Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2017, Az. XII ZB 157/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11595

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:030517BXII[X.]157.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 157/16

vom

3. Mai 2017

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 1628, 1687
a)
Die Schutzimpfung eines Kindes ist auch dann eine Angelegenheit von erheblicher
Bedeutung für das Kind, wenn es sich um eine sogenannte Standard-
oder Routineimpfung handelt.
b)
Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der [X.] beim [X.] befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.
c)
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwä-gung der allgemeinen Infektions-
und Impfrisiken ist hierfür nicht erforder-lich.
[X.], Beschluss vom 3. Mai 2017 -
XII [X.] 157/16 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 3. Mai 2017 durch den
Vorsitzenden
Richter Dose
und
die Richter Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter,
Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss
des 4.
Familien-senats des [X.] in [X.] vom 7.
März 2016 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Der Antragsteller (im Folgenden: Vater) und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Mutter) sind die gemeinsam sorgeberechtigten nichtehelichen [X.] ihrer im Juni 2012 geborenen Tochter. Diese
lebt bei der Mutter.
Zwischen den Eltern besteht Uneinigkeit über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihre Tochter. Sie haben wechselseitig die Alleinübertragung der [X.] beantragt.
Der Vater befürwortet vorbehaltlos die Durchführung altersentsprechen-der Schutzimpfungen. Er sieht sich im Rahmen der elterlichen Gesundheitssor-ge verpflichtet, sein Kind grundsätzlich gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen, soweit Schutzimpfungen verfügbar seien und durch die Ständige Impf-kommission am
[X.] (im Folgenden: [X.]) empfohlen [X.].
Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer 1
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-
3
-
als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.
Das Amtsgericht hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die [X.] von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das [X.] es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf bestimmte Schutzimpfungen (gegen Tetanus, Diphtherie, [X.], [X.], Rotaviren, [X.], Masern,
Mumps und [X.]) beschränkt.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Mutter ihr Anliegen weiter, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis in Bezug auf Schutzimpfungen zu übertragen.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das [X.]
hat in seiner in [X.], 1175 veröffent-lichten Entscheidung die Auffassung vertreten, es entspreche
dem Kindeswohl, die Entscheidungsbefugnis bezüglich Impfungen nach §
1628 Satz
1 BGB dem Vater zu übertragen.
Die [X.] könne nicht zu einer Angelegenheit untergeordneter Be-deutung herabgestuft werden, die von der Mutter kraft der ihr nach §
1687 Abs.
1 Satz
2
BGB zustehenden [X.] allein zu entscheiden sei. [X.] sei angesichts der mit einer Impfung ebenso wie bei einer Nichtimpfung zumindest potenziell verbundenen gesundheitlichen Folgewirkungen von einer 3
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4
-
erheblichen Bedeutung im Sinne von §
1628 Satz
1 BGB auszugehen.
Möge
die Gefahr von Komplikationen und Nebenwirkungen durch die präventive Bei-bringung eines Impferregers, wie auch umgekehrt das Risiko, aufgrund man-gelnden Impfschutzes an einer Infektion zu erkranken, statistisch betrachtet je für sich genommen gering sein,
so trete eine daraus resultierende Gesundheits-schädigung doch nicht so außergewöhnlich selten auf, als dass sie im [X.] des §
1628 Satz
