Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2018, Az. 4 StR 516/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 12340

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:140318B4STR516.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 516/17

vom
14. März
2018
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 14.
März 2018 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27.
Juni 2017
a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig ist und im Übrigen [X.] wird; soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, fallen der Staatskasse die Kosten des [X.] und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zur Last;
b)
mit den Feststellungen aufgehoben,
soweit eine Anord-nung der Unterbringung des Angeklagten in einer Ent-ziehungsanstalt unterblieben ist und hinsichtlich der Ad-häsionsentscheidung.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verwor-fen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei tat-einheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000
Euro nebst Zin-sen an die Nebenklägerin verurteilt. Von der Freiheitsstrafe gelten fünf Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materi-ellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtli-chen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Annahme von drei ideal konkurrierenden Vergewaltigungstaten hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte den Entschluss gefasst, mit der Nebenklägerin mehrfach und auch gegen ihren Willen den Geschlechts-verkehr durchzuführen. Als sie seine Wohnung verlassen wollte, zog er sie von der Wohnungstür weg, schubste sie ins Schlafzimmer und schlug ihr ins Ge-sicht. Auch zog er ihr die geschlossene Jacke so über den Kopf, dass sie wenig Luft bekam, die Arme nicht bewegen konnte und Todesangst verspürte. [X.] übte er mit ihr gegen ihren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Sodann half er ihr, die Jacke auszuziehen und forderte sie auf, im Bett lie-gen zu bleiben. Aus Angst befolgte die Nebenklägerin diese Anweisung. Nach 15
Minuten forderte der Angeklagte die Nebenklägerin auf, den Oralverkehr an ihm auszuüben und drückte ihren Kopf in Richtung auf sein erigiertes Glied. Es kam nun erneut zum oralen und vaginalen Geschlechtsverkehr mit der Neben-klägerin gegen deren Willen. Nach einer weiteren Pause von 15 bis 30
Minuten verlangte der Angeklagte wiederum, dass ihn die Nebenklägerin oral oder mit 1
2
3
-
4
-
der Hand befriedige, was die Nebenklägerin tat. Anschließend übte der Ange-klagte nochmals den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr aus.
a)
Soweit die Strafkammer nicht feststellen
konnte, dass es danach zu einem vierten, als selbstständige Tat angeklagten Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Nebenklägerin kam, hatte aus den vom [X.] in der Antragsschrift angeführten Gründen [X.] zu erfolgen.
Dies holt der [X.] nach.
b)
Für die Beurteilung des [X.] bei mehrfach hinter-einander begangenen Vergewaltigungen kommt es nach der Rechtsprechung des [X.] maßgeblich darauf an, ob der Nötigung des [X.] [X.] des Angeklagten zugrunde liegt. Bei einheitlicher [X.] liegt ebenso wie bei fortgesetzter oder fortwirkender Drohung trotz mehrfach dadurch erzwungener Beischlafhandlungen nur eine Tat im [X.] vor (vgl. [X.], Urteile vom 19.
April 2007

4
StR
572/06, [X.], 235; vom 13.
Februar 2007

1
StR
574/06, juris Rn.
12; vom 25.
Oktober 2001

4
StR 262/01, [X.], 199, 200; Beschlüsse vom 18.
Juni 2015

4
StR 46/15, [X.], 277; vom 28.
Januar 2003

4
StR
521/02, [X.], 281;
vom 9.
März 2000

4
StR
513/99, [X.], 419, 420; vom 23.
Novem-ber 1993

1
StR
739/93, [X.]R StGB §
177 Abs.
1 Gewalt
10). So liegt der Fall hier. Den Feststellungen der Strafkammer ist jedenfalls in ihrem [X.] zu entnehmen, dass die vom Angeklagten durch den Schlag und die Beseitigung der Gegenwehrmöglichkeiten der Nebenklägerin mittels Hoch-ziehens ihrer Jacke zur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs geschaffene [X.] noch fortbestand, als er sie zur Ausübung des [X.] bzw. der Manipulation an seinem Glied und anschließend jeweils zur Duldung des Geschlechtsverkehrs zwang. Damit wurden die sexuellen Handlungen auf-4
5
-
5
-
grund eines Tatentschlusses durch den Einsatz desselben [X.] erzwungen, sodass sich das Geschehen als einheitliche Tat der Vergewaltigung nach §
177 Abs.
1 Nr.
2, Abs.
2 Satz
2 Nr.
1 StGB aF darstellt.
Der [X.] ändert den Schuldspruch entsprechend. §
265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der [X.] ändert sich durch die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung nicht. Die mehrfache Ausübung des Oral-
und Geschlechtsverkehrs durfte die Strafkammer auch bei einer einheitlichen Tat strafschärfend berücksichtigen.
2.
Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die Feststellungen zum Alkoholkonsum des Angeklagten drängten zu der [X.], ob die Voraussetzungen einer Unterbringung nach §
64 StGB gegeben sind.
Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 56
Jahre alte Angeklagte trinkt seit dem Schulabschluss im Übermaß Alkohol. Zwei Ausbildungen und eine Umschulung brach er deshalb ab. In seiner Ehe kam es wegen seines übermä-ßigen Alkoholkonsums zu Spannungen, die letztlich zur Trennung und zur Scheidung führten. Bei einer einschlägigen Vortat
in der Nacht vom 5. auf den 6.
März 1995 hatte er eine Blutalkoholkonzentration von 2,21

