Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.04.2016, Az. 7 ABN 55/15

7. Senat | REWIS RS 2016, 12674

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Wahlanfechtung - Befangenheit - Mitwirkung eines abgelehnten Richters


Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 8. sowie der Beteiligten zu 10. bis 12. werden der Beschluss des [X.] vom 24. Juni 2015 - 2 [X.] - und die Beschlüsse vom 24. Juni 2015 über die gegen den Vizepräsidenten des [X.] sowie gegen den Präsidenten des [X.] gerichteten Ablehnungsgesuche aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 14. gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des [X.] vom 24. Juni 2015 - 2 [X.] - wird als unzulässig verworfen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten zu 17. und 18. sind Tochterunternehmen der Beteiligten zu 16., die im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs tätig sind. Beteiligter zu 14. ist der ehemalige Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 17., Beteiligter zu 15. ist der ehemalige Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 18. Die am 17./18. März 2014 durchgeführten Wahlen der Betriebsräte wurden aufgrund von [X.] rechtskräftig für unwirksam erklärt. Am 19. März 2014 wurde der zu 13. beteiligte [X.] gewählt, dessen Wahl im vorliegenden Verfahren von den wahlberechtigten Arbeitnehmern zu 1. bis 8., 10. und 11. sowie der zu 12. beteiligten [X.] angefochten wurde.

2

Das Arbeitsgericht erklärte die am 19. März 2014 durchgeführte Wahl des „[X.]s“ für unwirksam. Gegen diese Entscheidung legte der „[X.]“ Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 23. März 2015 beraumte das [X.] einen Termin zur Anhörung der Beteiligten auf den 24. Juni 2015, 10.30 Uhr an. Mit weiterem Beschluss vom 19. Mai 2015 lud der [X.] vorsorglich die ehemalige Angestellte des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller K als Zeugin. Mit [X.] vom 22. Juni 2015 teilte der Beteiligte zu 15. (Betriebsrat der [X.]) dem [X.] mit, er habe beschlossen, in dem Verfahren einen Befangenheitsantrag zu stellen und die [X.] (den heutigen Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 15.) mit der Abgabe der entsprechenden Erklärungen zu beauftragen. Der angekündigte Befangenheitsantrag gegen den Vizepräsidenten des Sächsischen [X.]s als Vorsitzenden der [X.] ging bei dem [X.] am darauffolgenden Tag, dem 23. Juni 2015, ein. Daraufhin verfügte der abgelehnte [X.] am selben Tag, die Akte dem Präsidenten des Sächsischen [X.]s als zuständigem richterlichen Vertreter „unter Hinweis auf die für morgen zur Anhörung anstehende Sache …“ vorzulegen. Zugleich teilte er mit, sich derzeit weiterer Verfügungen zu enthalten. Außerdem gab der abgelehnte [X.] eine dienstliche Stellungnahme zu dem [X.] des Beteiligten zu 15. ab. Der Präsident des [X.]s verfügte ebenfalls am 23. Juni 2015, dass die dienstliche Stellungnahme den Verfahrensbeteiligten zugeleitet wird. Zugleich gab er dem Beteiligten zu 15. Gelegenheit, zur dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten [X.]s bis spätestens zum 24. Juni 2015, 8.00 Uhr Stellung zu nehmen.

3

Mit [X.] des Beteiligten zu 15. vom 23. Juni 2015, das bei dem [X.] um 22.15 Uhr einging, stellte der Beteiligte zu 15. einen weiteren Befangenheitsantrag gegen den die Anweisung vom 23. Juni 2015 zur Stellungnahme bis 24. Juni 2015, 8.00 Uhr gebenden [X.]. Zur Begründung dieses weiteren [X.]s machte der Beteiligte zu 15. [X.]. geltend, er könne bis zum 24. Juni 2015, 8.00 Uhr nicht zu einer dienstlichen Stellungnahme gehört werden, die ihn am Vortag gegen 15.30 Uhr erreicht habe.

