Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. III ZR 231/10

III. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2378

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 231/10

Verkündet am:

13. Oktober 2011

F r e i t a g

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

BGB § 839 D; [X.] in der Fassung vom 1. November 2001 ([X.]. S.
918)
Wird bei der Festsetzung der Beihilfe die Überschreitung des [X.] ([X.] Gebührensatz) in einer Zahnarztrechnung rechtswidrig und schuldhaft nicht anerkannt, und lässt sich daraufhin der den Antrag stellende Beamte wegen der bei ihm durch diese Entscheidung hervorgerufenen be-gründeten Zweifel an der Richtigkeit der Rechnungsstellung auf einen Zivil-rechtsstreit mit dem behandelnden Arzt ein, so sind ihm die im Falle des [X.] entstehenden Kosten zu ersetzen.
[X.], Urteil vom 13. Oktober 2011 -
III ZR 231/10 -
OLG [X.]

[X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15.
September 2011
durch den Vizepräsidenten
Schlick und [X.]
[X.], [X.], [X.] und Seiters

für Recht erkannt:

Die Revision des Beklagten gegen
das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 8.
Oktober 2010 wird [X.].

Der Beklagte
hat
die Kosten des Revisionsverfahrens
zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der als Beamter im
[X.] Schuldienst tätige
Kläger reichte bei der für ihn zuständigen Beihilfestelle eine die zahnärztliche Behandlung [X.] betreffende Rechnung vom 27.
September 2005 über 6.818,98

zur Erstattung
ein. Soweit für Leistungen
das
3,5fache
des [X.]
in Ansatz gebracht worden war,
erkannte die Beihilfestelle mit
Festsetzungsbe-scheid vom 12.
Oktober 2005 nur das 2,3fache des
[X.]
als erstat-tungsfähig an.
Gegen die dementsprechend vorgenommene Kürzung der [X.] der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er
auf die beigefügte
Stellungnahme
und Erläuterung des behandelnden Zahnarz-tes. Diese
Stellungnahme hielt die Beihilfestelle
ebenfalls für unzureichend, weil 1
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sich daraus
keine individuell patientenbezogene Rechtfertigung für die Über-schreitung des 2,3fachen [X.]
ergebe, und wies den Widerspruch des [X.] mit Bescheid vom 27. Februar 2006 zurück.
Eine sachverständige Stellungnahme eines anderen Zahnarztes oder
der Zahnärztekammer Nieder-sachsen hatte
die Beihilfestelle nicht eingeholt. Der Kläger erhob Zahlungsklage
über den nicht erstatteten Betrag
vor dem [X.]; die
Rechnung des behandelnden Zahnarztes beglich er unter Hinweis auf den lau-fenden [X.] nur auf
der Grundlage des 2,3fachen des [X.]. Nachdem wegen des [X.] der
Zahnarzt gegen den
[X.]
des [X.]
Zahlungsklage vor dem [X.] erhoben hatte, wurde das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ausgesetzt. Durch rechtskräftiges Urteil des [X.] vom 8.
September 2008
wurde der [X.] des [X.]
auf der Grundlage eines gerichtlich eingehol-ten Sachverständigengutachtens, in dem die [X.] des 3,5fachen
des [X.] als
gerechtfertigt beurteilt
wurde, zur Zahlung
nebst Zin-sen sowie außergerichtlicher
Anwaltskosten
verurteilt; darüber hinaus wurden ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Daraufhin wurde die dem Kläger zustehende Beihilfe mit Bescheid vom 8.
Dezember 2008 neu festgesetzt und ihm
die ausstehende Summe von 561,54

ebenfalls erstattet. Das Verwaltungsgericht
Lüneburg
stellte mit Urteil vom 25.
März 2009 außerdem fest, dass der Beihilfebescheid des beklagten [X.]es in Gestalt des
Widerspruchsbescheids
im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung
des [X.]
rechtswidrig sei, soweit die nunmehr zusätzlich gezahlte Beihilfe abgelehnt worden sei.

