Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2008, Az. 2 StR 140/08

2. Strafsenat | REWIS RS 2008, 3749

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 140/08 vom 28. Mai 2008 in der Strafsache gegen wegen Erpressung - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28. Mai 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] Prof. [X.], [X.]in am [X.] Roggenbuck, [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], Staatsanwältin als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2007 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im [X.] entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Erpressung in 364 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, de-ren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Außerdem hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Voll-streckung der Maßregel ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsan-waltschaft rügt mit ihrem auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittel die Verletzung materiellen Rechts. Einwände werden im [X.] gegen die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe und der Un-terbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erhoben. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1 - 4 - 1. Nach den Feststellungen des [X.]s weist der vielfach vorbe-strafte Angeklagte eine intellektuelle Minderbegabung auf, die im Bereich des Schwachsinns liegt. Von 1992 bis 2001 befand er sich aufgrund einer [X.] unter anderem wegen Raubes und Körperverletzung im geschlossenen Maßregelvollzug. Ab Juli 2001 lebte der Angeklagte - zunächst im Wege der [X.], ab April 2002 aufgrund einer entsprechenden Weisung nach bedingter Entlassung aus dem Maßregelvollzug - in einem offenen Heim für psychisch behinderte und kranke Menschen. Dort zwang der Angeklagte [X.] ab Juni 2004 bis Juli 2006 durch Drohungen Mitpatienten, die er auf-grund seiner vergleichsweise gut entwickelten [X.] Intelligenz als ihm psy-chisch unterlegen erkannte, ihm kleinere Geldbeträge bis maximal 7 Euro, Kaf-fee oder Zigaretten zu überlassen. Die ausgesprochenen Drohungen waren überwiegend so harmlos, dass sie nur subjektiv von den [X.] vor dem [X.] ihrer Erkrankung als empfindliches Übel angesehen wurden. Während er einem Patienten gegenüber eine drohende Haltung einnahm, drohte er [X.] damit, anderen Personen von ihren Ängsten bzw. von ihrer Weigerung zu erzählen, ihm Bargeld, Kaffee oder Zigaretten zu geben. Nachdem er wegen dieser Straftaten aus dem offenen Heim entlassen worden war, befand er sich knapp ein Jahr in einer betreuten Wohneinrichtung, wo er sich —sehr kooperativfi verhielt. Vom 12. Juli 2007 bis zur Urteilsverkündung am 15. Oktober 2007 war er in einer psychiatrischen Klinik einstweilig untergebracht. 2 2. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Insbesondere halten die Erwägun-gen des [X.]s, mit denen es eine Aussetzung der Vollstreckung der Ge-samtfreiheitsstrafe und der Maßregel begründet hat, rechtlicher Nachprüfung stand. Dem Tatrichter steht bei den [X.] nach § 56 StGB und nach § 67 b StGB ein weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. [X.], 303, 304; [X.] 55. Aufl. § 56 Rdn. 25 und § 67 b Rdn. 3 - 5 - 3). Diesen hat das [X.] nicht überschritten. Es hat die Aussetzungsent-scheidungen auf der Grundlage vertretbarer Erwägungen getroffen, die dem sich aus § 67 b Abs. 1 Satz 2 StGB ergebenden inneren Zusammenhang zwi-schen der Straf- und Maßregelaussetzung gerecht werden (vgl. BGHR StGB § 67 b Abs. 1 Gesamtwürdigung 1). a) Die Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ist rechts-fehlerfrei begründet. Das [X.] hat sich zunächst bei der nach § 56 Abs. 1 StGB gebotenen Gesamtwürdigung ausreichend mit den einer positiven Prognose widerstreitenden Faktoren auseinandergesetzt, in dem es auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen und seiner Ausführungen in der Strafzu-messung davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte —Wiederholungstäter und [X.] ist. Es ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu beanstanden, dass das [X.] diesen Umstand als durch den langen Zeitraum zwischen der letzten Verurteilung im Jahre 1992 und der [X.], im Jahre 2004 beginnenden [X.] relativiert gesehen hat. Die Kammer hat insoweit ersichtlich lediglich auf die mit Zeitablauf nachlassende warnende Wirkung der Verurteilung als solcher abgehoben und dabei nicht übersehen, dass sich der Angeklagte in dem betreffenden Zeitraum neun Jahre im geschlossenen Maßregelvollzug befunden hat. Dies zeigt die mehrfache Be-zugnahme in den