1 BGB außer Betracht bleiben könne. Das gelte aus Sicht eines Impfbefürworters wie auch eines Impfgegners. Gegen eine [X.] als untergeordnete Angelegenheit der [X.] spreche auch die gesteigerte Aufmerksamkeit,
die der Thematik in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung seit längerem zu Teil werde. Die Einstufung könne nicht vom Ergebnis der Entscheidung abhängig sein.
Der Vater sei wegen seiner affirmativen Haltung bezüglich der [X.] besser geeignet, eine kindeswohlkonforme Entscheidung im Sinne des §
1697
a BGB
zu treffen.
Die Frage, ob einer bestimmten Impfung bei abstrakter Bewertung eine gesundheitserhaltende Schutzwirkung zugeschrieben werden könne oder aber Nachteile im Sinne unerwünschter Nebenwirkungen und Komplikationen über-wögen, erfordere medizinische Sachkunde und entzöge sich daher zunächst der eigenen Beantwortung durch das [X.]. Gleichwohl sei die [X.] eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich, weil von den [X.] der [X.] auszugehen sei. Diese würden nach dem Stand der [X.] entwickelt und fortgeschrieben. Wie der Bundesgerichtshof
im Rah-men der Arzthaftung dargelegt habe, liege den behördlichen Impfempfehlungen das öffentliche Interesse einer Grundimmunisierung der Gesamtbevölkerung zur Vermeidung einer epidemischen Verbreitung von Krankheiten zugrunde. Dabei habe durch die Gesundheitsbehörden eine Abwägung zwischen den Ri-8
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5
-
siken der Impfung für den Einzelnen und seine
Umgebung auf der einen und den der Allgemeinheit und dem Einzelnen drohenden Gefahren einer Nichtimp-fung auf der anderen Seite bereits stattgefunden. Dem sei im Hinblick auf die Impfempfehlungen der [X.] zu folgen. Diese könnten als Richtschnur bei der Definition der Gesundheitsbelange dienen, soweit diese das Kindeswohl mitbe-stimmten.
Der von der Mutter erhobene Vorwurf, die [X.]-Empfehlungen seien "das interessengebundene Produkt unheilvoller Lobbyarbeit der Pharmaindus-trie
und der Ärzteschaft", sei nicht hinreichend konkretisierbar, um ihn anhand einer Beweiserhebung über bestimmte Tatsachen verifizieren oder widerlegen zu können.
Aus dem Fehlen einer gesetzlich verankerten Impfpflicht sei keine st[X.]tliche Neutralität abzuleiten. Vielmehr entfalteten auch unterhalb der Schwelle gesetzlicher Ge-
oder Verbote anzusiedelnde Verhaltensempfehlun-gen Leitwirkung, deren Beachtung für die Prüfung des Kindeswohls von Bedeu-tung sein könne.
Dieser abstrakten [X.] stünden im vorliegenden Fall keine Umstände des Einzelfalls wie etwa eine Impfunverträglichkeit [X.], die eine abweichende Bewertung rechtfertigen würden. Der Vater sei zu-dem vom Verfahrensbeistand als der tolerantere, auf die Belange des anderen Elternteils eher eingehende Elternteil beschrieben worden, der auch mehr die Perspektive des Kindes und dessen individuelle Wünsche und Bedürfnisse wahrnehme.
Der von der Mutter beabsichtigte Weg, eine Schutzimpfung nur aus kon-kretem Anlass, beispielsweise vor einer Auslandsreise in ein Gefährdungsge-biet,
vorzunehmen, erscheine nicht geeignet, gesundheitliche Gefahren vom Kind abzuwenden. Es bestehe die Gefahr, dass die Infektionsgefahr zu spät 10
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erkannt werde
und eine Schutzimpfung zu spät komme. Die von der Mutter ein-gewendete Gefahr, dass sich nicht geimpfte Geschwister des betroffenen [X.], darunter ein Säugling, durch Impferreger infizieren könnten, bestünde [X.] dann, wenn das betroffene Kind eine der Krankheiten austragen würde, vor denen eine Impfung schütze.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Nach §
1628 Satz
1 BGB kann das [X.], wenn sich die [X.] bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Das [X.] hat in diesem Fall den im Rahmen der [X.] aufgetretenen Konflikt der Eltern zu lösen. Entweder ist die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Über-tragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zu-stand zu belassen. Ein Eingriff in die

