Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.03.2015, Az. V R 60/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 13766

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Gegenstand

Steuerfreie zahnärztliche Heilbehandlungsleistungen


Leitsatz

Zahnaufhellungen (Bleaching), die ein Zahnarzt zur Beseitigung behandlungsbedingter Zahnverdunklungen vornimmt, sind steuerfreie Heilbehandlungen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2014  4 K 179/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, erbrachte in den Streitjahren 2005 und 2007 zahnärztliche Leistungen. Im [X.] an bestimmte medizinisch indizierte zahnärztliche Behandlungen (z.B. Wurzelkanalbehandlungen) wurde bei einigen Patienten eine Zahnaufhellung (sog. Bleaching) an den zuvor behandelten Zähnen durchgeführt.

2

Für die Leistungen der Zahnaufhellung berechnete die Klägerin den betroffenen Patienten im Streitjahr 2005 ein Entgelt von 286 € und im Streitjahr 2007 von 226 €, ohne Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. In den Umsatzsteuererklärungen behandelte sie diese Leistungen als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (UStG).

3

Im [X.] an eine [X.] ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) davon aus, dass die Klägerin mit der Zahnaufhellung umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ am 27. April 2010 entsprechend geänderte Steuerbescheide.

4

Die dagegen gerichteten Einsprüche hatten keinen Erfolg.

5

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2015, 251 veröffentlichten Urteil statt: [X.] wie im Streitfall seien nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerbefreit.

6

Hiergegen wendet sich das [X.] mit der Revision. Es macht die Verletzung materiellen Rechts geltend. Eine Heilbehandlung liege nicht bereits deshalb vor, weil eine vorherige Heilbehandlung ursächlich für eine optische Beeinträchtigung des behandelten Zahnes sei.

7

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2014  4 [X.]/10 aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe des [X.] und weist ergänzend daraufhin, dass eine Krankheits- oder Gesundheitsbehandlung erst mit der Wiederherstellung des ursprünglich gesunden Zustands abgeschlossen sei.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Zahnaufhellungsbehandlungen im Streitfall steuerfreie Heilbehandlungen sind.

1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung sind Umsätze aus der Tätigkeit u.a. als Zahnarzt steuerfrei. Entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] (Richtlinie 77/388/[X.]) wie auch gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) setzt die Steuerfreiheit eine Heilbehandlung voraus (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des [X.] --BFH-- vom 4. Dezember 2014 V R 16/12, [X.], 645, Rz 10, m.w.N.).

a) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienen der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Hierzu gehören auch Leistungen zum Zweck der Vorbeugung und zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit. "Ärztliche Leistungen", "Maßnahmen" oder "medizinische Eingriffe" zu anderen Zwecken sind keine Heilbehandlungen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. August 2011 V R 27/10, [X.], 58, [X.], 2214, Rz 14, m.w.N., und in [X.], 645, Rz 11). Auch ästhetische Behandlungen sind Heilbehandlungen, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (Urteil des Gerichtshofs der [X.] --[X.]-- [X.], [X.]/12, [X.]:C:2013:198, Leitsatz erster Gedankenstrich; BFH-Urteile in [X.], 645, Rz 10 bis Rz 13, und vom 4. Dezember 2014 V R 33/12, [X.], 648).

b) Die Steuerbefreiung ist indes nicht auf solche Leistungen beschränkt, die unmittelbar der Diagnose, Behandlung oder Heilung einer Krankheit oder Verletzung dienen. Sie erfasst auch Leistungen, die erst als Folge solcher Behandlungen erforderlich werden, seien sie auch ästhetischer Natur (Folgebehandlung). So verhält es sich, wenn die medizinische Maßnahme dazu dient, die negativen Folgen der Vorbehandlung zu beseitigen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] (Urteil [X.], [X.]:C:2013:198, Rz 26, m.w.N.), wonach eine therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen sei.

2. Nach diesen Maßstäben hat das [X.] die Steuerfreiheit der Leistungen der Klägerin zutreffend bejaht.

a) Die Klägerin hatte mit den Zahnbehandlungen steuerfreie sonstige Leistungen erbracht. Diese Zahnbehandlungen, die jeweils eine Verdunklung des behandelten Zahnes zur Folge hatten, waren medizinisch indiziert. Als Heilbehandlung waren diese zahnärztlichen Leistungen deshalb nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei.

b) Die als Folge dieser Zahnbehandlungen notwendig gewordenen Zahnaufhellungsbehandlungen --als ästhetischer [X.] sind ebenfalls nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei.

Der Eingriff ästhetischer Natur war im Streitfall medizinisch erforderlich. Zwar hatte die Zahnaufhellungsbehandlung nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] im Streitfall ausschließlich eine optische Veränderung des Zahnes (Aufhellung) zur Folge. Gleichwohl erfolgte der Eingriff nicht zu rein kosmetischen Zwecken. Nach den den Senat nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] dienten die [X.] dazu, die infolge der Vorschädigung eingetretene Verdunklung der Zähne zu behandeln. Damit standen die Zahnaufhellungsbehandlungen im Streitfall in einem sachlichen Zusammenhang mit den vorherigen Behandlungen, weil sie deren negative Auswirkungen (Verdunklung) zu beseitigen bezweckten.

c) Für die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG ist unerheblich, dass die Zahnaufhellungsleistungen von der GbR (Klägerin) erbracht worden sind. Da die Steuerbefreiung personenbezogen ist und nur davon abhängt, dass es sich um ärztliche oder arztähnliche Leistungen handelt, die --wie im [X.] von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen, kommt es nicht auf die Rechtsform an, unter der die [X.] erbracht werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. März 2007 V R 55/03, [X.], 48, [X.], 31, unter [X.], m.w.N.).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 60/14

19.03.2015

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 9. Oktober 2014, Az: 4 K 179/10, Urteil

Art 13 Teil A Abs 1 Buchst c EWGRL 388/77, Art 132 Abs 1 Buchst b EGRL 112/2006, Art 132 Abs 1 Buchst c EGRL 112/2006, § 4 Nr 14 S 1 UStG 2005, § 118 Abs 2 FGO, § 135 Abs 2 FGO, UStG VZ 2005, UStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.03.2015, Az. V R 60/14 (REWIS RS 2015, 13766)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13766

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