Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.01.2024, Az. 4 BN 9/23

4. Senat | REWIS RS 2024, 341

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Gegenstand

Umdeutung von Festsetzungen eines Bebauungsplans


Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist ein Änderungsbebauungsplan, der ein Mischgebiet festsetzt; Spielhallen, Wettbüros und weitere Vergnügungsstätten sollen darin unzulässig sein. Zudem enthält der [X.] unter "[X.] Festsetzungen" eine [X.]estimmung zum "Immissionsschutz", wonach bei [X.] und Erweiterungen von oder Nutzungsänderungen in Schank- und [X.] in allen bauaufsichtlichen Verfahren in einer beizufügenden schalltechnischen [X.]erechnung die Einhaltung der geltenden Immissionsrichtwerte aus der [X.] nachzuweisen ist.

3

Der Verwaltungsgerichtshof hat den [X.] für unwirksam erklärt, weil es für die textliche Festsetzung "Immissionsschutz" an einer Rechtsgrundlage fehle; sie lasse sich insbesondere weder auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 noch auf § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]auG[X.] stützen. Dieser Mangel führe zur Gesamtunwirksamkeit, weil sich nicht feststellen lasse, dass die Gemeinde den [X.] auch ohne die fragliche Festsetzung erlassen hätte.

4

Die Antragsgegnerin möchte ausgehend davon sinngemäß rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob die wiedergegebene textliche Festsetzung im Wege der Umdeutung auf § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.]auG[X.] gestützt werden kann, wenn man sie dahingehend versteht, dass die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung bestimmter baulicher Anlagen (hier: Schank- und [X.]) bis zur Vorlage einer schalltechnischen [X.]erechnung, die die Einhaltung der geltenden Immissionsrichtwerte aus der [X.] für ein Mischgebiet nachweist, unzulässig ist, und ein entsprechender Wille des Plangebers besteht sowie ein "besonderer Fall" im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.]auG[X.] vorliegen,

und

ob die textliche Festsetzung in eine lediglich wiederholende deklaratorische Wiedergabe von § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] umgedeutet werden kann, wenn ein entsprechender Wille des Plangebers besteht.

5

Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nicht. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 225 Rn. 4).

6

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klärung der ersten Frage ist im Revisionsverfahren nicht zu erwarten, weil die Tatsachen, die vorliegen müssten, damit sie sich im Revisionsverfahren stellt, vom Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt sind. Ziel der Grundsatzrevision ist es, die Rechtseinheit in ihrem [X.]estand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91>). Dem würde es widersprechen, die Revision in [X.]ezug auf Fragen zuzulassen, deren Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. April 2020 - 4 [X.] 49.18 - juris Rn. 6 m. w. N.). Ungeachtet der Fragen, ob [X.]ebauungspläne als Rechtsnormen überhaupt einer Umdeutung zugänglich sind (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 27. Oktober 2011 - 4 [X.]N 7.10 - [X.] 406.11 § 9 [X.]auG[X.] Nr. 105 Rn. 20 und vom 25. Juni 2014 - 4 [X.]N 4.13 - [X.]VerwGE 150, 101 Rn. 11) und ob die umgedeutete Festsetzung ihrerseits auf § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]auG[X.] gestützt werden könnte, setzt eine Umdeutung jedenfalls voraus, dass sie dem Planungswillen der Antragsgegnerin nicht widerspricht ([X.]VerwG, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 4 [X.]N 7.10 - [X.] 406.11 § 9 [X.]auG[X.] Nr. 105 Rn. 20; vgl. auch § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwVfG, § 140 [X.]G[X.]). Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu, weil er die Möglichkeit einer Umdeutung der fraglichen Festsetzung nicht geprüft hat, keine Feststellungen getroffen. Das verkennt auch die [X.]eschwerde nicht, die einen entsprechenden Planungswillen der Antragsgegnerin unterstellt. Gleiches gilt im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal "besonderer Fall" im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.]auG[X.].

7

Der Einwand fehlender tatrichterlicher Feststellungen kann einer [X.]eschwerde allerdings nicht entgegen gehalten werden, wenn eine in der Vorinstanz ordnungsgemäß beantragte Sachverhaltsaufklärung nur deswegen unterblieben ist, weil das [X.] eine als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage anders als der [X.]eschwerdeführer beantwortet und deswegen die [X.]eweisaufnahme als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 29. Juni 2021 - 4 [X.] 20.20 - juris Rn. 9 m. w. N.). Anträge zur Sachverhaltsaufklärung hat die anwaltlich vertretene Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht gestellt.

8

Die zweite Frage ist nicht klärungsbedürftig. Ein rechtswidriger Rechtsakt kann in einen anderen Rechtsakt umgedeutet werden, wenn dieser auf das gleiche Ziel gerichtet von der erlassenden [X.]ehörde unter den gleichen Verfahrensvoraussetzungen hätte erlassen werden können, er den Adressaten nicht ungünstiger stellt und anzunehmen ist, dass er dem mutmaßlichen Willen der erlassenden [X.]ehörde entspricht (vgl. § 47 VwVfG, [X.]VerwG, Urteil vom 10. Juni 1981 - 8 [X.] 15.81 - [X.]VerwGE 62, 300 <306> = juris Rn. 23). Die getroffene Regelung wird durch eine andere ersetzt (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 [X.] 29.87 - [X.]VerwGE 80, 96 <97 f.> = juris Rn. 12 und vom 18. Januar 2017 - 8 [X.] 1.16 - [X.]VerwGE 157, 187 Rn. 18 f.). Danach scheidet die von der [X.]eschwerde ins Auge gefasste Umdeutung von vornherein aus. Der deklaratorischen Wiedergabe einer ohnehin geltenden Rechtsvorschrift kommt keinerlei Rechtsaktqualität zu. Eine Festsetzung mit Regelungsgehalt und ein deklaratorischer Hinweis sind auch nicht auf das gleiche Ziel gerichtet.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 9/23

09.01.2024

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 12. Dezember 2022, Az: 9 N 19.600, Urteil

§ 9 Abs 1 Nr 24 BauGB, § 9 Abs 2 S 1 Nr 2 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.01.2024, Az. 4 BN 9/23 (REWIS RS 2024, 341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 341

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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