Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2017, Az. XII ZB 62/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11221

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:100517BXIIZB62.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB
62/17

vom

10. Mai 2017

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GewSchG § 1
Sofern der Verstoß gegen ein befristetes Unterlassungsgebot nach §
1 GewSchG
innerhalb der Verbotsfrist erfolgte, kann er auch nach Fristende noch durch Verhängung eines Ordnungsgelds geahndet werden.
[X.], Beschluss vom 10. Mai 2017 -
XII [X.]/17 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 10.
Mai 2017
durch den [X.], [X.], Dr.
Günter
und Dr.
Botur und die Richterin Dr.
Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Be-
schluss des 2.
Zivilsenats des Pfälzischen [X.]s [X.]
als Familiensenat
vom 9.
Januar
2017
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.
Wert: bis 500

Gründe:
I.
Die
Antragstellerin beantragt die Festsetzung eines angemessenen [X.] gegen den Antragsgegner wegen eines Verstoßes gegen ein [X.] nach §
1 GewSchG.
Mit Beschluss vom 18.
März 2016 untersagte das [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung, mit der Antragstellerin in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Die Anordnung wurde bis zum 18.
September 2016 befristet. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld von bis zu
250.000

d-1
2
-
3
-
nungshaft angedroht. Gleichwohl übersandte der Antragsgegner der Antragstel-lerin Mitte Juli 2016 eine Postkarte beleidigenden Inhalts.
Daraufhin
hat die Antragstellerin am 17.
Oktober 2016 die Festsetzung eines Ordnungsgelds beantragt. Das Amtsgericht hat gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld von 50

der Antrag-stellerin, mit der sie ein höheres Ordnungsgeld anstrebte,
hat das [X.] wegen Ablaufs der Befristung des [X.]. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf Festsetzung eines angemessenen Ordnungsgelds weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§
95 Abs.
1 Nr.
4, 96 Abs.
1 Satz
3 FamFG, 890, 891, 793, 567
ff., 574 Abs.
1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Üb-rigen zulässig. Dass die angefochtene Entscheidung der Vollstreckung eines Beschlusses dient, der im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen ist, steht ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 30.
Sep-tember 2015

XII
ZB
635/14

FamRZ 2015, 2147 Rn.
6 mwN).
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt, das Amtsgericht hätte ein Ordnungsgeld nicht festsetzen dürfen. Vo-raussetzung jeder Zwangsvollstreckung

auch nach §
890 ZPO

sei das [X.] eines wirksamen Vollstreckungstitels, der den vollstreckbaren Anspruch des Gläubigers urkundlich ausweise. Vorliegend habe bei Einleitung der Zwangsvollstreckung
aber kein vollstreckbarer Anspruch mehr bestanden, weil die Befristung der Unterlassungsanordnung zum Zeitpunkt des Vollstreckungs-3
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-
4
-
antrags bereits abgelaufen war. Dass der Verstoß innerhalb der Verbotsfrist erfolgt sei, sei nicht ausreichend. Zwar treffe es zu,
dass dem Ordnungsmittel nach §
890 ZPO nicht nur Beugecharakter, sondern auch eine repressive straf-ähnliche Funktion zukomme. Dies könne indessen nicht rechtfertigen, gegen alle Grundsätze des Vollstreckungsrechts auf einen Vollstreckungstitel zu ver-zichten.
Zudem werde in Fällen des Gewaltschutzes dem Bedürfnis nach straf-rechtlicher Sanktion ohnehin gemäß §
4 GewSchG Rechnung getragen.
2. Dies
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach §§
95 Abs.
1 Nr.
4, 96 Abs.
1 Satz
3 FamFG, 890 Abs.
1 ZPO ist wegen jeder Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot auf Antrag des Gläubigers Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben wer-den kann, Ordnungshaft anzuordnen.
a) Ob zur Ahndung eines Verstoßes gegen ein befristetes Unterlas-sungsgebot nach dem Gewaltschutzgesetz ausreicht, dass der Verstoß inner-halb der Verbotsfrist erfolgt ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unter-schiedlich beurteilt.
Teilweise wird vertreten, dass keine wirksame Grundlage mehr für eine Verhängung von [X.] bestehe, wenn der zugrunde liegende Unter-lassungstitel befristet gewesen
und die Zuwiderhandlung zwar noch vor Ablauf der Befristung begangen worden, die Befristung aber im Zeitpunkt der Vollstre-ckung bereits abgelaufen gewesen sei
([X.], 1758
f.).
Überwiegend wird aber allein der Zeitpunkt der Zuwiderhandlung als ent-scheidend für die Vollstreckung nach §§
95 Abs.
1 Nr.
4, 96 Abs.
1 Satz
3 FamFG, 890 Abs.
1 ZPO angesehen ([X.] NZFam 2015, 771; vgl. auch [X.], 300; [X.]/Brudermüller BGB 76.
Aufl. 7
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9
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-
5
-
GewSchG Einleitung Rn.
9; [X.][X.] FamFG 19.
Aufl. §
95 Rn.
16a; so
all-gemein für die Vollstreckung nach §
890 ZPO auch [X.] InVo 2002, 69; [X.] InVo 2001, 382; zum rückwirkenden Wegfall des [X.] vgl. [X.] GRUR 1996, 79).
b) Die zuletzt genannte Ansicht ist zutreffend.
Ordnungsmittel nach §
890 ZPO haben neben ihrer Funktion als zivil-rechtliche Beugemaßnahmen zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter ([X.] NJW-RR 2007, 860; [X.]E 84, 82
=
NJW 1991, 3139; [X.]E 20, 323 =
NJW 1967, 195; [X.]
Beschluss vom 23.
Oktober 2003