4

Mit Beschluss vom 24. Juni 2015 verwarf die Kammer das gegen den Präsidenten des [X.]s gerichtete [X.] unter Mitwirkung des abgelehnten Präsidenten als unzulässig, weil es offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Es sei davon auszugehen, dass der Befangenheitsantrag gegen den Präsidenten des [X.]s nur deshalb gestellt worden sei, um die Aufhebung des [X.] zu erreichen. In derselben Kammerbesetzung hat das [X.] anschließend das gegen den Vizepräsidenten des [X.]s gerichtete [X.] als unbegründet abgewiesen. Unter Mitwirkung des Vizepräsidenten hat das [X.] in der Hauptsache entschieden. Es hat der Beschwerde stattgegeben, den angefochtenen Beschluss abgeändert und den [X.] als unbegründet abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die [X.]. auf Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen [X.] und damit auf den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der zu 1. - 8. sowie 10. - 11. beteiligten wahlberechtigten Arbeitnehmer, der zu 12. beteiligten [X.] und des zu 14. beteiligten Betriebsrats.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des zu 14. beteiligten Betriebsrats ist unzulässig. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde der wahlberechtigten Arbeitnehmer und der zu 12. beteiligten [X.] ist dagegen begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

6

1. Die Beschwerde des zu 14. beteiligten Betriebsrats ist unzulässig, weil er nicht mehr beteiligtenfähig ist.

7

a) Ein unstreitiger Verlust der [X.] führt zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Nur soweit die [X.] selbst streitig ist, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Es entspricht einem allgemeinen prozess[X.]len Grundsatz, dass eine Partei, deren Parteifähigkeit oder gar rechtliche Existenz überhaupt im Streit steht, wirksam ein Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen kann, eine Sachentscheidung zu erlangen ([X.] 27. Mai 2015 - 7 [X.] - Rn. 15 mwN).

8

b) Danach ist die Nichtzulassungsbeschwerde des zu 14. beteiligten Betriebsrats unzulässig. Die Wahl des Beteiligten zu 14. wurde vom Sächsischen [X.] in dem Verfahren - 2 TaBV 26/14 - rechtskräftig für unwirksam erklärt. Der Senat hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch Beschluss vom 4. November 2015 (- 7 ABN 31/15 -) zurückgewiesen. Seitdem besteht der zu 14. beteiligte Betriebsrat nicht mehr und hat damit auch seine [X.] verloren.

9

2. Die Beschwerde der wahlberechtigten Arbeitnehmer und der zu 12. beteiligten [X.] ist zulässig und begründet (§§ 92a, 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG). Die Entscheidung des [X.]s über die Wahlanfechtung beruht auf einer von den Beschwerdeführern substantiiert dargelegten Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen [X.] und damit auf dem absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO. Die Kammer des [X.]s war bei Erlass des Beschlusses über die Wahlanfechtung nicht ordnungsgemäß besetzt, weil das gegen den Präsidenten des [X.]s gerichtete Ablehnungsgesuch des Beteiligten zu 15. zuvor unter Mitwirkung des abgelehnten Präsidenten und damit unter Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen [X.] beschieden worden war. Dieser Verstoß strahlt auf die Entscheidung über die Wahlanfechtung aus.

a) Der verfahrensbeendenden (instanzbeendenden) Entscheidung vorausgegangene unanfechtbare Entscheidungen unterliegen gemäß §§ 92a, 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Beurteilung des [X.]. Deshalb ist eine inzidente Überprüfung der Entscheidung des [X.] über ein Ablehnungsgesuch im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die unter Mitwirkung des erfolglos abgelehnten [X.]s getroffene Sachentscheidung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Beteiligte, dessen Befangenheitsantrag abgelehnt worden ist, ist vielmehr auf die beim Ausgangsgericht zu erhebende Anhörungsrüge gemäß § 78a ArbGG zu verweisen ([X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 1087/15 - Rn. 6; 23. September 2008 - 6 [X.] 84/08 - Rn. 5, [X.]E 128, 13).

b) Allerdings kann der absolute Revisionsgrund der fehlerhaften Besetzung des Gerichts ausnahmsweise mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, wenn das Ablehnungsgesuch nicht nur fehlerhaft behandelt worden ist, sondern das Gericht zweiter Instanz bei der Bescheidung des [X.] Bedeutung und Tragweite der [X.]garantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat. Dann stellt die in fehlerhafter Besetzung ergangene, die Instanz abschließende Entscheidung einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen [X.]s dar. In einem solchen Fall ist auch die dem Ablehnungsgesuch folgende Sachentscheidung mit dem „Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen [X.] behaftet“ ([X.] 11. März 2013 - 1 [X.] - Rn. 40). Der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen [X.]s wirkt insoweit fort. Aufgrund der Ausstrahlungswirkung der [X.]garantie des gesetzlichen [X.]s muss das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht in dieser Konstellation die im [X.] vor dem Gericht zweiter Instanz erfolgten [X.]verstöße im [X.] beheben und die in fehlerhafter Besetzung ergangene Entscheidung aufheben (vgl. [X.] 24. Febr[X.]r 2006 - 2 BvR 836/04 - Rn. 60 ff., [X.]K 7, 325; 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - Rn. 28, [X.]K 11, 434; 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 - Rn. 11, [X.]K 13, 72). Diese Grundsätze gelten nicht nur für das [X.] im [X.] (vgl. hierzu [X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 1087/15 - Rn. 7), sondern nach § 92a ArbGG entsprechend auch im Beschlussverfahren.