Urteilsgründen auf die exakten Zeiträume, während derer sich der Angeklagte —auch außerhalbfi des geschlossenen [X.] über längere Phasen strafrechtlich unauffällig verhalten hat. 4 Anders als die Revision meint hat sich das [X.] zur Begründung der positiven Prognose auch nicht mit der formelhaften Feststellung begnügt, der Angeklagte sei durch das vorliegende neue Verfahren und den Vollzug der einstweiligen Unterbringung —tief [X.] und ihm sei die Konsequenz ei-5 - 6 - nes drohenden Widerrufs klar. Vielmehr hat es vor allem darauf abgestellt, dass der Angeklagte nach seinem Aufenthalt im geschlossenen Maßregelvollzug an-fangs fast drei Jahre in dem offenen Heim und danach bis zum Beginn des Vollzugs der einstweiligen Unterbringung nahezu ein Jahr lang in der betreuten Wohneinrichtung in Freiheit gelebt hat, ohne straffällig zu werden. Angesichts dessen durfte das [X.] ohne Überschreitung des ihm zugebilligten wei-ten [X.] die für eine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 1 StGB erforderliche positive Prognose bejahen. Darüber hinaus hat das [X.] ohne Rechtsfehler —besondere [X.] im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB angenommen, welche ebenfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit straffreier Lebensführung begründen (vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit dieser Umstände bei der Sozialprognose BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 9). Die Kammer durfte es als besonderen Umstand werten, dass sich die maßgeblichen Lebensverhältnisse, aus denen heraus der Angeklagte die Taten beging, grundlegend geändert haben. Das [X.] hat im Ausgangspunkt darauf abgestellt, dass der Angeklagte die [X.] nur begehen konnte, weil er in dem Heim ständigen Kontakt und unmit-telbaren Zugang zu den [X.] hatte, die ihm nicht ausweichen konnten. Die daran anknüpfende Annahme des [X.]s, mit dem Verlassen des [X.] und der Möglichkeit, unter davon abweichenden Gegebenheiten in der be-treuten Wohneinrichtung zu leben, sei die besondere Lebenssituation entfallen, welche die Straftaten ermöglichte, liegt nahe und ist nicht zu beanstanden. Das [X.] hat auch ersichtlich nicht übersehen, dass der Angeklagte in der Vergangenheit nicht nur Straftaten gegenüber Mitbewohnern begangen hat. 6 b) Die Erwägungen, mit denen die [X.] das Vorliegen besonde-rer Umstände bejaht, die nach § 67 b StGB Voraussetzung einer Aussetzung 7 - 7 - der Vollstreckung der Maßregel sind, lassen Rechtsfehler ebenfalls nicht erken-nen. Das sachverständig beratene [X.] durfte es in diesem rechtlichen Zusammenhang auch als besonderen Umstand werten, dass sich der Ange-klagte in den letzten Jahren außerhalb des geschlossenen [X.] über längere Phasen, insbesondere in dem Jahr vor seiner einstweiligen Unter-bringung, strafrechtlich unauffällig verhalten hat. Ebenso wenig ist die Annahme rechtlich zu beanstanden, der Angeklagte verfüge mit der betreuten [X.] über einen geeigneten [X.] Empfangsraum, der in Verbindung mit der Betreuung und Aufsicht durch die ihm bestellte [X.] und den Bewährungshelfer die gebotene engmaschige Kontrolle ermögliche. Soweit die Revision meint, diese Umstände könnten die bei dem Angeklagten erforderliche Kontrolldichte nicht gewährleisten, weil ihm die neuen Lebensverhältnisse nicht weniger, sondern mehr Gelegenheit zu weiteren Straftaten böten, kann ihr nicht gefolgt werden. Dies wird von den Feststellungen des [X.]s zu den un-terschiedlichen Lebensumständen in der betreuten Wohneinrichtung, zu denen es den [X.]und die Zeugin [X.]gehört hat, und dem offenen Heim, in dem es zu den Straftaten gekommen ist, nicht belegt. Dass - wie der [X.] ergänzend hervorhebt - die Kammer die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus für erforderlich gehal-ten hat, weil er behinderungsbedingt —bei sich bietender Gelegenheitfi erneut entsprechende Straftaten begehen werde, ist nach § 63 StGB Voraussetzung für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Als ein für die Anordnung der Maßregel erforderlicher Umstand kann die - 8 - Gefährlichkeit des [X.] aber nicht zugleich hinreichender Grund für die Ver-sagung der Aussetzung des Vollzuges zur Bewährung sein, da sonst für eine Aussetzung zugleich mit der Anordnung gemäß § 67 b StGB kein Anwen-dungsbereich bliebe (siehe [X.] 2002, 192). [X.] Fischer Roggenbuck [X.] [X.]

Meta

2 StR 140/08

28.05.2008

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2008, Az. 2 StR 140/08 (REWIS RS 2008, 3749)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3749

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