gemeinsame

elterliche Sorge nach §
1628 BGB ist nur insoweit zulässig, als das Gericht einem Elternteil die [X.] überträgt, nicht hingegen darf das Gericht die Entschei-dung anstelle der Eltern selbst treffen (Senatsbeschluss vom 9.
November 2016

XII
[X.]
298/15

FamRZ 2017, 119 Rn.
7 [X.]).
Die aufgrund §
1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familien-gerichts
richtet sich gemäß §
1697
a BGB nach dem Kindeswohl. Die [X.]
ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvor-schlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Wenn eine Bewahrung des gegenwärtigen Zustands als die bessere Konfliktlösung erscheint, genügt es, den Antrag
zurückzuweisen.
Ob und inwiefern das Kindeswohl berührt ist, ist 13
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-
7
-
nach der Eigenart der zu regelnden Angelegenheit zu beurteilen, aus der sich auch die konkreten Anforderungen an die für die Entscheidung nach §
1628 BGB zu treffende Prüfung ergeben (Senatsbeschluss vom 9.
November 2016

XII
[X.]
298/15

FamRZ 2017, 119 Rn.
9
f. [X.]). Handelt es sich um eine An-gelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des [X.]teils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt.
b)
Dass das [X.] im vorliegenden Fall die Entscheidungs-befugnis bezüglich der
Schutzimpfungen auf den Vater übertragen hat, ent-spricht diesen Maßstäben.
[X.]) Das [X.] hat die Durchführung von Schutzimpfungen zutreffend als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne von §
1628 Satz
1 BGB angesehen.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, sogenannte
Standard-
oder Rou-tineimpfungen
unterfielen der [X.] nach §
1687 Abs.
1
Satz
2 BGB ([X.], 47; [X.] FamRZ 2011, 48; [X.] FamRZ
1998, 457, 469; Schilling NJW 2007, 3233, 3234; [X.]/[X.] BGB [2014] §
1687 Rn.
45).
Demgegenüber sind andere der Meinung, die Durchführung von Schutz-impfungen stelle durchweg eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind dar (KG Berlin
FamRZ 2006, 142; [X.] [X.], 834;
OLG [X.] Beschluss
vom 2.
Juni 2015

18
UF
117/15

juris; [X.]/[X.]] §
1628 Rn.
29;
MünchKommBGB/[X.] 7.
Aufl. §
1628 Rn.
14; [X.]/Götz BGB 76.
Aufl. §
1687 Rn.
7; BeckOGK/Mehrle BGB [Stand:
15.
November 2016]
§
1687 Rn.
63; [X.]/[X.] [Stand: 16
17
18
19
-
8
-
15.
Oktober
2016] §
1687 Rn.
21; [X.], 410, 414; [X.] 2012, 401, 404; [X.] [X.], 1179).
Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Entscheidungen in Angelegenhei-ten des täglichen Lebens sind nach §
1687 Abs.
1 Satz
3
BGB in der Regel nur solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswir-kungen auf die Entwicklung des Kindes haben.
Bei Impfungen handelt es sich bereits nicht um Entscheidungen,
die häufig vorkommen
(zutreffend [X.]/Götz BGB 76.
Aufl. §
1687 Rn.
7). Denn hierfür ist auf jede einzelne Impfung gesondert abzustellen. Auch soweit die jeweilige
Impfung
eine oder mehrere Wiederholungen oder Auffrischungen erforderlich macht, ist die Entscheidung sinnvollerweise nur einheitlich zu treffen. Die Entscheidung, ob das Kind [X.] der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt mithin im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Zudem kann die Entscheidung schwer abzuändern-de Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben, wobei zunächst [X.] kann, ob die Infektionsrisiken im Fall der Nichtimpfung die Impfungsrisi-ken überwiegen oder umgekehrt. Die Bedeutung der Angelegenheit
ist dabei unabhängig
von der jeweils ins Auge gefassten Entscheidungsalternative zu beurteilen. Für eine unterschiedliche Gewichtung der Bedeutung einer Ent-scheidung je nach deren Ergebnis (so [X.], 778)
ist mithin kein Raum.
Auch der Umstand, dass das Kind im Zeitpunkt der Entscheidung über eine Impfung (noch) nicht erkrankt ist, führt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht dazu, dass es sich um eine Alltagsangelegenheit han-delt. Bei der Beurteilung der Folgen verdeutlicht vielmehr sowohl das
durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektions-risiko als auch das Risiko einer Impfschädigung, dass es sich nicht nur um eine 20
21
-
9
-
Alltagsangelegenheit handelt, sondern um eine Angelegenheit mit erheblicher Bedeutung für das Kind. Hinzu kommt,
dass die
Frage

wie auch der vorlie-gende Fall zeigt

von insoweit uneinigen Eltern nachvollziehbar als grundsätzli-che Entscheidung empfunden und ihr folglich auch subjektiv erhebliche Bedeu-tung zugemessen wird. Die Anwendung des §
1628 BGB erscheint daher sei-nem Zweck entsprechend nicht zuletzt auch zur Sicherung des dem Kindeswohl dienlichen Rechtsfriedens unter den Eltern als geboten.
bb) Das [X.] hat den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes
zu entscheiden.
Es hat hierfür maßgeblich darauf abgestellt, dass der Vater Impfungen
offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen
der [X.] orientiert. Hierbei handelt es sich um eine im [X.] nur eingeschränkt überprüfbare tatrichterliche Feststellung
(vgl. auch [X.], 447
f.). Als solche ist sie vom Rechtsbeschwerdege-richt
nur zu beanstanden, wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder auf einem Verfahrensfehler beruht (vgl.
Senatsurteil vom 3.
Feb-ruar 2016