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-

Der Kläger verlangt von dem beklagten
[X.]
die Erstattung der in [X.]
Zivilprozess entstandenen Kosten sowie Zinsen auf die noch offene Forde-rung des Arztes von zusammen 1.288,16

ist der Auffassung, durch den Erlass des rechtswidrigen Beihilfe-
und Widerspruchsbescheids ohne eine sachverständige Überprüfung der ergänzenden Erläuterungen des behandeln-den Zahnarztes habe die Beihilfestelle ihre
Amtspflichten verletzt. Da im [X.] auf die Rechtmäßigkeit der getroffenen Beihilfeentscheidungen
die Zahnarztrechnung entsprechend gekürzt
und der Zivilprozess geführt worden
sei, habe
das beklagte [X.] nunmehr den
dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

Das [X.]gericht hat die
Klage abgewiesen, auf die
Berufung
des [X.]
ist
das beklagte [X.] antragsgemäß verurteilt
worden. Mit der
vom Berufungs-gericht
zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte
seinen
Antrag auf Zurück-weisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des
Beklagten bleibt ohne Erfolg.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat
die Beihilfestelle des beklag-ten [X.]es
die
Amtspflicht
verletzt,
bei
Prüfung der Beihilfefähigkeit der zahn-ärztlichen Behandlungskosten
den Sachverhalt vollständig zu erforschen und
die dafür maßgeblichen Gesetze sowie allgemeinen Dienst-
und Verwaltungs-3
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5

-

vorschriften,
insbesondere auch
Ziffer 5.2 der Hinweise des [X.] Finanzministeriums zu §
5 Abs.
1 [X.], anzuwenden. Danach sei
wegen
nicht ausgeräumter
Zweifel
an einer ausreichenden Begründung für die Überschrei-tung des 2,3fachen des [X.]
eine Stellungnahme der zuständigen Zahnärztekammer Niedersachsen
oder
eines zahnärztlichen Sachverständigen einzuholen
gewesen, zumal weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass die nachträglich beigebrachte Begründung des Zahnarztes dafür unzureichend ge-wesen sei.
Da das [X.] in dem rechtskräftig abgeschlossenen zivilgerichtlichen Verfahren gegen den [X.] des [X.] festgestellt habe, dass
die Erhebung des 3,5fachen des [X.] berechtigt
gewesen
und
da-mit
auch in beihilferechtlicher Sicht eine angemessene Leistungsabrechnung anzunehmen sei, liege in der Ablehnung der vollständigen Erstattung der [X.] unter Rückgriff nur auf eigene Datenbanken eine
zumindest fahr-lässige
Amtspflichtverletzung
der Mitarbeiter der Beihilfestelle. Dadurch
sei dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte Schaden in einer dem beklagten [X.] zurechenbaren Weise entstanden. Zwar sei zwischen dem Anspruch auf Beihilfe
gegenüber seinem Dienstherrn
und der
Verpflichtung
des [X.]
ge-genüber dem behandelnden Zahnarzt zu unterscheiden. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Angemessenheit der Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen sowohl zivilrechtlich als auch beihilferechtlich gleichermaßen
nach den Maßstäben der Gebührenordnung für Zahnärzte
zu beurteilen
sei. Vor [X.] Hintergrund habe der Kläger nach zwei ablehnenden Bescheiden in schüt-zenswerter Weise darauf vertrauen dürfen, dass die Beihilfestelle eine sorgfälti-ge und gewissenhafte
Prüfung der Angemessenheit der Rechnung
vorgenom-men habe, so dass eine gerichtliche
Inanspruchnahme
durch den Zahnarzt
oh-ne Erfolg bleiben werde. Dieser zurechenbare Ausfluss der Fürsorgepflicht des beklagten [X.]es widerspreche nicht dem Schutzzweck des Beihilferechts, wo-bei der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des Beihilfeberechtigten keine maß--

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-

gebliche Bedeutung zukomme.
Bei einer anderen Wertung auch unter [X.] werde der Beihilfeberechtigte über Gebühr belastet, da er selbst am wenigsten beurteilen könne, welche Einschätzung hinsichtlich der Frage der Angemessenheit zutreffend sei.

II.

Diese Beurteilung
hält der rechtlichen Überprüfung
stand.

