Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.06.2010, Az. I ZR 166/08

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5450

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß durch Inverkehrbringen eines mangels Zulassung verkehrsunfähigen Arzneimittels: Abgrenzung zwischen Funktionsarzneimittel und Medizinprodukt - Photodynamische Therapie


Leitsatz

Photodynamische Therapie

Bei der im jeweiligen Einzelfall zu treffenden Entscheidung, ob ein Erzeugnis ein (Funktions-)Arzneimittel oder ein Medizinprodukt ist, sind neben seinen unmittelbaren Wirkungen auch seine Neben- und Folgewirkungen zu berücksichtigen und führen diese, soweit sie auf immunologischem, metabolischem oder pharmakologischem Gebiet liegen, zu seiner Einordnung als Arzneimittel .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 11. September 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die [X.] zu 1, deren Alleingesellschafter der [X.] zu 2 ist, stellt das insbesondere in der Krebstherapie eingesetzte Mittel [X.] her und vertreibt es als Medizinprodukt im Rahmen der photodynamischen Therapie zur Bekämpfung von bestimmten Tumoren. Das Mittel wird dazu zunächst in einer Salzlösung gelöst und sodann intravenös in den Körper des Patienten eingeführt. Durch Ausbreitung im Körper gelangt es auch in das Tumorgewebe. Dort wird es angereichert und überträgt bei der Rückkehr von einem durch Laserlicht bewirkten angeregten Zustand in seinen Grundzustand Energie von dem Laserlicht auf den in den Zellen gelösten Sauerstoff. Der sogenannte Singulettsauerstoff, der aus den infolge der Energieerhöhung veränderten Sauerstoffmolekülen gebildet wird, führt dann zu einer Schädigung der Mitochondrien in den Zellen. Dies bewirkt letztlich deren Absterben, wobei der genaue Ablauf im Einzelnen nicht geklärt ist. Das Mittel der [X.]n verändert sich im Verlauf der Behandlung dagegen nicht und wird deshalb vom Körper unverändert ausgeschieden oder abgebaut.

2

Am 31. Juli 2001 bot der dabei namens der [X.]n zu 1 handelnde [X.] zu 2 das Mittel [X.] mit einem Schreiben, das im nachfolgend wiedergegebenen Tenor des landgerichtlichen Urteils abgebildet ist, dem Krankenhausapotheker G. an.

3

Die Klägerin zu 1 vertreibt das von ihr bei der Klägerin zu 2 bezogene und in [X.] als Arzneimittel zur Behandlung von bestimmten Tumoren zugelassene Mittel Ph., das mit derselben Therapie arbeitet wie das Mittel [X.]

4

Die von den [X.], die das Mittel der [X.]n für ein nicht zugelassenes Arzneimittel halten, deswegen erhobene Klage auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunftserteilung hat im ersten Rechtszug im vollen Umfang und im Berufungsverfahren, in dem die [X.] das erstinstanzliche Urteil zum Teil nicht verteidigt haben, insoweit Erfolg gehabt, als die [X.]n unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt worden sind,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken

a) nicht zugelassene Arzneimittel, insbesondere das Arzneimittel [X.], zu Zwecken interner Studien, zu Zwecken von [X.] und/oder als Chemikalie zum Verkauf vorrätig zu halten, anzubieten, feilzuhalten

und/oder

b) in der Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel zu behaupten und/oder behaupten zu lassen,

aa) dem Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel für interne Studien und/oder Therapieversuche stehe nichts im Wege und/oder arzneimittelrechtlich nichts im Wege,

und/oder

bb) dem Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel als Chemikalie stehe nichts im Wege und/oder arzneimittelrechtlich nichts im Wege;

und/oder

cc) zum anderen gebe es für Apotheken die Möglichkeit, das Präparat [X.] als Chemikalie zu beziehen und an die Kliniker weiterzugeben;

insbesondere, wenn dies in folgender Form geschieht:

Abbildung

5

Die [X.]n sind weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt worden, den [X.] sämtlichen aus den vorbezeichneten Handlungen entstandenen und/oder künftig entstehenden Schaden zu ersetzen sowie nach Kalendervierteljahren und Adressaten aufgeschlüsselte Auskunft über diese Handlungen zu erteilen.

