Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.08.2012, Az. X R 23/10

10. Senat | REWIS RS 2012, 3737

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Gegenstand

Zeitpunkt der Bildung einer Rückstellung für hinterzogene Mehrsteuern - keine tatsächliche Verständigung über Rechtsfragen


Leitsatz

Eine Rückstellung für hinterzogene Mehrsteuern kann erst zu dem Bilanzstichtag gebildet werden, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung rechnen musste.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer [X.] werden. Der Kläger betreibt eine Pizzeria als Einzelunternehmer; er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.

2

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 24. März 2005 fand beim Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 2001 bis 2003 statt. Nachdem der Prüfer sehr niedrige Rohgewinnaufschlagsätze, Kalkulationsdifferenzen sowie Fehlbeträge in einer Geldverkehrsrechnung festgestellt hatte, schaltete er die Steuerfahndung ein. Am 2. Mai 2005 wurde ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger eingeleitet, das ihm am 17. Mai 2005 --im Rahmen einer an diesem Tag stattfindenden [X.] bekannt gegeben wurde. Die Fahndungsprüfung wurde im weiteren Verlauf auf die Jahre 2004 und 2005 erweitert und am 13. Dezember 2007 durch eine tatsächliche Verständigung abgeschlossen. Gegenstand dieser Verständigung war die Hinzuschätzung bestimmter Betriebseinnahmen sowie umsatzsteuerlicher Entgelte für die Jahre 2001 bis 2005.

3

Die Prüferin bildete im Fahndungsprüfungsbericht vom 17. Januar 2008 für die aufgrund der tatsächlichen Verständigung zusätzlich anfallenden Umsatz- und Gewerbesteuern eine Rückstellung zu Lasten des Gewinns des Jahres 2005. Demgegenüber wurden die Steuerrückstellungen im strafrechtlichen Ermittlungsbericht, der ebenfalls vom 17. Januar 2008 datiert, zu Lasten des Gewinns derjenigen Jahre gebildet, in denen die [X.] entstanden waren.

4

In den angefochtenen [X.] über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre 2001 und 2003 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung um. Zusätzliche Steuerrückstellungen berücksichtigte er nicht. Die Kläger begehrten demgegenüber den Ansatz zusätzlicher Rückstellungen in folgender Höhe:

5
                 

           

        

2001   

2003   

Umsatzsteuer

6.903 DM

7.962 €

Gewerbesteuer

3.540 DM

5.900 €

Summe 

10.443 DM

13.862 €

6

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1987). Es vertrat die Auffassung, die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach [X.], die aufgrund einer Fahndungsprüfung festgesetzt werden, erst in dem Zeitpunkt passiviert werden dürften, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Hinterziehung habe rechnen müssen, könne nicht überzeugen. Gerade die Bilanz eines Steuerpflichtigen, der mit [X.] handele, sei von Anfang an --auch hinsichtlich der in zu geringer Höhe ausgewiesenen Aufwendungen für [X.] subjektiv unrichtig und müsse daher im Zeitpunkt des Fehlerursprungs berichtigt werden. Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dürfe keinen Strafcharakter erlangen. Die von der Finanzverwaltung vorgenommene Differenzierung zwischen [X.] infolge einer Außenprüfung einerseits und einer Steuerfahndungsprüfung andererseits sei weder dogmatisch gerechtfertigt noch praktikabel. Der Steuerpflichtige könne nicht immer erkennen, in welchem Zeitpunkt die [X.] zu passivieren seien. Dies verkürze seine Rechtsschutzmöglichkeit. Auch für das [X.] sei nicht erkennbar, welche Feststellungen es in derartigen Fällen hinsichtlich des objektiven und subjektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung treffen müsse und wie der Grad der Wahrscheinlichkeit der drohenden Aufdeckung der Tat beurteilt werden müsse.

