20. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15649
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I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.05.2016 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
III.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich des Tenors zu I. des landgerichtlichen Urteils kann die Beklagte die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Durch dieses hat das Landgericht die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher für Küchen zu werben und hierbei die Hersteller- und Typenbezeichnungen der beworbenen Elektrohaushaltsgeräte dem Verbraucher vorzuenthalten, wenn dies geschieht wie in dem Prospekt „X. - 50 Jahre“ – gültig vom 14.09. bis 19.09.2015 (Anlage K 4 zur Klageschrift, diesem Urteil in Ablichtung beigefügt). Außerdem hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 178,50 € nebst näher bezeichneter Zinsen zu erstatten.
Zur Begründung hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, Urteil vom 13.07.2015 – 13 U 71/15 – ausgeführt, die streitgegenständliche Prospekt-Werbung, bei der die Hersteller- und Typenbezeichnungen der in der angebotenen Komplettküche enthaltenen Elektrogeräte nicht genannt werden, verstoße gegen § 5a Abs. 2 und 3 UWG, weil sie nicht alle wesentlichen Merkmale der Ware gemäß § 5a Abs. 3 UWG nenne, die anhand der Umstände des Angebots, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie des verwendeten Kommunikationsmediums zu warten seien. Mit § 5a Abs. 2 UWG werde die Richtlinie 2005/29 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt umgesetzt. Eine „Aufforderung zum Kauf“ im Sinne von Art. 2 lit. i) der Richtlinie sei jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angebe, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen sei und den Verbraucher in die Lage versetze, einen Kauf zu tätigen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der der Bundesgerichtshof gefolgt sei, sei der Begriff der „Aufforderung zum Kauf“ nicht restriktiv auszulegen. Es genüge danach, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert sei, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Es genüge, dass der Verbraucher über den verbindlichen Komplettpreis der abgebildeten Küche einschließlich der enthaltenen Elektrogeräte informiert werde. Um ihm eine informationsgeleitete geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen, sei es jedoch auch erforderlich gewesen, die Marken- und Typenbezeichnung der in der Werbung aufgeführten Elektrogeräte zu nennen. Unzweifelhaft seien die Elektrogeräte, mit denen eine Küche ausgestattet werde, ein wesentliche Merkmal des angebotenen Produkts, da sie die Funktionalität und Qualität einer Küche erheblich mitgestimmten. Deshalb könne der Verbraucher den Wert der angebotenen Küche erst dann hinreichend beurteilen, wenn er die Marke bzw. den Hersteller der angebotenen Küchengeräte und ihre Typenbezeichnung kenne. Denn hier gebe es erhebliche Qualitäts- und Preisunterschiede. So handele es sich nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der singulären Werbung für Elektro-Haushaltsgeräte bei der Typenbezeichnung um ein wesentliches Merkmal, da die Typenbezeichnung erforderlich sei, um die Geräte zweifelsfrei zu identifizieren und den Verbraucher in die Lage zu versetzen, sie mit anderen Geräten zu vergleichen sowie andere Eigenschaften als in der Werbung genannt in Erfahrung zu bringen. Dies sei auch dann der Fall, wenn ein Elektrogerät nicht singulär, sondern in Verbindung mit einem Küchenkorpus angeboten werde. Dass es die Geräte einzeln am Markt nicht gebe, wie die Beklagte behaupte, sei kein Grund, die Typenbezeichnung zu verschweigen. Letzteres könne für den Verbraucher entscheidend sein, die Küche nicht erwerben zu wollen. Es sei ohnehin kein Grund, den Hersteller zu verschweigen. Ein Fall des § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG liege nicht vor. Zum einen gehe es nicht um geringwertige Gegenstände des alltäglichen Bedarfs. Zum anderen hätten es die Art und der Umfang der streitgegenständlichen Anzeige ohne weiteres ermöglicht, neben der abstrakten Bezeichnung der Haushaltsgeräte und ihrer Energieeffizienzklasse auch Marke und Typenbezeichnung zu nennen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und macht geltend, zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass es sich vorliegend um eine Aufforderung zum Kauf bzw. ein konkretes Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG gehandelt habe. Tatsächlich habe man sich anhand der Prospektwerbung allenfalls einen groben Überblick davon