Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.07.2011, Az. XI ZR 36/10

11. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4406

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Gegenstand

Einzugsermächtigungsverfahren: Bereicherungsausgleich nach Verweigerung der Genehmigung durch den Schuldner; Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen die Belastungsbuchung


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 17. Zivilkammer des [X.] vom 6. Januar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, kontoführende Bank der insolventen [X.] (im Folgenden: Schuldnerin), nimmt die Beklagte auf Erstattung von Lastschriftbeträgen in Anspruch, die zu deren Gunsten im Einzugsermächtigungsverfahren zunächst von dem Girokonto der Schuldnerin eingezogen und nach einem Widerruf durch den über das Vermögen der Schuldnerin bestellten Insolvenzverwalter von der Klägerin dem [X.] wieder gutgeschrieben worden sind.

2

Die Schuldnerin unterhielt bei der Klägerin seit Jahren ein Girokonto, für das die Geltung der [X.] vereinbart war und vierteljährlich Rechnungsabschlüsse erteilt wurden. Von der Beklagten erwarb die Schuldnerin in ständiger Geschäftsbeziehung Eintrittskarten für Veranstaltungen zum Weiterverkauf an Kunden. Zwischen dem 8. und 15. Januar 2007 zog die Beklagte auf Grundlage einer von der Schuldnerin erteilten Einzugsermächtigung von deren Konto zur Begleichung von [X.] drei Lastschriftbeträge in Höhe von 1.720,49 €, 104 € und 1.983,98 € ein. Die Klägerin erstellte am 2. April 2007 einen Rechnungsabschluss für das erste Quartal des Jahres, der die entsprechenden Lastschriftbuchungen enthielt.

3

Der Nebenintervenient, der mit Beschluss des [X.]     vom 2. April 2007 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der Schuldnerin bestellt worden war, verlangte mit Schreiben vom 4. April 2007 von der Klägerin, die Konten der Schuldnerin mit sofortiger Wirkung für Lastschriften zu sperren, und wies erstmals mit Schreiben vom 13. April 2007 darauf hin, dass sämtliche noch nicht genehmigte Lastschriften von der Klägerin zurückzubuchen seien. Die Klägerin buchte in der Folgezeit für die drei streitgegenständlichen Lastschriften den Gesamtbetrag von 3.808,47 € aus und überwies ihn auf ein Konto des Nebenintervenienten, der mit Beschluss des [X.]        vom 31. Mai 2007 zum Insolvenzverwalter bestellt worden war.

4

Die Beklagte ist in erster Instanz zur Erstattung dieses Betrages sowie zur Zahlung von Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt worden. Ihre Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Klägerin stehe gegen die Beklagte unmittelbar ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB auf Rückzahlung der eingezogenen Beträge zu, da der Nebenintervenient mit Schreiben vom 13. April 2007 den Lastschriften innerhalb von sechs Wochen nach dem Rechnungsabschluss für das erste Quartal 2007 wirksam widersprochen habe. Dazu sei er als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt berechtigt gewesen. Nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme seien die streitigen Lastschriften von der Schuldnerin nicht konkludent genehmigt worden. Zwar habe die Klägerin bei Gesprächen, die im Februar und März 2007 zwischen dem Geschäftsführer der Schuldnerin und der zuständigen Mitarbeiterin der Klägerin geführt worden seien, von der Schuldnerin verlangt, kurzfristig für ausreichende Kontodeckung zu sorgen. Dabei sei jedoch das Zustandekommen des jeweiligen [X.] nicht ausdrücklich erörtert worden. Mangels besonderer Umstände könne eine konkludente Genehmigung nicht darin gesehen werden, dass die Schuldnerin das Girokonto nach Kenntnisnahme von [X.] bis zum Zeitpunkt des Rechnungsabschlusses weitergenutzt habe. Auch einer Kontoführung, die wie die der Schuldnerin daran ausgerichtet sei, keinen [X.] entstehen zu lassen, könne im Regelfall nicht die Genehmigung der mitgeteilten Lastschriften entnommen werden, weil dadurch die vereinbarte sechswöchige Widerspruchsfrist zu einfach unterlaufen würde.

II.

8

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mangels rechtsfehlerfreier Feststellungen zum Fehlen einer konkludenten Genehmigung der [X.] ist ungeklärt, ob der Lastschriftenwiderruf des Nebenintervenienten wirksam war.