7

Für den Streitfall komme hinzu, dass die [X.] bereits festgesetzt worden seien. Auch habe die Steuerfahndung hinsichtlich des Zeitpunkts der [X.] in verschiedene Richtungen zu "manipulieren" versucht. So seien die [X.] im Ermittlungsbericht zu Lasten der Streitjahre abgezogen worden, weil dies für die Strafzumessung von Bedeutung sei. Im Entwurf des Strafbefehls seien die [X.] dann zu Lasten des Jahres der Tataufdeckung passiviert worden, weil dadurch die Einkommensteuer des Jahres 2005 auf Null habe reduziert und der Tatvorwurf insoweit habe beseitigt werden können.

8

Mit seiner Revision rügt das [X.] eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Passivierung bei Verpflichtungen, deren Bestehen dem jeweiligen Gläubiger noch unbekannt sei.

9

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen,
weiter hilfsweise, die Sache dem [X.] vorzulegen.

Sie sind --ohne dies weiter auszuführen-- der Auffassung, die Ausführungen des [X.] genügten nicht den an eine [X.] zu stellenden Anforderungen. In der Sache selbst schließen sie sich dem vorinstanzlichen Urteil an.

Entscheidungsgründe

I[X.] Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Die Revision ist zulässig. Insbesondere erfüllt die [X.] die Anforderungen des § 120 Abs. 3 [X.]O. Von weiteren Ausführungen hierzu sieht der Senat ab, zumal die Kläger ihre gegenteilige Auffassung nicht näher begründet haben.

2. Die Revision ist auch begründet. Die Entscheidung des [X.], bereits in den Streitjahren eine Rückstellung für die hinterzogenen Steuern zuzulassen, verletzt Bundesrecht. Im Streitfall konnte der Kläger zu den streitgegenständlichen [X.]n (31. Dezember der Jahre 2001 und 2003) noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von seiner Inanspruchnahme hinsichtlich der erst im [X.] festgesetzten [X.] ausgehen.

a) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Kläger in seinen Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Auf diesen Grundsätzen beruht u.a. die Vorschrift des § 249 Abs. 1 Satz 1 des [X.]andelsgesetzbuchs ([X.]GB). Danach sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden.

Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt eine betrieblich veranlasste, aber ungewisse Verpflichtung gegenüber einem Dritten voraus, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entstehen und zu einer Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen führen wird, und die ihre wirtschaftliche Verursachung im Zeitraum vor dem Bilanzstichtag findet (Urteil des [X.] --BF[X.]-- vom 30. November 2005 I R 110/04, [X.], 83, [X.], 251, unter I[X.]2. vor a, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

b) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen sowohl Rückstellungen wegen zivilrechtlicher Schadensersatzverpflichtungen als auch wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen erst gebildet werden, wenn derjenige, der Inhaber des gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Anspruchs ist, von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hat oder eine solche Kenntniserlangung unmittelbar bevorsteht, so dass eine Inanspruchnahme wahrscheinlich ist (vgl. [X.]/ [X.], EStG, 31. Aufl., § 5 Rz 379). Für eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme reicht es nicht schon aus, dass es einen Gläubiger gibt; vielmehr muss dieser auch seinen Anspruch kennen. Aus dem [X.] folgt lediglich, dass nicht nur die bestehende Kenntnis, sondern auch eine unmittelbar bevorstehende Kenntniserlangung des Gläubigers die Bildung einer Rückstellung rechtfertigt (ausführlich zum Ganzen BF[X.]-Urteil vom 19. Oktober 1993 [X.] R 14/92, [X.], 456, [X.] 1993, 891, betr. öffentlich-rechtliche Verpflichtungen; BF[X.]-Urteil vom 25. April 2006 [X.] R 40/04, [X.], 364, [X.] 2006, 749, betr. zivilrechtliche Schadensersatzverpflichtungen; beide mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Bei Verpflichtungen, die aus Straftaten resultieren, entsteht die Verbindlichkeit nach den maßgebenden zivil- oder öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zwar bereits mit Begehung der Tat. Solange der Steuerpflichtige aber davon ausgehen kann, dass die Tat unentdeckt bleibt, stellt die Verbindlichkeit für ihn keine wirtschaftliche Belastung dar (BF[X.]-Urteile vom 3. Juli 1991 [X.], 164/87, [X.], 556, [X.] 1991, 802, unter 2. vor a, und vom 2. Oktober 1992 III R 54/91, [X.], 423, [X.] 1993, 153, unter 2.); es fehlt an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme.

