Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2006, Az. IV ZB 39/05

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2776

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[X.] [X.] 39/05 vom 5. Juli 2006 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja [X.]Z: ja _____________________

[X.] §§ 119 Abs. 1, 1954 Die irrige Vorstellung des unter [X.] als Alleinerbe eingesetzten Pflichtteilsberechtigten, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren, rechtfertigt die Anfechtung [X.] auf dieser Vorstellung beruhenden Annahme der Erbschaft. [X.], Beschluss vom 5. Juli 2006 - [X.] - [X.] [X.] - 2 -

––––.. - 3 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] [X.] am 5. Juli 2006 beschlossen: Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.] vom 13. April 2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligte zu 2) hat die Kosten der Rechtsmittelverfah-ren zu tragen. Gegenstandswert: 3000 •

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Gründe: A. Die Beschwerdeführerin erstrebt eine Klärung der Erbfolge im [X.]. Der Erblasser hat seinen [X.], den Beteiligten zu 1), als Alleinerben eingesetzt, aber mit zahlreichen Vermächtnissen be-schwert. Die Beteiligte zu 2) wurde als [X.]vollstreckerin einge-setzt. Das am 24. Juli 2003 eröffnete Testament wurde mit dem Eröff-nungsprotokoll u.a. dem Beteiligten zu 1) durch Schreiben vom 30. Juli 2003 zugesandt. Dieser hat am 8. Oktober 2003 notariell beglaubigt fol-gende Erklärung abgegeben: 1 "Am 07.07.2003 ist mein Vater ... verstorben. Mein Vater ... hat ein Testament hinterlassen, wonach ich ... zum [X.]. Da ich die Erbschaft nicht fristgerecht ausgeschlagen habe, gilt die Erbschaft als angenommen. Ich fechte hiermit die Annahme der Erbschaft wegen [X.] an und schlage die Erbschaft aus allen Berufungs-gründen ohne jede Bedingung aus. Der Nachlaß ist derart mit Vermächtnissen belastet, daß mein Pflichtteil gefährdet ist. Dieser Umstand war [X.] zum Zeitpunkt der Annahme nicht bekannt. Wäre [X.] dieser Umstand bekannt gewesen, hätte ich die Erbschaft zu keiner Zeit annehmen wollen." Diese Erklärung ging am 13. Oktober 2003 beim Nachlassgericht ein. Auf ihrer Grundlage beantragte die Beteiligte zu 2) vor der Rechts-pflegerin des [X.] einen Erbschein, der die gesetzliche [X.] nach Wegfall des Beteiligten zu 1) ausweisen sollte. Dieser [X.] wurde am 1. April 2004 erteilt. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbe-vollmächtigten vom 20. April 2004 hat die Beteiligte zu 2) die Einziehung 2 - 5 -

des Erbscheins gemäß § 2361 [X.] angeregt und die Auffassung vertre-ten, die Anfechtung der Versäumung der [X.] durch den Beteiligten zu 1) sei unwirksam. Am Verfahren sind außer den bereits Genannten auch die im Erbschein vom 1. April 2004 aufgeführten ge-setzlichen Erben sowie eine testamentarisch bedachte [X.] beteiligt.
Das Amtsgericht als Nachlassgericht hat nach Durchführung von Ermittlungen die Einziehung des Erbscheins durch Beschluss vom 9. Dezember 2004 abgelehnt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) blieb ohne Erfolg. Auf ihre weitere Beschwerde hat das [X.] die Sache gemäß § 28 Abs. 2 [X.] dem [X.] zur Entschei-dung vorgelegt (vgl. [X.], 578 = [X.] 2006, 168). 3 [X.] Auch die weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. 4 [X.] 1. Das [X.] möchte der Feststellung des Landge-richts folgen, wonach der Beteiligte zu 1) die durch Vermächtnisse [X.] Erbschaft u.a. deshalb nicht ausgeschlagen habe, weil er irrig glaubte, andernfalls den Pflichtteil, auf den es ihm ankam, zu verlieren. Das [X.] hält einen solchen Rechtsirrtum für einen nach §§ 119 Abs. 1, 1955, 1956 [X.] erheblichen Inhaltsirrtum und damit die zugleich mit der Anfechtung erklärte Ausschlagung des Beteiligten zu 1) für wirksam. Es möchte deshalb die weitere Beschwerde zurückweisen. 5 - 6 -