e-richt [X.] ordnete seinerzeit die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Die Unterbringung war am 13.
September 2000 erledigt. Am 24.
Januar 2011 wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt. Vor der jetzt ausgeurteilten Tat in der Nacht vom 14. auf den 15.
März 6
7
8
-
6
-
2012 trank der Angeklagte neun
Flaschen Bier à 0,5
Liter. Um Mitternacht hatte er eine Blutalkoholkonzentration von maximal 1,56

Diese Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte
einen Hang im Sinne des §
64 Satz
1 StGB hat, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
September 2012

4
StR
253/12, juris Rn.
2; Beschluss vom 6.
November 2003

1
StR
406/03, [X.], 39, 40) und die abgeurteilte Tat hierauf zurückgeht (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Sep-tember 1990

1
StR
293/90, NJW 1990, 3282, 3283). Die mitgeteilte Vorstrafe und die Alkoholisierung bei der jetzigen Tat deuten darauf hin, dass ihm auch die für eine Maßnahme nach §
64 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose zu stellen ist (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Dezember 1993

1
StR
572/93, [X.], 280). Umstände, die eine Erörterung des §
64 StGB entbehrlich machten, sind aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich.
Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht
einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen (§
358 Abs.
2 Satz
3 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des §
64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
Der [X.] kann ausschließen, dass das [X.] bei Anordnung der Unterbringung eine geringere Strafe verhängt hätte.
3.
Der [X.] der Nebenklägerin genügt nicht den [X.] gemäß §
404 Abs.
1 Satz
2 StPO. Daher ist die Adhäsions-entscheidung aufzuheben und die Sache auch insoweit an das [X.] zu-rückzuverweisen.
9
10
11
12
-
7
-
a)
Die Adhäsionsklägerin hat beantragt, den Angeklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen. Das reicht nicht aus.
§
404 Abs.
1 Satz
2 StPO verlangt die bestimmte Angabe des Gegen-standes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag. Bei einem unbezifferten Antrag müssen die tatsächlichen Grundlagen für die Ermessensausübung des Gerichts mitgeteilt werden. Wenn der Umfang der Leistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden. Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe der Größenordnung des begehrten Betrages, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. [X.], Urteile vom 13.
Oktober 1981

VI
ZR
162/80, NJW 1982, 340; vom 30.
April 1996

VI
ZR
55/95, [X.]Z 132, 341, 350, 351; Beschluss vom 25.
August 2016

2
StR
585/15, [X.]R StPO §
404 Abs.
1 Antragstellung
9). Deshalb fehlt es an der von §
404 Abs.
1 Satz
2 StPO geforderten Bestimmtheit des unbezifferten [X.]s, wenn

wie hier

der Kläger keine Anga-ben zur Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes macht (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Februar 1984

VI
ZR
70/82, NJW 1984, 1807, 1809).
b)
Der [X.] hat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung über den [X.] zurückverwiesen.
Zwar soll regelmäßig eine Zurückverweisung allein zur Entscheidung über einen [X.] unterbleiben; in diesen Fällen soll vielmehr von einer Entscheidung über die Entschädigung des Verletzten ganz abgesehen werden (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 27.
März 1987

2
StR
106/87, [X.], 237, 238; vom 29.
Juli 2003

4
StR
222/03, juris Rn.
5; vom 7.
Juli 2010 13
14
15
16
-
8
-

2
StR
100/10, [X.], 337). Jedoch hat der [X.] die angefochtene Entscheidung auch mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen, soweit von einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. Damit hat der Tatrichter Gelegenheit

nach entsprechender Er-gänzung des Antrags

auch über den zivilrechtlichen Teil der Sache neu zu entscheiden
(vgl. [X.], Beschluss vom 14.
September 2017

4
StR
177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Bender
Feilcke

Meta

4 StR 516/17

14.03.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2018, Az. 4 StR 516/17 (REWIS RS 2018, 12340)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12340

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4 StR 516/17

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