Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2013, Az. XII ZB 81/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7224

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS
XII [X.]/11
Verkündet am:

20. März 2013

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §
1603; [X.] §
79 Abs.
2
a)
Wurde ein unterhaltspflichtiges Kind rechtskräftig dazu verurteilt, Ansprüche auf Elternunterhalt, die der Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht geltend macht, durch die Annahme eines Darlehensangebotes des Sozialhilfeträgers zu erfüllen,
und beruht das Urteil auf einer Rechtsanwendung, die vom Bundesver-fassungsgericht zu einem späteren Zeitpunkt in einem anderen Fall als verfas-sungswidrig beanstandet wurde, kann dem Anspruch des Sozialhilfeträgers auf Rückzahlung des Darlehens der Einwand
des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegengesetzt werden.
b)
Deshalb kann von dem Sozialhilfeträger die Bewilligung der Löschung einer zur Sicherung der Darlehensforderung bestellten Grundschuld verlangt werden.
c)
Zur Reichweite des [X.]s aus §
79 Abs.
2 Satz
4 [X.].
[X.], Beschluss vom 6. Februar 2013 -
XII [X.]/11 -
[X.] [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 6.
Februar 2013 durch [X.], die Richterin Dr.
Vézina und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr.
Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 11.
Januar 2011 wird auf Kos-ten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner die [X.] für eine Grundschuld.
In der [X.] bis Juni 1996 erbrachte der Antragsgegner So-zialhilfeleistungen in Höhe von 76.449,53
DM (39.088,02

damals pfle-gebedürftige Mutter der Antragstellerin. Durch Rechtswahrungsanzeige vom 12.
Juli 1990 wurde die Antragstellerin von der Hilfeleistung unterrichtet. Die verheiratete Antragstellerin verfügte im Zeitraum der Leistungserbringung über keine eigenen Einkünfte. Gemeinsam mit ihrem Ehemann war und ist sie Mitei-gentümerin eines selbstgenutzten Einfamilienhauses.
Nachdem der Antragsgegner die Sozialhilfeleistungen an die Mutter der Antragstellerin
eingestellt hatte, nahm er die Antragstellerin aus übergegange-nem Recht in Höhe der erbrachten Leistungen auf Elternunterhalt in Anspruch. 1
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3
-
Die ursprünglich auf Zahlung gerichtete Klage änderte der Antragsgegner im Laufe des Verfahrens dahingehend, dass die Antragstellerin zu verurteilen sei, ein ihr vom Antragsgegner angebotenes zinsloses Darlehen in Höhe von 76.449,53
DM (39.088,02

