VG München, Urteil vom 24.03.2015, Az. M 2 K 14.3278

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Versagung der Genehmigung zur Verlängerung eines Stegs


Entscheidungsgründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 2 K 14.3278

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 24. März 2015

2. Kammer

Sachgebiets-Nr. 1030

Hauptpunkte: Wasserrecht; Anlagengenehmigung für Verlängerung eines Stegs; bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit; Bezugsfallwirkung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

... - Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwalt ...

gegen

... - Beklagter -

wegen Wasserrecht; Verlängerung eines Stegs

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 2. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2015 am 24. März 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Anlagengenehmigung zur Verlängerung eines Stegs im Bereich des Seeufergrundstücks ... Straße 25 (Fl. Nr. ..., Gemarkung ... (nachfolgend stets)) im Gebiet der Stadt ...

Mit Schreiben vom 8. April 2014, beim Landratsamt ... eingegangen am 10. April 2014, beantragte der Kläger die wasserrechtliche Genehmigung für die Verlängerung des bestehenden Stegs in zwei Alternativen: Zum einen eine Verlängerung des bestehenden, nach Angaben des Klägers ca. 3 m langen Stegs um 3 m, hilfsweise, eine Verlängerung um 3 m bei gleichzeitiger Verschmälerung des Stegs auf voller Länge, so dass sich die Fläche des Stegs nicht verändert.

Mit Bescheid vom ... Juli 2014, dem Kläger zugestellt am 9. Juli 2014, lehnte das Landratsamt ... den Antrag des Klägers vom 8. April 2014 ab (Ziffer 1.) und entschied, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens in Höhe von 50,00 € zu tragen habe (Ziffer 2.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Steg sei als bauliche Anlage auch im durchzuführenden wasserrechtlichen Verfahren am materiellen Baurecht zu messen. Es handle sich um ein nicht privilegiertes Außenbereichsvorhaben, das öffentliche Belange beeinträchtige und deshalb bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Als im Einzelnen beeinträchtigte öffentliche Belange wurden genannt: § 35 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 7 BauGB.

Am 30. Juli 2014 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragen:

I.

Der Bescheid des Landratsamts ... vom ... Juli 2014 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag vom 8. April 2014 auf Verlängerung des bestehenden Stegs vor dem Grundstück ... Straße 25, ..., um 3 m zu genehmigen.

Hilfsweise:

Der Beklagte wird verpflichtet, die Stegverlängerung um 3 m zu genehmigen, wobei der gesamte Steg (Bestand und Neubau) auf die Hälfte der bisherigen Stegbreite verschmälert wird.

Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 17. September 2014 im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben werde zu Unrecht als bauplanungsrechtlich unzulässig erachtet. Das Vorhaben würde im Innenbereich verwirklicht werden. Als ortsbildprägend seien die nördlich und südlich des Baugrundstücks befindlichen massiven Bootshütten einschließlich der dort befindlichen Steganlagen anzusehen, mithin die Grundstücke einschließlich der vorgelagerten Seefläche Fl. Nrn. ... und ... Die massiven Bootshäuser auf diesen Grundstücken würden in erheblicher Tiefe in den ... reichen, der verlängerte Steg würde deutlich geringer in den See hinein reichen. Insofern nehme der Steg am Bebauungszusammenhang teil. Aufgrund der beidseits vorhandenen baulichen Anlagen füge sich der verlängerte Steg nach Art und Maß in die Umgebungsbebauung ein und sei damit planungsrechtlich zulässig. Selbst wenn man jedoch vertreten wollte, die Steganlage würde im Außenbereich verwirklicht werden, würde sie keine öffentlichen Belange i. S. v. § 35 Abs. 2 und 3 BauGB beeinträchtigen. Im Folgenden setzt sich der Klägerbevollmächtigte im Einzelnen mit den seitens des Beklagten als beeinträchtigt angenommenen öffentlichen Belangen auseinander. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass bereits eine 3 m in den See reichende, genehmigte Steganlage vorhanden sei. Der Wunsch der Verlängerung resultiere aus der Tatsache, dass das Ostufer des ... stark verlandet und ein Heranfahren mit einem Boot auch bei niedrigem Wassergang des Boots nicht mehr möglich sei. Der gegenwärtige Steg habe seine Funktion verloren.

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 12. Januar 2015,

die Klage abzuweisen.

