Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.11.2013, Az. 3 StR 331/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 822

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 331/13

vom
26. November
2013
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] am 26.
November 2013 gemäß §
349 Abs.
4, §
354 Abs.
1 StPO einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts
Verden vom 26.
Februar 2013 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens, soweit sie nicht durch die Revi-sion des [X.] entstanden sind, und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der [X.] zur Last.
2.
Die Revision des [X.] gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen.
3.
Die [X.] ist verpflichtet, den
Angeklagten für die in dieser Sache vom 4.
August 2012 bis zum 26.
Februar 2013 erlittene Polizei-
und Untersuchungshaft zu entschädigen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die 1
-
3
-
hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zu des-sen Freispruch. Die Revision des [X.], der insbesondere die Beweis-würdigung des [X.]s angreift und die Verurteilung des Angeklagten we-gen eines versuchten Tötungsdelikts erstrebt, ist aus den Gründen der Antrags-schrift des [X.] unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Nach den Feststellungen des [X.]s ließ der Angeklagte den Nebenkläger in seine Wohnung ein. Auf eine Bemerkung des Angeklagten, die dessen Verhältnis zu der Lebensgefährtin des [X.] betraf, griff der Nebenkläger in Richtung des Halses des Angeklagten. Diesem gelang es, den Nebenkläger abzuwehren und bis zur Wohnungstür zurückzudrängen, wobei er sich in einem Gerangel mit dem Nebenkläger mehrere Kratzverletzungen zu-zog. Der Nebenkläger ergriff einen neben der Wohnungstür stehenden Base-ballschläger mit einem Schlagkopf aus Metall und richtete sich damit gegen den Angeklagten. Dieser entwendete dem Nebenkläger den Baseballschläger und schlug ihm damit einmal gegen den Kopf, um auf diese Weise weitere körper-liche Angriffe des [X.] auf ihn zu unterbinden. Infolge des Schlages
erlitt der Nebenkläger eine 12
cm lange Wunde sowie eine Gehirnerschütte-rung. Bei dem Versuch, nunmehr aus der Wohnung zu gelangen, stürzte er, weil ihm schwindelig war; dabei zog er sich weitere schwere Kopfverletzungen zu.
Das [X.] hat das Geschehen rechtlich als gefährliche Körperver-letzung nach §§
223, 224 Abs.
1 Nr.
2 und 5 StGB gewertet. Es hat den Schlag mit dem Baseballschläger nicht gemäß §
32 StGB als durch Notwehr gerecht-fertigt angesehen, obwohl der Angeklagte sich einem
gegenwärtigen rechtswid-rigen Angriff gegenübergesehen habe und sein Verhalten von einem Verteidi-2
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4
-
gungswillen getragen sowie zur Abwehr des Angriffs geeignet gewesen sei. Der Angeklagte habe den Nebenkläger jedoch aus der Wohnung hinausdrängen können; deshalb fehle es an der Erforderlichkeit der Abwehrhandlung. Die Tat sei auch nicht nach §
33 StGB entschuldigt, weil der Angeklagte trotz einer ängstlich vermeidenden sowie einer abhängigen asthenischen Persönlichkeits-störung ([X.] F
60.
6 und 7) die Grenzen
der Notwehr nicht aufgrund eines asthenischen Affekts im Sinne des §
33 StGB überschritten habe.
2.
Der Angeklagte war auf seine Revision freizusprechen, weil nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen der Notwehr gegeben sind. Entgegen der Ansicht des [X.]s war die vom Angeklag-ten gewählte Verteidigungshandlung insbesondere erforderlich im Sinne des §
32 Abs.
2 StGB.
a)
Ob eine
Verteidigungshandlung in diesem Sinne erforderlich ist, hängt im Wesentlichen von Art und Maß des Angriffs ab. Der [X.] darf sich grundsätzlich des Abwehrmittels bedienen, das er zur Hand hat und das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt. Dies schließt auch den Einsatz von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen ein. Von mehreren [X.], die dem [X.]n in der konkreten Situation zur Verfügung stehen, hat er das mildeste zu verwenden, wenn dessen Einsatz ebenfalls die sofortige und endgültige Abwehr des Angriffs verspricht. Ob dies der Fall ist, ist aufgrund einer objektiven ex-ante-Betrachtung zu entscheiden. Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung an. Auf weniger gefährliche Abwehrmittel muss der [X.] nur dann zurück-greifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzwei-felhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht
4
5
-
5
-
(st. Rspr.; vgl.
etwa [X.], Urteil vom 27.
September 2012 -
4
StR
197/12, [X.]R StGB §
32 Abs.
2 Erforderlichkeit
20 mwN).
b)
Nach diesen Maßstäben durfte sich der Angeklagte wie geschehen mit einem Schlag mit dem Baseballschläger verteidigen. Die Feststellungen bele-gen nicht, dass ein Hinausdrängen aus der Wohnung den [X.] ebenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beendet [X.]. Im Gegenteil: Der Angeklagte hatte den Nebenkläger bereits nach dem [X.] in Richtung Wohnungstür gedrängt. Bei dem daraus entstehenden Gerangel hatte der Nebenkläger den Angeklagten verletzt. Sodann hatte er den Angriff auf den Angeklagten mit dem Ergreifen des [X.] noch einmal intensiviert. Bei einem weiteren Zurückdrängen des [X.] durch den Angeklagten drohte deshalb naheliegend eine weitere Gegenwehr mit der möglichen Folge weiterer Verletzungen
des Angeklagten.
In dieser sich dyna-misch entwickelnden Situation, die aus Sicht des Angeklagten eine schnelle, sichere und endgültige Beseitigung der Gefahr erforderte, brauchte er sich nicht auf Mittel und Möglichkeiten verweisen lassen, deren Abwehrerfolg derart un-gewiss war.
c)
Da lediglich ein Mangel in der rechtlichen Würdigung vorliegt und aus-zuschließen ist, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§
354 Abs.
1 StPO).
3.
Der Entschädigungsanspruch des Angeklagten für die erlittene Polizei-
und Untersuchungshaft folgt aus §
2 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
2, §
8 Abs.
1 und 2 StrEG. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
467 Abs.
1, §
473 Abs.
1
6
7
8
-
6
-
StPO. Damit sind die diesbezüglichen Rechtsmittel
des Angeklagten gegen-standslos.
Becker
Hubert
Schäfer

Mayer
Spaniol

Meta

3 StR 331/13

26.11.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.11.2013, Az. 3 StR 331/13 (REWIS RS 2013, 822)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 822

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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