Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.01.2024, Az. VIa ZR 1513/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 812

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 29. September 2022 im Kostenpunkt und im Umfang der Zulassung mit der Maßgabe aufgehoben, dass sich der Kläger den Veräußerungserlös in Höhe von 30.000 € anrechnen lässt, soweit die [X.] in erster Instanz zur Zahlung verurteilt worden ist.

Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb am 1. April 2015 einen von der [X.] hergestellten [X.], der mit einem von der [X.] hergestellten 3,0l-V6-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

3

Das [X.] hat die Beklagte unter Abzug des Werts der gezogenen Nutzungen zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 66.750,15 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Nachdem die Beklagte hiergegen Berufung eingelegt hat, hat der Kläger mitgeteilt, er habe das Fahrzeug für 30.000 € veräußert, und die Klage in Höhe dieses Betrags für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat im tenorierten Umfang zugelassene Revision des [X.], mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils mit der Maßgabe eines Abzugs in Höhe des [X.] und insoweit Feststellung der Erledigung anstrebt.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Soweit der Kläger die Verwendung einer Aufheizstrategie und einer Software behauptet habe, die für normgerechte Emissionen im Prüfstand und deutlich höhere Emissionen im gewöhnlichen Fahrbetrieb sorge, benenne der Kläger hierfür auch vor dem Hintergrund der Bewertung des [X.] keine Anhaltspunkte. Die als solche nicht streitige Verwendung eines Thermofensters könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Sittenwidrigkeit nicht begründen, zumal die Verwendung eines Thermofensters dem [X.] prinzipiell bekannt gewesen sei.

7

Auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV könne der Kläger den geltend gemachten Schadensersatz schon deshalb nicht stützen, weil es sich dabei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht um Schutzgesetze handele. Jedenfalls aber liege mit Rücksicht auf die Äußerungen des [X.] ein unvermeidbarer Verbotsirrtum der Beklagten vor und mache der Kläger einen Schaden geltend, der nach dem Schutzzweck der maßgebenden Bestimmungen nicht ersatzfähig sei.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20).

Mit den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zu einem unvermeidbaren Verbotsirrtum der Beklagten kann ein Anspruch des [X.] auf Ersatz des [X.]s gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV nicht verneint werden, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat. Dem steht schon entgegen, dass der Fahrzeughersteller, will er sich zur Widerlegung der Verschuldensvermutung ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 59 f.) auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, einen Irrtum konkret darlegen und beweisen muss ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 63), und zwar in Bezug auf die nach § 31 BGB Verantwortlichen (vgl. [X.], Urteil vom 25. September 2023 - [X.], NJW 2023, 3796 Rn. 14).

III.

Die Berufungsentscheidung ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 1513/22

30.01.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 8. August 2023, Az: VIa ZR 1513/22, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.01.2024, Az. VIa ZR 1513/22 (REWIS RS 2024, 812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 812

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

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