Ehemannes, anzunehmen und zur Sicherung des Darlehens eine Grundschuld in Höhe des [X.] nebst Zinsen ab Fälligkeit auf den Miteigen-tumsanteil an ihrem Hausgrundstück zu bewilligen und zu beantragen. Mit Urteil vom 1.
August 1997 wurde die Antragstellerin antragsgemäß verurteilt. [X.] gegen dieses Urteil legte sie nicht ein. Die Grundschuld wurde aufgrund einer im Dezember 1997 notariell beurkundeten Bestellung im Grundbuch ein-getragen.
Nachdem das [X.] mit Urteil vom 7.
Juni 2005 (FamRZ
2005, 1051
ff.) ein Urteil des [X.] vom 3.
Mai 1996 ([X.], 1498
ff.) für verfassungswidrig erklärt hatte, in dem ein auf El-ternunterhalt in Anspruch genommener Unterhaltspflichtiger dazu verurteilt worden war, ein vom Sozialhilfeträger angebotenes zinsloses Darlehen anzu-nehmen und zur Sicherung der Darlehensforderung eine Grundschuld auf
sei-nem Miteigentumsanteil zu bestellen, forderte die Antragstellerin den Antrags-gegner vergeblich zur Abgabe einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der zu seinen Gunsten eingetragenen Grundschuld auf.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin vom [X.] die Abgabe einer entsprechenden Löschungsbewilligung. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das [X.] die Entscheidung des Amtsgerichts geändert und den Antrags-gegner verpflichtet, die Löschung der Grundschuld zu bewilligen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Antragsgegner die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.
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4
-
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in FuR
2011, 329 ver-öffentlicht ist, hat zur Begründung ausgeführt:
Zwischen den Parteien sei aufgrund des Urteils des Amtsgerichts vom 1.
August 1997 nicht nur ein Darlehensvertrag zustande gekommen, sondern zugleich eine Sicherungsvereinbarung bezüglich der von der Antragstellerin zu bestellenden Grundschuld. Aus der Sicherungsabrede habe der [X.] grundsätzlich einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld. Vorliegend sei Zweck der Grundschuld die Sicherung des durch das Urteil begründeten [X.] des Antragsgegners. Dieser Zweck sei entfallen, da dem aus dem [X.] resultierenden Anspruch des Antragsgegners eine dauernde Ein-rede der Antragstellerin entgegenstehe. Der aufgrund des amtsgerichtlichen Urteils zwischen den Parteien zu Stande gekommene Darlehensvertrag versto-ße sowohl gegen ein gesetzliches Verbot [X.]. §
134 BGB als
auch gegen die guten Sitten [X.]. §
138 Abs.
1 BGB. Die Belastung der Antragstellerin mit ei-nem grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen greife in deren nach Art.
2 Abs.
1 GG verfassungsmäßig geschützte finanzielle Dispositionsfreiheit ein und finde keine Stütze in der verfassungsmäßigen Ordnung. Außerdem wirkten die Grundrechtsartikel gegenüber Körperschaften des öffentlichen Rechts wie dem Antragsgegner als unmittelbare Verbotsnormen [X.]. §
134 BGB und führten somit zur Nichtigkeit eines gegen sie verstoßenden Rechtsgeschäfts.
Der vorliegend zur Entscheidung gestellte Sachverhalt entspreche hin-sichtlich seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung der Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichts vom 7.
Juni 2005. Darin habe das Bundesverfassungs-6
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gericht festgestellt, dass die mit der Verfassungsbeschwerde angefochtene Entscheidung des [X.], mit der die dortige Beschwerdeführe-rin zur Zahlung eines auf den Sozialhilfeträger übergeleiteten Unterhaltsbetra-ges verpflichtet
worden
sei, weil sie aufgrund des ihr vom Sozialhilfeträger [X.] zinslosen Darlehens leistungsfähig sei, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet werden könne und die von Art.
2 Abs.
1 GG geschütz-te finanzielle Dispositionsfreiheit der Beschwerdeführerin in verfassungswidriger Weise einschränke. Diese vom [X.] als verfassungswid-rig angesehene Rechtsauffassung liege auch dem
Urteil des Amtsgerichts vom 1.
August 1997 zu Grunde. Aus der Verurteilung der Antragstellerin zur Annah-me des ihr von Seiten des Antragsgegners angebotenen Darlehens ergebe sich, dass das Amtsgericht die Erfüllung der Unterhaltsansprüche letztlich in der Übernahme der [X.] gegenüber dem Antragsgegner [X.] habe, die durch die Sicherungsgrundschuld abgesichert werden sollte. Im Ergebnis gehe daher auch das Amtsgericht davon aus, dass die Antragstellerin ihre Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrer Mutter, die sie unstreitig nicht aus ihrem laufenden Einkommen erfüllen konnte, durch die Übernahme einer [X.] erfülle und um dieses Darlehen zu erlangen, sie ihren Grundstücksanteil als Sicherungsmittel einsetzen müsse. Daher habe auch das Amtsgericht, wie in dem vom [X.] entschiedenen Fall, einen Unterhaltsanspruch für einen vergangenen Zeitraum mit einer Leistungs-fähigkeit der Antragstellerin begründet, die erst mit der durch das [X.] eröffneten Möglichkeit zum Einsatz des [X.] und damit nach Ablauf des [X.] gewesenen [X.] eingetreten sei.
Deshalb könne die Antragstellerin der Forderung des Antragsgegners aus dem Darlehensvertrag nach §
242 BGB den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensetzen. Es stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar, 10
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wenn der Antragsgegner die durch das Urteil erworbene Rechtsposition aus-nutze, obwohl er heute die Verfassungswidrigkeit der dem Urteil vom 1.
August 1997 zu Grunde liegenden Rechtsanwendung kenne.
Dem stehe auch das [X.] des §
79 Abs.
2 Satz
4 [X.]
nicht entgegen. Zwar erfasse diese Vorschrift auch Fälle, in denen das [X.] später eine der vollstreckbaren Gerichtsent-scheidung zu Grunde liegende Auslegung einer Norm für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt habe oder durch eine spätere verfassungsgerichtliche Ent-scheidung
die Zivilgerichte angehalten würden, bei der Auslegung und Anwen-dung von Generalklauseln und auslegungsbedürftigen Regelungstatbeständen die einschlägigen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der sich aus §
79 Abs.
2 Satz
4 [X.] ergebende Ausschluss der Rückabwick-lung wirke jedoch nur für die Vergangenheit. Die sich für die Zukunft aus der Durchsetzung fehlerhafter Akte der öffentlichen Gewalt ergebenden Folgen könnten hingegen abgewendet werden. Vorliegend seien aufgrund des Urteils vom 1.
August 1997 eine Darlehensforderung des Antragsgegners sowie ein Anspruch aus einer Grundschuld entstanden. Beide Ansprüche seien noch nicht erfüllt. Dem noch ausstehenden Erfüllungsverlangen des Antragsgegners könne die Antragstellerin nach §
242 BGB den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensetzen bzw. hierauf eine Vollstreckungsabwehrklage gegen eine Vollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde vom 17.
De-zember 1997 stützen. Da der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtsvernichtend wirke, sei sowohl die Darlehensforderung als auch die Forde-rung aus der Grundschuld nicht mehr durchsetzbar. Deshalb gründe sich der Löschungsanspruch der Antragstellerin auch nicht auf eine
Durchbrechung der
Rechtskraft des Urteils vom 1.
August 1997, sondern ergebe sich daraus, dass den durch das Urteil begründeten Forderungen eine durch das Urteil des Bun-desverfassungsgerichts vom 7.
Juni 2005 im Nachhinein erwachsene, dauer-11
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hafte Einrede entgegenstehe. Dem stehe das [X.] des §
79 Abs.
2 Satz
4 [X.] nicht entgegen.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner aus der der [X.]bestellung zu Grunde liegenden Sicherungsvereinbarung einen Anspruch auf Abgabe einer grundbuchrechtlichen Löschungsbewilligung.
a) Der Anspruch ergibt
sich allerdings nicht aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch scheidet bereits deshalb aus, weil die Grundschuldbestellung nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Der Rechtsgrund für die Bestellung einer Sicherungsgrundschuld ist regel-
mäßig der [X.] zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsneh-mer ([X.]/[X.] 5.
Aufl. §
1192 Rn.
13; [X.]/[X.]/Rohe BGB 3.
Aufl. §
1192 Rn.
54; [X.]/Bassenge BGB 72.
Aufl. §
1191 Rn.
15). Eine Sicherungsgrundschuld kann daher vom Sicherungsgeber nur dann im Wege des Bereicherungsrechts zurückverlangt werden, wenn der [X.] fehlt oder nachträglich weggefallen ist (vgl. [X.] Urteil vom 2.
Oktober 1990