An dieser Entscheidung sieht es sich durch die Rechtsprechung des [X.] gehindert (BayObLG NJW-RR 1995, 904, 906; [X.] 1998, 431, 432), wonach bei Annahme der [X.] des in § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] vorgesehenen [X.] sowie des nach Ausschlagung zu beanspruchenden [X.] nur mittelbare Rechtsfolgen sind, auf deren Un-kenntnis eine Anfechtung der unmittelbar erklärten Erbschaftsannahme nicht gestützt werden könne. Diese Rechtsprechung erfasst auch den vorliegenden Fall, obwohl der Beteiligte zu 1) - anders als in den vom [X.] entschiedenen Fällen - die [X.] nicht durch ausdrückliche Erklärung angenommen, sondern ledig-lich nicht fristgerecht ausgeschlagen hat. Denn die Versäumung der [X.] wird hinsichtlich ihrer Anfechtbarkeit durch § 1956 [X.] der Erklärung einer Annahme gleichgestellt. Dies gilt auch für die Anfechtung nach § 119 Abs. 1 [X.] wegen eines Irrtums etwa über die Folgen des Ablaufs der [X.] ([X.], 419, 423 f.; [X.] [X.] 1985, 286, 287 f.; [X.]/[X.], 4. Aufl. § 1956 [X.]. 7 f.). Wie das vorlegende [X.] weiter zutref-fend ausführt, würde deshalb der hier vorliegende Irrtum über das Be-stehen des dem Erben in § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] eingeräumten [X.], folge man dem [X.], als eine nur mittelbare Folge der gemäß § 1956 [X.] zu fingierenden Annahmeerklärung deren Anfechtung nicht rechtfertigen. Vielmehr würde der angegriffene Beschluss des [X.] aufgehoben und die Sache zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich eines zusätzlichen Irrtums des [X.] zu 1) über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlas-ses (§ 119 Abs. 2 [X.]), nämlich die Unkenntnis einer erheblichen Nach-6 - 7 -

lassverbindlichkeit während der [X.], zurückverwiesen werden müssen.
Damit sind die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 [X.] gegeben. Dass das [X.] Oberste Landesgericht inzwischen nicht mehr be-steht, ändert hier nichts an der Zulässigkeit der Vorlage (vgl. [X.], 207, 209). Der [X.] hat über die weitere Beschwerde zu entscheiden. 7 2. Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 27, 29 [X.]). Die Befugnis der Beteiligten zu 2) zur weiteren Beschwerde folgt bereits daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Das [X.] hat die [X.] zu 2) auch zur Erstbeschwerde zutreffend für gemäß §§ 19, 20 [X.] befugt gehalten. Gegen die Ablehnung der Einziehung eines [X.]s beschwerdeberechtigt ist jeder, der die Erteilung eines (anderen) Erbscheins beantragen kann. Die Beteiligte zu 2) ist als [X.]voll-streckerin befugt, Erbscheinsanträge zu stellen (vgl. [X.], [X.]. [X.]. 726; [X.]/[X.], [X.]O § 2203 [X.]. 10; [X.]/[X.], § 2361 [X.]. 49). Ihrer Beschwerdebefugnis steht nicht entgegen, dass der Erbschein, dessen Einziehung sie betreibt, auf ihren eigenen Antrag erteilt worden ist. Im Erbscheinsverfahren ist der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln; ob ein bereits erteilter Erbschein unrichtig und daher nach § 2361 [X.] einzuziehen ist, muss ohne Rücksicht auf Vorbringen und Anträge der Beteiligten entschieden werden. Deshalb kann auch derjenige, dem ein Erbschein antragsgemäß erteilt worden ist, gegen dessen Erteilung Be-schwerde mit dem Ziel der Einziehung einlegen (BayObLG FamRZ 1991, 617, 618; NJW-RR 1995, 904; [X.] [X.] 2003, 31, 32). 8 - 8 -