Das Vorhaben sei planungsrechtlich unzulässig. Der gesamte Bereich westlich der B ..., beginnend bei Grundstück Fl. Nr. ... im Norden und endend selbst unter Einschluss des Grundstücks Fl. Nr. ... im Süden stelle aufgrund der trennenden Wirkung der B ... einen Siedlungssplitter im Außenbereich dar. Wegen der beeinträchtigten öffentlichen Belange werde auf die Stellungnahme des Landratsamts ... vom 27. November 2014 verwiesen. Selbst wenn man aber von einem Gebiet nach § 34 BauGB ausgehe, sei das Vorhaben in einem dann vorliegenden faktischen reinen oder allgemeinen Wohngebiet unzulässig.

Mit Schriftsätzen vom 2. Februar und 17. März 2015 nahm der Klägerbevollmächtigte umfassend zu der Klageerwiderung Stellung.

In der mündlichen Verhandlung am 24. März 2015 wiederholten und vertieften die Beteiligten, auch unter Erörterung möglicher Bezugsfälle, ihre schriftsätzlich vorgetragenen Argumente.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber im Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) auf Erteilung der begehrten wasserrechtlichen Anlagengenehmigung, da beide beantragten Alternativen der Verlängerung des vorhandenen Stegs bauplanungsrechtlich unzulässig sind.

1. Für die Verwirklichung des Vorhabens des Klägers ist eine wasserrechtliche Anlagengenehmigung erforderlich, deren Erteilung auch die Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Vorschriften voraussetzt.

Nach § 36 Satz 1 WHG sind Anlagen in, an, über und unter oberirdischen Gewässern so zu errichten, zu betreiben, zu unterhalten und stillzulegen, dass keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten sind und die Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nach unvermeidbar ist. Anlagen in diesem Sinne sind insbesondere bauliche Anlagen wie Stege. Nach Art. 20 Abs. 1 BayWG dürfen derartige Anlagen u. a. an Gewässern erster Ordnung wie vorliegend am ... (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayWG i. V. m. Anlage 1, lfd. Nr. 80), die weniger als sechzig Meter von der Uferlinie entfernt sind, nur mit Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde errichtet oder wesentlich geändert werden.

Nach Art. 20 Abs. 5 Satz 1 BayWG entfällt das Erfordernis einer wasserrechtlichen Anlagengenehmigung, wenn für das Vorhaben eine Baugenehmigung, eine bauaufsichtliche Zustimmung oder eine Genehmigung nach § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG zu erteilen ist. Vorliegend bedarf der Steg nach Art. 56 Satz 1 Nr. 1 BayBO jedoch keiner baurechtlichen Gestattung.

Gemäß Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG darf die Genehmigung nur versagt werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit es erfordert, d. h. es besteht ein Rechtsanspruch auf die Genehmigung, soweit keine Versagungsgründe vorliegen. Insoweit beschränkt sich der Prüfungsmaßstab der wasserrechtlichen Anlagengenehmigung an sich auf - vorliegend vom Beklagten bislang nicht geltend gemachte - wasserwirtschaftliche Belange (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand September 2014, Art. 20 BayWG Rn. 45 ff.). Wegen Art. 55 Abs. 2, Art. 56 Satz 2 BayBO sind jedoch die bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 ff. BauGB auch im wasserrechtlichen Verfahren zur Erteilung der Anlagengenehmigung zu beachten (BayVGH, B. v. 11.6.2013 - 8 ZB 12.784 - juris Rn. 26; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Stand Juli 2014, Art. 56 Rn. 59). Dies ist zwischen den Beteiligten letztlich auch nicht streitig.

2. Bei dem Vorhaben des Klägers würde es sich - auch das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig - um die Errichtung oder Änderung einer baulichen Anlage i. S. v. § 29 Abs. 1 BauGB handeln. Insbesondere kommt dem Vorhaben trotz der geringen Ausmaße des Stegs die erforderliche bauplanungsrechtliche Relevanz zu, d. h. dass die Anlage - auch und gerade bei einer unterstellten Häufung derartiger Anlagen - die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen (vgl. BVerwG, U. v. 7.5.2001 - 6 C 18.00 - juris Rn. 18).

3. Das Vorhaben würde im bauplanungsrechtlichen Außenbereich verwirklicht werden. Der Standort der Stegverlängerung liegt - unstreitig - weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch - aus folgenden Gründen - innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (bauplanungsrechtlicher Innenbereich, § 34 Abs. 1 BauGB). Dabei bedurfte es keiner Durchführung eines Augenscheins, da die im Gerichtsakt befindlichen Lichtbilder sowie die vom Gericht zur Beurteilung herangezogenen Lagepläne und Luftbilder die örtliche Situation in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen ließ (vgl. BVerwG, B. v. 3.12.2008 - 4 BN 26/08 - juris Rn. 3).