XI
ZR
205/89

NJW-RR 1991, 305; [X.]/[X.] 5.
Aufl. §
1192 Rn.
15).
Beides ist vorliegend nicht gegeben. Zwar haben die Beteiligten keinen
ausdrücklichen
[X.] getroffen. Ein
solcher
kann jedoch auch kon-kludent abgeschlossen und im Abschluss des Darlehensvertrages gesehen werden, der durch die Grundschuld gesichert werden soll (vgl. [X.] Urteil vom 2.
Oktober 1990

XI
ZR
205/89

NJW-RR 1991, 305; [X.]/[X.]/Rohe BGB 3.
Aufl. §
1192 Rn.
55). Aus dem [X.] des amtsge-richtlichen Urteils vom 1.
August 1997 ist ersichtlich, dass die von der Antrag-stellerin zu bestellende Grundschuld allein der Sicherung der Forderung des 12
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Antragsgegners aus dem Darlehensvertrag dienen sollte. Damit ist ein konklu-dent vereinbarter [X.] zustande gekommen. Anhaltspunkte dafür, dass dieser
unwirksam oder später weggefallen sein könnte, liegen nicht vor. Insbesondere bleibt der [X.] vom Bestand oder der Durchsetz-barkeit der von der Grundschuld gesicherten Darlehensforderung unberührt.
b) Ein Anspruch der Antragstellerin auf Abgabe einer grundbuchrechtli-chen Löschungsbewilligung ergibt sich aber aus dem [X.].
aa) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der [X.] aus dem [X.] bei Wegfall des Sicherungszwecks ei-nen Anspruch gegen den Sicherungsnehmer auf Rückgewähr der Grundschuld hat. Da durch den [X.] Einreden und Einwendungen, die dem Sicherungsgeber gegen die Forderung zustehen, auf die Grundschuld bezogen werden, kann der Sicherungsgeber auch dann die Rückgewähr der [X.] verlangen, wenn der Durchsetzung der gesicherten Forderung eine dauernde
Einrede oder Einwendung entgegensteht (vgl.
[X.]/[X.] 5.
Aufl. §
1192 Rn.
86). Denn in diesem Fall kann der Sicherungs-zweck ebenfalls nicht mehr erreicht werden. Der [X.] ist nach Wahl des Sicherungsgebers auf Abtretung der Grundschuld, deren Aufhebung oder den Verzicht auf das dingliche Recht gerichtet ([X.] Urteil vom 26.
April 1994

