Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.12.2023, Az. 1 C 34/22

1. Senat | REWIS RS 2023, 9896

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Gegenstand

Verfahrensfehlerhaftes Prozessurteil wegen Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses; kein isolierter Fortbestand einer negativen Staatenbezeichnung bei Aufhebung der Abschiebungsandrohung im Übrigen


Leitsatz

1. Bei der Auslegung des Klageantrags ist das Gericht an den ausdrücklich und unmissverständlich erklärten Willen des Klägers gebunden. Es darf nicht über einen Gegenstand entscheiden, den der Kläger nicht zur Entscheidung des Gerichts gestellt hat.

2. Überwiegendes spricht dafür, dass eine sogenannte negative Staatenbezeichnung im Sinne der § 59 Abs. 3 Satz 2 und § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG nicht unabhängig von einer Abschiebungsandrohung Bestand haben kann.

Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 13. September 2022 wird geändert. Das Urteil des [X.] vom 20. Oktober 2020 wird insoweit aufgehoben, als darin Nummer 3 Satz 4 des Bescheides des [X.] vom 12. Juni 2020 aufgehoben wird.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Tatbestand

1

Die am 9. April 2020 im [X.] geborene Klägerin ist [X.] Staatsangehörige und wendet sich gegen die gerichtliche Aufhebung der Feststellung des [X.] ([X.]), dass sie nicht in den [X.] abgeschoben werden darf.

2

Den Eltern der Klägerin war in [X.] internationaler Schutz zuerkannt worden. Sie reisten im Mai 2019 in die [X.] ein und stellten für sich und ihre weiteren fünf Kinder einen Asylantrag, den das [X.] im Juli 2019 wegen der Schutzgewährung in [X.] gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] als unzulässig ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg.

3

In dem nach Anzeige der Geburt der Klägerin am 2. Juni 2020 gemäß § 14a Abs. 2 [X.] eingeleiteten Asylverfahren lehnte das [X.] mit Bescheid vom 12. Juni 2020 den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 [X.] nicht vorliegen (Nr. 2), forderte die Klägerin unter Fristsetzung zur Ausreise auf und drohte ihr die Abschiebung nach [X.] oder in einen aufnahmebereiten Staat an (Nr. 3 Satz 1 bis 3), stellte gleichzeitig fest, dass sie nicht in den [X.] abgeschoben werden darf (Nr. 3 Satz 4, im Folgenden "negative Staatenbezeichnung") und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 [X.] auf 30 Monate ab dem [X.] (Nr. 4). Der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Satz 3 [X.] - [X.] unzulässig. Die humanitären Bedingungen für anerkannte Flüchtlinge in [X.] begründeten nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Art. 3 [X.], Art. 4 GRC und ein Abschiebungsverbot bezüglich [X.] sei nicht festzustellen. Einer Entscheidung über das Vorliegen von [X.] bezüglich des Herkunftsstaates [X.] bedürfe es nicht.

4

Auf die dagegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 12. Juni 2020 mit Ausnahme der negativen Staatenbezeichnung begehrte, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 12. Juni 2020 insgesamt aufgehoben. Der Klageantrag sei sinngemäß als zulässiger Antrag auf vollständige Aufhebung des Bescheides aufzufassen, weil es sich bei der negativen Staatenbezeichnung um einen untrennbaren Teil der Abschiebungsandrohung handele, die keinem eigenständigen prozessualen Schicksal zugänglich sei. Die Ablehnung des Asylantrags eines in [X.] nachgeborenen Kindes von international schutzberechtigten Eltern als unzulässig sei rechtswidrig.

