Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2024, Az. IV ZR 419/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 656

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Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] - 14. Zivilsenat - vom 17. November 2022 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des [X.].

2

Der Kläger ist bei der [X.] krankenversichert. Diese informierte ihn über Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2015 im [X.]um 49,77 € und für den gesetzlichen Zuschlag [X.]     um 4,98 € sowie zum 1. Januar 2018 im [X.] um 52,71 € und für den gesetzlichen Zuschlag [X.]     um 5,27 €.

3

In dem dazu übersandten "Nachtrag zum Versicherungsschein" vom 26. November 2014 hieß es auszugsweise:

"In diesem Jahr hat der gesetzlich vorgeschriebene jährliche Vergleich von berechneten und tatsächlichen Leistungen gezeigt, dass in einigen Bereichen höhere Kosten angefallen sind. Lesen Sie ausführliche Hinweise dazu in den nachfolgenden Unterlagen."

4

Nachfolgend waren in diesem Nachtrag die oben genannten Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2015 unter Angabe des Tarifs und des bisherigen und zukünftigen Beitrags aufgeführt. In dem außerdem übersandten Formblatt "Wichtige Informationen zu Ihrer Kranken- und Pflegeversicherung" hieß es unter anderem:

"Beiträge und Leistungen müssen ständig im [X.]leichgewicht sein. Deswegen ist gesetzlich vorgeschrieben, jährlich die tatsächlich gezahlten mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Weichen die Werte in einem bestimmten Umfang voneinander ab, prüfen wir die Beiträge und passen sie gegebenenfalls an. Die Folge können höhere oder auch niedrigere Beiträge sein.

[…]"

5

Im "Nachtrag zum Versicherungsschein" vom 24. November 2017 hieß es auszugsweise:

"Leistungen und Beiträge müssen sich stets die Waage halten. Um das sicher zu stellen, sind alle Versicherer gesetzlich dazu verpflichtet, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen zu vergleichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass die Beiträge verschiedener Tarife angepasst werden müssen.

Weitere Informationen zur Beitragsanpassung finden Sie im beiliegenden Merkblatt."

6

Nachfolgend waren in diesem Nachtrag die oben genannten Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2018 unter Angabe des Tarifs und des bisherigen und zukünftigen Beitrags aufgeführt. In dem anliegenden Merkblatt "Wichtige Hinweise zu Ihrer Krankenversicherung" hieß es:

"Weshalb müssen die Beiträge angepasst werden?

Um für ein ständiges [X.]leichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen zu sorgen, ist im Versicherungsaufsichtsgesetz (VA[X.]) vorgeschrieben, jährlich die tatsächlich erforderlichen mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab, müssen die Beiträge nachkalkuliert werden. Dabei sind wir verpflichtet, neben den Leistungsausgaben auch alle anderen Berechnungsgrundlagen, wie zum Beispiel den Rechnungszins und die Lebenserwartung, zu aktualisieren. Übrigens: Ohne die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ist eine Beitragsanpassung nicht möglich."

7

Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt die Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten [X.] in Höhe von 4.676,52 € nebst Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Herausgabe der aus den [X.]n gezogenen Nutzungen in Höhe von 563,05 € nebst Zinsen verlangt. Außerdem hat er die Feststellung beantragt, dass die genannten Prämienanpassungen unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger den [X.] auf 2.705,52 € reduziert und anstelle der Herausgabe die Feststellung beantragt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus den vom Kläger auf die genannten Beitragserhöhungen gezahlten [X.]n gezogen hat, und diese zu verzinsen hat. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen.