6

Die [X.]n haben gegen das Berufungsurteil ein als Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt. Nach ihnen - nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision - erteiltem Hinweis, dass das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, haben sie geltend gemacht, dass das von ihnen eingelegte Rechtsmittel als Revision anzusehen sei, und diese innerhalb der verlängerten Frist begründet. Die [X.] beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen, das sie im Übrigen auch schon für unzulässig halten.

Entscheidungsgründe

7

I. Na[X.]h Ansi[X.]ht des [X.] ist das Mittel [X.] ein Arzneimittel, das ohne entspre[X.]hende Zulassung ni[X.]ht verkehrsfähig ist und dessen Vertrieb und Bewerbung dur[X.]h die Beklagten daher re[X.]hts- und wettbewerbswidrig ist. Das Mittel habe bei seiner Verwendung im Rahmen der photodynamis[X.]hen Therapie eine pharmakologis[X.]he Wirkung, weil es im Rahmen einer vom geri[X.]htli[X.]hen Sa[X.]hverständigen Prof. Dr. S. so bezei[X.]hneten untrennbaren Wirkkaskade dazu bestimmt sei, im mens[X.]hli[X.]hen Körper zur Beeinflussung der mens[X.]hli[X.]hen physiologis[X.]hen Funktionen angewandt zu werden. Es weise aber au[X.]h eine Dosis-Wirkungsbeziehung auf, die na[X.]h der [X.] Leitlinie zur Einstufung und Abgrenzung von Arzneimitteln und Medizinprodukten stark dafür spre[X.]he, dass es si[X.]h um ein Arzneimittel handele. Selbst wenn im Hinbli[X.]k auf seine nur mittelbare pharmakologis[X.]he Wirkung no[X.]h Zweifel an der Einordnung des Mittels verblieben, wäre [X.] zumindest na[X.]h der Zweifelsfallregelung des Art. 2 Abs. 2 der Ri[X.]htlinie 2001/83/[X.] zur S[X.]haffung eines Gemeins[X.]haftskodexes für Humanarzneimittel als Arzneimittel anzusehen. Das Vertrauen, das dur[X.]h die na[X.]h Abmahnung und Klageerhebung am 6. Februar 2002 im [X.] ([X.]; im Folgenden: [X.]) dur[X.]hgeführte Bespre[X.]hung bei den Beklagten mögli[X.]herweise entstanden sei, sei jedenfalls na[X.]h Kenntnis der Ents[X.]heidung des [X.] ([X.]; im Folgenden: [X.]) vom 28. April 2003 ni[X.]ht mehr gegeben gewesen.

8

II. Die gegen diese Beurteilung geri[X.]htete Revision der Beklagten ist zwar zulässig, aber unbegründet.

9

1. Der von den Beklagten innerhalb der Frist zur Einlegung der Revision eingerei[X.]hte, als Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerdes[X.]hrift bezei[X.]hnete S[X.]hriftsatz vom 29. Oktober 2008 ist bei einer die beteiligten Interessen angemessen berü[X.]ksi[X.]htigenden Auslegung als Revisionss[X.]hrift zu verstehen, die au[X.]h die insoweit bestehenden weiteren formellen Erfordernisse erfüllt.