1.
Nach den
im Zeitpunkt
des Entstehens der Aufwendungen
(vgl.
[X.], 21
Rn. 11)
maßgeblichen Beihilfevorschriften
hatte die für den Kläger zuständige Beihilfestelle des beklagten [X.]es darüber zu befinden, ob und in welcher Höhe ihm
ein Erstattungsanspruch für die in der Rechnung vom 27.
September 2005 aufgeführten zahnärztlichen Leistungen, insbesondere für die nach dem 3,5fachen des [X.]
berechneten,
zusteht. Dies richte-te sich
im [X.] Niedersachsen
gemäß §
87c Abs.
1 [X.] in der damals
gelten-den Fassung vom 17.
Dezember 2004 ([X.].GVBl. S.
664) nach den
Beihilfe-vorschriften
des Bundes ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom
1.
November 2001 ([X.]. S.
918; vgl.
zur Frage der Verfassungswidrigkeit die-ser Vorschriften und deren Weitergeltung für eine Übergangszeit BVerwGE 121, 103, 105
ff, 111;
131, 234, 235
f). Auf dieser Grundlage waren gemäß
§
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] solche Aufwendungen als beihilfefähig anzusehen, die
dem Grunde nach notwendig und in der Höhe angemessen sind. Gemäß Satz
2 die-ser Vorschrift beurteilt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für zahn-ärztliche Leistungen ausschließlich nach dem [X.] der Gebühren-

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-

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ordnung für Zahnärzte
([X.]). Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ärzt-liche Leistungen knüpft damit grundsätzlich an den Leistungsanspruch des [X.] an und setzt voraus, dass dieser seine Leistungen unter zutreffender Ausle-gung der Gebührenordnung in Rechnung gestellt hat (vgl. [X.], 117, 118; BVerwG NVwZ 2005, 710).

Nach §
5 Abs.
1 Satz
1 [X.]
bemisst sich für Leistungen des [X.] die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis 3,5fachen des [X.], wobei in der Regel nur eine Gebühr zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen (sog. Schwellenwert) des [X.] bemessen werden darf. Eine Überschreitung ist nur dann zulässig, wenn Be-sonderheiten der in Satz
1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§
5 Abs.
2 Satz
4 [X.]) und dies zudem schriftlich begründet wird (§
10
Abs.
3 Satz
1 [X.]). Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 2 [X.]). [X.] bei der Festsetzungsstelle bestehende erhebliche Zweifel darüber, ob die Überschreitung des Schwellenwertes gerechtfertigt ist, auch durch die -
gegebenenfalls vom Beihilfeberechtigten auf Bitten der Festset-zungsstelle eingeholte
-
nähere Erläuterung des behandelnden
Arztes nicht ausgeräumt, so war
gemäß Nr. 5.2 der für den hier interessierenden Zeitraum maßgeblichen Hinweise des [X.] zu §
5 [X.] (vgl. [X.]. vom 10.
Januar 2002, [X.]. [X.]. S.
145 in der Fassung des [X.]. vom 2.
Februar 2005, [X.]. [X.]. S.
319) mit Einverständnis des [X.] eine Stellungnahme der zuständigen Zahnärztekammer oder eines zahnmedizinischen Gutachters einzuholen.

9
-

8

-

2.
Das Berufungsgericht sieht darin, dass die Festsetzungsstelle die nach-träglich erteilte Begründung des Zahnarztes nicht zum Anlass nahm, ein zahn-ärztliches Gutachten oder eine Stellungnahme der [X.], sondern sich auf ihren
Sachverstand unter Heranziehung einer "Schwel-lenwertdatenbank"
(in der einschlägige Entscheidungen [X.] [X.] eingearbeitet sind) verließ, eine schuldhafte Amtspflichtverlet-zung. Die unvollständige, in Widerspruch zu den einschlägigen Hinweisen ste-hende Erforschung des
Sachverhalts habe dazu geführt,
dass der Rechnungs-betrag -
wie aufgrund des rechtskräftigen Urteils des [X.] feststehe
-
rechtswidrig gekürzt worden sei. Hätte die Festsetzungsstelle amts-pflichtgemäß gehandelt, wäre der nach
Erlass des [X.])
[X.] anhängig gemachte Zivilprozess vermieden worden und so der geltend gemachte Schaden nicht entstanden.

Diese Ausführungen
lassen
keine Rechtsfehler erkennen.

3.
Entgegen der Auffassung der Revision ist der Amtshaftungsklage auch nicht deshalb der Erfolg zu versagen, weil der geltend gemachte Schaden nicht mehr vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht erfasst wird.