Ob eine Inanspruchnahme aus der ungewissen Verbindlichkeit zu erwarten ist, richtet sich nach den Verhältnissen des jeweiligen [X.] unter Berücksichtigung der bis zur Bilanzaufstellung --oder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§ 243 Abs. 3 [X.]GB) aufzustellen gewesen wäre (vgl. hierzu Senatsurteil in [X.], 556, [X.] 1991, 802, unter 2.d)-- bekannt werdenden wertaufhellenden Umstände (BF[X.]-Urteil in [X.], 423, [X.] 1993, 153, unter 3.).

c) Diese allgemein für die Bildung von Rückstellungen geltenden Grundsätze des [X.]andels- und Steuerbilanzrechts werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch auf Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen aus von ihm hinterzogenen Steuern angewendet. Folglich darf für [X.], die --vorbehaltlich einer etwaigen Wertaufhellung bis zur [X.] vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem die Aufdeckung der Tat unmittelbar bevorsteht, keine Rückstellung gebildet werden. Für die [X.] reicht es weder aus, dass der Steuerpflichtige selbst von der Steuerhinterziehung Kenntnis hat, noch dass nach allgemeiner Erfahrung im [X.] an Außen- und Fahndungsprüfungen häufig mit der Festsetzung von [X.] zu rechnen ist. Eine Rückstellung ist vielmehr erst zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem der Steuerpflichtige aufgrund eines hinreichend konkreten Sachverhalts ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung rechnen muss, also frühestens dann, wenn der Prüfer eine bestimmte Sachbehandlung beanstandet hat, was in der Rechtsprechung mit dem Begriff der "aufdeckungsorientierten Maßnahme" bezeichnet wird (zum Ganzen BF[X.]-Urteil vom 16. Februar 1996 I R 73/95, [X.], 110, [X.] 1996, 592, unter [X.], unter Verweis auf die bereits damals herrschende Literaturauffassung zu dieser Frage; ferner BF[X.]-Entscheidungen vom 27. November 2001 [X.] R 36/00, [X.], 394, [X.] 2002, 731, unter [X.] bb, und vom 13. Februar 2008 I B 175/07, nicht veröffentlicht, juris).

Nach den Feststellungen des [X.] liegen der im Streitfall vom Kläger begehrten Rückstellung hinterzogene Steuern zugrunde. Die Außenprüfung, die später in die Fahndungsprüfung überging, ist erst im Jahr 2005 angeordnet worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Tatumstände dem [X.] bereits zu einem früheren Zeitpunkt bekannt waren, sind vom [X.] nicht festgestellt worden. Danach können zum 31. Dezember der Streitjahre 2001 und 2003 noch keine Rückstellungen für das Risiko einer künftigen Inanspruchnahme aus den hinterzogenen Steuern gebildet werden.

d) Die vom [X.] angestellten Erwägungen geben keinen Anlass, von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bildung von Rückstellungen für hinterzogene Steuern abzuweichen.

aa) Das [X.] hat ausgeführt, es könne keine Kriterien erkennen, die für eine unterschiedliche Behandlung solcher [X.], die auf Steuerhinterziehungen beruhen, im Vergleich zu [X.] infolge "üblicher" Außenprüfungen sprächen. Dem ist zu entgegnen, dass es eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung lediglich für Rückstellungen aufgrund hinterzogener Mehrsteuer gibt (vgl. die Nachweise unter c). Demgegenüber ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage des Zeitpunkts der Berücksichtigung von [X.] infolge einer Außenprüfung uneinheitlich (für eine Berücksichtigung erst im Jahr der Kenntnis des Steuerpflichtigen von den [X.] BF[X.]-Urteil vom 16. Dezember 2009 I R 43/08, [X.], 469, unter [X.]; für eine Passivierung zu Lasten des Jahres der Steuerentstehung BF[X.]-Urteil vom 15. März 2012 III R 96/07, [X.], 1495).