verschaffen können, wie die Küche tatsächlich aussieht. Es fehlten nicht nur jegliche Angaben zu den Küchengeräten, sondern auch Höhe, Breite und Tiefe sowie zum „Innenleben“ der Küchenschränke. Ohne diese Ausstattungsmerkmale zu kennen, könne keine ernsthafte Beschäftigung mit dem Angebot stattfinden. Dies sei bereits in erster Instanz vorgetragen und vom Landgericht übergangen worden. Unzutreffend sei auch die weitere Annahme des Landgerichts, Hersteller- und Typenbezeichnung der Elektrogeräte seien wesentliche Eigenschaften im Sinne von § 5a UWG. Die Situation bei Kauf einer Komplettküche sei eine andere als beim singulären Erwerb eines Elektrogerätes. Denn Hersteller- und Typenbezeichnung individualisierten allenfalls die Elektrogeräte, nicht aber das Produkt „Einbauküche“. Bei einer solchen werde die vom Bundesgerichtshof angestrebte Vergleichbarkeit durch die Angabe von Hersteller- und Typenbezeichnung nicht erreicht. Wie schon in erster Instanz vorgetragen würden Küchen der streitgegenständlichen Art stets zu einem Gesamtpreis kalkuliert, der sich aus dem Preis für die Elektrogeräte und dem der Küchenmöbel zusammensetze. Ein Preisvergleich sei daher anhand von Hersteller- und Typenbezeichnung nicht möglich. Dementsprechend sei die Handhabung auch seit Jahrzehnten wie vorliegend streitgegenständlich. Erst durch das Urteil des Oberlandesgerichts Celle sei eine Abmahnwelle über die Branche hereingebrochen. Eine echte Vergleichbarkeit sei auch deshalb nicht gegeben, da die Hersteller selbst baugleiche Geräte unter unterschiedlichen Typenbezeichnungen auf den Markt brächten. Das angefochtene Urteil lasse schließlich eine hinreichende Subsumtion unter § 5a Abs. 2 UWG vermissen. Dessen Neufassung mache deutlich, dass es immer auf den konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände ankomme, weshalb die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr anwendbar sei, wonach die Verbraucherrelevanz beim Vorenthalten wesentlicher Informationen unwiderleglich vermutet worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 30.05.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht insbesondere geltend, eine andere als die vom Landgericht vorgenommene Wertung sei auch nicht im Hinblick auf die Neufassung des § 5a Abs. 2 UWG zum 10.12.2015 gerechtfertigt. Diese setze erneut die hier relevante Regelung des Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG nicht dem Wortlaut gemäß um. Es fehle das für das Verständnis der Norm maßgebliche Wort „somit“. Dieses fordere, zumindest aber gestatte die ohnehin naheliegende Annahme, dass die vermeintliche weitere Voraussetzung des § 5a Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F. mit dem Vorenthalten wesentlicher Information stets erfüllt ist.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs nach § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1UWG und damit auch des Anspruchs auf Erstattung der vorprozessualen Kosten bejaht. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insofern ist in der gebotenen Kürze zu sagen:
Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch findet das UWG in seiner seit dem 10.12.2015 geltenden Fassung Anwendung; der Anspruch ist aber nur begründet, wenn er auch nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der die Wiederholungsgefahr begründenden Handlung bestand. Beides ist der Fall.
In Übereinstimmung mit den Oberlandesgerichten Celle (Urteil vom 16.07.2015, 13 U 71/15, zitiert nach juris), Bamberg (BeckRS 2016, 08215)), Jena (BeckRS 2016, 10344) und Köln (GRUR-RR 2016, 351 und BeckRS 2016, 11823) teilt der Senat nicht die Auffassung der Beklagten, dass sich ein Interessent anhand einer Prospektwerbung wie der streitgegenständlichen allenfalls einen groben Überblick davon verschaffen kann, wie die beworbene Küchenzeile tatsächlich aussieht, sondern dass es sich um ein Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG alter und neuer Fassung handelt. Die textlich kommentierte Abbildung im streitgegenständlichen Prospekt zeigt die Küche mit ihren einzelnen Elemente wie Unter- und Oberschränken unter Angabe der Maße im Detail („Maße: ca. H 207 x B 270 x H 60 cm“), dem Material der Fronten und der Arbeitsplatte („Nussbaum-Nachbildung“) sowie der verbauten Elektrogeräte. Hiermit wird dem Verbraucher, auch wenn er die Innenaufteilung der Schränke nicht kennt, eine so konkrete Vorstellung von der beworbenen Küche vermittelt, dass für ihn die Möglichkeit besteht, sich für oder gegen sie zu entscheiden. Dies gilt jedenfalls unter Berücksichtigung der gebotenen weiten Auslegung des Begriffs „Angebot“.