I
ZR
45/02

NJW 2004, 506, 509; [X.]
Urteil vom 30.
September 1993

I
ZR
54/91

NJW 1994, 45, 46). Deshalb können sie auch dann noch festgesetzt und vollstreckt werden, wenn die zu vollstreckende Unterlassung wegen Fristablaufs nicht mehr geschuldet ist. Im Hinblick auf einen Sanktionscharakter hat der Senat entsprechend für die Fest-setzung von [X.] nach §
89 FamFG zur Vollstreckung einer [X.] bereits wiederholt entschieden, dass es rechtlich unbedenklich ist, wenn sowohl der Vollstreckungsantrag als auch die Festsetzungsentschei-dung zu einem Zeitpunkt erfolgt sind, als die zu vollstreckende Unterlassung wegen Zeitablaufs nicht mehr geschuldet war
(Senatsbeschlüsse vom 30.
Sep-tember 2015

XII
ZB
635/14

FamRZ 2015, 2147 Rn.
32;
vom 19.
Februar 2014

XII
ZB
165/13

FamRZ 2014, 732 Rn.
11 und vom 17.
August 2011

XII
ZB
621/10

FamRZ 2011, 1729 Rn.
14).
Entgegen der Ansicht des [X.]s folgt aus §
4 GewSchG nichts
Anderes. Ordnungsmittel nach §
890 ZPO sind keine Strafen, sondern Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zivil-
oder familiengerichtlicher Entschei-dungen. Dass Verstöße gegen Unterlassungsgebote nach §
4 GewSchG über 12
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-
die Möglichkeiten der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung hinaus mit Strafe bedroht sind, vermag daran nichts zu ändern (vgl. [X.], 300 zur
Festsetzung von Ordnungsgeld nach Verhängung einer Kriminal-strafe).
3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben.
Der
Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, nachdem bislang weder das [X.] noch das Amtsgericht die erforderlichen [X.] getroffen haben. Für das weitere Verfah-ren weist der Senat indessen darauf hin, dass ein Ordnungsgeld von 50

einem unstreitigen
Bruttoverdienst von über 5.000

ohne nähere Begründung ermessensfehlerhaft sein dürfte.

Dose

Schilling

Günter

Botur

Krüger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.11.2016 -
5c [X.]/16 -

OLG [X.], Entscheidung vom 09.01.2017
-
2 [X.]/16 -

15

Meta

XII ZB 62/17

10.05.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2017, Az. XII ZB 62/17 (REWIS RS 2017, 11221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11221

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