Eine auf die Anwendung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gestützte Pflicht zur nachträglichen Bildung einer Rückstellung für das Jahr des Entstehens der Steuern ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ferner insoweit ausgesprochen worden, als ein [X.], wenn es bereits im Veranlagungsverfahren anlässlich der Überprüfung der Steuererklärung eine Erhöhung des Gewinns vornimmt, verpflichtet ist, zugleich eine entsprechende Anpassung der [X.] vorzunehmen (BF[X.]-Urteil vom 3. Dezember 1969 I R 107/69, [X.], 524, [X.] 1970, 229). Diese Situation ist derjenigen nach einer Außenprüfung nicht gleichzusetzen. Soweit sich aus dem Umstand, dass diese --nicht zu Außenprüfungen ergangene-- Entscheidung in den einschlägigen Verwaltungsanweisungen zitiert wird (z.B. [X.] 4.9 "Rückstellung für künftige [X.]" Satz 2 der Einkommensteuer-[X.]inweise 2010), in der Praxis die [X.]andhabung entwickelt haben sollte, dass auch nach Außenprüfungen eine Passivierung zusätzlich anfallender Steuern im Jahr ihrer wirtschaftlichen Verursachung zugelassen wird, kann dies den Senat für seine Beurteilung des Zeitpunkts der Passivierung hinterzogener Steuern nicht binden. Die Zulassung einer nachträglichen [X.] für [X.] infolge einer Außenprüfung bedeutete eine Ausnahme von den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen (so bereits BF[X.]-Urteil vom 19. Dezember 1961 I 66/61 U, BF[X.]E 74, 165, [X.]I 1962, 64).

bb) Das [X.] hat ferner ausgeführt, es könne nicht erkennen, welche Feststellungen es hinsichtlich des subjektiven und objektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung treffen müsse und wie es den Grad der Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung beurteilen solle.

Insoweit ist auf die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O sowie auf den Grundsatz zu verweisen, wonach im Einzelfall auftretende Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung --die im vorliegenden Verfahren allerdings nicht erkennbar sind-- es nicht erlauben, eine zutreffende Rechtsanwendung zu unterlassen. Für die Feststellung des Tatbestands einer Steuerhinterziehung gelten dieselben Maßstäbe wie auch in allen anderen Fällen, in denen Finanzgerichte über das Vorliegen eines solchen Sachverhalts entscheiden müssen (z.B. im Rahmen der Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 2 oder des § 235 der Abgabenordnung).

Die Prognose, ob zum jeweiligen Bilanzstichtag eine Kenntniserlangung des Gläubigers von seinem bestehenden Anspruch wahrscheinlich ist, ist nach ständiger Rechtsprechung anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse zu treffen (BF[X.]-Urteil in [X.], 456, [X.] 1993, 891, unter 1.b cc). Die materiell-rechtlichen Grundlagen sowie die Anforderungen an die Sachaufklärung und Überzeugungsbildung der Tatsacheninstanz unterscheiden sich insoweit nicht von der Behandlung aller anderen Rückstellungen für zivil- oder öffentlich-rechtliche Verpflichtungen.

cc) Der vom [X.] hervorgehobene Umstand, dass im Streitfall bereits Steuerfestsetzungen über die [X.] vorlagen, ist für den Zeitpunkt der [X.] unerheblich. Denn nach der vorstehend angeführten Rechtsprechung sind die am jeweiligen Bilanzstichtag erkennbaren Verhältnisse maßgebend. Zu diesen Zeitpunkten brauchte der Kläger aber nicht mit einer Erhöhung der Steuerfestsetzungen zu rechnen.