5

Mit Beschluss vom 13. September 2022 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin gemäß § 125 Abs. 2 VwGO als unzulässig verworfen und die Revision zugelassen. Trotz formeller Beschwer fehle der Klägerin das Rechtsschutzinteresse, weil sie ihre Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung nicht verbessern könne. Die die Klägerin begünstigende negative Staatenbezeichnung bezüglich [X.] könne nicht selbstständig bestehen bleiben. Sie sei fester Bestandteil der Abschiebungsandrohung und teile ihr rechtliches Schicksal. Die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheides sei nach dem objektiven [X.] als einheitliche Regelung über den Ausspruch und die Reichweite der Abschiebungsandrohung zu verstehen. Zwar weise die Formulierung auf ein Abschiebungsverbot, das Nichtvorliegen von [X.] sei aber in Nr. 2 des Bescheides festgestellt worden und von dem vorsorglichen Ausschluss einer Abschiebung in den Herkunftsstaat bei unzulässigen Asylanträgen zu unterscheiden. Ohne die Abschiebungsandrohung wäre die negative Staatenbezeichnung auch nicht erlassen worden. Deren isolierte Aufrechterhaltung würde die Qualität der Bezeichnung ändern, ohne dass das [X.] das Vorliegen eines Abschiebungsverbots bezüglich [X.] geprüft habe. Die Aufhebung der [X.] durch das Verwaltungsgericht habe zur Aufhebung der Abschiebungsandrohung mit all ihren Teilregelungen führen müssen, weil die Abschiebungsandrohung als Vollstreckungsmaßnahme das rechtliche Schicksal der Grundverfügung teile. Sie stelle einen einheitlichen, nicht teilbaren Streitgegenstand dar. Indem die Klägerin einen Anspruch auf Fortgeltung der negativen Staatenbezeichnung mit der Berufung [X.], sei das Rechtsmittel entweder auf eine unzulässige Klage oder auf eine Verschlechterung der erstinstanzlichen Entscheidung gerichtet, wofür jeweils kein Rechtsschutzinteresse bestehe.

6

Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die Verwerfung der Berufung als unzulässig gemäß § 125 Abs. 2 VwGO begründe einen Verfahrensmangel. Durch die Aufhebung des gesamten Bescheides sei sie formell beschwert und es fehle ihr nicht an einem Rechtsschutzinteresse. Über den isolierten Fortbestand der [X.] hätte das Berufungsgericht als Frage des materiellen Rechts in einem Berufungsurteil entscheiden müssen. Bei der Bestimmung des Staates, in den nicht abgeschoben werden dürfe, handele es sich nach der Rechtsprechung des [X.] um eine verselbstständigungsfähige Teilregelung, durch die sie ausschließlich begünstigt und die deshalb nie von ihrem Aufhebungsbegehren umfasst gewesen sei.

7

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die [X.]erufungsentscheidung verletzt [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), indem sie die [X.]erufung der Klägerin als unzulässig verworfen hat (1.). Der [X.] kann selbst über die [X.]egründetheit der [X.]erufung entscheiden (2.). Dies führt zur Änderung des [X.]erufungsbeschlusses und des erstinstanzlichen Urteils, weil die Vorinstanzen unter Verstoß gegen § 88 VwGO den Antrag der Klägerin als ein auf die vollständige Aufhebung der Abschiebungsandrohung einschließlich der negativen [X.] gerichtetes [X.]egehren ausgelegt haben (3.).

9

1. Das Oberverwaltungsgericht verletzt [X.]undesrecht, indem es die [X.]erufung der Klägerin nach § 125 Abs. 2 VwGO als unzulässig verworfen hat.

a. Das Oberverwaltungsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass die Klägerin formell beschwert ist.

Ihre [X.]eschwer folgt aus der Divergenz zwischen Klageantrag und [X.]. Das Verwaltungsgericht hat das [X.]egehren der Klägerin entgegen ihrem ausdrücklichen schriftsätzlichen Vorbringen dahingehend ausgelegt, dass sie die vollständige Aufhebung des angefochtenen [X.]escheids einschließlich der negativen [X.] beantrage. Durch deren Aufhebung hat das Verwaltungsgericht über etwas entschieden, das nicht zu seiner Entscheidung gestellt war. Die Klägerin ist hierdurch belastet und muss daher auch die Möglichkeit haben, diese Entscheidung anzufechten (vgl. [X.], Urteil vom 9. Oktober 1990 - [X.] - NJW 1991, 703 <704>).

b. Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch fehlerhaft das Rechtsschutzinteresse der Klägerin für eine Teilaufhebung mit der [X.]egründung verneint, die Inanspruchnahme des Gerichts erweise sich mangels einer Verbesserung der Rechtsposition der Klägerin durch die begehrte Entscheidung als nutzlos.

Das Rechtsschutzinteresse ist ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer jeden Inanspruchnahme des Gerichts und ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs die Rechtsstellung desjenigen, der ihn einlegt, des [X.] nicht verbessern würde.

Das Rechtsschutzinteresse ist in aller Regel keine gesondert zu prüfende Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Mit dem Erfordernis der [X.]eschwer ist im Allgemeinen gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches [X.]edürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht. Die [X.]eschwer ist das Rechtsschutzinteresse für die Rechtsmittelinstanz. Allenfalls kann bei ganz besonderer Sachlage eine Prüfung angezeigt sein, ob trotz Vorliegens der [X.]eschwer eine unnötige, zweckwidrige oder missbräuchliche [X.]eschreitung des vom Gesetz vorgesehenen [X.] anzunehmen ist. Das gilt etwa dann, wenn das Rechtsmittel nicht zur [X.]eseitigung der [X.]eschwer eingelegt wird ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 23. Juli 2014 - 6 [X.] 1.14 - [X.] 422.2 Rundfunkrecht Nr. 70 Rn. 15 m. w. N.).