I[X.] Die weitere Beschwerde ist nicht begründet. 9 1. Das [X.] hat im Ergebnis mit Recht festgestellt, der [X.] zu 1) habe sich bis zum Ablauf der [X.] jedenfalls darüber geirrt, dass er die mit Vermächtnissen belastete Erbschaft hätte ausschlagen müssen, um den von ihm erstrebten Pflichtteilsanspruch zu erlangen (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Die [X.] wurde [X.] durch den Zugang des am 30. Juli 2003 an den Beteiligten zu 1) abgesandten Schreibens des [X.] über die Eröffnung und den Inhalt des [X.] in Lauf gesetzt; sie endete mithin am 11. oder 12. September 2003 (§§ 1944, 2306 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. [X.]). Nach dem Vortrag des Beteiligten zu 1) ging ihm das eröffnete Testament schon am 25. Juli 2003 zu; danach lief die [X.] bereits am 5. September 2003 ab. Jedenfalls ist die Feststellung nicht zu beanstan-den, dass der Beteiligte zu 1) seinen Irrtum erst unmittelbar vor seiner notariellen Erklärung vom 8. Oktober 2003 erkannt hat. Die [X.] des § 1954 [X.] ist also gewahrt. 10 a) Der Beteiligte zu 1) hat am Ende seines Schreibens an das Nachlassgericht vom 19. Mai 2004 vorgetragen, er sei dem Rechtsirrtum erlegen gewesen, dass ihm der Pflichtteil auch dann zustehe, wenn er das Erbe nicht ausschlage. Auf Fragen des [X.] dazu, wann er Kenntnis von der Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen, von der Fristgebundenheit der Ausschlagungserklärung und den Rechtsfolgen des [X.] erhalten habe, antwortete der Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 11. Juni 2004 u.a., dass man eine Erbschaft wegen 11 - 9 -

Überschuldung ausschlagen könne, sei ihm seit längerem bekannt. Er habe aber aus dem Buch "[X.] - Erben und Vererben", das er An-fang September 2003 gekauft habe, den Eindruck gewonnen, dass er die Erbschaft nicht ausschlagen dürfe, weil er sonst das Pflichtteilsrecht ver-liere, dass er aber den Rest, der auf den Pflichtteil fehle, auch dann her-ausverlangen könne, wenn das Ererbte nicht den Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils erreiche. Auf weitere Nachfrage des [X.] teilte der Beteiligte zu 1) mit, von der [X.] habe er am 26. September 2003 durch ein Schreiben der [X.] zu 2) erfahren und daraufhin den Notar aufgesucht, der die Er-klärung vom 8. Oktober 2003 beglaubigt hat.
b) Die Beteiligte zu 2) macht mit ihren Rechtsmitteln geltend, von einem Irrtum, das Pflichtteilsrecht stehe dem Beteiligten zu 1) auch ohne Ausschlagung zu, sei in der Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2003 nicht einmal andeutungsweise die Rede. Die Behauptung, dass der [X.] zu 1) bis zum Ablauf der [X.] dem genannten Irr-tum unterlegen habe, werde bestritten. Die Vorinstanzen hätten die [X.] nicht darauf hingewiesen, dass die Anfechtung unter diesem Gesichtspunkt begründet sein könne. Die Auszüge aus erbrechtlichen [X.]n, auf die sich der Beteiligte zu 1) beziehe, seien der Beteiligten zu 2) nicht zugänglich gemacht worden. Der Beteiligte zu 1) habe bereits in seinem Schreiben an die Beteiligte zu 2) vom 21. August 2003 im Hinblick auf die vom Erblasser ausgesetzten Vermächtnisse [X.] Enttäuschung über das Testament zum Ausdruck gebracht mit der Begründung, wenn er enterbt worden wäre, würde der ihm gesetzlich zu-stehende Pflichtteil ungefähr doppelt so hoch sein. Da der Beteiligte zu 1) am Ende dieses Schreibens die Beteiligte zu 2) aufgefordert habe, 12 - 10 -