9

1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass sich ein Bereicherungsausgleich im Einzugsermächtigungsverfahren nach Verweigerung der Genehmigung durch den Schuldner mangels einer diesem zurechenbarer Leistung unmittelbar zwischen der als Zahlstelle fungierenden Schuldnerbank und dem Zahlungsempfänger vollzieht ([X.]surteil vom 11. April 2006 - [X.], [X.], 171 Rn. 14 f.). Die Schuldnerbank kann im Wege der [X.] (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) von dem Zahlungsempfänger die Auszahlung des auf seinem Konto gutgeschriebenen Betrags verlangen ([X.]surteile vom 11. April 2006 - [X.], [X.], 171 Rn. 9 f., vom 22. Februar 2011 - [X.], [X.], 688 Rn. 10 und vom 1. März 2011 - [X.], [X.], 743 Rn. 16).

2. Weiter hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt in der Lage ist, eine Genehmigung der Lastschrift durch den Schuldner und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern, indem er - wie der Nebenintervenient am 13. April 2007 - solchen Belastungsbuchungen widerspricht (siehe [X.]surteile vom 20. Juli 2010 - [X.], [X.], 269 Rn. 11, vom 23. November 2010 - [X.], [X.], 63 Rn. 13 und vom 25. Januar 2011 - [X.], [X.], 454 Rn. 11, jeweils mwN). Ein Widerruf des Insolvenzverwalters bleibt jedoch wirkungslos, soweit zuvor [X.] von dem [X.] genehmigt worden sind ([X.]surteile vom 20. Juli 2010 - [X.], [X.], 269 Rn. 41 und vom 22. Februar 2011 - [X.], [X.], 688 Rn. 11).

3. Keinen Bestand hat hingegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe die streitbefangenen Lastschriften nicht durch schlüssiges Verhalten genehmigt.

a) Zwar trifft es zu, dass die kontoführende Bank nicht bereits Kontodispositionen, die streitigen [X.] nachfolgen, entnehmen kann, der Kontoinhaber billige den um die früheren [X.] geminderten Kontostand (vgl. [X.]surteile vom 20. Juli 2010 - [X.], [X.], 269 Rn. 45, 47, vom 26. Oktober 2010 - [X.], [X.], 2307 Rn. 19 und vom 23. November 2010 - [X.], [X.], 63 Rn. 17).

b) Damit hat das Berufungsgericht den [X.] jedoch nicht ausgeschöpft. Sowohl die laufende Abstimmung zwischen der Klägerin und der Schuldnerin zur Kontoführung im Februar und März 2007 als auch die von der Klägerin verlangte Zuführung zusätzlicher Liquidität vor Ausführung weiterer Zahlungen können den Erklärungswert einer konkludenten Genehmigung besitzen.

aa) Feststellungen zu einer konkludent erklärten Genehmigung sind zwar als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung im Revisionsverfahren nur beschränkt darauf überprüfbar, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind. Zu untersuchen ist jedoch, ob alle erheblichen Umstände vom Tatrichter umfassend gewürdigt worden sind ([X.]surteil vom 26. Oktober 2010 - [X.], [X.], 2307 Rn. 20 mwN).

bb) Dieser Überprüfung halten die Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht stand. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts zu den zwischen der Klägerin und der Beklagten im Februar und März 2007 geführten Gesprächen eine konkludente Genehmigung der streitigen Lastschriften in Betracht kommt.

Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, spricht für eine konkludent erteilte Genehmigung, dass der Kontoinhaber seinen Zahlungsverkehr unter Berücksichtigung des Kontostandes mit seinem Kreditinstitut abstimmt und danach für die erforderliche Kontodeckung sorgt. In einem solchen Fall kann - zumindest nach einer angemessenen Prüffrist - aus Sicht der Bank der Schluss gerechtfertigt sein, dass bereits durchgeführte [X.] Bestand haben, da sich ihr Kunde andernfalls auf leichterem Wege Liquidität verschaffen würde, indem er den Belastungsbuchungen widerspricht ([X.]surteile vom 23. November 2010 - [X.], [X.], 63 Rn. 20 und vom 25. Januar 2011 - [X.], [X.], 454 Rn. 21). Weiter kann für eine Genehmigung einzelner Lastschriften sprechen, dass der Schuldner in Kenntnis laufender Abbuchungen von Lieferanten durch konkrete Einzahlungen oder Überweisungen erst ausreichende Kontodeckung sicherstellt, ohne die die kontoführende Bank diese Lastschriften nicht ausgeführt hätte. Dies kann bei der kontoführenden Bank - wiederum nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist - die berechtigte Überzeugung begründen, der Schuldner wolle die jeweiligen Forderungen uneingeschränkt erfüllen und die entsprechenden [X.] würden deswegen Bestand haben ([X.]surteile vom 26. Oktober 2010 - [X.], [X.], 2307 Rn. 23 und vom 22. Februar 2011 - [X.], [X.], 688 Rn. 24).