Die Verneinung des [X.] durch das Oberverwaltungsgericht überspannt diese Anforderungen. Die von der Klägerin eingelegte [X.]erufung stellt keine unnötige oder sonst zu missbilligende [X.]eschreitung des Rechtswegs dar und zielt auch auf die [X.]eseitigung ihrer durch die erstinstanzliche Entscheidung ausgelösten [X.]eschwer. Denn im Fall des Erfolgs der Klage in dem von der Klägerin intendierten Umfang und unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung würde sich ihre Rechtsposition durch den Fortbestand der negativen [X.] verbessern. Es ist danach nicht in einer der Zulässigkeit der [X.]erufung entgegenstehenden Weise gänzlich ausgeschlossen, dass die negative [X.] im Rahmen der vom [X.] infolge der Aufhebung des angefochtenen [X.]escheides noch zu treffenden Entscheidungen von rechtlicher [X.]edeutung ist.

Das Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, die negative [X.] könne nicht isoliert von der Abschiebungsandrohung im Übrigen [X.]estand haben ([X.]); letztere sei im vorliegenden Fall gegenstandslos geworden und daher aufzuheben ([X.]). Diese Erwägungen betreffen indessen der Sache nach die im Rahmen der [X.]egründetheit der Anfechtungsklage und orientiert am Maßstab des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beantwortende Frage, ob der angefochtene Verwaltungsakt insgesamt oder nur teilweise der Aufhebung unterliegt. Dabei kommt es darauf an, ob der angefochtene Verwaltungsakt teilbar ist. Das ist der Fall, wenn die rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stehen, sondern als selbstständige Regelung weiter existieren können, ohne ihren ursprünglichen [X.]edeutungsgehalt zu verändern ([X.]VerwG, Urteile vom 13. November 1997 - 3 [X.] 33.96 - [X.]VerwGE 105, 354 <358> und vom 20. August 1992 - 4 [X.] 13.91 - [X.] 407.4 § 5 [X.] Nr. 9).

2. Der [X.] kann über die [X.]egründetheit der [X.]erufung selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsgericht kann ein Sachurteil erlassen, wenn das [X.]erufungsgericht die [X.]erufung zu Unrecht als unzulässig verworfen hat und die Sache spruchreif ist (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 13. Juli 2023 - 2 [X.] 7.22 - juris Rn. 57 ff., vom 12. September 2019 - 3 [X.] 3.18 - [X.]VerwGE 166, 265 Rn. 47 und vom 19. Februar 2015 - 9 [X.]N 1.14 - [X.] 424.01 § 58 FlurbG Nr. 5 Rn. 22; [X.], in: [X.]/[X.], Verwaltungsrecht, Stand: März 2023, § 144 VwGO Rn. 83 m. w. N.). Die vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen reichen für eine eigene Entscheidung des [X.]s über die [X.]egründetheit der [X.]erufung aus.

3. Die [X.]erufung der Klägerin ist begründet. Unter Verstoß gegen § 88 VwGO hat das Verwaltungsgericht den von der Klägerin ausdrücklich gestellten Klageantrag auf Teilaufhebung der Abschiebungsandrohung (mit Ausnahme der negativen [X.]) als Antrag auf vollständige Aufhebung des [X.]escheides des [X.]es ausgelegt und die Abschiebungsandrohung insgesamt aufgehoben. Ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt der Unteilbarkeit der negativen [X.] von der übrigen Abschiebungsandrohung hätte das Verwaltungsgericht den hierauf bezogenen Anfechtungsantrag abweisen müssen. Es hat jedoch eine Sachentscheidung zu einem Gegenstand getroffen, der nicht zu seiner Entscheidung gestellt war. Dies führt zur Änderung der [X.]erufungsentscheidung und des erstinstanzlichen Urteils mit der Folge, dass die negative [X.] aus rein prozessrechtlichen Gründen [X.]estand hat.

a. Die Auslegung des klägerischen [X.]egehrens durch die Vorinstanzen im Sinne einer vollständigen Aufhebung des [X.]escheides (einschließlich der negativen [X.]) entgegen dem ausdrücklich auf eine Teilaufhebung beschränkten Antrag der Klägerin verstößt gegen § 88 VwGO. Ein solcher Verstoß ist im Revisionsverfahren unabhängig vom Vorliegen einer Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen ([X.]VerwG, Urteile vom 22. Mai 2014 - 3 [X.] 8.13 - [X.]VerwGE 149, 343 Rn. 21 und vom 1. September 2016 - 4 [X.] 4.15 - [X.]VerwGE 156, 94 Rn. 11).

