Es sei nicht ersichtlich, dass das Gericht über die erforderliche Sachkenntnis verfüge. Das Berufungsgericht wäge seine Überlegungen zum Nutzen entsprechender 10
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Maßnahmen zur Sicherung des Verkehrs nicht mit der schon aufgrund der Mäh-richtung geringen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ab. Eine völlige Gefahrlosigkeit der Arbeiten sei nicht zu gewährleisten. Eine Einstellung der Arbeiten während der [X.] sei ebenfalls nicht darstellbar, weil sie auf der viel befahrenen [X.] dazu führe, dass überhaupt keine Mäharbei-ten während
der Dienstzeiten ausgeführt werden könnten.

b) Die tatrichterliche Würdigung des
Berufungsgerichts, die Mitarbeiter der [X.]nmeisterei des beklagten [X.] hätten die ihnen gegenüber den die [X.] befahrenden Verkehrsteilnehmern obliegenden Amtspflichten schuldhaft verletzt, lässt keine Rechtsfehler erkennen.

aa) Zu den Amtspflichten, die Amtsträger zu beachten haben, gehört die Pflicht zu rechtmäßigem
Verhalten. Eine besonders wichtige Konsequenz die-ser Pflicht ist es, deliktische Schädigungen
zu unterlassen, insbesondere sich bei der Amtsausübung aller rechtswidrigen Eingriffe in fremde Rechte zu enthal-ten, vor allem in die durch §
823 Abs.
1 BGB geschützten absoluten Rechtsgü-ter, hier das Eigentum (vgl. Senatsurteil vom 28.
November 2002 -
III
ZR 122/02, NVwZ-RR 2003, 166).
Bei Mäharbeiten der vorliegenden Art sind dabei (insbesondere) die notwendigen Sicherungsvorkehrungen und maßnahmen zu treffen, um Schäden durch hochgeschleuderte Steine zu vermeiden (Senat aaO), wobei freilich nur solche Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen, die unter Berücksichtigung des [X.] mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können (vgl. [X.], Urteil vom 18.
Januar 2005 -
VI
ZR 115/04, NVwZ-RR 2005, 381, 382 zu §
7 StVG).

bb) Nach diesem Maßstab ist aufgrund der tatrichterlichen Feststellun-gen des Berufungsgerichts
eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Beklag-12
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ten infolge der Mäharbeiten seiner Mitarbeiter zu bejahen. Die Annahme
einer
Amtspflichtverletzung wird hier schon allein dadurch
getragen, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine mobile, auf Rollen montierte, wie-derverwendbare Schutzwand aus Kunststoffplanen bei den Mäharbeiten hätte verwendet werden können, die
entsprechend dem jeweiligen Mähabschnitt [X.] mitgeführt werden können, was die vorbeifahrenden Fahrzeuge vor [X.] Steinen geschützt hätte. Diese revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbare tatrichterliche Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen
und
hält den Angriffen des Beklagten stand.

Ohne Erfolg wendet der Beklagte insofern ein, es fehle an einem hinrei-chenden Vortrag der Parteien für die Annahme des Berufungsgerichts
zur Mög-lichkeit des Einsatzes einer mobilen Schutzwand aus Kunststoffplanen. Den
Einsatz eines Schlagschutzes in Form einer Plane hat die Klägerin bereits im Schriftsatz vom 13.
Oktober 2011 gegenüber dem [X.] in den Prozess eingeführt. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Einsatz von Planen an längeren zu [X.] Abschnitten einer [X.] unzumutbar sei. Das Berufungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der gesamte Streckenabschnitt einheitlich hätte [X.] werden müssen. Die Entschei-dung
steht deshalb auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Bundes-gerichtshofs vom 18.
Januar 2005 (VI
ZR 115/04, NVwZ-RR 2005, 381, 382
zu § 7 StVG), wonach ein vollständiges Abplanen des zukünftigen Arbeitsbereichs bei Mäharbeiten an Autobahnen
unzumutbar sei.

Hinzu
kommt, dass -
wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei in seine Würdigung mit einbezogen
hat -
die
Benutzung der von den Mitarbeitern des Beklagten verwendeten Freischneider ausweislich der Betriebsanleitung eine besonders hohe "Schleudergefahr"
mit sich bringt. Sie kommen deshalb nach 15
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dem eigenen Vorbringen des Beklagten vor allem dann
zum Einsatz, wenn [X.] der besonderen Beschaffenheit der zu [X.] Stelle (hier: "Freimähen"
von Schutzplanken) der Einsatz von Rasenmähern mit [X.] nicht mög-lich ist.

Da es sich bei der tatsächlichen Beurteilung der Möglichkeit
der Verhin-derung von Steinschlag infolge Mäharbeiten durch eine mobile Plane nicht um einen schwierigen technischen Vorgang
handelt, konnte das Berufungsgericht auch aus eigener Sachkunde ohne Hinzuzuziehung eines Sachverständigen die entsprechenden Feststellungen treffen. Umstände, die den Einsatz einer mobi-len Plane auf Rollen angesichts der Gefahren für den an den [X.] als wirtschaftlich unzumutbar erscheinen lassen, zeigt der
Beklagte nicht auf. Insbesondere ist ein die Grenzen der Zumutbarkeit überscheitender
zusätzlicher Personalaufwand nicht ersichtlich.

c) Nach dem das Amtshaftungsrecht beherrschenden objektiven Sorg-faltsmaßstab trifft die Mitarbeiter
des Beklagten hier auch ein Fahrlässigkeits-vorwurf: Sie hätten
die Notwendigkeit weitergehender Schutzvorkehrungen zu-mindest erkennen
und in Rechnung stellen können. Insbesondere der Einsatz von mobilen Absperrvorrichtungen hätte in Erwägung gezogen werden müssen.

Soweit der Beklagte insoweit geltend macht, aufgrund der Klageabwei-sung durch das [X.] falle ein [X.] nach der [X.] weg, greift dies schon deshalb nicht, da das [X.] durch den Einzelrichter entschieden hat und nicht durch ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht (vgl. Senatsurteil
vom 14. März 1996
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III
ZR 224/94,
NJW 1996, 2422, 2424).

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d) Da keine Rechtsfehler hinsichtlich der Annahme der übrigen Voraus-setzungen eines Amtshaftungsanspruchs erkennbar sind und die unterlassene Vornahme eines Schutzes des vorbeifahrenden Verkehrs durch eine mobile Schutzplane den geltend gemachten [X.] trägt, kommt es auf die weiteren vom Berufungsgericht erörterten Maßnahmen, gegen die sich der [X.] wehrt, nicht mehr an.

[X.]

[X.]

[X.]

[X.]
Remmert
Vorinstanzen:
LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 20.10.2011 -
12 O 492/10 -

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 17.07.2012 -
2 U 56/11 -

20

Meta

III ZR 250/12

04.07.2013

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2013, Az. III ZR 250/12 (REWIS RS 2013, 4443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4443

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 250/12

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