XII
ZR
29/13

[X.], 965 Rn.
30 [X.]). Das ist hier nicht der Fall.
(1) Das [X.] ist insbesondere nicht von bestehenden Er-fahrungssätzen abgewichen. Dass es bei seiner Entscheidung maßgeblich von den Impfempfehlungen der [X.] ausgegangen
ist, ist nicht zu beanstanden.
Die [X.] ist beim [X.] eingerichtet. Sie
hat als sachverständiges Gremium gemäß §
20 Abs.
2 Satz
3 [X.]
die Aufgabe, [X.] zur Durchführung von Schutzimpfungen und anderen
Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen [X.] und einer über das übliche Ausmaß 22
23
24
-
10
-
einer [X.] hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung
zu [X.]. Zweck des Infektionsschutzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (vgl. §
1 Abs.
1 [X.]). Impfungen dienen demnach dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbrei-tung
dem Gemeinwohl. Auch mit dem letztgenannten Aspekt haben sie einen Bezug zum Schutz des individuellen Kindeswohls, weil das Kind

wenn es etwa noch nicht im impffähigen Alter ist

von der Impfung anderer Menschen, insbe-sondere anderer Kinder, und der damit gesenkten Infektionsgefahr profitiert.
Die Impfempfehlungen der [X.] sind in der Rechtsprechung
des Bun-desgerichtshofs als medizinischer Standard anerkannt worden. Daran nimmt die den Empfehlungen zugrunde liegende Einschätzung
teil, dass der Nutzen der jeweils empfohlenen Impfung das Impfrisiko überwiegt (vgl. [X.]Z 144, 1 =
[X.], 809, 811).
Einen dem entgegenstehenden Erfahrungssatz hat die Rechtsbe-schwerde
nicht aufgezeigt.
Der Verweis darauf, dass die Impfempfehlungen "umstritten"
seien, reicht hierfür

abgesehen von der mangelnden Spezifizie-rung

nicht aus
(vgl. [X.] Urteil vom 17.
November 2016

L
6
VJ
4009/15

juris
Rn.
62, 70 [X.]).
Der Hinweis
der Rechtsbeschwerde, dass öffentliche Empfehlungen eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Lebensumstände des betroffenen Kindes nicht ersetzen könnten, trifft zwar für sich genommen zu, stellt aber das Ergebnis
der angefochtenen Entschei-dung nicht in Frage. Denn das [X.] hat die individuellen Lebens-umstände des Kindes durchaus in seine Würdigung einbezogen. Es hat zudem einen Verfahrensbeistand für das Kind bestellt, der die Übertragung der Ent-scheidungsbefugnis auf den Vater befürwortet und sich hierfür auf die individu-25
26
-
11
-
ellen Lebensumstände des Kindes wie auch die Persönlichkeiten der Eltern [X.] hat.
(2) Das [X.] war entgegen der Auffassung der Rechtsbe-schwerde im Rahmen der Amtsermittlung nach §
26 FamFG auch nicht gehal-ten, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Es konnte vielmehr aufgrund der als medizinischer Standard anerkannten Empfehlungen der [X.] davon ausgehen, dass der Nutzen der Impfungen deren Risiken überwiegt. Die
ent-sprechende Feststellung beruht mithin bereits auf sachverständigen Erkennt-nissen
der hierfür eingesetzten Expertenkommission. Da über die im Rahmen der Impfempfehlungen getroffene generelle Beurteilung hinaus keine einschlä-gigen Einzelfallumstände wie etwa bei
dem Kind bestehende besondere
Impfri-siken vorliegen, hat sich das [X.] entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine eigene Sachkunde hinsichtlich medizinischer Fragen angemaßt, sondern für seine Beurteilung in zulässiger Weise
auf
vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen.
Die von der Mutter angeführten Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung [X.] "unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft"
resul-tieren, hat das [X.] dagegen zutreffend
für bereits unkonkret ge-halten
und daher zu Recht nicht zum Anlass für weitere Ermittlungen genom-men. [X.] Aspekte, die dem [X.] überdies zu wei-teren
Ermittlungen hätten
Veranlassung geben können, macht die Rechtsbe-schwerde nicht geltend und sind auch sonst nicht ersichtlich.
cc) Schließlich steht der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung auch nicht entgegen, dass eine gesetzliche Impfpflicht nicht besteht. Im Fall der Uneinigkeit der Eltern nach §
1628 BGB
ist lediglich der Konflikt zwischen den 27
28
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-
12
-
Eltern zu beheben, indem die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil übertragen wird, der das für das Kind bessere Lösungskonzept verfolgt.
Das [X.] hat im vorliegenden Fall unter Abwägung aller maßgeblichen Umstände folgerichtig den Vater als besser geeignet angesehen, um die Entscheidung
über die aufgezählten Schutzimpfungen im Sinne des Kindeswohls zu treffen.

Dose

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.10.2015 -
34 F 1498/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.03.2016 -
4 UF 686/15 -

30

Meta

XII ZB 157/16

03.05.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2017, Az. XII ZB 157/16 (REWIS RS 2017, 11595)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11595

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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