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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2016:110516BVIIZR64.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR
64/15
vom
11. Mai 2016
in dem Rechtsstreit
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Der VII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
11. Mai 2016
durch den Vorsitzenden
Richter Dr.
Eick, die Richter Dr.
Kartzke
und Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Wimmer
beschlossen:
Der Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Re-vision wird teilweise stattgegeben.
Das Urteil des 2.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12.
März 2015 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Verurteilungen
der Beklagten zur Er-teilung von Provisionsabrechnungen und zu einem Buchauszug bezüglich im Zeitraum 1.
Juni
2011 bis einschließlich 31.
Dezember 2013 geschlossener Geschäfte bestätigt worden sind.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzu-lassung der Revision in dem genannten Urteil zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbe-schwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 45.000
;
des stattgebenden Teils:
bis 5.000
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Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Rahmen einer Stufenklage Erteilung von Provisionsabrechnungen
und eines Buchauszugs sowie Provisi-onszahlungen.
Die Klägerin hatte ab 1995 eine Bezirksvertretung der Beklagten
inne. Ab Juni 2005 betreute sie als Handelsvertreterin noch einzelne ihr zugewiesene Kunden der Beklagten. Anlässlich dieser Vertragsänderung wurde im Mai 2005 ein neuer "Handelsvertretungsvertrag (Rahmenvertrag)" unterzeichnet, der ge-mäß Nr. 8 mit einer Frist von zwei Jahren zum Ende eines Kalendermonats ge-kündigt werden konnte.
Im Jahr 2007 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 30.
Juni
2009.
Im Mai 2009 verständigten sich die Parteien vorläufig mündlich darauf, ihre Zusammenarbeit mit der Modifikation fortzusetzen, dass sich die Vermitt-lungstätigkeit der Klägerin künftig auf den Kunden D. AG beschränkt.
Im November 2010 schloss die Beklagte mit
der D. AG eine Mehrjahres-vereinbarung betreffend die Belieferung der D. AG mit Serien-
und Ersatzteilen ab.
Anschließend teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie wolle nun ihre Kun-den ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern betreuen und werde die Zusam-menarbeit zum 31.
Januar
2011 beenden. Entsprechend kündigte die Beklagte mit E-Mail vom 27.
Januar
2011 die Beendigung der Zusammenarbeit zum 31.
Januar
2011 an.
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Die Klägerin erhielt aus Geschäften mit der D. AG bis Januar
2011 wei-terhin
monatlich Provisionszahlungen.
Mit Teilurteil vom 18.
Januar
2012 hat das Landgericht die Beklagte ver-urteilt, der Klägerin monatliche Provisionsabrechnungen zu erteilen über alle Lieferungen, die sie aus Geschäften mit der D. AG in der Zeit vom 1.
Februar
2011 bis 31.
Mai
2011 ausgeführt hat.
Die Berufung der Beklagten gegen dieses Teilurteil hat das Berufungsge-richt mit Urteil vom 2.
Mai
2013 zurückgewiesen.
Aufgrund einer Klageerweiterung hat das Landgericht nach Beweisauf-nahme die Beklagte mit weiterem Teilurteil vom 9.
April
2014 verurteilt, der Klä-gerin monatliche Provisionsabrechnungen zu erteilen über alle Lieferungen, die sie in der Zeit ab dem 1.
Juni
2011 aus Geschäften mit der D. AG bis zum 31.
Dezember 2013 ausgeführt hat.
Außerdem hat das Landgericht
die Beklag-te zur Erteilung von Buchauszügen über alle Geschäfte
verurteilt, die sie mit der D. AG für die Zeit ab dem 1.
Januar
2011 bis einschließlich 31.
Dezember
2013 geschlossen hat. Ferner hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von nebst Zinsen verurteilt, wobei diese Verurteilung Provisionsforde-rungen für die Monate Februar bis einschließlich Mai 2011 betrifft.
Die Berufung der Beklagten gegen dieses Teilurteil hat das Berufungsge-richt mit Urteil vom 12. März 2015 zurückgewiesen.
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen rich-tet sich die Beschwerde der Beklagten. Diese will die Abweisung der Klage im Hinblick auf Auskunfts-
und Provisionsansprüche der Klägerin für Lieferungen aus Geschäften mit der D. AG ab 1.
März 2011 mit der beabsichtigten Revision weiterverfolgen.
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II.
Das Berufungsgericht führt, soweit im vorliegenden Verfahren von Be-deutung, im Wesentlichen Folgendes aus:
Das Landgericht habe in der Sache richtig entschieden.
In seinem Berufungsurteil vom 2.
Mai
2013 habe das Berufungsgericht ein Handelsvertreterverhältnis zwischen den Parteien bejaht und dieses als nicht mit Wirkung vor dem 31.
