Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2018, Az. 3 StR 204/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6308

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:100718B3STR204.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 204/18

vom
10. Juli
2018
in der Strafsache
gegen

alias:

wegen Mordes in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10.
Juli 2018 einstim-mig beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16.
Oktober 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtferti-gung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erge-ben hat (§
349 Abs.
2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen zu tragen.

1.
Der Senat bemerkt ergänzend zur Verfahrensrüge des Angeklagten, mit welcher er einen Widerspruch zwischen den Urteilsfeststellungen und dem Inhalt eines verlesenen Sektionsprotokolls beanstandet (Inbegriffsrüge nach §
261 StPO, S.
111 -
150 der Revisionsbegründung):
a)
Das [X.] hat bezüglich beider Tatopfer jeweils die Mordmerk-male der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe als erfüllt angesehen (§
211 Abs.
2 StGB). Nach der Überzeugung des Tatgerichts sprach für einen überraschenden Angriff des Angeklagten auf das erste Tatopfer W.

u.a.
"das Fehlen jeglicher Abwehrverletzungen". Dies widerspricht dem Inhalt des rechtsmedizinischen Sektionsprotokolls vom 6.
Januar 2015, in welchem der Privatdozent Dr.
med. A.

und der Assistenzarzt J.

eine Schnittverlet-
1
2
-
3
-
zung an W.

s linkem Unterarm als passive Abwehrverletzung sowie eine
scharfrandige Verletzung am Daumen und Zeigefinger ihrer linken Hand als eine aktive Abwehrverletzung werteten. Zu diesen beiden Punkten verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
b)
Ohne Verstoß gegen das Rekonstruktionsverbot hat der Beschwerde-führer mit seiner Verfahrensrüge damit einen Widerspruch zwischen dem Wort-laut einer verlesenen Urkunde und dem Urteilsinhalt aufgezeigt (siehe nur [X.], Beschlüsse vom 7.
Dezember
2010 -
4
StR
401/10, [X.], 67, 68; vom 19.
August
2008 -
3
StR
252/08, [X.], 404; vom 22.
November
1988
-
1
StR
559/88, [X.]R StPO §
261 Inbegriff der Verhandlung
15). Auf diesem Verfahrensmangel beruht das Urteil indes nicht (§
337 Abs.
1 StPO); denn nach den im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen würde sich an der Bewertung des Vorgehens des Angeklagten gegen die beiden Tatopfer als heimtückisch (§
211 Abs.
2
2.
Gruppe 1.
Merkmal StGB) auch dann nichts [X.], wenn das Tatopfer W.

noch in der Lage gewesen sein sollte, mit
bloßen Händen [X.] gegen die Messerstiche des Angeklagten zu unternehmen.
aa)
[X.] handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg-
und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur
Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilf-losen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Le-ben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. [X.]es Handeln erfordert jedoch kein "heimliches" Vorgehen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglich-keit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Maßgebend für die Beurteilung ist die La-3
4
-
4
-
ge bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (siehe nur [X.], Urteil vom 3.
September
2015 -
3
StR
242/15, [X.], 340, 341;
Beschluss
vom 28.
Juni 2016 -
3
StR
120/16, [X.], 2899, jeweils mwN). Ein solcher Fall ist zum Beispiel anzunehmen, wenn der Täter das Opfer mit [X.] in einen Hinterhalt lockt, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung
zu schaffen, und die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen bei
Ausführung der Tat noch fortwirken (siehe nur [X.], Urteil vom 17.
Ja-nuar
1968
-
2
StR
523/67, [X.]St 22, 77,
79 f.; Beschlüsse vom 7.
April
1989
-
3
StR
83/89, [X.]R StGB §
211 Abs.
2 Heimtücke
8; vom 24.
Januar
2017
-
2
StR 459/16, juris Rn.
11). Mithin stehen [X.], die der [X.] und in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkte Geschädigte im letzten Moment unternimmt, in solchen Konstellationen der Annahme von [X.] nicht entgegen (st. Rspr.; siehe [X.], Urteile vom 22.
August
1995
-
1
StR
393/95, NJW 1996, 471 [insoweit in [X.]St 41, 222 nicht abgedruckt]; vom 16.
Juni
1999 -
2
StR
68/99, [X.], 506, 507; vom 3.
September 2002 -
5
StR
139/02, [X.], 146, 147; vom 11.
Oktober
2005 -
1
StR
250/05, [X.], 96).
bb)
So liegt es hier. Der Angeklagte lockte sowohl seine Ehefrau als auch deren Freundin W.

in die Familienwohnung im 5.
Stock, indem er
beide darüber belog, er wolle ein Versöhnungsgespräch führen. Tatsächlich fasste er bereits zuvor den Tötungsvorsatz und schloss, um beiden Opfern jeg-liche Möglichkeit zur Flucht oder zum Hilferuf zu nehmen, die Wohnungstür ab und zog den Stecker des Telefonanschlusses. Derart in eine Falle gelockt, [X.] beide Tatopfer, die beim Messerangriff des Angeklagten auf dem Ecksofa saßen, zu diesem Zeitpunkt überrascht und dem Angriff ausgeliefert. Die im rechtsmedizinischen Gutachten aufgezeigten kleineren Abwehrverletzungen ändern demnach nichts an der heimtückischen Vorgehensweise des Angeklag-ten.
5
-
5
-
2.
Soweit der Angeklagte innerhalb dieser Verfahrensrüge weiter bean-standet, dass sich das Urteil nicht mit einem verlesenen Bericht über die Unter-suchung von am Tatort aufgefundenen Kleidungsstücken, namentlich eines ab-gerissen Knopfs, einer aufgefundenen Stofflasche und eines Oberhemds mit Stoffdefekten, auseinandersetze, gelten die obigen Ausführungen entspre-chend.
Becker
Gericke
Tiemann

Hoch
Leplow
6

Meta

3 StR 204/18

10.07.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2018, Az. 3 StR 204/18 (REWIS RS 2018, 6308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6308

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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