XI
ZR
97/93

NJW-RR 1994, 847, 848). Macht der Sicherungsgeber einen Anspruch auf Abgabe einer grundbuchrechtlichen Löschungsbewilligung geltend und gibt der Sicherungsnehmer die entsprechende Erklärung ab, enthält
diese gleichzeitig die grundbuchrechtliche Erklärung der Aufgabe des Rechts nach §
875 BGB (vgl. [X.] Urteil vom 29.
September 2006

V
ZR
25/06

MDR 2007, 296 und
[X.]/Bassenge BGB 72.
Aufl. §
875 Rn.
3).
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bb) Der Antragstellerin steht gemäß §
242 BGB eine dauernde Einrede gegen die durch die Grundschuld gesicherte Forderung zu. Da die Antragstelle-rin
durch das Darlehen, zu dessen Annahme sie verurteilt worden ist, im [X.] auf die Entscheidung des [X.]s vom 7.
Juni 2005 in ihrer nach Art.
2 Abs.
1 GG geschützten wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit verletzt wurde, würde die Antragsgegnerin rechtmissbräuchlich handeln, wenn sie den Darlehensrückzahlungsanspruch geltend macht.
(1) Beruft sich ein Berechtigter auf eine formale Rechtsposition, die er durch ein gesetz-, sitten-
oder vertragswidriges Verhalten erlangt hat, kann ihm der Verpflichtete nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 BGB) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten (vgl. [X.]Z 57, 108 =
NJW 1971, 2226). Deshalb kann die Geltendmachung vertraglicher Rechte unzulässig sein, wenn der Vertragsschluss durch unredliches Verhalten herbeigeführt worden ist ([X.]/[X.]/[X.] 3.
Aufl. §
242 Rn.
60; [X.]/[X.]/[X.] 6.
Aufl. §
242 Rn.
244). Gleiches gilt für die Inanspruchnahme des Verpflichteten aus einer Sicherheit, die für die durch ein rechtlich zu missbilligendes
Verhalten entstandene Forderung bestellt worden ist. Beruhen
der Vertragsschluss und die
Bestellung der Sicherheit allerdings wie im vorliegenden Fall auf der rechtskräftigen Verurteilung des Verpflichteten zur Abgabe der entsprechenden Willenserklärungen, muss der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das [X.] aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. [X.]Z 101, 380 =
NJW 1987, 3256, 3257 zu §
826 BGB;
vgl. auch Senatsurteil vom 19.
Februar 1986