Mai
2011 gekündigt angesehen. Um Wiederho-lungen zu vermeiden nehme das Berufungsgericht auf die Entscheidungsgrün-de jenes Urteils Bezug.
Davon sei auch das Landgericht in seinem weiteren Teilurteil zu Recht ausgegangen. Weder der weitere erstinstanzliche Vortrag noch die durchgeführte Beweisaufnahme gäben Grund, von einer Beendigung zu einem früheren
Zeitpunkt auszugehen. Auch das Berufungsvorbringen führe zu keiner
abweichenden
Beurteilung.
Zu Recht habe das Landgericht die Mehrjahresvereinbarung auch in Be-zug auf die später während ihrer Laufzeit abgeschlossenen Verträge zwischen der Beklagten und der D. AG als provisionsanspruchsbegründend angesehen.
Zu Recht habe das Landgericht aus der Beweisaufnahme die Überzeu-gung gewonnen, dass die Rahmenvereinbarung als das Werk der Klägerin an-zusehen sei und dass aufgrund der Usancen und der tatsächlichen Abwicklung nicht nur der Zugang der Beklagten zu diesem Kunden (D. AG) eröffnet, son-dern bereits eine gesicherte Erwartung auf Lieferungen während der gesamten Vertragslaufzeit begründet gewesen sei. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass mit der Mehrjahresvereinbarung faktisch der Weg für alle in der Laufzeit dieser Vereinbarung geschlossenen Verträge gebahnt und nicht lediglich eine vage Möglichkeit künftiger Vertragsabschlüsse geschaffen worden sei. Die üb-13
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rige Beweisaufnahme gebe keinen tragfähigen Anlass, an der grundlegenden,
weitreichenden Bedeutung der Mehrjahresvereinbarung für die folgende Zu-sammenarbeit zwischen der Beklagten und der D.
AG zu zweifeln.
Dagegen, dass das Landgericht die Provisionspflicht für den gesamten nunmehr verfahrensgegenständlichen Zeitraum für gegeben erachtet habe, sei nichts zu erinnern. Anders als in Fallgestaltungen, bei denen der Handelsvertre-ter im Wesentlichen nur den Kundenkontakt herstelle und ein "Erstgeschäft" vermittelt habe, nehme die Wirkung der Bemühungen des Handelsvertreters in Bezug auf Geschäfte
innerhalb der Geltungsdauer der
verfahrensgegenständli-chen Mehrjahresvereinbarung
nicht entscheidungserheblich ab. Denn die Ver-einbarung sei gerade auf eine bestimmte Dauer angelegt gewesen, so dass die zu seinem Zustandekommen beitragenden Bemühungen des Handelsvertreters den gesamten Geltungszeitraum in wesentlich gleicher Weise überwölbten. An dieser Bedeutung, die weit über eine bloße Kausalität hinausreiche, änderten auch die späteren eigenen Bemühungen der Beklagten im Zusammenhang mit den einzelnen Lieferungen nichts.
III.
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision
ist nicht begründet, soweit die Verurteilung zur Erteilung eines Buch-auszugs bezüglich im Zeitraum 1.
März 2011 bis einschließlich 31.
Mai 2011
geschlossener Geschäfte
sowie die Zahlungsverurteilung vom Berufungsgericht bestätigt worden sind. Insoweit wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter de-nen eine Revision zuzulassen ist (§
544 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz 2 ZPO).
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2. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat im Übrigen Erfolg; sie führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO insoweit zur Aufhe-bung des angefochtenen Urteils,
als die Verurteilung der Beklagten zur Ertei-lung von Provisionsabrechnungen sowie die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs bezüglich im Zeitraum 1.
Juni 2011 bis einschließlich 31.
Dezember 2013 geschlossener Geschäfte bestätigt worden sind, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
a) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist
das Beru-fungsgericht
im Ansatz davon ausgegangen, dass die im November 2010 -
vor der Beendigung des Handelsvertretervertrags -
zustande gekommene Mehrjah-resvereinbarung als solche keine Provisionspflicht der Beklagten auslöst, son-dern dass es für eine sich aus § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB ergebende Provi-sionspflicht auf den -
nach Beendigung des Handelsvertretervertrags zum 31.
Mai 2011 erfolgten
-
Abschluss der einzelnen Lieferverträge aufgrund der von der D. AG getätigten Abrufe ankommt. Die dem zugrunde liegende Ver-tragsauslegung steht im Einklang mit den
Bestimmungen
in Nr.
2 Abs.
2 Satz
1 und Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 des Handelsvertretungsvertrags (Rahmenvertrags) vom
13./17.
Mai 2005. Nach Nr. 2 Abs. 2 Satz 1
erhält der Vertreter
die Provision "vom Rechfür alle Geschäfte, die mit den benannten Abneh-mern abgeschlossen worden sind". In Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 wird für den Provisi-onssatz als Basis auf den "Umsatz" des Vorjahres abgestellt.
b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung des Berufungsgerichts, dass mit der Mehrjahresvereinbarung faktisch der Weg für alle während der Laufzeit dieser Vereinbarung geschlossenen Lieferverträge gebahnt war und die Mehrjahresvereinbarung weitreichende Bedeutung für die folgende Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der D. AG hatte.