c) Die Beschwerde rügt zu Recht, dass dem [X.] bei der Behandlung der beiden Ablehnungsanträge ein Verstoß unterlaufen ist, der sich auch auf den instanzbeendenden Beschluss über die Wahlanfechtung auswirkte. Die Entscheidung in der Sache unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s stellte deshalb einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen [X.]s dar. Das führt zur Aufhebung der Entscheidungen über die Wahlanfechtung sowie über die Befangenheitsanträge und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

aa) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen [X.]. Nach ständiger Rechtsprechung hat dieses grundrechtsgleiche Recht über die Abwehr einer sachwidrigen Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Der Anspruch auf den gesetzlichen [X.] garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem [X.] steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die [X.] und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Die [X.] müssen darum Regelungen vorsehen, die es ermöglichen, einen [X.], bei dem diese Gewähr nicht (mehr) gegeben ist, von der Ausübung seines Amtes abzulösen ([X.] 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 13 f.; [X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 1087/15 - Rn. 9).

bb) Wird im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein [X.] als befangen abgelehnt, wird gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, § 45 Abs. 1 ZPO über das Ablehnungsgesuch ohne seine Mitwirkung entschieden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines [X.]s fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste. Gleichwohl ist anerkannt, dass abweichend von diesem Grundsatz und abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in ursprünglicher Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheiden darf. Hierzu zählen [X.]. die Ablehnung eines ganzen Gerichts als solches sowie das offenbar grundlose, nur der Verschleppung dienende und damit rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuch (vgl. [X.] 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 15; [X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 1087/15 - Rn. 10 mwN).

cc) Diese differenzierende Zuständigkeitsregelung in Fällen der [X.]ablehnung steht im Einklang mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieser erlaubt es in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten [X.] aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dem abgelehnten [X.], an der Behandlung des [X.] mitzuwirken und so ein aufwändiges und zeitraubendes [X.] zu vermeiden. Diese Abweichung von der gesetzlichen Regel ist jedoch nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Voraussetzung ist, dass die Prüfung des Gesuchs keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten [X.]s voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache darstellt. Erlaubt sind nur echte Formalentscheidungen und Entscheidungen, die einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern sollen. Ein rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch kann deshalb nur angenommen werden, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn das Ablehnungsgesuch Handlungen des [X.]s beanstandet, die nach der Zivilprozessordnung oder dem Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschrieben sind oder die sich ohne weiteres aus der Stellung des [X.]s ergeben. Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch daher auch im Lichte des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG betrachtet dann, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein [X.] habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt. Unzulässig ist das Gesuch auch, wenn sich der [X.] an den von der Zivilprozessordnung bzw. dem Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschriebenen Verfahrensgang hält, der Ablehnende aber eine Änderung begehrt. Eine Verwerfung des [X.] unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s ist daher grundsätzlich nur dann mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu vereinbaren, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein - ohne jede weitere Aktenkenntnis - offenkundig die Ablehnung nicht zu begründen vermag. Ist hingegen ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet die Ablehnung des Gesuchs als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s aus. Eine gleichwohl erfolgte Entscheidung durch den abgelehnten [X.] selbst ist dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte [X.] nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum [X.] in eigener Sache machen. Überschreitet das Gericht bei Anwendung dieses [X.] die ihm gezogenen Grenzen, kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen ([X.] für den Zivilprozess in [X.]Rspr. seit 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - Rn. 19 f., [X.]K 11, 434; vgl. auch 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 16 ff.; [X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 1087/15 - Rn. 11).

dd) Bei Anlegung dieses verfassungsrechtlichen Maßstabs zur Differenzierung zwischen einer mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG noch zu vereinbarenden Selbstentscheidung und einer unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s erfolgten Entscheidung, die von dieser [X.]norm nicht mehr gedeckt ist, hat das [X.] mit der Entscheidung über das gegen den Präsidenten des [X.]s gerichtete Ablehnungsgesuch unter dessen Beteiligung die ihm von [X.] wegen gezogenen Grenzen überschritten.

