Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2023, Az. VIa ZR 190/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6921

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 12. Januar 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb am 25. April 2018 von einem Händler einen von der [X.] hergestellten gebrauchten [X.] D 4Matic Bluetec, der mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger durch ein Darlehen. In dem Fahrzeug ist ein [X.] verbaut, das die Abgasrückführung bei Unter- oder Überschreiten bestimmter Schwellentemperaturen reduziert.

3

Der Kläger macht geltend, das Fahrzeug verfüge über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen. Er hat die Beklagte zuletzt auf Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 54.215 € zuzüglich Finanzierungskosten in Höhe von 4.917,64 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs (hilfsweise Abtretung des Anwartschaftsrechts gegen die Darlehensgeberin), hilfsweise auf Zahlung von [X.] abzüglich einer Nutzungsentschädigung und bezifferte Freistellung von offenen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs und Abtretung des gegenüber der Darlehensgeberin bestehenden Anwartschaftsrechts in Anspruch genommen. Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der [X.] sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB. Er habe keine hinreichenden Anhaltspunkte für seine Behauptung dargelegt, dass die Beklagte ihn durch den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen in sein Fahrzeug sittenwidrig vorsätzlich geschädigt habe. Ebenso scheide ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 4, 5 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 oder in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV aus, weil es sich bei den genannten Gesetzen nicht um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB handele.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung des Thermofensters aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des die Berufung zurückweisenden Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen Schadensersatzes" verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

Die Einwände der Revisionserwiderung führen zu keiner anderen Beurteilung. Sie geben dem [X.] weder Anlass, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV auf Ersatz eines erlittenen [X.]s abzugehen, noch - wie von der Revisionserwiderung gefordert - ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] zu richten (vgl. nur [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 27 ff.).

III.

Der Zurückweisungsbeschluss ist aufzuheben, § 562 ZPO, weil er sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Das Berufungsgericht wird dem Kläger die Möglichkeit eröffnen müssen, einen [X.] darzulegen. Es wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259 Rn. 49 ff.) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben. Das Berufungsgericht wird insoweit zu beachten haben, dass ein [X.] nur bis zur Höhe von 15% des gezahlten Kaufpreises zu ersetzen ist und darüber hinaus auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV der Ersatz eines weiteren Finanzierungsschadens nicht verlangt werden kann ([X.], Urteil vom 11. September 2023 - [X.] 1533/22, [X.]).

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 190/22

18.09.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 12. Januar 2022, Az: I-3 U 46/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2023, Az. VIa ZR 190/22 (REWIS RS 2023, 6921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6921

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 303/20

III ZR 267/20

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