Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.01.2017, Az. VI R 37/15

6. Senat | REWIS RS 2017, 17091

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Gegenstand

Werbungskostenabzug bei Benutzung eines Privatflugzeugs - Änderungsbescheid während des Revisionsverfahren


Leitsatz

1. Reisekosten sind insbesondere dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes) zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

2. Nutzt der Steuerpflichtige ein selbst gesteuertes Privatflugzeug für beruflich veranlasste Reisen, kann es sich bei den Flugkosten um Aufwendungen handeln, die die Lebensführung i.S. der §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7, 9 Abs. 5 Satz 1 EStG berühren.

3. Ob ein unangemessener beruflicher Aufwand i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Steuerpflichtiger --ungeachtet seiner Freiheit, den Umfang seiner Erwerbsaufwendungen selbst bestimmen zu dürfen-- angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen haben würde (Anschluss an BFH-Urteil vom 29. April 2014 VIII R 20/12, BFHE 245, 338, BStBl II 2014, 679).

4. Maßstab für die in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz obliegende Feststellung des angemessenen Teils der Werbungskosten ist die Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Arbeitnehmers in derselben Situation des Steuerpflichtigen.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 14. Oktober 2014  4 K 781/12 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2010) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war seit Beginn des Streitjahres Geschäftsführer der in [X.] ansässigen X-GmbH ([X.]rbeitgeberin), an deren Kapital er nicht beteiligt war. Der Geschäftsführerdienstvertrag des [X.] war auf drei Jahre befristet. [X.]us der Tätigkeit als Geschäftsführer erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger [X.]rbeit.

2

Der Kläger war Eigentümer eines auf dem [X.] stationierten, einmotorigen [X.], das er aufgrund eines ihm erteilten [X.] selbst steuern durfte. Sein Privatflugzeug nutzte der Kläger im Streitjahr für 111 Flugstunden. Davon entfielen 29,59 Flugstunden auf Flüge zur Wahrnehmung beruflich veranlasster [X.]uswärtstermine.

3

Die Flugkosten von ca. 17.000 € hatte der Kläger ermittelt, indem er die jeweilige Flugzeit mit den von ihm berechneten durchschnittlichen Vollkosten einer Flugstunde multiplizierte und zusätzlich die jeweiligen Landeentgelte in [X.]nsatz brachte.

4

Der Kläger machte gegenüber seiner [X.]rbeitgeberin für seine Dienstreisen mit dem eigenen, selbst gesteuerten Flugzeug keine Reisekostenerstattung geltend. Seine übrigen Reisekosten, insbesondere für Dienstreisen mit [X.] und mit dem [X.], erstattete die [X.]rbeitgeberin dem Kläger steuerfrei.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) lehnte den [X.]bzug der [X.]ufwendungen für die vorgenannten Flüge mit dem Privatflugzeug als Werbungskosten auch im Einspruchsverfahren ab.

6

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2015, 542 veröffentlichten Gründen ebenfalls keinen Erfolg.

7

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

8

Sie beantragen,
das Urteil des [X.] ([X.]) vom 14. Oktober 2014  4 K 781/12 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 16. September 2016 dahin abzuändern, dass bei den Einkünften des [X.] aus nichtselbständiger [X.]rbeit weitere Werbungskosten in Höhe von ... € berücksichtigt werden.

9

Das F[X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den Abzug der geltend gemachten Werbungskosten zu Unrecht dem Grunde nach versagt. Es sind allerdings noch Feststellungen zur Höhe der abziehbaren Reisekosten erforderlich, die das [X.] bisher nicht getroffen hat. Die Sache ist deshalb an das [X.] zurückzuverweisen.

1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das [X.] zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 [X.]O). Das [X.] hat über den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 24. Januar 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2012 entschieden. An dessen Stelle ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 16. September 2016 getreten, der nach § 121 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Damit liegt dem [X.]-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos geworden und aufzuheben (s. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 28. Mai 2015 IV R 27/12, [X.], 544, [X.], 837). Da sich durch die Bescheidänderung hinsichtlich des streitigen Punktes keine Änderungen ergeben und die Kläger auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt haben, bedarf es allein insoweit keiner Zurückverweisung der Sache an das [X.] gemäß § 127 [X.]O. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des [X.]s in der Sache (s. [X.]surteil vom 15. März 2007 VI R 29/05, [X.] 2007, 1076).

2. Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (z.B. [X.]surteile vom 23. März 2001 VI R 175/99, [X.], 225, [X.] 2001, 585; vom 22. Oktober 2015 VI R 22/14, [X.], 344, [X.] 2016, 179, und [X.]sbeschluss vom 2. Februar 2011 VI R 15/10, [X.], 494, [X.] 2011, 456; Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 21. September 2009 GrS 1/06, [X.]E 227, 1, [X.] 2010, 672, unter [X.]). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (z.B. [X.]surteil vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, [X.]E 201, 211, [X.] 2003, 407, m.w.N.; [X.]-Beschlüsse vom 30. Juni 2010 VI R 45/09, [X.]E 230, 348, [X.] 2011, 45, und in [X.]E 227, 1, [X.] 2010, 672, unter [X.]).

Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig, so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen.

a) Reisekosten sind nach ständiger Rechtsprechung des [X.] jedenfalls dann als Werbungskosten abziehbar, wenn die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes) zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (z.B. [X.]surteile vom 21. April 2010 VI R 5/07, [X.]E 229, 219, [X.] 2010, 687; vom 19. Dezember 2005 VI R 63/01, [X.] 2006, 728, und vom 27. August 2002 VI R 22/01, [X.]E 200, 250, [X.] 2003, 369; [X.]sbeschluss vom 20. Juli 2006 VI R 94/01, [X.]E 214, 354, [X.] 2007, 121; jeweils m.w.N.).

[X.], um deren Werbungskostenabzug die Beteiligten streiten, waren nach diesen Maßstäben beruflich veranlasst. Es handelte sich nach den nicht angegriffenen und den [X.] gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] um berufliche Auswärtstermine des [X.].

Für den Werbungskostenabzug von beruflich veranlassten Reisekosten kommt es dem Grunde nach nicht darauf an, welches Verkehrsmittel der Steuerpflichtige wählt. Dem Steuerpflichtigen steht die Wahl des Verkehrsmittels grundsätzlich frei. Es ist bei Reisekosten --wie auch sonst bei der Anerkennung von Aufwendungen als [X.] regelmäßig unerheblich, ob die geltend gemachten Aufwendungen objektiv gesehen zweckmäßig und notwendig waren, selbst wenn das Handeln des Steuerpflichtigen sich nachträglich als unwirtschaftlich herausstellt (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteile vom 15. Dezember 1967 VI 33/65, [X.]E 90, 493, [X.] 1968, 150; vom 8. Oktober 1987 IV R 5/85, [X.]E 150, 558, [X.] 1987, 853, und vom 12. Januar 1990 VI R 29/86, [X.]E 159, 341, [X.] 1990, 423; [X.]sbeschluss vom 10. Januar 2008 VI R 17/07, [X.]E 219, 358, [X.] 2008, 234, unter [X.]; [X.]/[X.], EStG, 35. Aufl., § 9 Rz 46; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 9 EStG Rz 201; [X.]/[X.], EStG, § 9 Rz 122, 123; jeweils m.w.N.).

Entgegen der Auffassung des [X.] steht es der Berücksichtigung der Reisekosten des [X.] einschließlich der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen daher dem Grunde nach nicht entgegen, dass der Kläger die Dienstreisen mit seinem Privatflugzeug durchgeführt hat. Liegt einer Reise des Steuerpflichtigen ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde, kann aus der Wahl des Verkehrsmittels grundsätzlich keine private Veranlassung der Reisekosten abgeleitet werden ([X.]-Urteile vom 27. Februar 1985 I R 20/82, [X.]E 143, 440, [X.] 1985, 458, und vom 4. August 1977 IV R 157/74, [X.]E 123, 158, [X.] 1978, 93). Insbesondere rechtfertigt die Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels regelmäßig --und so auch im [X.] nicht die Annahme, dass die Verfolgung privater Reiseinteressen den Schwerpunkt der Reise bildet (a.A. Schleswig-Holsteinisches [X.], Urteil vom 9. Mai 1996 V 737/95, Revision aus anderen Gründen zurückgewiesen durch [X.]sbeschluss vom 11. Dezember 2001 VI R 55/96, nicht veröffentlicht). Vielmehr stehen private Motive dem Werbungskostenabzug nicht entgegen, wenn die objektiv festgestellten Tatsachen unter Berücksichtigung der dafür von der Rechtsprechung aufgestellten Merkmale und Maßstäbe die rechtliche Würdigung tragen, dass die Aufwendungen nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind ([X.]sbeschluss in [X.]E 230, 348, [X.] 2011, 45, m.w.N.).

b) Die Vorentscheidung kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist allerdings nicht entscheidungsreif. Denn das [X.] hat --von seinem Standpunkt aus zu [X.] bisher nicht geprüft, ob der Werbungskostenabzug gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG auf einen angemessenen Betrag zu begrenzen ist.

c) Aufwendungen, "die die Lebensführung ... berühren", dürfen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG den Gewinn nicht mindern, "soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind". § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG gilt gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG für die Werbungskosten sinngemäß.