8

Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

9

II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Beitragserhöhungen hinreichend begründet worden und deswegen zum genannten Datum der Prämienerhöhung wirksam geworden. Im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 26. November 2014 sei nicht nur beschrieben, dass ein jährlicher Vergleich der kalkulierten mit den tatsächlichen Leistungsausgaben gesetzlich vorgeschrieben sei. Zusammen mit dem Formblatt habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass die Prämienüberprüfung nur bei Überschreitung eines vorbestimmten Schwellenwerts stattfinde, wie auch dass der von ihr durchgeführte Vergleich eine Veränderung der Rechnungsgrundlage "Leistungsausgaben" über dem geltenden Schwellenwert ergeben habe. Auch die Beitragserhöhung zum 1. Januar 2018 sei ordnungsgemäß begründet worden. Dass es sich nicht nur um eine allgemeine Beschreibung der jährlichen Durchführung der Prämienüberprüfung handele, ergebe sich aus der Formulierung "Dieser Vergleich hat ergeben, …" verbunden mit der Erhöhungsangabe im konkreten Tarif und dem Hinweis "Die folgende Aufstellung informiert Sie darüber, wie sich die Beitragsänderungen auf [X.] auswirken".

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

1. Die Zulassung der Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Die Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung gemäß § 203 Abs. 5 VV[X.] sind durch das Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 ([X.], B[X.]HZ 228, 56) geklärt.

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung als [X.]anzes eine Entscheidung des [X.] erfordere. Hinsichtlich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhungen der [X.] zum 1. Januar 2015 und 1. Januar 2018 sei entweder die vorliegende oder die davon abweichende Entscheidung des [X.] Köln vom 20. Mai 2022 (20 U 270/21, nicht veröffentlicht) rechtsfehlerhaft. Diese Begründung macht eine Zulassung der Revision jedoch nicht erforderlich. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VV[X.] genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], B[X.]HZ 228, 56 Rn. 38). Soweit diese Entscheidung keine revisionsrechtlich relevanten Fehler aufweist, hat sie unabhängig davon Bestand, ob andere [X.]erichte dieselbe Mitteilung auf die gleiche Weise beurteilt haben.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Begründungen der Beitragserhöhungen den Anforderungen aus § 203 Abs. 5 VV[X.] entsprechen.

a) Die Mitteilung der maßgeblichen [X.]ründe für die Neufestsetzung der Prämie erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VV[X.] veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], B[X.]HZ 228, 56 Rn. 26). Nach § 203 Abs. 5 VV[X.] müssen nicht alle [X.]ründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 29). In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VA[X.]) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO).

b) Unter Anwendung dieses Maßstabs hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass die streitgegenständlichen Begründungen eine Veränderung bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen - im Schreiben der [X.] als "Leistungsausgaben" bezeichnet - als Anlass der Neufestsetzung angeben und den Versicherungsnehmer ausreichend über den gesetzlich vorgeschriebenen Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen informieren. Die Mitteilung, dass das Ergebnis dieses Vergleichs die Überschreitung eines festgelegten Schwellenwertes war, kann der Versicherungsnehmer nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts sowohl dem [X.] vom 24. November 2017 - "weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab" - als auch dem mit Schreiben vom 26. November 2014 übersandten Formblatt entnehmen, nach dem der jährliche Vergleich der Versicherungsleistungen "gesetzlich vorgeschrieben" ist und bei einer Abweichung "in einem bestimmten Umfang" zur Überprüfung der Beiträge führt. Den Bezug des Vergleichs und seines Ergebnisses zu den konkret betroffenen Tarifen des [X.] entnimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei der hier gewählten Mitteilung in (nur) einem Schriftstück, das Begründungsschreiben und Nachtragsversicherungsschein verbindet und so an die Erklärung, dass ein gesetzlich vorgeschriebener Vergleich von berechneten und tatsächlichen Leistungen durchgeführt worden sei, die Beitragsveränderungen in den einzelnen Tarifen unmittelbar anschließt.

Prof. Dr. Karczewski     

      

Harsdorf-[X.]ebhardt     

      

Dr. Brockmöller

      

Dr. Bußmann     

      

Dr. Bommel     

      

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Rücknahme der Revision erledigt worden.

Meta

IV ZR 419/22

17.01.2024

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 17. November 2022, Az: 14 U 3177/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2024, Az. IV ZR 419/22 (REWIS RS 2024, 656)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 656

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IV ZR 294/19

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