IVb
ZR
71/84

NJW 1986, 1751, 1753). Die Rechtskraft ei-nes materiell unrichtigen Titels muss aber dann zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass
der Titelgläubiger 17
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seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt.
(2) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin einer Inanspruchnahme aus dem Darle-hen den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten könnte.
Das [X.] hat mit Urteil vom 7.
Juli 2005 (FamRZ 2005,
1051
ff.) entschieden, dass es gegen die Verfassung verstößt, wenn ein zivilrechtlich nicht gegebener Anspruch auf Elternunterhalt mit Hilfe eines vom Sozialhilfeträger gewährten Darlehens begründet werden soll. Zur Begründung hat das [X.] im Wesentlichen darauf abgestellt, dass ein Unterhaltsanspruch für einen vergangenen Zeitraum nicht mit einer Leistungs-fähigkeit zu einem Zeitpunkt begründet werden könne, der erst nach dem Ende dieses Zeitraums liege. Denn sowohl das Unterhaltsrecht wie auch das [X.] setzten bei einem Unterhaltsanspruch voraus, dass Bedürftigkeit beim Berechtigten und Leistungsfähigkeit beim Pflichtigen zeitgleich
vorlägen (vgl. [X.] FamRZ 2005, 1051, 1053). Außerdem widerspreche die Begründung einer Leistungsfähigkeit des pflichtigen Kindes im Wege eines vom [X.] gewährten Darlehens
dem Zweck des Sozialhilferechts. Könne man die Leistungsfähigkeit des pflichtigen Kindes mit Hilfe eines Darlehens herstellen, habe es der Sozialhilfeträger in der Hand, einen Sozialhilfeanspruch nicht zum Tragen kommen zu lassen. Dies hätte zur Folge, dass ein Bedürftiger zwar selbst mit der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs gegenüber einem nicht leistungsfähigen Unterhaltspflichtigen scheitern würde, der Sozialhilfeträ-ger jedoch mit einem entsprechenden Darlehensangebot den [X.] begründen und sich damit von seiner Verpflichtung zur Sozialhilfege-währung befreien könnte. Das
liefe dem Sozialstaatsgebot zuwider, welches 19
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fordere, Menschen einen Anspruch auf staatliche Hilfe zukommen zu lassen, um so ihr Existenzminimum zu sichern (vgl. [X.] FamRZ 2005, 1051, 1053).
(3) Die tragenden Erwägungen dieser Entscheidung des [X.] sind auch für die Beurteilung des hier zu entscheidenden Falles maßgeblich. Der Sachverhalt, der der Verurteilung der Antragstellerin zur
An-nahme des Darlehensangebots zu Grunde lag, unterscheidet sich nicht wesent-lich von dem der Entscheidung des [X.]s. Die [X.] vertritt insoweit zwar die Auffassung, das Amtsgericht sei im vorlie-genden Fall von der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin ausgegangen. Deren Leistungsfähigkeit sei daher

anders als in dem vom [X.] entschiedenen Fall

nicht erst durch die [X.] herbeigeführt worden. Dabei verkennt die Rechtsbeschwerde [X.], dass das Amtsgericht die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin gemäß §
1603 Abs.
1 BGB im Zeitraum der Gewährung der Pflegeleistungen gerade nicht zweifelsfrei festgestellt hat. Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung ohne eingehende Prüfung der Problematik und ohne eine überzeugende Be-gründung zwar ausgeführt, die Antragstellerin sei verpflichtet, ihren [X.] für die Unterhaltsleistungen einzusetzen. An anderer Stelle führt das Amtsgericht jedoch aus, dass es der Antragstellerin nicht möglich sei, ein Darlehen zu banküblichen Zinsen aufzunehmen. Ohne die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit der Antragstellerin abschließend zu klären, hat das Amtsge-richt dann die Auffassung vertreten, dass es ihr jedenfalls zumutbar sei, das von der Antragsgegnerin angebotene Darlehen anzunehmen und dieses durch eine Grundschuld auf ihrem Miteigentumsanteil zu sichern. Darauf hatte auch das [X.] in seiner Entscheidung vom 3.
Mai 1996 abgestellt, die vom [X.] als verfassungswidrig beanstandet wurde.