Es versteht sich, dass die Amtspflicht der Beihilfefestsetzungsstelle, dem Antragsteller die ihm nach den einschlägigen Bestimmungen zustehende [X.] -
die Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten und seiner Familie ist (vgl. Nr.
1 der erwähnten Hinweise zu §
1 [X.]; s. auch [X.]/[X.]/[X.], [X.], Beihilfevorschriften des [X.] und der Länder, Stand Februar 2009, Teil
I, Einleitung zur B[X.],
S.
1)
-
zu

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gewähren,
den Zweck hat, die Interessen des Beihilfeberechtigten zu schützen. Allerdings genügt nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung, dass ein Geschädigter "Dritter" im Sinne des §
839 BGB ist, noch nicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Vielmehr ist jeweils auch zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtli-chen Bestimmung des [X.] geschützt werden soll. Es kommt danach darauf an, ob der Schutzzweck der verletzten Amtspflicht auch den jeweils gel-tend gemachten Schaden erfasst (vgl. nur Versäumnisurteil vom 22.
Januar 2009 -
III
ZR 172/08, [X.], 601 Rn. 15;
Urteil vom 16. Januar 1997
-
III
ZR 117/95, [X.]Z 134, 268, 276, jew. mwN).

a)
Der Revision ist zuzugeben,
dass der Hauptzweck der Beihilfe darin besteht, dem Beihilfeberechtigten den Anteil an den entstandenen [X.] zukommen zu lassen, der ihm nach den einschlägigen Bestimmungen des Beihilferechts zusteht. Diese Vorschriften legen insbesondere fest, welche "Risiken"
im Falle von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit erfasst werden, nach welchen Grundsätzen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden und welche Personen Leistungen beanspruchen können, um den [X.] von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendun-gen in einem angemessenen Umfang freizustellen (vgl. BVerwGE 121, 103, 109, 110; [X.]/[X.]/[X.], aaO). Demzufolge dient die Prüfung der eingereichten Rechnungen auf ihre sachliche Richtigkeit vor allem dem Zweck, die Höhe der dem Antragsteller zustehenden Beihilfe zu ermitteln. Hingegen ist es nicht die eigentliche
Aufgabe des [X.], den Beihilfeberechtig-ten durch eine sachkundige Stellungnahme vor einer unberechtigten Inan-spruchnahme durch Arzt oder Krankenhaus zu schützen und ihn
so weit mög-

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-

10

-

lich davor zu bewahren, sich auf einen [X.] über die Berechtigung der Rechnungsstellung
einlassen zu müssen. Auf eine "Vorabklärung"
derarti-ger Vergütungsstreitigkeiten
ist das Beihilfeverfahren auch nicht angelegt. Denn regelmäßig tritt der Beihilfeberechtigte unabhängig von einem bestehenden Beihilfeanspruch zunächst in Vorleistung, indem er seine Zahlungspflichten ge-genüber dem behandelnden Arzt erfüllt und nach Vorlage entsprechender [X.] (vgl. §
17 Abs.
3 Satz
1 und Abs.
4 Satz
1 [X.]; siehe jetzt §
51 Abs.
3 B[X.]) eine entsprechende Erstattung erhält. Im Übrigen werden Arzt-
und Zahnarztrechnungen sofort mit Rechnungsstellung fällig (§
12 Abs.
1 GOÄ; §
10 Abs.
1 [X.]). Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass der Beihilfeberechtigte sich, auch wenn ihm -
wie üblich
-
ein Zahlungsziel eingeräumt wird, bereits vor der endgültigen Verbescheidung seines Beihilfeantrags
vor die Wahl gestellt
sieht,
sich auf einen Rechtsstreit
mit dem Leistungserbringer einzulassen
oder aber die
Rechnung zunächst (gegebenenfalls unter Vorbehalt) selbst zu zahlen, um sich später im Widerspruchsverfahren
oder im Verwaltungsprozess
mit der Festsetzungsstelle über die Angemessenheit der Aufwendungen auseinander-zusetzen.

Allerdings macht die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang zu Recht darauf aufmerksam, dass die Aufwendungen beihilferechtlich schon mit dem Ausstellen der Rechnung als entstanden gelten
und bereits vor Zahlung Kostenerstattung verlangt werden kann. Damit soll
zum einen
vermieden
wer-den, dass ein Beihilfeberechtigter
mit niedrigen Dienst-
und Versorgungsbezü-gen
hohe Beträge vorfinanzieren
muss
([X.], [X.], [X.], Weise, Beihilfevorschriften, Stand März 2011, §
51 B[X.], Rn.
29
f). Zum anderen wird damit aber zugleich erreicht, dass ein Beihilfeberechtigter bestehende Beden-