Aufwendungen berühren die Lebensführung eines Steuerpflichtigen dann, wenn er sie aus persönlichen Motiven tätigt, ohne dass deshalb die betriebliche Veranlassung zu verneinen wäre ([X.]-Urteile vom 29. April 2014 VIII R 20/12, [X.]E 245, 338, [X.] 2014, 679; vom 20. August 1986 I R 29/85, [X.]E 147, 525, [X.] 1987, 108, und in [X.]E 150, 558, [X.] 1987, 853). Da § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG dem Ziel dient, unangemessenen [X.] nicht einkünftemindernd bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen, ist eine Berührung mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen insbesondere für Aufwendungen im repräsentativen Bereich anzunehmen ([X.]-Urteil in [X.]E 147, 525, [X.] 1987, 108; [X.]/[X.], § 4 EStG Rz 869). [X.] können nach der Rechtsprechung des [X.] als die Lebensführung des Steuerpflichtigen berührende Aufwendungen zu behandeln sein ([X.]-Urteile in [X.]E 143, 440, [X.] 1985, 458, und in [X.]E 123, 158, [X.] 1978, 93; ebenso R 9.1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 2008).

Ob ein unangemessener betrieblicher oder beruflicher Aufwand i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des [X.] danach zu beurteilen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Steuerpflichtiger --ungeachtet seiner Freiheit, den Umfang seiner Erwerbsaufwendungen selbst bestimmen zu dürfen-- angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen haben würde ([X.]-Urteile in [X.]E 245, 338, [X.] 2014, 679, und in [X.]E 143, 440, [X.] 1985, 458). Danach sind bei der [X.] alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Neben der Höhe der Einnahmen und der Einkünfte sind vor allem die Bedeutung des [X.]s für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Fällen als Beurteilungskriterien heranzuziehen. Es kann auch entscheidungserheblich sein, ob es einen objektiven Grund für den Mehraufwand gibt ([X.]-Urteile in [X.]E 245, 338, [X.] 2014, 679, und in [X.]E 147, 525, [X.] 1987, 108). Schließlich ist zu beachten, wie weit die private Lebenssphäre des Steuerpflichtigen berührt wird ([X.]-Beschluss vom 4. Juni 2009 IV B 53/08, juris; im [X.] an die [X.]-Urteile in [X.]E 150, 558, [X.] 1987, 853; vom 13. November 1987 III R 227/83, [X.] 1988, 356, und vom 23. November 1988 I R 149/84, [X.] 1989, 362).

aa) Im Streitfall ist nach den tatsächlichen, den [X.] bindenden (§ 118 Abs. 2 [X.]O) Feststellungen des [X.] davon auszugehen, dass die Aufwendungen für die mit dem Privatflugzeug durchgeführten Dienstreisen des [X.] dessen Lebensführung berührten.

Der Kläger hat nach dem vom [X.] festgestellten Sachverhalt aus privaten Motiven, nämlich aus der Freude am Fliegen, das selbst gesteuerte Privatflugzeug für die Dienstreisen anderen Verkehrsmitteln vorgezogen. Dies kam nach Ansicht der Vorinstanz insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass der Kläger das Flugzeug ausschließlich selbst als Pilot gesteuert habe. Ohne die --die Lebensführung [X.] Begeisterung für das Fliegen sei es auch nicht erklärlich, dass der Kläger die ihm durch die Benutzung des eigenen Flugzeugs entstandenen Kosten für die Dienstreisen selbst getragen habe, während ihm seine Arbeitgeberin die Kosten für die Dienstreisen bei Benutzung eines anderen Verkehrsmittels (z.B. Linienflug, Bahnfahrt) ersetzt hätte. Diese Würdigung des [X.] ist im Streitfall nicht nur möglich, sie ist sogar naheliegend.

bb) Allerdings hat das [X.] die zur Feststellung der Unangemessenheit der Aufwendungen erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls bisher nicht vorgenommen. Der [X.] kann diese Würdigung im Streitfall auch nicht selbst vornehmen.

Zwar kommt einem Privatflugzeug ein hoher Repräsentationswert und bei Personen, die --wie der [X.] eine Begeisterung für das Fliegen besitzen, auch ein großes Affektionsinteresse zu. Die Beschaffung und Unterhaltung des [X.] berührte die Lebensführung des [X.] nach den Feststellungen des [X.] im Streitfall in erheblicher Weise. Der Kläger nutzte das Flugzeug weit überwiegend privat und nicht beruflich. Der Einsatz eines [X.] für Dienstreisen ist bei einem angestellten Geschäftsführer in einem Betrieb wie dem der Arbeitgeberin des [X.] auch nicht üblich. Den bisherigen Feststellungen des [X.] kann zudem nicht entnommen werden, dass die Benutzung des [X.] für den Geschäftserfolg des [X.] als angestellter Geschäftsführer oder in Bezug auf die Höhe seines Geschäftsführergehalts von Bedeutung war.