Auch kann kein Zweifel daran bestehen und besteht in der genannten obergerichtlichen Rechtsprechung auch nicht, dass es sich bei Hersteller und Typenbezeichnung der im Angebot enthaltenen Elektrogeräte um wesentliche Merkmale im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG handelt. Zwar hat die Beklagte insofern Recht, als sie darauf hinweist, die Elektrogeräte seien nur ein preisbildender Faktor für das beworbene Gesamtprodukt. Das kann in der Konsequenz aber nur bedeuten, dass es neben Hersteller- und Typenbezeichnung der Elektrogeräte noch weitere, die Küchenmöbel betreffende wesentliche Merkmale im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG gibt, über die in ihrer Gesamtheit informiert werden muss.
Selbst wenn die Behauptung der Beklagten zutrifft, wonach technisch identische Geräte unter dem Namen verschiedener Hersteller und verschiedenen Typenbezeichnungen angeboten werden, heißt dies nicht, dass diese Angaben für den Verbraucher ohne Wert sind. Für die Herstellerangabe liegt dies auf der Hand, gilt aber auch für die Typenbezeichnung, die es dem Verbraucher auch unter den von der Beklagten geschilderten Bedingungen ermöglicht, das angebotene Gerät mit anderen zu vergleichen.
Die Unvollständigkeit der wesentlichen Informationen war auch geschäftlich relevant. Die geschäftliche Relevanz der unvollständigen Information wurde nach der herrschenden Meinung nach § 5a UWG in der bis zum 09.12.2015 geltenden Fassung und damit zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung unwiderleglich vermutet. Zwar ist die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln (a.a.O.) zweifelhaft, es verbleibe bei dieser Vermutung. Vielmehr wird man davon ausgehen müssen, dass nach dem Wortlaut von § 5a Abs. 2 UWG n.F. zusätzlich zu prüfen ist, ob das Fehlen der jeweiligen Information auch geeignet war, die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers spürbar zu beeinflussen (vgl. Köhler, WRP 2017, 1). Dies ist daran zu messen, ob der durchschnittlich informierte Verbraucher voraussichtlich eine andere geschäftliche Entscheidung getroffen hätte, wenn er die betreffende Information gehabt hätte. Das ist nach der Lebenserfahrung im Regelfall zu bejahen, weshalb für das Vorliegen eines Ausnahmefalles der Unternehmer die sekundäre Darlegungs- und Beweislast trägt (so auch OLG Bamberg a.a.O.). Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles hat die Beklagte nicht Stichhaltiges vorgetragen.
Dass Werbungen der streitgegenständlichen Art jahrelang unbeanstandet geblieben sind, sagt über ihre Rechtmäßigkeit naturgemäß nichts aus. Zudem sind auch Marktgepflogenheiten Veränderungen unterworfen. Werden Informationspflichten erkannt und etabliert, siehe zum Beispiel die Angabe der Energieeffizienz, gehört es zur beruflichen Sorgfalt des Unternehmers, diese bei seiner Werbung zu berücksichtigen. Gegen die Behauptung der Beklagten, Angaben zu Elektrogeräten seien vollkommen unüblich, spricht im Übrigen ihre eigene, streitgegenständliche Anzeige, die zum Einbaukühlschrank den Zusatz EKS 131-4 enthält, was zum einen den Hersteller individualisiert, nämlich Exquisit, und zum anderen den Kühlschrank entsprechend der textlichen Beschreibung als „Einbaukühlschrank“ (EKS) kennzeichnet sowie über die Zahlenkombination 131-4 weitere Recherchen zu Energieverbrauch etc. ermöglicht.
Diese Bewertung steht schließlich auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung „Schlafzimmer komplett“ des BGH (GRUR 2015, 698), was aus Gründen der Vollständigkeit erwähnt werden soll. Der dort zur Entscheidung gestellte Sachverhalt war ein gänzlich anderer als der vorliegende. Dort war die notwendige Erläuterung des Angebotsinhalts im Prospekt enthalten, allerdings nicht in hervorgehobener Schrift. Vorliegend fehlt die notwendige Erläuterung vollständig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Vorliegend stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 20.000,- €
Meta
14.02.2017
Oberlandesgericht Düsseldorf 20. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.02.2017, Az. I-20 U 63/16 (REWIS RS 2017, 15649)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 15649
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Unzulässigkeit einer Werbung für Komplettküchen ohne Angabe der Hersteller- und Typenbezeichnung der enthaltenen Elektrogeräten
4 U 174/16 (Oberlandesgericht Hamm)
I ZR 41/16 (Bundesgerichtshof)
Wettbewerbsverstoß: Kaufentscheidung für Komplettküchen; spürbare Irreführung durch Unterlassen bei Vorenthalten wesentlicher Informationen; Veranlassung zu einer …
6 U 55/15 (Oberlandesgericht Köln)
I ZR 41/16 (Bundesgerichtshof)
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