Nach allgemeiner Auffassung (vgl. etwa: BayVGH, B. v. 1.7.2009 - 1 ZB 07.1653 - juris Rn. 9) ist ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB jede Bebauung im Gebiet einer Gemeinde, die - trotz vorhandener Baulücken - den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt, nach Anzahl der vorhandenen Gebäude ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.

Gemessen hieran ist zunächst festzustellen, dass es auf die Beantwortung der zwischen den Beteiligten kontrovers erörterte Frage, ob das Grundstück Fl. Nr. ... und insbesondere das darauf befindliche Wohngebäude im Innen- oder im Außenbereich liegt, nicht ankommt. Die Stegverlängerung läge westlich davon im .... Selbst wenn das Gebäude auf Fl. Nr. ... dem Innenbereich zuzuordnen ist, endet der Bebauungszusammenhang im Bereich dieses Gebäudes - unabhängig von den Grundstücksgrenzen - grundsätzlich an der südwestlich ausgerichteten Gebäudeseite (vgl. etwa: BayVGH, a. a. O.; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 1.11.2014, § 34 BauGB Rn. 25), der Standort der Stegverlängerung liegt jenseits davon. Zwar können im Einzelfall für die Abgrenzung vom Innen- zum Außenbereich beim „letzten“ Gebäude nicht die Gebäudegrenzen, sondern ausnahmsweise auch topographische Besonderheiten maßgeblich sein (vgl. BVerwG, B. v. 2.3.2000 - 4 B 15.00 - juris Rn. 4). Selbst wenn man diese Ausnahme vorliegend im Hinblick auf die mit dem Wohngebäude optisch eine Einheit darstellende massive Uferverbauung als Abgrenzung zur nahen Seefläche als einschlägig ansehen wollte, änderte dies nichts daran, dass der Bereich westlich davon im See, wo die Stegverlängerung erfolgen soll, dem Außenbereich zuzurechnen ist. Er stellt keinen Bestandteil dieser Bebauung mehr dar, sondern eine Erweiterung in den Außenbereich hinein, nämlich in die Seefläche.

Hieran ändert sich auch nichts unter Berücksichtigung der Argumentation des Klägerbevollmächtigten im Hinblick auf die vor den Grundstücken Fl. Nr. ... und ... einerseits sowie Fl. Nr. ... andererseits gelegenen, von der Uferlinie aus gesehen weiter als der klägerische Steg (selbst in der beantragten Länge) in den See hineinragenden baulichen Anlagen. Nichts, auch nicht der klägerische Vortrag, deutet darauf hin, dass es sich bei diesen baulichen Anlagen um zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmte Gebäude handeln würde. In aller Regel können aber nur solche Gebäude überhaupt einen Bebauungszusammenhang i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB vermitteln (BVerwG, B. v. 2.4.2007 - 4 B 7/07 - juris Rn. 5; B. v. 2.8.2001 - 4 B 26/01 - juris Rn. 5; Jäde in Jäde/Dirn-berger/Weiß, BauGB/BauNVO, 7. Aufl. 2013, § 34 BauGB Rn. 4). Auch weisen diese Nebengebäude im Verhältnis zu der dahinter jeweils zwischen See und B ... aufgereihten Bebauungszeile mit stattlichen Wohngebäuden kein die Siedlungsstruktur mitprägendes, maßstabsbildendes Gewicht auf. Ein - unterstellter - Bebauungszusammenhang im Bereich dieser Wohngebäude erstreckt sich deshalb nicht auch auf die Standorte der nördlich und südlich des streitgegenständlichen Grundstücks gelegenen, in den See hineinragenden Nebengebäude.

