Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.12.2023, Az. VIa ZR 574/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9680

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 24. März 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufungsanträge des [X.] zu I, zu [X.] und zu [X.] zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 1. Juli 2016 einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten [X.], der mit einem Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. [X.]n dem Fahrzeug ist ein sogenanntes [X.] verbaut.

3

Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 21.130,58 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu [X.]) und zur Zahlung von [X.] ([X.]) zu verurteilen. Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten ([X.][X.]) und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu [X.]V) begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz zu [X.], zu [X.][X.][X.] und zu [X.]V weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat im Umfang des Revisionsangriffs Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV scheide aus, weil die zuletzt genannten Bestimmungen keine Schutzgesetze darstellten. Auch gemäß §§ 826, 31 BGB hafte die Beklagte nicht. Es gebe keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass von der [X.] im Fahrzeug des [X.] eine auf Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielende Prüfstanderkennungssoftware verbaut worden sei. Die etwaige Verwendung verwaltungsrechtlich unzulässiger Abschalteinrichtungen, die keine Umschaltlogik beinhalteten, führe nicht zu einer Haftung der [X.], weil es jedenfalls an weiteren Umständen mangele, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dies gelte insbesondere für das Thermofenster

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

8

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der [X.] aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

9

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der [X.] wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO.

Insbesondere kann der [X.] entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und nach Maßgabe des [X.] vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259 Rn. 59 ff.) ein Verschulden der [X.] nicht ausschließen. Zwar müssen der objektive und der subjektive Tatbestand einer Pflichtverletzung zeitlich zusammenfallen (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, [X.]Z 171, 46 Rn. 8) und kommt es für die Frage, ob der [X.] ein [X.] gemacht werden kann, insoweit nur zusätzlich noch auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 61; Urteil vom 16. Oktober 2023 - [X.] 1511/22, juris Rn. 12 f.). Dass zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs, wie die Revisionserwiderung geltend macht, keine Zweifel an der Zulässigkeit von [X.] bestanden hätten, sondern erst durch die spätere Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] begründet worden seien, ließe - selbst wenn der Einwand der Revisionserwiderung zuträfe - das Verschulden indessen nicht entfallen. Dass sich ein Hersteller nicht ohne weiteres und gestützt auf eine zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr oder weniger verbreitete Auffassung von der Zulässigkeit bestimmter Abschalteinrichtungen entlasten kann, hat der [X.] entschieden und näher dargelegt ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 69; zu den Anforderungen an die Darlegung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums außerdem [X.], Urteil vom 25. September 2023 - [X.] 1/23, [X.], 2064 Rn. 13 ff.). Dass ein [X.] durch vom Kläger gezogene Vorteile vollständig aufgezehrt sei, ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.

Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Wille 

      

Liepin     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 574/22

11.12.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 24. März 2022, Az: 8 U 7586/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.12.2023, Az. VIa ZR 574/22 (REWIS RS 2023, 9680)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9680

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

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