Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2014, Az. 1 StR 735/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7241

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 735/13

vom
11. März
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchten Mordes u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 11. März
2014
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. September 2013 mit den [X.] aufgehoben; hiervon ausgenommen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Geschehen und zum Tötungs-
und Heimtückevorsatz (§ 349 Abs. 4 StPO).
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkam-mer des [X.]s zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.] mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun [X.] und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, mit Verfahrensrü-gen und der Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts geführte [X.] des Angeklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg.
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I.
1. Nach den Feststellungen erfuhr der Angeklagte am 13. Oktober 2012
von seiner Freundin, dass der gemeinsame Bekannte

Z.

sie miss-braucht habe. Um sich an

Z.

zu rächen, lauerte er diesem einen Tag später auf, nachdem er dessen Fußweg in Erfahrung gebracht hatte. Der Angeklagte ging auf den Geschädigten Z.

zu; als er vor ihm stand, setzte er unvermittelt, bewusst den Überraschungsmoment zur Ausschaltung von [X.] ausnutzend, zu einem von oben geführten Stich auf den Kopf mit ei-nem Schraubenzieher an. Der Geschädigte wurde oberflächlich an der Stirn getroffen und beugte sich nach vorn. Der Angeklagte holte erneut mit dem Schraubenzieher aus und stach dem gebückt stehenden Geschädigten in den Rücken. Der Stich drang vier bis fünf Zentimeter zwischen die Schulterblätter ein. Nachdem der Geschädigte zu Boden gegangen war, trat der Angeklagte noch mehrmals mit Füßen auf ihn ein. Der Geschädigte konnte schließlich auf-stehen und fliehen. Der Angeklagte rief ihm nach, dass er ihn schon noch krie-gen und umbringen werde. Der Geschädigte ging nach Hause, unterwegs trank er noch ein Bier. Durch die Verletzungen
bildete sich
bei ihm
ein [X.], aufgrund dessen abstrakte Lebensgefahr bestand.
2. Das [X.] ist von einer heimtückischen Begehungsweise aus-gegangen und hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Mordes mit der Begründung verneint, dass der Versuch fehlgeschlagen sei. Der Ange-klagte habe erkannt, dass sein [X.] gescheitert sei, als sich sein Opfer ä-digte Richtung der ca. 50 Meter vom [X.] entfernten P

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II.
1. Während die Verfahrensrügen aus dem vom [X.] in seiner Antragsschrift aufgeführten Gründen versagen, hat die Sachrüge teilwei-se Erfolg. Zwar hat sich das [X.] rechtsfehlerfrei vom Handeln des [X.] mit Tötungsvorsatz überzeugt, auch die Annahme einer heimtücki-schen Begehungsweise ist nicht zu beanstanden. Jedoch erweisen sich die Erwägungen, mit denen das [X.] zur Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs gelangt ist und daran anknüpfend einen
strafbefreienden Rücktritt vom Mordversuch verneint hat, als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn sie finden in den Feststellungen keine Grundlage.
a) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach [X.] des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des [X.] nach Abschluss der letzten Ausfüh-rungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Er-folgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor ([X.] Rspr.;
vgl. nur [X.], Urteil vom 25. Oktober 2012 -
4 [X.], [X.], 156
mit zahlreichen weiteren Nachweisen), so dass ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB ausscheidet.
Mithin kommt es auf das Vorstellungsbild des [X.] nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung
an. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das ent-sprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prü-4
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fung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 13. November 2012 -
3 [X.]; [X.], Beschluss vom 29. September 2011 -
3 StR
298/11, [X.], 263; [X.], Beschluss vom 11.
Februar 2003 -
4 StR 8/03;
[X.], Urteil vom 19. März 2013 -
1 [X.], [X.], 273).
b) Diesen Anforderungen werden die Darlegungen in den Urteilsgründen nicht gerecht.
Denn das [X.] hat
aus den getroffenen Feststellungen
keine Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung gezogen. Hierzu ist lediglich festgestellt, dass der Geschädigte, welcher soeben noch mit Fußtritten vom Angeklagten traktiert wurde, aufstehen und fliehen konnte. Welche Vorstellungen der Angeklagte in diesem Moment des Entkommenlassens hatte, bleibt unerörtert. Aufgrund der hier festgestellten Tatumstände -
der noch im Besitz des Tatwerkzeugs befind-liche Angeklagte trat mit Füßen auf den am Boden liegenden Geschädigten ein, hielt den sich [X.] aber weder fest noch setzte er ihm nach -
versteht es sich auch nicht von selbst, dass sich die Befreiung und die Flucht des [X.] als unbezwingbar darstellten und er davon ausging, dass sein Plan in der konkreten Situation gescheitert war,
zumal da auch zu den Kräfteverhältnissen zwischen dem Angeklagten und dem Geschä-digten nichts weiter festgestellt i[X.]
Dass der Angeklagte nach der erfolgreichen Flucht des Geschädigten in Richtung einer vom [X.] nur wenig entfernten Polizeidienststelle vom Schei-tern seines [X.]s ausgegangen sein soll, ersetzt diese, einen zeitlich vorge-lagerten Zeitpunkt betreffende Feststellung nicht. Denn anders als in der vom 7
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[X.] für seine Rechtsauffassung zitierten Entscheidung ([X.], Urteil vom 14. Juli 1992 -
1 [X.], [X.], 39 f.) war das Opfer nicht unbe-merkt vom Angeklagten geflohen. Es hätte daher hier
anhand von [X.] aus den festgestellten Tatumständen einer Auseinandersetzung mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten bei der Situation des [X.] seines Opfers bedurft.
c) Auf der Grundlage der Feststellungen ist auch ein beendeter Versuch nicht belegt. Der Geschädigte hatte keine sichtbaren Beeinträchtigungen,
als er die Flucht ergriff. Vielmehr ist festgestellt, dass auch die Frau des Geschädig-ten die Verletzung am Rücken zunächst nicht bemerkte. Dass der Angeklagte davon ausgegangen wäre, den Geschädigten bereits tödlich getroffen zu ha-ben, ist nicht naheliegend und wäre auch mit seiner nachgerufenen Drohung nicht ohne weiteres zu vereinbaren.
2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Von der Aufhebung erfasst wird auch die für sich genommen nicht zu [X.] Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Die [X.] zum objektiven Geschehen und zum Tötungs-
und Heimtückevor-satz werden jedoch von dem Rechtsfehler nicht berührt und können bestehen 10
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bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen, etwa zur Kampfsituation bei Entkommen des Geschädigten treffen, solange sie den auf-rechterhaltenen nicht widersprechen.
Raum Wahl

Graf

Cirener [X.]

Meta

1 StR 735/13

11.03.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2014, Az. 1 StR 735/13 (REWIS RS 2014, 7241)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7241

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4 StR 346/12

1 StR 647/12

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