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-

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-

ken
gegen die Richtigkeit der Rechnungsstellung, auf die er durch den [X.] aufmerksam gemacht wird, regelmäßig mit dem behandelnden Arzt noch vor Ablauf des Zahlungsziels oder jedenfalls vor Einleitung gerichtlicher Schritte abklären kann
und sich nicht auf eine Rückforderung überzahlter Be-träge einlassen muss. Eine derartige "Vorprüfung"
durch die [X.] -
und gegebenenfalls parallel dazu durch den Krankenversicherer
-
vor Zahlung der Rechnung wird ein Beihilfeberechtigter häufig dann vornehmen lassen, wenn,
wie hier,
nicht nur höhere Rechnungsbeträge in Rede stehen, sondern
die Rechnung
in erheblichem Umfang "konfliktträchtige"
Positionen enthält, wozu regelmäßig die Überschreitung des Schwellenwerts gehört.

Daher sprechen [X.] nicht von vorneherein
dage-gen, den vorliegend geltend gemachten "[X.]"
für ersatzfähig zu erachten.

b) Würde man der Revision folgen, so würde der durch das rechtswidrige Verhalten der Festsetzungsstelle geschädigte Beihilfeberechtigte über Gebühr mit Kosten belastet, die zu vermeiden ihm billigerweise nicht zugemutet werden kann.

Nachdem die Beihilfestelle die Überschreitung des Schwellensatzes für ungerechtfertigt erachtet und an dieser Einschätzung auch noch im Wider-spruchsverfahren festgehalten hatte, durfte sich der Kläger diesen Standpunkt gegenüber dem behandelnden Arzt zu eigen machen, ohne befürchten zu müs-sen, dass ihm später im Amtshaftungsprozess
von der Festsetzungsstelle [X.] wird, er habe den sich anschließenden
Zivilprozess durch eine "Zahlung unter Vorbehalt"
vermeiden können und müssen.

16
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12

-

aa) Zwar darf ein Beihilfeberechtigter in dieser Situation nicht ohne [X.] davon ausgehen, dass
die Vergütungsklage des Arztes von vornherein [X.] ist. Die Frage, ob eine Überschreitung des Schwellenwerts gerechtfer-tigt ist, ist zunächst eine allein das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient betreffende "zivilrechtliche Vorfrage", zu deren verbindlichen Klärung die or-dentlichen Gerichte und nicht die Festsetzungsstelle und die
Verwaltungsge-richte berufen sind. Im Übrigen zeigen schon die Hinweise Nr.
5.2 zu §
5 [X.], dass auch das Beihilferecht selbst davon ausgeht, dass die Richtigkeit der [X.] Rechnungsstellung von der Beihilfestelle nicht generell mit größerer Sachkompetenz als vom behandelnden Arzt beurteilt werden kann; nur so ist zu verstehen, dass bei Auftauchen bestimmter
Zweifelsfragen ein ärztliches oder zahnärztliches Gutachten oder eine Stellungnahme der Ärzte-/Zahnärztekam-mer einzuholen ist. Im Übrigen hat der
Kläger dadurch, dass er die Entschei-dung der Festsetzungsstelle mit den ihm zu Gebote stehenden Rechtsbehelfen angegriffen hat, selbst zu erkennen gegeben, dass er die Richtigkeit dieser Ent-scheidung in Zweifel zieht und einen höheren Vergütungsanspruch des [X.] zumindest für möglich hält.

bb) Dessen ungeachtet werden infolge der unterschiedlichen Beurteilung der Rechnungsstellung durch Arzt und Festsetzungsstelle beim Antragsteller begründete Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung hervorgerufen, die auszu-räumen er selbst nicht imstande ist. In dieser Situation sieht er sich vor die Wahl gestellt, entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Arzt über eine zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrags selbst zu tragen. Um den Beamten in dieser Lage nach Möglichkeit vor einem (Zivil-)Pro-zess mit unsicherem Ausgang zu bewahren, geht die Rechtsprechung des [X.] dahin, dass gerade dann, wenn
-
wie hier
-
die 19
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Überschreitung des Schwellenwertes in Rede steht, die geltend gemachten Aufwendungen beihilferechtlich schon dann als angemessen anzusehen sind, wenn sie einer vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entsprechen (BVerwG,
NVwZ 2005, 712; NVwZ-RR 2008, 713, 714 mwN).
Werden diese aus Sicht des Beamten bestehenden Unklarheiten
nicht
in diesem -
dem [X.] wohlwollenden und aus Sicht
des Gebührenrechts großzügigen
-
Sinne be-seitigt, weil die Behörde die Überschreitung des Schwellenwertes rechtswidrig nicht anerkennt, so muss es dem Beamten möglich sein, sich auf einen Zivil-rechtsstreit einzulassen, ohne befürchten zu müssen, dass ihm
im Amtshaf-tungsprozess
der Ersatz der im Verlustfalle
entstehenden
(durch die Amts-pflichtverletzung adäquat verursachten) Kosten unter [X.] versagt wird. Ein anderes
Ergebnis stünde, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen
hat, nicht im Einklang mit dem -
dem Beihilferecht insgesamt im-manenten
-
Gedanken der dem Dienstherrn
dem Beamten gegenüber oblie-genden Fürsorgepflicht.