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c) Indes beruht die Annahme des Berufungsgerichts,
der Abschluss der Mehrjahresvereinbarung
und damit auch der Abschluss der daraus resultie-renden einzelnen Lieferverträge -
sei überwiegend im Sinne von §
87 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 HGB auf die Tätigkeit der Klägerin zurückzuführen, auf einer Ver-letzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen
Gehörs, Art.
103 Abs.
1 GG.
aa) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis nimmt. Diese Voraussetzungen können auch dann erfüllt sein, wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den Sinn des Par-teivortrags erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 4.
November
2015
VII
ZR 282/14, NJW-RR
2016, 29
Rn.
18; Beschluss vom 8.
Juli 2010
VII
ZR 195/08, BauR 2010, 1792 Rn.
8; Beschluss vom 9.
Februar 2009
II
ZR 77/08, NJW 2009, 2137
Rn.
3).
bb) So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat in den Schriftsätzen vom 28.
Dezember 2012, Seite
7
f. und
vom 25.
Juli 2013, Seite
18
f., auf die sie in der Berufungsbegründung vom 22. August 2014, Seite 23,
Bezug genommen hat,
unter Beweisantritt behauptet, der Abschluss der Mehrjahresvereinbarung sei durch im Einzelnen dargelegte Aktivitäten der Mitarbeiter der Beklagten initi-iert und bewerkstelligt worden; die Klägerin habe zum Abschluss der Mehrjah-resvereinbarung nichts beigetragen.
Das Berufungsgericht hat insoweit
nur
ausgeführt, das Landgericht habe aus der -
aufgrund einer zu einem anderen Beweisthema durchgeführten -
Be-weisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Rahmenvereinbarung als das Werk der Klägerin anzusehen sei.
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Damit hat das Berufungsgericht dem
Kerngehalt des genannten unter Beweis gestellten Vorbringens der Beklagten in verfassungswidriger Weise nicht Rechnung getragen.
d) Auf dieser Verletzung des Anspruchs der Beklagten
auf Gewährung rechtlichen Gehörs
kann das angefochtene Urteil, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung von Provisionsabrechnungen sowie die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs
bezüglich im Zeitraum 1.
Juni
2011 bis einschließ-lich 31.
Dezember 2013 geschlossener Geschäfte bestätigt worden sind, auch beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, wenn es das betreffende unter Beweis gestellte Vorbringen (Schriftsätze vom 28.
Dezember 2012, Seite
7
f. und vom 25.
Juli 2013, Seite
18
f.)
berücksichtigt hätte, zu einem für die Beklagte
günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
Sollten die Voraussetzungen für Ansprüche auf Provision nach § 87 Abs.
3 HGB (Provision für nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zum 31. Mai 2011 aufgrund von Abrufen der D. AG geschlossene Lieferverträ-ge) zweifelsfrei zu verneinen sein, könnte die Klägerin weder Provisionsabrech-nungen noch Erteilung eines Buchauszugs bezüglich derartiger nach Beendi-gung des Handelsvertreterverhältnisses geschlossener Lieferverträge verlan-gen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 -
I ZR 203/87, NJW-RR 1989, 738, 739, juris Rn. 14). Denn bei den betreffenden Informationsansprüchen handelt
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es sich um Hilfsansprüche (vgl. Riemer in Küstner/Thume, Handbuch des ge-samten Vertriebsrechts, 5. Aufl., Band 1, Kap. VI Rn. 2; Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 87c Rn. 8), die nicht gegeben sind, wenn feststeht, dass dem Han-delsvertreter die fraglichen Provisionsansprüche nicht zustehen.
Eick
Kartzke
Jurgeleit
Graßnack
Wimmer
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 09.04.2014 -
40 O 71/11 KfH -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 12.03.2015 -
2 U 61/14 -
Meta
11.05.2016
Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2016, Az. VII ZR 64/15 (REWIS RS 2016, 11520)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 11520
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
VII ZR 64/15 (Bundesgerichtshof)
Handelsvertretervertrag: Provisionspflichtigkeit eines Rahmenvertrags; Anspruch auf Erteilung von Provisionsabrechnungen und Buchauszug nach Vertragsbeendigung
Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges
18 U 182/14 (Oberlandesgericht Hamm)
19 U 89/16 (Oberlandesgericht Köln)
VIII ZR 62/09 (Bundesgerichtshof)
Provisionsrückzahlungsanspruch des Geschäftsherrn und Auskunftsanspruch des Handelsvertreters: Zulässigkeit eines Teilurteils über die ersten Stufen einer …
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