ein Nachlassverzeichnis gemäß § 2215 [X.] zu erstellen, habe er die Erbschaft durch schlüssiges Verhalten angenommen. Die erstmals mit den Schreiben vom 19. Mai und 11. Juni 2004 vorgebrachten Anfech-tungsgründe seien verfristet.
c) Diese [X.] greifen nicht durch. 13 [X.]) Das [X.] hat im Schreiben des Beteiligten zu 1) vom 21. August 2003 keine Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhal-ten gesehen. Diese tatrichterliche Würdigung ist nicht rechtsfehlerhaft, weil das Schreiben gerade offen lässt, welche Konsequenzen der [X.] zu 1) aus seiner Enttäuschung über das Testament ziehen werde. In diesem Zusammenhang kommt der Inanspruchnahme des dem Erben zustehenden Anspruchs auf ein Nachlassverzeichnis aus § 2215 [X.] keine entscheidende Bedeutung für eine Annahme der Erbschaft zu, wie das [X.] mit Recht angenommen hat. Denn das Nachlass-verzeichnis diente (ebenso wie weitere Nachforschungen des Beteiligten zu 1)) erst einer Klärung des [X.]. Von dessen Höhe hing es ab, ob und in welchem Umfang der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung der Vermächtnisse beeinträchtigt werden würde. Mithin kann hier von [X.] Annahme der Erbschaft nicht vor Ablauf der [X.] aus-gegangen werden (§§ 1943, 1944 [X.]). 14 bb) Bereits das Schreiben des Beteiligten zu 1) vom 21. August 2003 zeigt, dass er sich mit der Frage beschäftigte, wie er trotz der im Testament angeordneten Vermächtnisse jedenfalls die Hälfte seines ge-setzlichen Erbteils erhalten könne. Der Beteiligte zu 1) hat am [X.] 2003 die Räume des Erblassers und den [X.] -

besichtigt und [X.] eingesehen. Mit Schreiben vom 1. September 2003 teilte der Beteiligte zu 1) der Beteiligten zu 2) mit, da er den ge-setzlichen Pflichtteil haben wolle, bitte er sie, die im Testament [X.] Vermächtnisse nicht zur Ausführung zu bringen. Angesichts der in diesem Schreiben zum Ausdruck kommenden Entscheidung des [X.]), auf jeden Fall seinen Pflichtteil in Anspruch zu nehmen, auch wenn der letzte Wille des Erblassers deshalb nicht in vollem Umfang er-füllt werde, hätte sich aufgedrängt, die Erbschaft innerhalb der noch lau-fenden Frist im Hinblick auf § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] auszuschlagen. Es liegt nahe, dass dies nur deshalb nicht geschehen ist, weil der [X.] zu 1) die Notwendigkeit einer Ausschlagung und die hierfür beste-hende Frist nicht gekannt hat.
[X.]) Fraglich könnte allenfalls sein, ob dieser Irrtum bis zum Ende der [X.] fortdauerte und ob er der Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2003 zugrunde gelegt worden ist. Dass bei Erfüllung der vom Erblasser ausgesetzten Vermächtnisse für den Beteiligten zu 1) [X.] als sein Pflichtteil verbleiben würde, hat er zwar schon vor Ablauf der [X.] erkannt, wie sein Schreiben an die Beteiligte zu 2) vom 1. September 2003 zeigt. Der Beteiligte zu 1) sah darin aber keine Gefährdung seines Anspruchs auf den Pflichtteil, weil er irrig mein-te, auch ohne Ausschlagung der Erbschaft vom Nachlass jedenfalls den Pflichtteil beanspruchen zu können. Die Gefährdung des Pflichtteils er-gab sich also gerade aus der Unkenntnis des § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Dass jedenfalls auch diese Fehlvorstellung mit der Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2003 gemeint sei, konnte das [X.] der notariell beglaubigten Erklärung bei verständiger Auslegung unter [X.] - 12 -

gung der glaubhaften Angaben des Beteiligten zu 1) rechtsfehlerfrei [X.]. [X.]) Soweit die Beteiligte zu 2) geltend macht, das [X.] ha-be nicht darauf hingewiesen, dass ein Irrtum über die Notwendigkeit [X.] Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] in Betracht komme, wird übersehen, dass schon das Amtsgericht seine Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt gestützt hatte. Im Übrigen werden keine zusätzli-chen, bisher unberücksichtigt gebliebenen Beweismittel vorgetragen; die Beteiligte zu 2) behauptet vielmehr lediglich, dass ein derartiger Sach-verhalt, den sie selbst schon wiederholt bestritten habe, auch von den übrigen Beteiligten mit Nachdruck bestritten worden wäre. Das hätte der Feststellung eines solchen Irrtums indessen im Ergebnis nicht entgegen-gestanden. Die Feststellung eines solchen Irrtums steht auch nicht in Widerspruch zu der weiteren Behauptung des Beteiligten zu 1), er habe die [X.] vor dem Schreiben der Beteiligten zu 2) vom 26. September 2003 nicht gekannt. Es liegt im Gegenteil eher fern, dass der Beteiligte zu 1), wenn er die Notwendigkeit einer Ausschlagung ge-mäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht kannte, gleichwohl über deren Fristgebundenheit unterrichtet gewesen wäre. Das kann aber auf sich beruhen, weil eine eventuelle Kenntnis der [X.] jedenfalls nichts daran änderte, dass der Beteiligte zu 1) irrig glaubte, die [X.] keinesfalls ausschlagen zu dürfen, um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren. Zweifel an dem Vorliegen eines Irrtums über die [X.] einer Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] ergeben sich schließlich nicht daraus, dass der Beteiligte zu 1) einräumt, sich mit Hilfe von erbrechtlichen [X.]n informiert zu haben. Er hat daraus eine Seite in Kopie vorgelegt, wonach nicht pflichtteilsberechtigt 17 - 13 -