cc) Würde man den Beihilfeberechtigten darauf verweisen, die Rechnung des Arztes unter Vorbehalt zu zahlen und nach Durchführung eines verwal-tungsgerichtlichen Verfahrens
vom behandelnden Arzt gegebenenfalls die Rückzahlung überzahlter Beträge zu verlangen,
so würde damit, entgegen der Auffassung der Revision, dem Schutzbedürfnis
des Beihilfeberechtigten nicht hinreichend Rechnung getragen. Verliert er den Prozess vor dem Verwaltungs-gericht, weil das Gericht (etwa) zu der Auffassung gelangt, dass die Überschrei-tung des Schwellenwertes unberechtigt war, so steht damit
rechtskräftig nur fest, dass
kein
Beihilfeanspruch besteht. Verweigert der Arzt die Rückzahlung des überzahlten Betrags, so bleibt dem Antragsteller die Erhebung einer

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-

(Rück-)Zahlungsklage vor den Zivilgerichten nicht erspart. In diesem Prozess hat das Urteil des [X.] keine Bindungswirkung. Der Beihilfebe-rechtigte wäre
also nicht davor gefeit, dass das Zivilgericht
ohne Rücksicht auf die Rechtsauffassung des [X.] (gegebenenfalls nach Einholung von -
weiteren
-
Sachverständigengutachten) zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt, die Überschreitung des Schwellenwerts für rechtens erachtet
und die Rückforderungsklage abweist. Hinzukommt, dass in dem auf §
812 BGB ge-stützten Rückzahlungsprozess tatsächliche Unklarheiten
regelmäßig
zu Lasten des Beihilfeberechtigten gehen (vgl. [X.], Urteile vom 24.
Oktober 2002 -
I
ZR 3/00, [X.]Z 152, 233,
244
f; Urteil vom 6.
Oktober
1998 -
XI
ZR 36/98, [X.]Z 139, 357, 367
f).
In jedem Falle führt die
Verfahrensweise, wie sie die Revision für angezeigt hält, dazu, dass dem
Beihilfeberechtigten, selbst wenn sich der Arzt nach Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Beihilfestreitigkeit zu der Rückzahlung überzahlter Vergütungsanteile bereitfinden sollte,
zugemutet wird, unter Umständen erhebliche, letztlich nicht geschuldete Beträge
"[X.]"
zu müssen.

Verweigert hingegen der Beihilfeberechtigte die Zahlung unter Hinweis auf die Rechtsauffassung der Beihilfestelle, so wird, wenn anschließend der Leistungserbringer Zahlungsklage erhebt, die im [X.] dienstvertragliche Vergü-tungsstreitigkeit zwischen den Vertragsparteien, die es unmittelbar angeht, von der sachnäheren Gerichtsbarkeit abschließend und auch für die [X.] verbindlich geklärt. Denn
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-gerichts ist anerkannt, dass die Beurteilung einer ärztlichen Liquidation durch die Zivilgerichte die Angemessenheit der Aufwendungen im beihilferechtlichen Sinne präjudiziert (BVerwG, [X.], 710, 711).
So hat denn auch hier das

22
-

15

-

beklagte [X.] die versagte Beihilfe
nach Rechtskraft des amtsgerichtlichen Ur-teils umgehend gewährt.

Schlick
[X.]

[X.]

[X.]
Seiters
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.05.2010 -
2 O 916/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.10.2010 -
6 U 133/10 -

Meta

III ZR 231/10

13.10.2011

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. III ZR 231/10 (REWIS RS 2011, 2378)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2378

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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