§ 88 VwGO verpflichtet das Gericht, den Klageantrag sachgerecht in Übereinstimmung mit dem Rechtsschutzziel des [X.] auszulegen. Es ist nicht an die Fassung der Anträge gebunden, darf aber nicht über das Klagebegehren hinausgehen. Dabei ist es wegen der Dispositionsbefugnis des [X.] an dessen ausdrücklich und unmissverständlich erklärten Willen gebunden. Insbesondere ist es dem Gericht verwehrt, an die Stelle dessen, was eine [X.] erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie - nach Meinung des Gerichts - zur Verwirklichung ihres [X.]estrebens wollen sollte (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 8 [X.] 5.12 - [X.] 451.65 [X.]örsenrecht Nr. 7; [X.]eschluss vom 29. August 1989 - 8 [X.] - [X.] 310 § 88 VwGO Nr. 17).

Gemessen hieran war dem Verwaltungsgericht die von ihm vorgenommene Auslegung verwehrt. Die Klägerin hat sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht mehrfach schriftsätzlich gegen die Erstreckung ihres Klageantrags auf die negative [X.] gewandt und - auch nach Kenntnisnahme von der Rechtsauffassung des [X.] zur fehlenden Teilbarkeit im Gerichtsbescheid - auf der eingeschränkten Antragstellung ausdrücklich und unmissverständlich beharrt. Angesichts dieser klaren und nicht weiter auslegungsfähigen Äußerungen kann offenbleiben, inwieweit es bei einem die negative [X.] ausnehmenden Antrag auf Aufhebung einer Abschiebungsandrohung dem regelmäßigen Interesse des Ausländers entspricht, jedenfalls hilfsweise (für den Fall der Unteilbarkeit) auch die uneingeschränkte Aufhebung der Abschiebungsandrohung zu begehren. Das Verwaltungsgericht hätte daher lediglich über den Antrag, die Abschiebungsandrohung ohne die negative [X.] aufzuheben, entscheiden dürfen und auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung die Klage insoweit abweisen müssen. Diese Entscheidung kann allerdings auf die allein von der Klägerin eingelegten Rechtsmittel hin im [X.]erufungs- und [X.] nicht nachgeholt werden (§§ 129, 141 Satz 1 VwGO), sodass es mit Ausnahme der negativen [X.] bei der Aufhebung des angefochtenen [X.]escheides - und damit auch der Abschiebungsandrohung im Übrigen (Nr. 3 Satz 1 bis 3 des [X.]escheides) - bleibt.

b. Auch wenn der [X.] danach nicht mehr abschließend darüber zu entscheiden brauchte, spricht [X.] dafür, dass die Auffassung der Vorinstanzen, die negative [X.] könne bei Aufhebung der Abschiebungsandrohung im Übrigen nicht selbstständig fortbestehen, mit [X.]undesrecht im Einklang steht.

Das Oberverwaltungsgericht dürfte zu Recht die Teilbarkeit einer mit einer negativen [X.]bestimmung verbundenen Abschiebungsandrohung verneint und damit eine Aufhebung nur der letzteren für nicht rechtmäßig erachtet haben. Eine Teilbarkeit setzt - wie bereits dargelegt - voraus, dass die rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stehen, sondern als selbstständige Regelung weiter existieren können, ohne ihren ursprünglichen [X.]edeutungsgehalt zu verändern. Das [X.]estehen eines derartigen inneren Zusammenhangs ist durch Auslegung zu ermitteln, bei der der [X.]edeutungsinhalt der Gesamtregelung in den [X.]lick zu nehmen und zu fragen ist, ob die [X.]ehörde die (Rest-)Regelung auch isoliert erlassen hätte ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. Mai 2005 - 6 [X.] 6.05 - juris Rn. 8; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]eckOK VwGO, Stand: 1. Oktober 2023, § 113 Rn. 36).

(1) Gemessen hieran dürfte die negative [X.] von der Androhung der Abschiebung unter [X.]estimmung einer Frist und der [X.]ezeichnung eines Zielstaates gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 [X.] generell, jedenfalls aber im vorliegenden Fall nicht trennbar sein, sodass sie nur das Schicksal der genannten übrigen [X.]estandteile der Abschiebungsandrohung teilen kann.