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Obwohl der Antragsgegner zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Ent-scheidung noch keine Kenntnis davon haben konnte, dass es verfassungsrecht-lich unzulässig ist, übergeleitete Ansprüche auf Elternunterhalt bei [X.] Kindern durch die Hingabe zinsloser Darlehen des Sozialhilfeträgers durchzusetzen und es ihm daher nicht vorgeworfen werden kann, den Anspruch auf Darlehensrückzahlung durch eine unredliche Verhaltensweise erworben zu haben, verhält er sich rechtsmissbräuchlich,
wenn er nunmehr in Kenntnis der
Entscheidung des [X.]s an der erlangten Rechtsposition festhält. Der Antragsgegner ist als Träger
öffentlicher Gewalt gemäß Art.
20 Abs.
3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Daraus
lässt sich die Verpflichtung der vollziehenden Gewalt ableiten, die rechtswidrigen Folgen ihrer [X.] wieder zu beseitigen (BVerwG NJW 1985, 817, 818). Dem [X.] ist daher zuzumuten, sein zukünftiges Verhalten an der materiellen Rechts-lage auszurichten und die auf die weitere Geltendmachung der Rechte, die er durch das rechtskräftige, aber materiellrechtlich fehlerhafte Urteil erworben hat, zu verzichten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann sich der [X.] ihm gegenüber auf den rechtsvernichtenden Einwand des rechtmiss-bräuchlichen Verhaltens berufen.
(4) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird dadurch das [X.] aus §
79 Abs.
2 Satz
4 [X.] nicht verletzt.
Die Rechtsfolgen, die sich aus Entscheidungen des Bundesverfassungs-gerichts für zivilgerichtliche Urteile ergeben, die nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden können, bestimmen sich nach §
79 [X.]. Diese Vorschrift findet nach der Rechtsprechung des [X.] analoge Anwendung, wenn eine nicht mehr anfechtbare gerichtli-che Entscheidung auf einer über den Einzelfall hinausgehenden Auslegungsva-riante beruht, deren Verfassungswidrigkeit durch eine Entscheidung des Bun-22
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13
-
desverfassungsgerichts festgestellt worden ist ([X.] FamRZ 2006, 253, 254).
Nach §
79 Abs.
2 Satz
1 [X.] bleiben also vorbehaltlich der [X.] des §
95 Abs.
2 [X.] oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren zivilgerichtlichen Entscheidungen, die auf einer verfassungswidrigen Rechtsprechung beruhen, grundsätzlich unberührt. Dieser Regelung ist der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, dass eine Ent-scheidung des [X.]s, mit der die Verfassungswidrigkeit festgestellt wird, grundsätzlich keine Auswirkung auf abgewickelte [X.] haben soll
([X.] MDR 1972, 483; [X.]/Zuck [X.] 6.
Aufl. §
79 Rn.
3). [X.] gewordene [X.], die auf verfassungswidriger Grundlage zu Stande gekommen sind, sollen nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegan-gen sind, nicht beseitigt
werden ([X.] FamRZ 2007, 337
f.). Diese grundle-gende Wertung des §
79 Abs.
2 Satz
1 [X.] sichert das in §
79 Abs.
2 Satz
4 [X.] enthaltene [X.] zusätzlich ab (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Dollinger [X.] 2.
Aufl. §
79 Rn.
2; [X.]/Schmidt-Bleibtreu/[X.]/[X.] [X.] [Stand:
2012] §
79 Rn.
66).
§
79 Abs.
2 Satz
2 und 3 [X.] erweitert allerdings den Rechtsschutz des Betroffenen gegenüber dem sonstigen Verfahrensrecht, indem die [X.] eine (weitere) Vollstreckung der Entscheidung verbietet, weil die [X.] von Vollstreckungsmaßnahmen trotz der vom [X.] festgestellten Verfassungswidrigkeit des zu Grunde liegenden Gesetzes eine besondere Härte darstellen würde ([X.] in [X.]/[X.]/Dollinger [X.] 2.
Aufl. §
79 Rn.
2). Diese Regelung zeigt, dass die Beseitigung der Wirkung rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen, die auf einer
verfassungswid-rigen Rechtsgrundlage beruhen, für die Zukunft nicht ausgeschlossen ist. §
79 25
26
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14
-
Abs.
2 Satz
1 [X.] verlangt also nicht, dass Entscheidungen, die auf einer verfassungswidrigen Rechtsanwendung beruhen, so behandelt werden müs-sen, als ob die Verfassungswidrigkeit nicht gegeben sei ([X.] in [X.]/[X.]/Dollinger [X.] 2.
Aufl. §
79 Rn.
31 mwN). Die nachträglich er-kannte Verfassungswidrigkeit einer Rechtsanwendung soll im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nur nicht dazu führen, dass vollständig abgeschlossene Rechtsbeziehungen
wieder rückabgewickelt werden müssen. Dagegen kann für die in die Zukunft gerichteten Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung die materielle Gerechtigkeit wieder in den Vordergrund treten. Ähnlich wie bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung verbietet §