Dieses zweite Ablehnungsgesuch wurde von der Kammer als rechtsmissbräuchlich angesehen, weil es offensichtlich einer Verhinderung der Durchführung des [X.] diene und damit das [X.] rechtsmissbräuchlich genutzt werde. Das [X.] hat die relativ kurze Frist zur Stellungnahme auf die dienstliche Äußerung des Vizepräsidenten als „durchaus ausreichend“ erachtet. Es sei dem Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 15. leicht möglich gewesen, innerhalb dieser Frist substantiiert Stellung zu nehmen. Dies zeige sich bereits daran, dass er innerhalb dieser Frist in der Lage gewesen sei, gegen den Präsidenten des [X.]s einen ausführlichen, fast vierseitigen Befangenheitsantrag zu formulieren und der 48-seitige gegen den Vizepräsidenten gerichtete Befangenheitsantrag seine umfassende, bis ins Detail gehende Kenntnis dokumentiere.

Für diese Erwägungen mag in der Sache manches sprechen. Jedoch war dem abgelehnten Präsidenten des [X.]s eine Mitwirkung an der Entscheidung über seine Befangenheit verwehrt, weil dafür eine Auseinandersetzung mit dem von ihm beeinflussten Prozessverlauf erforderlich war. Die Entscheidung des abgelehnten Präsidenten, dem Beteiligten zu 15. auf die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Vizepräsidenten vom 23. Juni 2015 eine Frist zur Stellungnahme bis zum 24. Juni 2015, 8.00 Uhr einzuräumen, ist eine prozessleitende richterliche Ermessensentscheidung. Die Dauer der Frist zur Stellungnahme ist weder durch die Zivilprozessordnung noch durch das Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschrieben. Die Fristsetzung wird mit dem gegen den Präsidenten gerichteten Ablehnungsgesuch gerade beanstandet. Der Beteiligte zu 15. hat zur Begründung des [X.] ausgeführt, in der Kürze der [X.] sei eine Stellungnahme nicht möglich, weil der Betriebsrat nur nach ordnungsgemäßer Einberufung und nur in seiner Gesamtheit eine Stellungnahme abgeben könne; der Vorsitzende des Betriebsrats sei lediglich Erklärungsbote. Dies müsse dem [X.], der die Frist zur Stellungnahme auf die dienstliche Äußerung verfügt habe, klar gewesen sein. Die Ablehnung werde darauf gestützt, dass durch die kurze Fristsetzung ein „massiver Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs“ vorliege. Die Kammer des [X.]s ist dieser Argumentation bei ihrer Entscheidung über das gegen den Präsidenten gerichtete [X.] ausdrücklich nicht gefolgt. Damit hat der abgelehnte Präsident an einer Entscheidung in eigener Sache mitgewirkt und damit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Diese Verletzung strahlt auf die instanzbeendende Entscheidung aus. Über das gegen den Präsidenten gerichtete Ablehnungsgesuch ist daher ohne seine Beteiligung erneut zu befinden. Danach ist nochmals über das [X.] gegen den abgelehnten Vizepräsidenten zu entscheiden, bevor die dann feststehenden gesetzlichen [X.] eine instanzbeendende Entscheidung über die Wahlanfechtung treffen können.

III. Da bereits die gerügte Verletzung des absoluten Revisionsgrundes des § 547 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung der anzufechtenden Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] führt, bedarf es keiner Entscheidung über die weiteren [X.] der Beschwerdeführer.

IV. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat in analoger Anwendung von §§ 92a, 72a Abs. 7 ArbGG iVm. § 563 Abs. 1 ZPO den instanzbeendenden Beschluss des [X.]s - einschließlich der inzident überprüfbaren Entscheidungen über die [X.]e - aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen (vgl. hierzu [X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 1087/15 - Rn. 16 mwN).

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Kiel    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Kley    

                 

Meta

7 ABN 55/15

20.04.2016

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABN

vorgehend ArbG Leipzig, 4. November 2014, Az: 5 BV 43/14, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 45 Abs 1 ZPO, § 547 Nr 1 ZPO, § 92a ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.04.2016, Az. 7 ABN 55/15 (REWIS RS 2016, 12674)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12674

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