Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. VIa ZR 1324/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 967

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 18a. Zivilsenats des [X.] vom 18. August 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als

der Berufungsantrag zu I

- betreffend den in erster Linie gestellten Antrag in Höhe von an den Kläger zu zahlenden 17.275,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Oktober 2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Abtretung aller Rechte des [X.] auf Übereignung des Fahrzeugs,

- betreffend den Hilfsantrag in Höhe von an den Kläger zu zahlenden 16.457,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Oktober 2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Abtretung aller Rechte des [X.] auf Übereignung des Fahrzeugs und die Freistellung von 23 Raten in Höhe von insgesamt 5.664,21 € aus dem Darlehensvertrag Nr. 71084983 mit der [X.] sowie

- betreffend den weiteren Hilfsantrag in Höhe von an die [X.] zu zahlenden 17.275,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Oktober 2020 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs

sowie die [X.] und zu [X.] zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 20. Mai 2015 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten [X.] B 220 CDI, der mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgerüstet ist. Den Kaufpreis finanzierte er teilweise mithilfe eines Darlehens der [X.] Bank AG, an die er das Fahrzeug sicherungsübereignete. Zur Finanzierung der Schlussrate des Darlehens nahm der Kläger ein weiteres Darlehen sowie zur Finanzierung der diesbezüglichen Schlussrate ein drittes Darlehen bei der [X.] Bank AG auf.

3

In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert und unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" bei bestimmten Außentemperaturen reduziert. Das Fahrzeug verfügt über eine [X.] ([X.]), die unter gewissen Bedingungen die Kühlmitteltemperatur absenkt.

4

Der Kläger hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Abtretung aller seiner Rechte auf Übereignung des Fahrzeugs, hilfsweise die Erstattung der geleisteten Anzahlung und geleisteter Darlehensraten nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Abtretung aller seiner Rechte auf Übereignung des Fahrzeugs und seine Freistellung von weiteren Darlehensraten sowie weiter hilfsweise die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen an die [X.] Bank AG Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs begehrt (Berufungsantrag zu I). Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu II) sowie den Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen verlangt (Berufungsantrag zu III).

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

8

Es könne dahinstehen, ob der Kläger aufgrund der formularmäßigen Abtretung von Ansprüchen an die finanzierende Bank aktivlegitimiert sei. Er habe gegen die Beklagte jedenfalls keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Schadens.

9

Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB stehe dem Kläger nicht zu. Er habe ein [X.] vorsätzliches Verhalten der Beklagten nicht schlüssig dargetan. Weder sei die Arbeitsweise des Thermofensters oder der [X.] exakt auf die [X.] zugeschnitten noch lägen sonstige Anhaltspunkte für ein besonders verwerfliches Handeln der Beklagten vor.

Der Kläger könne den eingeklagten Anspruch auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] herleiten. Die Bestimmungen der [X.] dienten nicht dem Interesse eines [X.], nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden. Sie gewährten allenfalls Schutz vor Schäden, die aus der Verweigerung der Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr, aus der Unmöglichkeit des Weiterverkaufs des Fahrzeugs wegen seines [X.] aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung oder aus immateriellen Beeinträchtigungen resultierten. Derartige Schäden mache der Kläger jedoch nicht geltend.

II.

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist verfahrensfehlerhaft, soweit es - was im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl. [X.], Urteil vom 23. September 2015 - [X.], [X.]Z 207, 71 Rn. 63; Urteil vom 31. Oktober 2022 - [X.], juris Rn. 7; Urteil vom 16. Januar 2024 - [X.] 1136/22, juris Rn. 8) - unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über den weiter hilfsweise gestellten Berufungsantrag zu I entschieden hat. Der Kläger wollte den auf Zahlung an die [X.] gerichteten zweiten Hilfsantrag ersichtlich nur zur Entscheidung stellen, falls das Berufungsgericht seine Aktivlegitimation verneinen würde. Diese Bedingung ist jedoch - was im Revisionsverfahren ebenfalls von Amts wegen zu beachten ist (vgl. [X.], Urteil vom 23. September 2015, aaO; Urteil vom 31. Oktober 2022, aaO; Urteil vom 16. Januar 2024, aaO) - nicht eingetreten. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Kläger ihm zustehende deliktische Schadensersatzansprüche wirksam an die [X.] abgetreten hat.

2. In der Sache begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

3. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 335/21, [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 335/21, [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Das angefochtene Urteil ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben der Urteile des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.] 335/21, [X.]Z 237, 245; - [X.] 1657/22, [X.]Z 237, 281 Rn. 11 ff.) die erforderlichen Feststellungen zu der Aktivlegitimation des [X.], zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 1324/22

06.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 4. September 2023, Az: VIa ZR 1324/22, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. VIa ZR 1324/22 (REWIS RS 2024, 967)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 967

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

I ZR 105/14

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