ist, wer das Erbe ausschlägt; weiter heißt es dort, wenn der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten mit Vermächtnissen beschwere, so dass das [X.] nicht den Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils erreiche, habe der Pflichtteilsberechtigte das Recht, den Rest herauszuverlangen. Diese Kopie ist ausweislich der Akten dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) vom Nachlassgericht zur Kenntnis gebracht worden. Selbst wenn in den vom Beteiligten zu 1) zu Rate gezogenen Erläute-rungsbüchern auch die Regelung in § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht [X.] geblieben sein sollte, ließe sich nicht ausschließen, dass der Beteiligte zu 1) diesen Hinweis übersehen oder als Laie dessen Bedeu-tung nicht zutreffend erfasst hat. Deshalb kam es auf die von der [X.]n zu 2) vermisste Vorlage der [X.] zur Einsicht für al-le Beteiligten nicht entscheidend an.
2. Der danach jedenfalls rechtsfehlerfrei festgestellte Irrtum des Beteiligten zu 1) über die Notwendigkeit einer Ausschlagung der belaste-ten Erbschaft zur Erhaltung seines Anspruchs auf den Pflichtteil ist ein erheblicher Anfechtungsgrund. 18 a) Worauf die Anfechtung gestützt werden kann, richtet sich allein nach § 119 [X.]; die Sonderregeln der §§ 1954, 1955, 1957 [X.] für Frist, Form und Wirkung der Anfechtung ändern oder erweitern die An-fechtungsgründe nicht (BayObLG [X.] 1998, 431, 432). Mithin kommt hier (abgesehen von einem Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaf-ten) insbesondere ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung in Betracht. Ein solcher Inhaltsirrtum kann auch darin gesehen werden, dass der Er-klärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen [X.] - 14 -

zeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden. Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt aber nach ständiger Rechtsprechung nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirr-tum (vgl. [X.]Z 134, 152, 156 m.w.N.). b) Im Sinne dieser Unterscheidung geht das [X.] Oberste Landesgericht - wie einleitend erwähnt - bei der Anfechtung einer aus-drücklich erklärten Erbschaftsannahme davon aus, dass die unmittelbar angestrebte Rechtsfolge einer solchen Erklärung allein das Ziel sei, die Stellung als Erbe einzunehmen; der infolgedessen eintretende Verlust des Wahlrechts nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] sei dagegen nur eine mittelbare Rechtsfolge, deren Unkenntnis die Anfechtung nicht rechtfer-tige (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 904, 906; [X.] 1998, 431, 432). Dem ist die Literatur weithin gefolgt (so [X.]/[X.], [X.]O § 1954 [X.]. 9; [X.]/[X.], [X.] 2000 § 1954 [X.]. 6; Soergel/[X.], [X.] 13. Aufl. § 1954 [X.]. 2; [X.]/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 8 VII 2 d). Wird die Erbschaft dagegen nicht durch ausdrückliche Erklärung, sondern etwa durch schlüssiges Verhalten des Erben angenommen (pro herede gestio), lässt das [X.] Oberste Landesgericht eine Anfech-tung zu, wenn der Erbe weder weiß noch will, dass er durch sein Verhal-ten das Recht verliert, die Erbschaft auszuschlagen (BayObLGZ 1983, 153, 162 f.; NJW 1988, 1270, 1271; zustimmend [X.]/[X.], Erbrecht 14. Aufl. § 89 I 2) . 20 - 15 -