79 Abs.
2 [X.]
nur die Korrektur des verfassungswidrigen Hoheitsaktes für die [X.], aber nicht eine Anpassung der in die Zukunft gerichteten Wirkun-gen an die verfassungsmäßige Rechtslage ([X.] in [X.]/[X.]/Dollinger [X.] 2.
Aufl. §
79 Rn.
31 mwN).
Dies zeigt auch §
79 Abs.
2 Satz
3 [X.], wonach der Verpflichtete bei einer Zwangsvollstreckung aus einem zivilgerichtlichen Urteil die Verfas-sungswidrigkeit der Entscheidung im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach §
767 ZPO geltend machen kann. Danach kann der Verpflichtete zwar die Rechtskraft eines auf einer verfassungswidrigen Rechtsanwendung beruhen-den Urteils nicht mehr beseitigen. Der Berechtigte kann aber die formale Rechtsposition, die er durch das rechtskräftige Urteil erlangt hat, nicht mehr zwangsweise durchsetzen. §
79 Abs.
2 Satz
1 und 3 [X.] schafft dadurch einen angemessenen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit einerseits und [X.] Gerechtigkeit andererseits, der auch bei Urteilen mit Gestaltungswir-kung, die keiner weiteren Vollstreckung mehr bedürfen, Berücksichtigung finden muss. Bei Gestaltungsurteilen kann daher zwar die mit der Rechtskraft der Ent-scheidung eingetretene Wirkung nicht nachträglich wieder beseitigt werden. Die Regelungen in §
79 Abs.
2 Satz
1 und 4 [X.]
verbieten es jedoch nicht, die 27
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15
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Verfassungswidrigkeit des Gestaltungsurteils in anderen Rechtsstreitigkeiten geltend zu machen.
(5) Auf dieser rechtlichen Grundlage durfte das Beschwerdegericht die
Verfassungswidrigkeit des amtsgerichtlichen Urteils im vorliegenden Verfahren berücksichtigen. Zwar weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass eine weitere Vollstreckung aus dem amtsgerichtlichen Urteil
nicht erforderlich ist, weil die Antragstellerin zur Abgabe von Willenserklärungen verurteilt worden ist, die nach §
894 Satz
1 ZPO mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gelten. Die Verpflichtungen, zu denen die Antragstellerin verurteilt worden ist, sind erfüllt und das amtsgerichtliche
Verfahren ist daher mit Eintritt der [X.] vollständig abgeschlossen. Das Urteil wirkt allerdings noch [X.] fort, als infolge der Entscheidung zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner ein Darlehensvertrag besteht,
der die Antragstellerin
bzw. ihre Erben zur Rückzahlung der Darlehensforderung verpflichtet, und sie
die Belas-tung ihres Grundeigentums mit der zu Gunsten des Antragsgegners bestellten Grundschuld hinnehmen muss. Einer Korrektur dieser künftigen [X.] durch
die Annahme, die Antragstellerin könne einer Inanspruchnahme aus dem Darlehen den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§
242 BGB) entge-genhalten, steht weder die Fortbestandsgarantie des §
79 Abs.
2 Satz
1 [X.]
noch das [X.] des §
79 Abs.
2 Satz
4 [X.] entgegen. Die vom Beschwerdegericht vertretene zutreffende Rechtsauffas-sung führt nicht zu einer Rückabwicklung des [X.]s des Urteils vom 1.
August 1997. Die Verfassungswidrigkeit dieses Urteils hat ledig-lich zur
Folge, dass die Antragstellerin nunmehr einer Inanspruchnahme auf-

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16
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grund des Darlehensvertrages die Einrede des rechtsmissbräuchlichen [X.] entgegenhalten kann und der Antragsgegner
deswegen aus dem Siche-rungsvertrag
zur Rückgewähr der Grundschuld verpflichtet ist.

Dose

Vézina

Klinkhammer

Günter

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.08.2010 -
80 F 175/10 -

KG [X.], Entscheidung vom 11.01.2011 -
13 [X.] -

Meta

XII ZB 81/11

20.03.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2013, Az. XII ZB 81/11 (REWIS RS 2013, 7224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7224

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Darlehen eines Sozialhilfeträgers zur Deckung von Elternunterhalt: Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gegen den Rückzahlungsanspruch in Ansehung …


5 U 4/17 (Oberlandesgericht Hamm)


5 U 66/16 (Oberlandesgericht Hamm)


V ZR 178/13 (Bundesgerichtshof)

Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank für eine Grundschuld zur Kreditsicherung: Formularmäßige Beschränkung des Anspruchs auf Rückgewähr …


V ZR 98/19 (Bundesgerichtshof)

Prozesshindernis: Rechtskräftige Entscheidung über denselben Streitgegenstand in einem Vorprozess


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 101/13

Zitiert

XII ZB 81/11

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