Der Kläger hat allerdings für die hier fraglichen Dienstreisen erstinstanzlich Aufstellungen (sogenannte Kosten-Nutzen-Analysen) vorgelegt, aus denen sich nach seiner Auffassung ergeben soll, "dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter genauso gehandelt hätte wie der Kläger". Das [X.] hat diese Aufstellungen zwar in seinem Urteil berücksichtigt, sie aber nicht in Bezug auf die Angemessenheit des [X.] im Einzelnen geprüft. Insbesondere hat sich das [X.] nicht hinreichend mit der Frage beschäftigt, inwieweit gewichtige berufliche Gründe für die Benutzung des [X.] und die damit etwa verbundenen Mehraufwendungen des [X.] ursächlich waren (dazu z.B. [X.] München, Urteil vom 22. März 1988 XII 49/83 F, E[X.] 1988, 463). Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang auch die vom Kläger bei der Benutzung des [X.] behauptete Zeitersparnis zu überprüfen und den Kläger insoweit zur weiteren Sachaufklärung heranzuziehen haben (§ 76 Abs. 1 Satz 2 [X.]O). In Bezug auf die angebliche Zeitersparnis, die nach Auffassung des [X.] aus der Benutzung des [X.] resultieren soll, wird auch zu berücksichtigen sein, ob und wenn ja in welchem Umfang der Kläger bei Benutzung von Linienflügen oder der Bahn gegebenenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, die Reisezeit für dienstliche Arbeiten oder zur Erholung zu nutzen, was ihm bei den Selbstflügen --worauf das [X.] bereits zutreffend hingewiesen [X.] verwehrt war. Das [X.] wird ferner zu würdigen haben, ob der Kläger zur sachgerechten Erfüllung seiner beruflichen Aufgaben als Geschäftsführer auf die Benutzung des [X.] bei den Dienstreisen angewiesen war.

Bei der Abwägung der Vorteile und Kosten der Benutzung des [X.] ist im Streitfall auf die Verhältnisse des [X.] als Steuerpflichtigen abzustellen. Denn es ist zu prüfen, ob der Kläger, der den Werbungskostenabzug begehrt, mit der Benutzung des [X.] für seine Dienstreisen einen unangemessenen beruflichen Aufwand i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG betrieben hat. Die von der Arbeitgeberin für die Arbeitsleistung des [X.] zu zahlenden Personalkosten haben daher insoweit außer Betracht zu bleiben.

d) Sollte das [X.] im zweiten Rechtsgang hiernach erneut zu der Überzeugung gelangen, dass den fraglichen Reisen des [X.] ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde lag, und es ferner feststellen, dass die vom Kläger für die Dienstreisen mit seinem Privatflugzeug aufgewandten Werbungskosten unangemessen waren, wird es den angemessenen Teil der Werbungskosten zu ermitteln haben. Maßstab für diese in erster Linie dem [X.] als Tatsacheninstanz obliegende Feststellung des angemessenen Teils der Werbungskosten ist die Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Unternehmers bzw. --im [X.] Arbeitnehmers in derselben Situation des Steuerpflichtigen ([X.]-Urteil in [X.]E 245, 338, [X.] 2014, 679; [X.]/Stapperfend, § 4 EStG Rz 1645). Dabei kann es sich anbieten, den angemessenen Teil der Reisekosten unter Rückgriff auf durchschnittliche Reisekosten einschließlich Nebenkosten (z.B. Flug- oder Bahnkosten; Kosten für Anreise zum Flughafen oder Bahnhof; Taxen und Parkgebühren) zu schätzen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 162 der Abgabenordnung). Der Umstand, dass der Kläger gegenüber seiner Arbeitgeberin keine Reisekostenerstattung geltend gemacht hat, steht dem Abzug angemessener Reisekosten im Übrigen nicht entgegen (s. [X.]surteil vom 30. Mai 1967 VI R 172/66, [X.]E 89, 187, [X.]I 1967, 570).

e) Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang auch die vom Kläger geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen zu prüfen und gegebenenfalls in gesetzlicher Höhe zu berücksichtigen haben.

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 37/15

19.01.2017

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 14. Oktober 2014, Az: 4 K 781/12, Urteil

§ 162 AO, § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 S 1 EStG 2009, § 4 Abs 5 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 5 S 1 EStG 2009, § 19 Abs 1 EStG 2009, § 68 S 1 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 121 S 1 FGO, § 127 FGO, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.01.2017, Az. VI R 37/15 (REWIS RS 2017, 17091)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1694 REWIS RS 2017, 17091

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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