a) Prozesshandlungen sind zwar keine re[X.]htsges[X.]häftli[X.]hen Willenserklärungen, aber grundsätzli[X.]h entspre[X.]hend den für diese geltenden Regeln auslegungsfähig. Die Auslegung darf daher au[X.]h im Prozessre[X.]ht ni[X.]ht am bu[X.]hstäbli[X.]hen Sinn des Ausdru[X.]ks haften, sondern muss den wirkli[X.]hen Willen der [X.]en erfors[X.]hen. Im Hinbli[X.]k auf den verfassungsre[X.]htli[X.]hen Anspru[X.]h auf effektiven Re[X.]htss[X.]hutz und auf das Re[X.]ht auf Gehör ist im Zweifel als gewollt anzusehen, was na[X.]h den Maßstäben der Re[X.]htsordnung vernünftig ist und der re[X.]ht verstandenen Interessenlage der erklärenden [X.] entspri[X.]ht ([X.], [X.]. v. 10.11.2009 - [X.], NJW-RR 2010, 275 [X.]. 9; [X.], ZPO, 22. Aufl., vor § 128 [X.] 248, jeweils m.w.N.). Das Verständnis der abgegebenen Erklärung wird dabei allerdings nur insoweit dur[X.]h die tatsä[X.]hli[X.]hen Interessen der erklärenden [X.] bestimmt, als si[X.]h diese aus den äußerli[X.]h in Ers[X.]heinung tretenden Umständen ersehen lassen. Maßgebend ist daher unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der dur[X.]h die gewollte Formulierung gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv zum Ausdru[X.]k gebra[X.]hte Wille des Erklärenden ([X.] NJW-RR 2010, 275 [X.]. 9 m.w.N.). Dabei sind alle Nebenumstände mit zu würdigen, die den Empfängern - im zweiseitigen Verfahren also sowohl dem Geri[X.]ht als au[X.]h dem Prozessgegner - bekannt waren oder sein mussten. Bei fristgebundenen [X.], wie sie insbesondere bei der Einlegung und Begründung von Re[X.]htsmitteln abzugeben sind, können allerdings nur diejenigen Umstände berü[X.]ksi[X.]htigt werden, die für die Empfänger innerhalb der Frist erkennbar waren (vgl. [X.], [X.]. v. 10.10.2006 - [X.], NJW-RR 2007, 413 [X.]. 8; [X.]. v. 12.1.2010 - VIII ZB 64/09, juris [X.]. 5; [X.] aaO vor § 128 [X.] 247, jeweils m.w.N.).

b) Na[X.]h diesen Grundsätzen ist bei der Auslegung des S[X.]hriftsatzes vom 29. Oktober 2008, mit dem die Beklagten innerhalb der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Berufungsurteil Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde eingelegt haben, das dem Revisionsgeri[X.]ht zusammen mit diesem S[X.]hriftsatz vorgelegte und den [X.] bereits zuvor dur[X.]h das Berufungsgeri[X.]ht zugestellte Berufungsurteil mit zu berü[X.]ksi[X.]htigen. Der Umstand, dass die Beklagten den mit dem S[X.]hriftsatz vom 29. Oktober 2008 eingelegten Re[X.]htsbehelf als "Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde" bezei[X.]hnet haben, ließ si[X.]h dana[X.]h nur damit erklären, dass ihre Prozessbevollmä[X.]htigten die - allerdings bereits im Tenor des Berufungsurteils ausgespro[X.]hene und in den Gründen der Ents[X.]heidung au[X.]h begründete - Zulassung der Revision entweder gänzli[X.]h übersehen oder - was näher liegt - beim Abfassen des S[X.]hriftsatzes aus dem Bli[X.]k verloren hatten. Die Einlegung der Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde ließ zudem hinrei[X.]hend deutli[X.]h erkennen, dass die Beklagten die Ents[X.]heidung des [X.] zum einen ni[X.]ht hinnehmen wollten und zum anderen als aus re[X.]htli[X.]hen Gründen mit der Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde - und damit au[X.]h und erst re[X.]ht mit der Revision - anfe[X.]htbar ansahen.

