Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.03.2021, Az. XI ZR 193/20

11. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 7319

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Gegenstand

Altvertrag über ein Verbraucherdarlehen zur Finanzierung eines Gebrauchtwagenkaufs: Fehlende Gesetzlichkeitsfiktion auf Grund Unklarheit einer Kaskadenverweisung


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 10. März 2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: bis 35.000 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

2

Der Kläger erwarb im August 2014 einen gebrauchten [X.] zum Kaufpreis von 31.990 €. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 13. August 2014 einen Darlehensvertrag über 31.990 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 1,97% p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 48 Monatsraten zu je 437,21 € und einer Schlussrate von 12.796 € erbracht werden. Über sein Widerrufsrecht informierte die Beklagte den Kläger auf Seite 2 des Darlehensvertrags wie folgt:

Abbildung

3

Mit Schreiben vom 29. August 2017 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Nachdem die Beklagte den Widerruf als verfristet zurückgewiesen hatte, bot der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 26. Januar 2018 der [X.] an, das finanzierte Fahrzeug jederzeit bei ihm nach vorheriger Terminvereinbarung abholen zu können.

4

Mit der Klage begehrt der Kläger zuletzt (1.) die Zahlung von 33.782 € nebst Zinsen nach Herausgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs, (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, und (3.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. In Bezug auf seinen weiteren Klageantrag auf Feststellung, dass der [X.] aus dem Darlehensvertrag kein Anspruch mehr auf Zins und Tilgung zustehe, hat er die Hauptsache im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte vollständige Tilgung des Darlehens bereits in erster Instanz für erledigt erklärt. Die Vorinstanzen haben die Klage angewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die dem Kläger erteilte [X.] inhaltlich nicht zu beanstanden sei und die ihm zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die [X.] der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthalten habe.

8

Die [X.] sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Hinweis auf eine nach Widerruf des Darlehensvertrags grundsätzlich bestehende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung von [X.] für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens sei zutreffend und werde durch die Angabe des pro Tag zu zahlenden Zinsbetrags von "0,00 Euro" nicht undeutlich, weil der Verbraucher dies nur dahin verstehen könne, dass von der Bank keine Zinsen erhoben würden. Die [X.] sei auch nicht deswegen undeutlich, weil die Darlehensbedingungen ein möglicherweise AGB-rechtlich [X.] enthielten.

9

Die Pflichtangaben zur Art des Darlehens, zu den Auszahlungsbedingungen, zum Verzugszinssatz, zum Recht des Verbrauchers zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens, zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und zum Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren seien zutreffend. Dagegen sei der Hinweis zur pauschalierten Vorfälligkeitsentschädigung zwar möglicherweise fehlerhaft. Ein etwaiger Fehler führe aber lediglich dazu, dass ein Anspruch der [X.] auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei, während das Anlaufen der Widerrufsfrist unberührt bleibe.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen ([X.] nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 13. Juni 2014 bis 20. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, ordnungsgemäß erfüllt hat.

1. Wie der [X.] nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist die dem Kläger erteilte [X.] fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB" zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB aF ist, dies aber im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über [X.] und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ([X.]. 2008, [X.], [X.], berichtigt in [X.]. 2009, [X.], [X.], [X.]. 2010, [X.], [X.], und [X.]. 2011, [X.], [X.]) in Bezug auf ([X.] bei einer richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu verneinen ist (vgl. [X.]surteile vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2321 Rn. 13 ff., zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt, und vom 10. November 2020 - [X.], [X.], 44 Rn. 14 ff.).

2. Die Beklagte kann sich - was das Berufungsgericht offen gelassen hat - nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF berufen. Dies setzt voraus, dass die [X.] der [X.] dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF entspricht. Dies ist, was der [X.] durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur [X.]surteil vom 11. Oktober 2016 - [X.], [X.] 212, 207 Rn. 26), nicht der Fall.

In der [X.] der [X.] fehlen entgegen den bei einem mit einem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nach § 358 BGB - hier von der [X.] zutreffend mit dem [X.] angegeben - anwendbaren [X.]en 2 und 6 die beiden zwingend vorgeschriebenen Unterüberschriften "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" sowie die nach [X.] 6g zwingend vorgeschriebene Überschrift "Einwendungen bei verbundenen Verträgen". Damit entspricht die [X.] der [X.] nicht dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF (vgl. [X.]surteil vom 10. November 2020 - [X.], [X.], 44 Rn. 19 mwN).

III.

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).

1. Soweit der Kläger den ihm dem Grunde nach zustehenden Anspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen geltend macht, ist die Klage jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der [X.] - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs begehrt, setzt dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. [X.]surteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2321 Rn. 29). Entgegen der Auffassung der Revision ist dies aber nicht der Fall.

Die wörtlichen Angebote des [X.] waren zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der [X.] unzureichend, weil diese seiner Vorleistungspflicht nicht genügt haben (vgl. hierzu [X.]surteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2321 Rn. 22 ff.). Im Schreiben vom 29. August 2017 hat er die Herausgabe des Fahrzeugs nicht angeboten. Im Anwaltsschreiben vom 26. Januar 2018 ist die Rückgabe des Fahrzeugs nur in Form einer Abholung durch die Beklagte angeboten worden, was diese jedoch zuvor nicht angeboten hatte (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB) und daher unzulänglich war.

Vorsorglich weist der [X.] für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des Rückgewähranspruchs als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte (vgl. [X.], Urteile vom 6. Oktober 1989 - [X.], [X.], 1897, 1899 und 28. Juli 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1528 Rn. 12), nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. dazu [X.]surteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2321 Rn. 27).

2. Mangels Herbeiführung eines Annahmeverzugs der [X.] kann auch der Antrag auf dessen Feststellung keinen Erfolg haben.

3. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dies setzt voraus, dass der Kläger die von ihm selbst aus dem [X.] geschuldete Leistung der [X.] in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat (vgl. [X.]surteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2321 Rn. 25 mwN). Dies war hier nicht der Fall.

IV.

Der Antrag des [X.] auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des [X.] über die Vorabentscheidungsersuchen des Einzelrichters des [X.] vom 7. Januar 2020 (2 [X.]/19, [X.], 151), vom 5. März 2020 (2 O 328/19, 2 O 280/19, 2 O 334/19, juris) und vom 31. März 2020 (2 [X.], 2 O 249/19, juris) hat keinen Erfolg. Die dort und von der Revision aufgeworfenen Fragen hat der [X.] bereits beantwortet (vgl. [X.]surteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2321 Rn. 39).

Ellenberger     

        

Grüneberg     

        

Menges

        

Derstadt     

        

Ettl     

        

Meta

XI ZR 193/20

30.03.2021

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 10. März 2020, Az: 6 U 49/19

Art 247 § 6 Abs 2 S 3 Anl 7 BGBEG vom 20.09.2013, Art 247 § 6 Abs 2 S 5 BGBEG vom 20.09.2013, Art 247 § 12 Abs 1 BGBEG vom 20.09.2013, § 355 BGB, § 358 Abs 3 BGB vom 20.09.2013, § 492 Abs 2 BGB vom 20.09.2013, § 495 Abs 1 BGB vom 20.09.2013, EGRL 48/2008

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.03.2021, Az. XI ZR 193/20 (REWIS RS 2021, 7319)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7319

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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