Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.09.2023, Az. VIa ZR 97/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6801

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 17. Dezember 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin erwarb im [X.] von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten und mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgerüsteten Neuwagen [X.], den sie im [X.] anderweitig in Zahlung gab. Die EG-Typgenehmigung wurde für die Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Das Fahrzeug, das über ein [X.] und einen SCR-Katalysator verfügt, ist nicht von einem Rückruf des [X.] ([X.]) wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen.

3

Das [X.] hat die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.774,93 € und vorgerichtlicher Anwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, gerichtete Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte die Klägerin die in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Die Klägerin habe keinen Anspruch gemäß § 826 BGB wegen der angeblichen Manipulation des [X.]. Der Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zu unzulässigen Abschalteinrichtungen stehe die [X.] der uneingeschränkt gültigen [X.]-Typgenehmigung des Fahrzeugs in Verbindung mit der erfolgten Nachprüfung durch das [X.] entgegen. Habe die zuständige Behörde - wie hier - in einem bestandskräftigen Verwaltungsakt dem Hersteller bescheinigt, dass das betreffende Fahrzeugmodell insbesondere im Hinblick auf die Schadstoffemissionen den Anforderungen genüge, seien die Zivilgerichte aufgrund der [X.] des Verwaltungsaktes daran gehindert, in einem Rechtsstreit zwischen einem Fahrzeugkäufer und dem Hersteller etwas anderes anzunehmen.

7

Ein Anspruch der Klägerin gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Schutzbereich der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV nicht berührt sei.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht stand. Mit der gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch weder aus §§ 826, 31 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV verneint werden.

9

1. Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, kann die [X.] einer [X.]-Typgenehmigung einem Anspruch eines Fahrzeugerwerbers auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB nicht entgegengehalten werden ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 10 bis 17, zur [X.] bestimmt in [X.]Z). Mit dieser Begründung hätte das Berufungsgericht daher nicht von der Berücksichtigung des entsprechenden Vortrags der Klägerin absehen dürfen.

2. Wie der [X.] ferner nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 17).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen Schadensersatzes" verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines [X.]s gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Das Berufungsurteil ist gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen getroffen, die eine deliktische Haftung der Beklagten wegen eines zumindest fahrlässigen Verhaltens ausschlössen. Der [X.] kann daher nicht in der Sache selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, sondern verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, auch einen möglichen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird nach den näheren Maßgaben insbesondere des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und gegebenenfalls dem Umfang einer Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB und nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

  

Möhring     

  

Götz

  

Rensen     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 97/22

25.09.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 17. Dezember 2021, Az: 6 U 313/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.09.2023, Az. VIa ZR 97/22 (REWIS RS 2023, 6801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6801

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 303/20

III ZR 267/20

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