Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2014, Az. VIII R 34/12

8. Senat | REWIS RS 2014, 1478

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Gegenstand

(Umsatzsteuervorauszahlung IV. Quartal, keine Verlängerung des Zeitraums "kurze Zeit" i.S. des § 11 EStG)


Leitsatz

1. Als "kurze Zeit" i.S. des § 11 EStG gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen (Bestätigung der Rechtsprechung) .

2. Eine Verlängerung des Zehn-Tage-Zeitraums kommt auch im Hinblick auf die nach § 108 Abs. 3 AO hinausgeschobene Fälligkeit von Umsatzsteuervorauszahlungen nicht in Betracht .

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine am 11. Januar 2010 gezahlte Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2009 in Höhe von 3.357,69 € als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit für das [X.] zu berücksichtigen ist.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute; der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig und erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seinen Gewinn ermittelt er durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). [X.] ist der Voranmeldungszeitraum nach § 18 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) das Kalendervierteljahr. Die Umsatzsteuervoranmeldung für das 4. Quartal 2009 reichte der Kläger am 11. Januar 2010 (einem Montag) fristgerecht ein. Gleichzeitig leistete er die entsprechende Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von 3.357,69 €.

3

In der Einkommensteuererklärung 2009 berücksichtigte der Kläger die Umsatzsteuervorauszahlung von 3.357,69 € bei der Gewinnermittlung als Betriebsausgabe.

4

Mit Einkommensteuerbescheid 2009 vom 31. Januar 2011 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2009 nicht als Betriebsausgabe an, weil sie erst im Jahr 2010 abgeflossen sei. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2012, 2113 veröffentlichtem Urteil vom 24. Februar 2012  3 K 468/11 als unbegründet ab.

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 11 EStG. Sie machen geltend, die Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2009 sei als Betriebsausgabe für das [X.] zu berücksichtigen. Es handele sich um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres 2009 abgeflossen und deshalb nach § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG im [X.] anzusetzen seien. Soweit das [X.] die Formulierung "kurze Zeit" in dieser Vorschrift auf einen Zeitraum von zehn Tagen begrenze, müsse berücksichtigt werden, dass der 10. Januar 2010 ein Sonntag gewesen sei und deshalb nach § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für Fristberechnungen der darauffolgende Werktag maßgeblich sei. Da die Zahlung der Umsatzsteuervorauszahlung unstreitig am 11. Januar 2010 erfolgt sei, lägen die Voraussetzungen der Zurechnung der Aufwendung zum [X.] vor.

6

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 24. Februar 2012  3 K 468/11 aufzuheben und die Einkommensteuer 2009 unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2009 in der Fassung des [X.] vom 10. November 2011 so weit herabzusetzen, wie sie sich bei Berücksichtigung der Umsatzsteuervorauszahlung des [X.] für das 4. Quartal 2009 in Höhe von 3.357,69 € als Betriebsausgabe bei den Einkünften des [X.] aus selbständiger Arbeit ergibt.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Zu Recht hat das [X.] die vom Kläger am 11. Januar 2010 geleistete Umsatzsteuervorauszahlung von 3.357,69 € nicht als Betriebsausgabe des Jahres 2009 berücksichtigt.

1. Ausgaben sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 EStG gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die bei dem Steuerpflichtigen kurze [X.] vor Beginn oder kurze [X.] nach Beendigung des Kalenderjahres angefallen sind, zu dem sie wirtschaftlich gehören, als in diesem Kalenderjahr abgeflossen.

2. Im Streitfall ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen für den Veranlagungszeitraum 2009 hinsichtlich der vom Kläger am 11. Januar 2010 geleisteten Umsatzsteuervorauszahlung nicht erfüllt sind.

a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat folgt, sind Umsatzsteuervorauszahlungen regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, deren [X.]erholung bei der Art der von dem Kläger erbrachten Leistungen von vornherein feststeht (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 1. August 2007 XI R 48/05, [X.], 372, [X.], 282, m.w.N.; [X.]/[X.], EStG, 33. Aufl., § 11 Rz 25; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 22 Rz 13; ebenso Urteil des [X.] vom 10. Juli 1986 III ZR 133/85, [X.], 174).

Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes [X.] eine Voranmeldung abzugeben (so im Streitjahr) bzw. auf elektronischem Weg zu übermitteln; die Vorauszahlung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG am zehnten Tag nach Ablauf des [X.] fällig (zur Notwendigkeit der Fälligkeit kurz vor oder nach Ende des Kalenderjahres vgl. [X.]-Urteil vom 6. Juli 1995 IV R 63/94, [X.], 326, [X.] 1996, 266; Trzaskalik, in: [X.][X.], EStG, § 11 Rz B 88; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 11 Rz 61).

b) Im Streitfall ist die Umsatzsteuervorauszahlung zwar fristgerecht am Montag, den 11. Januar des dem Streitjahr folgenden Jahres geleistet worden. Sie ist indes nicht [X.] von § 11 EStG kurze [X.] nach Beendigung des Kalenderjahres abgeflossen; als "kurze [X.]" gilt ein [X.]raum von bis zu zehn Tagen ([X.]-Urteil in [X.], 372, [X.], 282, m.w.N.; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 11 Rz 26). Der Kläger hat die Umsatzsteuervorauszahlung unstreitig erst am 11. Januar 2010, d.h. nach Ablauf des Zehn-Tage-[X.]raums, entrichtet.