dd) Das [X.] kann sich für seine abweichende Auffassung auch nicht auf das BF[X.]-Urteil vom 3. Februar 2010 I R 21/06 (BF[X.]E 228, 259, [X.] 2010, 692, unter [X.]) berufen. Darin hat der BF[X.] ausgeführt, dass die Bilanz eines Steuerpflichtigen, der bei Erstellung seines Jahresabschlusses in einer Rechtsfrage, deren Entscheidung für die [X.]öhe des von ihm auszuweisenden Gewinns maßgeblich ist, eine andere Rechtsauffassung als das [X.] vertritt, hinsichtlich der [X.] auch dann "richtig" ist, wenn er bei Ermittlung der [X.]öhe dieser Rückstellungen diejenige Steuer zugrunde legt, die bei Berücksichtigung der Verwaltungsauffassung anfallen würde, sofern er gegenüber dem [X.] die maßgebenden Tatsachen offen legt ("... Folge der von der Klägerin deklarierten Umstrukturierung ..."). In einem solchen Fall bleibt es nach der Entscheidung des [X.] Senats auch dann bei der ursprünglich gebildeten Steuerrückstellung, wenn die Steuer später nach der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens herabgesetzt wird.

Auf den Streitfall ist dies schon deshalb nicht übertragbar, weil der Kläger in seinen ursprünglichen Bilanzen weder eine Steuerrückstellung in der jetzt von ihm begehrten [X.]öhe gebildet noch den tatsächlichen Sachverhalt gegenüber dem [X.] offengelegt hat.

ee) Soweit das [X.] Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der bilanzsteuerrechtlichen und der steuerstrafrechtlichen Beurteilung des Zeitpunkts einer [X.] sieht, ist darauf zu verweisen, dass beide Rechtsgebiete ihren jeweils eigenen Zwecksetzungen folgen und die einkommensteuerrechtliche Beurteilung allein nach bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen vorzunehmen ist; die strafrechtliche Behandlung ist insoweit unerheblich. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach dem Akteninhalt für den vom [X.] erhobenen Vorwurf einer "Manipulation" durch die Strafverfolgungsbehörden keine Anhaltspunkte bestehen.

ff) Auf die vom [X.] aufgeworfenen Fragen zur Bilanzberichtigung oder -änderung nach § 4 Abs. 2 EStG kommt es für die Entscheidung des Streitfalls nicht an. Denn die ursprünglich vom Kläger aufgestellten Bilanzen für die Streitjahre 2001 und 2003 waren hinsichtlich des Fehlens der Rückstellungen für die hinterzogenen Steuern richtig, so dass eine Bilanzberichtigung --die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder Vorschriften des EStG voraussetzt-- ausscheidet. Auch eine Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) kommt nicht in Betracht, weil hinsichtlich des Zeitpunkts der Passivierung hinterzogener Steuern kein Bilanzierungswahlrecht besteht.

e) Für die Behauptung der Kläger, Gegenstand der tatsächlichen Verständigung sei auch der Zeitpunkt der [X.] gewesen, findet sich im Text der tatsächlichen Verständigung kein Anhaltspunkt. Im Übrigen ist eine tatsächliche Verständigung über Rechtsfragen ausgeschlossen (BF[X.]-Urteil vom 31. März 2004 I R 71/03, BF[X.]E 206, 42, [X.] 2004, 742, unter I[X.]11.b). Die Frage, ob die Bildung einer Rückstellung voraussetzt, dass aus Sicht des jeweiligen [X.] eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen besteht, ist aber materiell-rechtlicher --und nicht tatsächlicher-- Art.

f) Nicht nachvollziehbar ist der Antrag der Kläger, die streitentscheidende Rechtsfrage wegen einer Divergenz zwischen der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung und dem Urteil des VII[X.] Senats des BF[X.] in [X.], 394, [X.] 2002, 731 dem [X.] des BF[X.] zur Entscheidung vorzulegen. Der erkennende Senat stützt sich für seine Auffassung vielmehr gerade auf die angeführte Entscheidung des VII[X.] Senats (vgl. die Nachweise unter c).

g) Diese Grundsätze gelten gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes auch für die Ermittlung des [X.].

Meta

X R 23/10

22.08.2012

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 16. Juni 2010, Az: 5 K 687/2009, Urteil

§ 5 Abs 1 EStG 1997, § 249 Abs 1 S 1 HGB, § 5 Abs 1 EStG 2002, § 88 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.08.2012, Az. X R 23/10 (REWIS RS 2012, 3737)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3737

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