[X.]ereits nach dem Wortlaut der - gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch für den Erlass der vorliegenden asylrechtlichen Abschiebungsandrohung maßgeblichen - § 60 Abs. 10 Satz 2 und § 59 Abs. 3 Satz 2 [X.] kann die negative [X.] nur "in der Androhung" erfolgen. Sie schränkt die Abschiebungsandrohung lediglich dahingehend ein, dass die Abschiebung in den negativ bezeichneten Staat nicht erfolgen darf. Kann aber im Fall der Aufhebung der Abschiebungsandrohung schon nicht in den bezeichneten Zielstaat abgeschoben werden, hat eine Regelung zur Einschränkung der Abschiebung keinen Anknüpfungspunkt und keinen sinnvollen Regelungsgehalt mehr.

Dabei lässt die Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts in den Urteilen vom 17. Juni 2014 - 10 [X.] 7.13 - ([X.]VerwGE 150, 29) und vom 15. Januar 2019 - 1 [X.] 15.18 - ([X.]VerwGE 164, 179) nicht den von der Revision gezogenen Schluss zu, es handele sich bei der negativen [X.] generell um eine von der Abschiebungsandrohung im Übrigen abtrennbare und selbstständig existenzfähige Teilregelung. In den beiden genannten Entscheidungen war den Klägern - anders als der Klägerin im vorliegenden Fall - jeweils in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] zuerkannt worden, so dass eine negative [X.] nach § 60 Abs. 10 Satz 2 [X.] zu ergehen hatte. Sollten einzelne Formulierungen in diesen Urteilen (vgl. namentlich [X.]VerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 [X.] 15.18 - [X.]VerwGE 164, 179 Rn. 7) im Sinne einer [X.]ejahung der selbstständigen Existenzfähigkeit der negativen [X.] zu verstehen sein, hält der [X.] hieran nicht fest.

(2) Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer gesetzlich vorgesehenen negativen [X.] auch unabhängig von der Rechtswidrigkeit der [X.] von Anfang an nicht vorlagen. Das gilt im Hinblick auf § 60 Abs. 10 Satz 2 [X.] deswegen, weil für die Klägerin kein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 1 [X.] festgestellt wurde. Da der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, ist über die - mit dem Flüchtlingsschutz übereinstimmenden - Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 [X.] keine inhaltliche Entscheidung ergangen. Eine ausländische Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 2 [X.] liegt in [X.]ezug auf die Klägerin ebenfalls nicht vor. Das gälte auch dann, wenn der Auffassung der Klägerin zu folgen wäre, das [X.] habe mit seinem ausdrücklich auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 [X.]uchst. a [X.] gestützten [X.]escheid "der Sache nach" eine Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erlassen. Die [X.] konnte auch nicht auf § 59 Abs. 3 Satz 2 [X.] gestützt werden, weil sie sich nur auf [X.] beziehen kann, hinsichtlich derer ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde. Dies war nicht der Fall; das [X.] hat in dem [X.]escheid vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass es über Abschiebungsverbote bezüglich des [X.] nicht zu entscheiden brauche.

Mit der Aufnahme der negativen [X.] in den [X.]escheid wollte das [X.] daher keinem rechtlichen Gebot Rechnung tragen, sondern nur - als Vorsichtsmaßnahme - darauf hinweisen, dass es Abschiebungsverbote hinsichtlich des Herkunftsstaats nicht geprüft habe und die Klägerin deshalb dorthin nach dem damaligen Verfahrensstand nicht abgeschoben werden durfte. Der isolierte Fortbestand der negativen [X.] könnte dazu Anlass geben, sie im Sinne eines eigenständigen Abschiebungsverbots in den darin genannten Staat zu verstehen. Dies würde ihr einen geänderten [X.]edeutungsgehalt verleihen, den ihr das [X.] bei deren Erlass nicht beimessen wollte und auch nicht beigemessen hat.

4. [X.] folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Neben den der [X.]eklagten bereits durch das Verwaltungsgericht auferlegten Kosten der ersten Instanz hat sie auch die Kosten des [X.]erufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 [X.]. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

Meta

1 C 34/22

13.12.2023

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 13. September 2022, Az: 1 LB 7/21, Beschluss

§ 88 VwGO, § 125 Abs 2 VwGO, § 59 Abs 3 S 2 AufenthG, § 60 Abs 10 AufenthG, § 29 Abs 1 AsylG AUT 1997, § 34 Abs 1 S 1 AsylG AUT 1997

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.12.2023, Az. 1 C 34/22 (REWIS RS 2023, 9896)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9896

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