Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2010, Az. 2 StR 371/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 2864

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 371/10 vom 29. September 2010 [X.]R: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja StPO §§ 273 Abs. 1a S. 3, 302 Abs. 1 S. 2 a) Ein Protokoll, in dem weder vermerkt ist, dass eine Verständigung [X.], noch dass eine solche nicht stattgefunden hat, ist widersprüchlich bzw. lückenhaft und verliert insoweit seine Beweiskraft. b) Beruft sich ein Angeklagter auf die Unwirksamkeit eines von ihm erklärten [X.]s wegen einer vorausgegangenen Verständigung und schweigt das Protokoll dazu, so muss der Beschwerdeführer, um dem [X.] eine Überprüfung im [X.] zu ermöglichen, im einzelnen darlegen, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt die von ihm behauptete Verständigung zustande gekommen ist. [X.], Beschluss vom 29. September 2010 - 2 StR 371/10 - [X.] in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts am 29. September 2010 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen: 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. Februar 2010 wird als unzulässig verwor-fen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe: 1. Das [X.] hat den geständigen Angeklagten am 10. Februar 2010 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin-ger Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren ver-urteilt, von der drei Monate als vollstreckt gelten. Darüber hinaus hat es einen Geldbetrag in Höhe von 63.500 • für verfallen erklärt. 1 Im [X.] an die Urteilsverkündung haben der Angeklagte, sein Ver-teidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung auf Rechtsmittel verzichtet. Gleichwohl hat der Angeklagte mit Schriftsatz eines neuen Verteidigers am 16. Februar 2010 fristgerecht Revi-sion eingelegt und zu deren Zulässigkeit ausgeführt, der am 10. Februar 2010 erklärte [X.] sei gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam, 2 - 3 - weil dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen sei; dies werde er - was später aber nicht geschehen ist - noch im einzelnen erläutern. 2. Die innerhalb der Wochenfrist eingelegte Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat. Zwar ist ein Verzicht nach § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO ausgeschlossen, wenn dem Urteil eine Ver-ständigung vorausgegangen ist. Eine solche ist hier jedoch nicht erwiesen: 3 a) Weder in der [X.] (dazu [X.] NStZ-RR 2010, 151) noch im [X.] findet sich gemäß den §§ 267 Abs. 3 Satz 5, 273 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1a Satz 1 und 2 StPO die Feststellung, dass eine Verstän-digung im Laufe des Verfahrens stattgefunden habe. Andererseits fehlt im [X.] auch das sogenannte Negativattest des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, dass eine Verständigung nicht stattgefunden habe. [X.] dem Antrag des [X.] ist durch das völlige Schweigen des Protokolls das Fehlen einer Verständigung daher nicht bewiesen. Der nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO zwingend vorgeschriebene Vermerk, dass eine Ver-ständigung nicht stattgefunden habe, gehört zu den wesentlichen Förmlichkei-ten im Sinne des § 274 Satz 1 StPO ([X.] NStZ-RR 2010, 213; a.M. [X.], [X.] Aufl. § 273 Rn. 12c). Ausweislich der Gesetzesmaterialien dient das sogenannte Negativattest dazu, mit höchst möglicher Gewissheit und auch in der Revision überprüfbar die Geschehnisse in der Hauptverhandlung zu dokumentieren und auszuschließen, dass "stillschweigend" ohne Beachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten solche Verhaltensweisen stattgefunden haben (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310 S. 15; Gesetzent-wurf der Fraktionen der [X.] und [X.], BT-Drucks. 16/11736 S. 13; vgl. auch [X.]/Müller NJW 2009, 2625, 2630). Diesem gesetzgeberischen Anliegen würde es widersprechen, § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO entgegen seinem klaren Wortlaut als überflüssige systemwidrige Ordnungsvorschrift ohne jeglichen [X.] - 4 - wendungsbereich zu begreifen (so aber [X.] aaO; dagegen [X.]/[X.] NJW 2010, 268, 269). Enthält nach alledem das Protokoll weder den nach § 273 Abs. 1, Satz 2, Abs. 1a Satz 1 und 2 StPO zwingend vorgeschriebenen Vermerk, dass eine Verständigung gegebenenfalls tatsächlich stattgefunden habe, noch den [X.] zwingend vorgeschriebenen Vermerk nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, dass eine Verständigung gegebenenfalls nicht stattgefunden habe, ist das Protokoll in diesem Punkt widersprüchlich bzw. lückenhaft und verliert insoweit seine [X.] (so auch [X.] in [X.], § 273 Rn. 21). Das [X.] kann dann im Wege des [X.]s zum Beispiel durch die [X.] dienstlicher Erklärungen der Prozessbeteiligten klären, ob dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist, die zur Unwirksamkeit des nachfol-gend erklärten [X.]s führen würde (vgl. [X.] in [X.]/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren 2010 § 273 Rn. 30). 5 b) Wenn ein Angeklagter sich - wie hier - bei Schweigen des Protokolls und der [X.] zu einer Verständigung auf die Unwirksamkeit des von ihm erklärten [X.]s gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO beruft, ist er gehalten konkret darzulegen, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt die von ihm behauptete Verständigung zustande gekommen ist. Nur dann kann das Revisionsgericht beurteilen und gegebenen-falls im [X.] durch die Einholung dienstlicher Erklärungen über-prüfen, ob eine dem Regelungsgehalt des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unterfal-lende Verständigung erfolgt war. 6 - 5 - Allein die pauschale - und entgegen der Ankündigung der Revision auch nicht näher konkretisierte - Behauptung einer Verständigung gibt dem Senat hingegen keine Veranlassung, weitere Aufklärung im [X.] zu betreiben. 7 Fischer [X.] [X.] Ott

Meta

2 StR 371/10

29.09.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2010, Az. 2 StR 371/10 (REWIS RS 2010, 2864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2864

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