Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2023, Az. 2 StR 365/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 9749

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. April 2023, soweit es ihn betrifft, im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung mehrerer Einzelgeldstrafen aus zwei Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, Maßnahmen aus einer Vorverurteilung aufrechterhalten und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3

2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Aufrechterhaltung von Maßnahmen aus der früheren Entscheidung gemäß § 55 Abs. 2 StGB keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

4

3. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB hat hingegen keinen Bestand.

5

a) Nach den Feststellungen kam der Angeklagte im Jahr 2019 auf die Idee, Marihuana selbst anzubauen, um einen Teil für den Eigenkonsum ohne Fremdstoffe zur Verfügung zu haben und um einen größeren Teil gewinnbringend an Dritte veräußern zu können. Im Zeitraum Frühjahr 2020 bis zur polizeilichen Durchsuchung am 14. Juni 2021 betrieb er eine Marihuana-Plantage und brachte zwei Ernten ein, wovon er ca. 2 g pro Tag selbst konsumierte. Die [X.] betrug 13,846 kg mit einem THC-Gehalt von 918,5 g. Nach Entlassung aus der Untersuchungshaft im Dezember 2021 konsumierte der Angeklagte zunächst mehrere Monate gar nicht, dann ca. 2-3 g Cannabis im Monat. Bei einem [X.] im [X.] 2022 wurden nur geringe Rückstände von Cannabis festgestellt. Zur [X.] im April 2023 konsumierte der Angeklagte kein Cannabis mehr, um den Kontakt zu seiner Tochter nicht zu gefährden.

6

b) Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in [X.] getretene Neufassung des § 64 StGB ([X.]) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Das gilt namentlich für den von der [X.] angenommenen Hang und den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des [X.] und der Begehung von Straftaten.

7

Die Annahme eines Hangs erfordert nunmehr eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Zudem muss die [X.] nun „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung – positiv festzustellen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 20. November 2023 – 5 [X.], juris Rn. 2 mwN).

8

c) Bei seiner vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens getroffenen Entscheidung hat das [X.] diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht anwenden können. Unbeschadet dessen erschöpfen sich seine Ausführungen zum Hang in dem Hinweis auf den Sachverständigen, wonach aufgrund der Abhängigkeit von Cannabis ein Hang bestehe, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, was so angesichts der Feststellungen bereits nicht nachvollziehbar ist. Darüber hinaus hat es lediglich festgestellt, dass der Hang „zumindest mitursächlich“ für die Tat gewesen sei. Damit ist zwar eine – zum Urteilszeitpunkt für die Unterbringung nach § 64 Satz 1 StGB aF ausreichende – Mitursächlichkeit seines Konsums für die Straftat des Angeklagten belegt, jedoch fehlt eine Aussage zu der nunmehr entscheidenden Frage, inwieweit er das ausschlaggebende („überwiegende“) Motiv für die verfahrensgegenständliche Tat war.

9

d) Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Dieses wird dabei zu beachten haben, dass ein Hang im Sinne des § 64 StGB – soweit dort nunmehr eine Substanzkonsumstörung vorausgesetzt wird – nicht durch die bloße Wiedergabe der durch einen medizinischen Sachverständigen gestellten Diagnose belegt werden kann, sondern auch die hierfür maßgeblichen Anknüpfungs- und Befundtatsachen mitzuteilen sind (vgl. nur [X.], Beschluss vom 9. Oktober 2018 – 4 [X.], juris Rn. 6 [insoweit in NStZ 2019, 82 nicht abgedruckt]).

Appl     

      

Zeng     

      

Grube 

      

[X.]     

      

Lutz     

      

Meta

2 StR 365/23

07.12.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Limburg, 28. April 2023, Az: 1 KLs - 2 Js 54848/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2023, Az. 2 StR 365/23 (REWIS RS 2023, 9749)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9749

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 249/23

Zitiert

4 StR 318/18

5 StR 407/23

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