aa) Entgegen der Auffassung der Kläger kommt eine Verlängerung des Zehn-Tage-[X.]raums nicht in Frage. Es entspricht der ständigen [X.]-Rechtsprechung, dass eine Erweiterung dieser [X.]öchstgrenze unter Berufung auf besondere Verhältnisse des Einzelfalls nicht in Betracht kommt (vgl. [X.] vom 6. November 2002 [X.], [X.] 2003, 169). In seinen bislang zu der hier zu entscheidenden Frage ergangenen Entscheidungen hat der [X.] als "kurze [X.]" stets einen [X.]raum von "höchstens zehn Tagen" angesehen ([X.]-Entscheidungen vom 13. März 1964 VI 152/63, [X.] in Karteiform, Einkommensteuergesetz bis 1974, § 11, [X.]; vom 9. Mai 1974 VI R 161/72, [X.]E 112, 373, [X.] 1974, 547; in [X.] 2003, 169); einige Entscheidungen weisen die Formulierung "in der Regel ein [X.]raum bis zu zehn Tagen" auf ([X.]-Urteile vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, [X.]E 145, 538, [X.] 1986, 342; vom 24. Juli 1986 IV R 309/84, [X.]E 147, 419, [X.] 1987, 16); in anderen Entscheidungen ist der [X.] stillschweigend von einem zehn Tage nicht überschreitenden [X.]raum ausgegangen ([X.]-Urteile in [X.], 326, [X.] 1996, 266; vom 6. Juli 1995 IV R 72/94, [X.] 1996, 209; vom 6. März 1997 IV R 47/95, [X.]E 183, 78, [X.] 1997, 509; vom 23. September 1999 IV R 1/99, [X.]E 190, 335, [X.] 2000, 121).

bb) Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch unter dem Gesichtspunkt der Regelungen in § 108 Abs. 1 der Abgabenordnung [X.]) i.V.m. § 193 BGB nicht geboten. Ist danach an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag. Zwar gilt diese Vorschrift nach § 108 Abs. [X.] auch im Steuerverfahrensrecht. Zutreffend verneint das [X.] indes die Anwendung der Normen auf Fälle der vom Zu- und [X.] abweichenden zeitlichen Zurechnung regelmäßig wiederkehrender Einnahmen oder Ausgaben in § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG. Es fehlt bereits an der Voraussetzung, dass eine Leistung "zu bewirken ist". § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG regeln nämlich keine Zahlungspflicht, sondern knüpfen nur an eine tatsächlich in dem dort nicht näher bestimmten [X.]raum geleistete Zahlung an, um danach im Rahmen der Einkommensermittlung eine vom Grundsatz abweichende periodengerechte zeitliche Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben für die Gewinn- bzw. Überschusseinkünfte zu bestimmen.

Nach § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG ist eine Umsatzsteuervorauszahlung am zehnten Tag nach Ablauf des [X.] fällig. Nach § 108 Abs. 3 AO verlängert sich die Zahlungsfrist bis zum folgenden Werktag, sofern deren Ende auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Für den [X.]raum des § 11 EStG --darauf weist auch das [X.] zutreffend [X.] hat diese Verlängerung indes keine Bedeutung. Denn § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG regeln keine Frist, sondern schaffen lediglich eine gesetzlich normierte [X.] bzw. Abflussfiktion.

3. Soweit die Kläger rügen, bei der Umsatzsteuer handele es sich um eine indirekte Steuer und vereinnahmte und abzuführende [X.] seien im Ergebnis neutral und müssten bei der Einkommensbesteuerung außer Ansatz bleiben, andernfalls liege ein Verstoß gegen Art. 12 bzw. gegen Art. 14 des Grundgesetzes vor, ist die Revision unsubstantiiert. Nach ständiger [X.]-Rechtsprechung stellt die vom [X.] gezahlte Umsatzsteuer (Vorsteuer/Zahllast) im [X.]punkt der Verausgabung eine Betriebsausgabe dar, während die vereinnahmte bzw. verrechnete Umsatzsteuer im [X.]punkt der Vereinnahmung als Betriebseinnahme zu erfassen ist (vgl. [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 4 Rz 520 Stichwort Umsatzsteuer, m.w.N.;  Blümich/[X.], § 4 EStG Rz 211; [X.] 9b der Einkommensteuer-[X.]inweise 2012).

Meta

VIII R 34/12

11.11.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 24. Februar 2012, Az: 3 K 468/11, Urteil

§ 11 EStG 2009, § 18 UStG 2005, § 108 Abs 3 AO, § 193 BGB, § 11 Abs 1 S 2 EStG 2009, § 11 Abs 2 S 2 EStG 2009, EStG VZ 2009, UStG VZ 2009, § 108 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2014, Az. VIII R 34/12 (REWIS RS 2014, 1478)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1478

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Gerichtsbescheid, Umsatzsteuervorauszahlung, Wirtschaftsjahr, Bundesfinanzhof, Antrag auf mündliche Verhandlung, Betriebsausgabe, Umsatzsteuerzahlung


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