Dagegen hat das [X.] Hamm bei einer Ausschla-gungserklärung, die in der Vorstellung erfolgt war, dadurch werde die (unter Beschränkungen und [X.] angeordnete, den Pflichtteil nicht übersteigende) Erbschaft in Pflichtteilsansprüche umgewandelt, diese Umwandlung als die primär erstrebte Rechtsfolge und nicht etwa nur als Nebenfolge der Ausschlagung angesehen ([X.] 1982, 41, 49 f.). Das [X.] Düsseldorf hat die im Antrag auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe liegende schlüssige Annahme der (beschwer-ten) Erbschaft für anfechtbar gehalten, weil der seinen Pflichtteil begeh-rende Erbe geglaubt habe, nur so seinen Pflichtteilsanspruch sichern zu können, und nicht gewusst habe, dass er die Erbschaft gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausschlagen müsse, um den Pflichtteil zu erlangen; es hat die Ansicht gebilligt, der Wegfall des [X.] sei als ungewollte Hauptfolge der Annahme anzusehen (FamRZ 2001, 946, 947; zustimmend [X.] in: [X.] (Hrsg.), Praxis-Handbuch [X.]. unter [X.] [X.]. 101). Im Schrifttum hat vor allem Keim die Rechtsprechung des [X.] angegriffen und geltend gemacht, im Fall einer den Pflichtteil zwar übersteigenden, aber beschränkten oder beschwerten Erbschaft (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.]) sei der Verlust des Pflichtteilsrechts infolge Annahme der [X.] deren wichtigste Rechtswirkung. "Mit der ausdrücklichen Annahme einer Erbschaft glaubt der Rechtsunkundige niemals, dass er gerade damit eine maßgebliche Beteiligung am Nachlass verlieren könnte, oder umgekehrt, dass er ausgerechnet durch die Ausschlagung eine wertmä-ßig größere Beteiligung am Erbe erhalten hätte" ([X.] 2003, 358, 360). Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] vorliegen, sieht das vorlegende [X.] in den rechtli-chen Auswirkungen einer Erbschaftsannahme auf das Pflichtteilsrecht 21 - 16 -

eine der Hauptwirkungen des Rechtsgeschäfts, weil das Gesetz in § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Möglichkeit der Ausschlagung gerade zu dem Zweck eröffne, unbelastet von Beschränkungen und Beschwerun-gen den Pflichtteil geltend machen zu können. Dem hat [X.] in einer Anmerkung zugestimmt und seine bisher abweichende Ansicht aufgege-ben ([X.]/[X.], [X.] 2006, 172).
c) Auch der Senat schließt sich der Ansicht des vorlegenden Ober-landesgerichts an. Man kann die unmittelbaren und wesentlichen Rechts-folgen schon einer ausdrücklich erklärten Annahme der Erbschaft nicht generell darauf beschränken, dass der Erklärende die sich aus der [X.] Verfügung ergebende Rechtsstellung des Erben einnehmen will. Wenn der zugedachte Erbteil zwar größer als der Pflichtteil ist, dem [X.] aber Beschränkungen oder [X.] auferlegt sind, gehört zu den unmittelbaren und wesentlichen Wirkungen der Erklärung einer An-nahme der Erbschaft keineswegs nur, dass der Erbe die ihm zugedachte Rechtsstellung einnimmt, sondern ebenso, dass er das von § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] eröffnete Wahlrecht verliert, sich für den möglicher-weise dem Werte nach günstigeren Pflichtteilsanspruch zu entscheiden. Für die hier vorliegende Annahme durch Verstreichenlassen der [X.] kann nichts anderes gelten, gleich ob die Ausschla-gungsfrist bewusst oder unbewusst nicht genutzt worden ist. Der Verlust des Pflichtteilsrechts als Rechtsfolge solchen Verhaltens prägt dessen Charakter nicht weniger als das Einrücken in die Rechtsstellung des [X.]; beide Folgen sind zwei Seiten derselben Medaille. 22 - 17 -

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) war daher zurückzu-weisen. 23 [X.][X.] [X.] Dr. [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 13.04.2005 - 6 T 1/05 - [X.], Entscheidung vom 20.09.2005 - 15 W 188/05 -

Meta

IV ZB 39/05

05.07.2006

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2006, Az. IV ZB 39/05 (REWIS RS 2006, 2776)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2776

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