2. Die dana[X.]h zulässige Revision der Beklagten hat jedo[X.]h in der Sa[X.]he keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob die vom Berufungsgeri[X.]ht vorgenommene und für die weitere Beurteilung der Sa[X.]he ents[X.]heidende Einordnung des Mittels [X.] als ([X.] s[X.]hon deshalb ri[X.]htig ist, weil das [X.] dieses Mittel in seinem S[X.]hreiben vom 28. April 2003 entspre[X.]hend eingeordnet hat. Sie erweist si[X.]h jedenfalls deshalb als re[X.]htsfehlerfrei, weil das Berufungsgeri[X.]ht mit Re[X.]ht ni[X.]ht die bei der Anwendung des Mittels der Beklagten allerdings auf physikalis[X.]hem Gebiet liegende primäre Wirkung, sondern die dadur[X.]h ausgelöste, auf pharmakologis[X.]hem Gebiet liegende weitere Wirkung des Mittels als dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung angesehen hat (dazu unten unter [X.] a). Damit sind sowohl die mit der Klage geltend gema[X.]hten Unterlassungsansprü[X.]he (dazu unten unter [X.] und [X.]) als au[X.]h die Folgeansprü[X.]he auf S[X.]hadensersatz und Auskunftserteilung begründet (dazu unten unter [X.] d).

a) Das Berufungsgeri[X.]ht hat die Frage, ob das Präparat der Beklagten ein mangels Zulassung verkehrsunfähiges ([X.] ist, mit Re[X.]ht bejaht.

aa) Stoffe sowie Stoffzubereitungen sind dann Funktionsarzneimittel, wenn sie im oder am mens[X.]hli[X.]hen oder tieris[X.]hen Körper angewendet oder einem Mens[X.]hen oder einem Tier verabrei[X.]ht werden können, um entweder die physiologis[X.]hen Funktionen dur[X.]h eine pharmakologis[X.]he, immunologis[X.]he oder metabolis[X.]he Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder aber eine medizinis[X.]he Diagnose zu erstellen (vgl. Art. 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. b der Ri[X.]htlinie 2001/83/[X.] zur S[X.]haffung eines Gemeins[X.]haftskodexes für Humanarzneimittel; § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Medizinprodukte und damit keine Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die vom Hersteller zur Anwendung für Mens[X.]hen mittels ihrer Funktionen zum Zwe[X.]ke der Erkennung, Verhütung, Überwa[X.]hung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am mens[X.]hli[X.]hen Körper weder dur[X.]h pharmakologis[X.]h oder immunologis[X.]h wirkende Mittel no[X.]h dur[X.]h Metabolismus errei[X.]ht wird (Art. 1 Abs. 2 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 93/42/[X.] über Medizinprodukte; § 3 Nr. 1 Bu[X.]hst. [X.]; § 2 Abs. 3 Nr. 7 [X.]). Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen sind daher Medizinprodukte, wenn ihre bestimmungsgemäße Hauptwirkung ni[X.]ht auf pharmakologis[X.]hem, sondern auf physikalis[X.]hem Gebiet liegt. Dies gilt au[X.]h dann, wenn ihre Wirkungsweise dur[X.]h pharmakologis[X.]h oder immunologis[X.]h oder metabolis[X.]h wirkende Mittel unterstützt wird (§ 3 Nr. 1 a.E. [X.]).

bb) Das Berufungsgeri[X.]ht hat mit Re[X.]ht ni[X.]ht die bei der Anwendung des Mittels der Beklagten auf physikalis[X.]hem Gebiet liegende primäre Wirkung, sondern die dadur[X.]h ausgelöste, auf pharmakologis[X.]hem Gebiet liegende weitere Wirkung des Mittels als dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung angesehen.

(1) Dafür, dass es si[X.]h bei der na[X.]h dieser Bestimmung für die Abgrenzung zwis[X.]hen Medizinprodukten und Arzneimitteln maßgebli[X.]hen Wirkungsweise ni[X.]ht allein um die unmittelbare Wirkung des Mittels entweder auf pharmakologis[X.]hem, immunologis[X.]hem oder metabolis[X.]hem Gebiet oder aber auf anderen Gebieten handeln kann, spri[X.]ht zunä[X.]hst einmal, dass na[X.]h Art. 1 Abs. 2 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 93/42/[X.] und § 3 Nr. 1 a.E. [X.], mit dem diese Ri[X.]htlinienbestimmung in das deuts[X.]he Re[X.]ht umgesetzt worden ist, ein Medizinprodukt au[X.]h dann vorliegt, wenn die bestimmungsgemäße Hauptwirkung mit Unterstützung von Mitteln errei[X.]ht wird, die pharmakologis[X.]h und/oder immunologis[X.]h und/oder metabolis[X.]h wirken und als sol[X.]he daher keine Medizinprodukte sind. Denn diese Regelung setzt voraus, dass die bestimmungsgemäße Hauptwirkung ni[X.]ht notwendigerweise allein und/oder unmittelbar dur[X.]h das Medizinprodukt errei[X.]ht werden muss.