cc) Beides ist vom Berufungsgericht nicht näher geprüft worden. Nach dessen Feststellungen haben die zuständige Mitarbeiterin der Klägerin und der Geschäftsführer der Schuldnerin in den Monaten Februar und März 2007 zumindest fünf- bis sechsmal den Kontostand und aktuell einzulösende Lastschriften besprochen, da auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin jeweils kein aus-reichendes Guthaben zur Verfügung gestanden hat. Dass dabei der konkret bestehende Saldo nicht ausdrücklich bestätigt worden ist, schließt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine konkludente Genehmigung der betreffenden [X.] nicht aus. Vielmehr genügt es, dass die Gesprächspartner den weiteren Zahlungsverkehr unter Berücksichtigung des Kontostandes und der danach möglichen Dispositionen abgestimmt haben. Sollte sich die Schuldnerin daran gehalten, insbesondere die jeweils vereinbarten Bareinzahlungen geleistet haben, so könnte aus der maßgeblichen objektiven Sicht der Beklagten als Erklärungsempfängerin - zumindest nach einer angemessenen Prüffrist - hinreichend klar geworden sein, dass sowohl die aktuell besprochenen als auch bereits gebuchte [X.] Bestand haben sollten, da die Schuldnerin zur Sicherung der Fortführung ihres Gewerbes nicht nur die Einlösung der aktuellen Lastschriften sicherstellen wollte, sondern auch zur Schaffung der dafür notwendigen Liquidität keine der älteren Lastschriften rückgängig gemacht hat.

Ob die Schuldnerin ihre weiteren Kontoverfügungen an solchen mit der Klägerin im Zeitraum Februar und März 2007 getroffenen Absprachen tatsächlich ausgerichtet hat, hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt.

III.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur abschließenden Entscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Das Berufungsgericht wird nach gegebenenfalls ergänzendem Vortrag der Parteien die fehlenden Feststellungen zu einer konkludenten Genehmigung der [X.] zu treffen haben. Dabei trägt die Klägerin als Bereicherungsgläubigerin die Beweislast dafür, dass die Lastschriften von der Schuldnerin nicht genehmigt worden sind (vgl. [X.]surteil vom 22. Februar 2011 - [X.], [X.], 688 Rn. 13 ff. mwN).

2. Die Geschäftsbedingungen der Klägerin hindern eine konkludente Genehmigung der Lastschriften durch die Schuldnerin nicht. Der [X.] hat diese vom Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassene Rechtsfrage nach Erlass des Berufungsurteils dahin entschieden, dass eine konkludente Genehmigung bereits vor Ablauf der in den Geschäftsbedingungen geregelten Widerrufsfrist in Betracht kommt ([X.]surteile vom 20. Juli 2010 - [X.], [X.], 269 Rn. 43, vom 26. Oktober 2010 - [X.], [X.], 2307 Rn. 14 ff., vom 23. November 2010 - [X.], [X.], 63 Rn. 15 und vom 25. Januar 2011 - [X.], [X.], 454 Rn. 14 ff.).

3. Schließlich steht einer konkludenten Genehmigung nicht entgegen, dass die Klägerin den Widerspruch des Nebenintervenienten - teilweise - beachtet hat. Entscheidend ist der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden im Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Erklärungsempfänger. Es kommt damit nicht darauf an, ob die kontoführende Bank - zumal zu einem späteren Zeitpunkt - subjektiv von einer Genehmigung ausgegangen ist ([X.]surteil vom 1. März 2011 - [X.], [X.], 743 Rn. 14).

Wiechers                              Ellenberger                              Maihold

                    Matthias                                      Pamp

Meta

XI ZR 36/10

26.07.2011

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hamburg, 6. Januar 2010, Az: 317 S 47/09, Urteil

§ 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.07.2011, Az. XI ZR 36/10 (REWIS RS 2011, 4406)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4406

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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