(2) Die so genannte MEDDEV-Borderline-Leitlinie, die eine europäis[X.]he Expertengruppe aus Behörden- und Industrievertretern unter Federführung der Kommission der Europäis[X.]hen Union zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Medizinprodukten entwi[X.]kelt hat und die deshalb au[X.]h zur Konkretisierung des Begriffs der pharmakologis[X.]hen Wirkung mit heranzuziehen ist, versteht hierunter eine We[X.]hselwirkung zwis[X.]hen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem zellulären Bestandteil (Rezeptor), die entweder in einer direkten Reaktion (Antwort) resultiert oder die Reaktion (Antwort) eines anderen Agens blo[X.]kiert. Die Leitlinie setzt daher keine unmittelbare We[X.]hselwirkung mit "zellulären Bestandteilen des Anwenders" voraus, sondern lässt jegli[X.]he We[X.]hselwirkung zwis[X.]hen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und "einem zellulären Bestandteil" genügen (vgl. [X.]/Koppe-Zagouras, [X.] 2010, 152, 158).

(3) Dass eine Si[X.]htweise, die allein die unmittelbare Wirkung des Erzeugnisses berü[X.]ksi[X.]htigt, zu kurz greift, wird zudem dur[X.]h die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 der Ri[X.]htlinie 2001/83/[X.] in der dur[X.]h die Ri[X.]htlinie 2004/27/[X.] geänderten Fassung bestätigt. Dana[X.]h gilt diese Ri[X.]htlinie in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berü[X.]ksi[X.]htigung aller seiner Eigens[X.]haften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als au[X.]h unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das dur[X.]h andere gemeins[X.]haftli[X.]he Re[X.]htsvors[X.]hriften geregelt ist. Diese Regelung führt zwar ni[X.]ht dazu, dass die Anforderungen für eine Einordnung des Produkts als Arzneimittel abgesenkt werden. Die Vorrangregelung für das Arzneimittelre[X.]ht kommt vielmehr nur dann zur Anwendung, wenn die Arzneimitteleigens[X.]haft des Produkts festgestellt ist; denn andernfalls würden die strengeren Vors[X.]hriften des Arzneimittelregimes auf Sa[X.]hverhalte erstre[X.]kt und der freie Warenverkehr damit behindert, ohne dass hierfür eine ausrei[X.]hende Re[X.]htfertigung aus Gründen des Gesundheitss[X.]hutzes vorliegen würde (vgl. [X.], [X.]. v. 15.1.2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 511 [X.]. 23 ff. - He[X.]ht-Pharma/Gewerbeaufsi[X.]htsamt Lüneburg; [X.]. v. 5.3.2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.] 2009, 321 [X.]. 79 - Kommission/Königrei[X.]h Spanien). Die Regelung des Art. 2 Abs. 2 der Ri[X.]htlinie 2001/83/[X.] stellt aber klar, dass bei der im jeweiligen Einzelfall zu treffenden Ents[X.]heidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel ist, alle seine Eigens[X.]haften zu berü[X.]ksi[X.]htigen sind. Aus diesem Grund sind in Grenzfällen insbesondere au[X.]h seine Neben- und Folgewirkungen in Re[X.]hnung zu stellen und führen diese, soweit sie auf immunologis[X.]hem oder metabolis[X.]hem oder - wie hier - pharmakologis[X.]hem Gebiet liegen, zu seiner Einordnung als Funktionsarzneimittel (vgl. [X.], Heilmittelwerbere[X.]ht, 2. Ergänzungslieferung Oktober 2005, [X.] 2001/83/[X.] Art. 2 [X.] 6).

b) Da es si[X.]h bei dem Mittel der Beklagten [X.] dana[X.]h um ein Arzneimittel handelt, war allein das [X.] für Ents[X.]heidungen und Auskünfte hinsi[X.]htli[X.]h seiner Zulassungspfli[X.]ht zuständig ([X.], [X.]. v. 2.10.2002 - [X.], [X.], 162 f. = WRP 2003, 72 - [X.]). Die Beklagten handelten deshalb au[X.]h insoweit wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG a.F., §§ 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 i.V. mit § 21 Abs. 1 [X.], als sie auf die Ri[X.]htigkeit der ihnen vom [X.] erteilten günstigen Auskünfte vertrauten (vgl. [X.]Z 163, 265, 270 - Atemtest; [X.], [X.]. v. 20.10.2005 - I ZR 10/03, [X.], 82 [X.]. 21 = [X.], 79 - Betonstahl; [X.] in [X.]/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 [X.] 11.18 und 11.54; Mün[X.]hKomm.UWG/S[X.]haffert, § 4 Nr. 11 [X.] 39). Dasselbe gilt, soweit die [X.] als Benannte Stelle i.S. von § 3 Nr. 20 [X.] am 5. Juli 2002 bes[X.]heinigt hat, dass das Produkt [X.] die Anforderungen des [X.] und mit bestimmten Herstell-Los-Nummern au[X.]h die Anforderungen des [X.] der Ri[X.]htlinie 93/42/[X.] über Medizinprodukte erfüllte (a.A. Deuts[X.]h in Deuts[X.]h/[X.], [X.], § 3 [X.] 13).

[X.]) Der dana[X.]h gemäß § 1 UWG a.F., § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG 2004 begründete Unterlassungsanspru[X.]h ist au[X.]h ni[X.]ht dur[X.]h die [X.] in Fortfall gekommen, mit der die Ri[X.]htlinie 2005/29/[X.] über unlautere Ges[X.]häftspraktiken in das deuts[X.]he Re[X.]ht umgesetzt worden ist. Diese Ri[X.]htlinie hat na[X.]h ihrem Art. 3 Abs. 3 die Re[X.]htsvors[X.]hriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Si[X.]herheitsaspekte von Produkten unberührt gelassen (vgl. [X.], [X.]. v. 15.1.2009 - I ZR 141/06, [X.], 881 [X.]. 16 = [X.], 1089 - Überregionaler Krankentransport; [X.]Z 180, 355 [X.]. 34 - Festbetragsfestsetzung).

d) Die vom Berufungsgeri[X.]ht vorgenommene Beurteilung der Folgeansprü[X.]he der [X.] auf S[X.]hadensersatz und Auskunftserteilung wird als sol[X.]he von der Revision ni[X.]ht angegriffen und lässt ebenfalls keinen Re[X.]htsfehler erkennen. Da das [X.] für die abs[X.]hließende Beurteilung der Frage, ob das Mittel der Beklagten ein Arzneimittel ist oder ni[X.]ht, ni[X.]ht zuständig war, durften diese auf die Ri[X.]htigkeit der ihnen vom [X.] insoweit erteilten Auskünfte ni[X.]ht vertrauen und handelten daher fahrlässig, soweit sie ihr Mittel im Vertrauen auf die Ri[X.]htigkeit dieser Auskünfte in den Verkehr bra[X.]hten (vgl. [X.]Z 163, 265, 271 - Atemtest).

III. Na[X.]h allem ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurü[X.]kzuweisen.

[X.]                                       Büs[X.]her

                        S[X.]haffert                                     Kir[X.]hhoff

Meta

I ZR 166/08

24.06.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 11. September 2008, Az: I-4 U 55/08, Urteil

Art 1 Nr 2 Buchst b EGRL 83/2001, Art 2 Abs 2 EGRL 83/2001, Art 1 Abs 2 Buchst a EWGRL 42/93, § 2 Abs 1 Nr 2 AMG, § 2 Abs 3 Nr 7 AMG, § 3 Nr 1 Buchst a MPG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.06.2010, Az. I ZR 166/08 (REWIS RS 2010, 5450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5450

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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