Auf die weitere Frage, ob - vom rechtlichen Standpunkt des Klägers aus, dass auch die Nebengebäude im Innenbereich gelegen sind - östlich einer zwischen den auf den See ausgerichteten Seiten dieser Nebengebäude gedanklich gezogenen Linien überhaupt im Sinne einer „Baulücke“ Innenbereich angenommen werden könnte bzw. ob die von der Klägerseite angeführte optische „Einschließung“ des Stegs zwischen diesen Gebäuden einen Bebauungszusammenhang auch für den konkreten Standort der Stegverlängerung vor dem Grundstück Fl. Nr. ... vermitteln könnte, kommt es deshalb nicht weiter an. Sie wäre zu verneinen: Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich darf nicht schematisch erfolgen, etwa einer gedanklichen Linie zwischen den am weitesten in den Außenbereich hinein ragenden Gebäude folgend. Vielmehr ist der Ortsrand häufig durch eine uneinheitliche Bebauung gekennzeichnet, was zu einer entsprechend vor- und zurückspringenden Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich führt (vgl. Jäde/Dirnberger/Weiß, a. a. O., § 34 BauGB Rn. 18). Vor allem aber wird in der konkret vorliegenden örtlichen Situation mit einer klar zum See abgegrenzten und mit größeren Wohngebäuden bebaute Zeile von Seeufergrundstücken der Standort der Stegverlängerung nicht durch die vereinzelten benachbarten, weiter in den See hineinreichenden Bootshäuser so stark geprägt, dass sich eine Verwirklichung des Vorhabens des Klägers als zwanglose Fortsetzung dieser lediglich aus wenigen untergeordneten Nebengebäuden bestehenden Bebauung darstellen würde.

4. Nachdem es sich bei dem Vorhaben des Klägers - unstreitig - nicht um ein privilegiertes Vorhaben i. S. v. § 35 Abs. 1 BauGB, sondern um ein sonstiges Vorhaben i. S. v. § 35 Abs. 2 BauGB handelt, ist entscheidend, ob seine Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange beeinträchtigt. Dies ist zu bejahen:

Nach § 35 Abs. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere in den in Nrn. 1-8 genannten Gründen vor. Nach allgemeiner Auffassung (vgl. nur: Jäde, a. a. O., § 35 BauGB Rn. 189; Söfker, a. a. O., § 35 BauGB Rn. 75) beinhaltet § 35 Abs. 3 Nrn. 1 - 8 BauGB insoweit jedoch keine abschließende Aufzählung öffentlicher Belange, die einem nicht privilegierten Außenbereichsvorhaben entgegenstehen können. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange wegen einer städtebaulich unerwünschten Entwicklung kann auch dann gegeben sein, wenn - insbesondere in Gebieten mit hohem Baudruck - ein Vorhaben eine negative Vorbild- und Bezugsfallwirkung für weitere ähnliche Bauwünsche Dritter entfalten kann (vgl. BayVGH, B. v. 3.2.2014 - 1 ZB 12.468 - juris Rn. 10; VG München, U. v. 15.10.2013 - M 1 K 13.2779 - juris Rn. 22; VG Augsburg, U. v. 6.6.2013 - Au 5 K 13.39 - juris Rn. 61). Dies ist hier der Fall: Die Bebauung von Seeufergrundstücken am ..., auch und gerade in den Siedlungs- und siedlungsnahen Bereichen, unterliegt gerichtsbekannt einer sehr starken Nachfrage. Dies bezieht sich nicht nur auf Wohngebäude, sondern wegen der attraktiven Möglichkeiten zur Freizeit- und Urlaubsgestaltung insbesondere auch auf Nebengebäude und Anlagen wie Stege, Boots- und Wochenendhäuser zur Nutzung des Sees. Die zuständigen Bauaufsichtsbehörden sind deshalb gehalten, zur Vermeidung unerwünschter städtebaulicher Entwicklungen jenseits der kommunalen Bauleitplanung konsequent gegen Außenbereichsvorhaben einzuschreiten, die Präzedenzcharakter für solche künftigen unerwünschten Entwicklungen haben können. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter des Landratsamts ... hat insoweit das entsprechende Vorgehen der Bauaufsichtsbehörde - auch unter Vorhalt von Präzedenzfällen aus Klägersicht - schlüssig und widerspruchsfrei dargestellt. Für die Kammer ergeben sich danach und unter Würdigung der von der Klägerseite angeführten vermeintlichen Bezugsfälle keine Zweifel daran, dass die Bauaufsichtsbehörde des Landratsamts jedenfalls seit mehreren Jahren konsequent gegen nicht öffentlichen Zwecken dienende, im Außenbereich liegende Steg- und sonstige Anlagen zur Freizeitnutzung am Ufer des ... vorgeht. Für den Kläger mag angesichts der relativ geringen Ausmaße der Erweiterung seines Stegs sowie angesichts des bei ihm und in der Nachbarschaft vorhandenen baulichen Bestands schwer verständlich erscheinen, dass gerade dieses Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt. Für die Kammer steht indes bei einer Berücksichtigung des Baugeschehens am ... insgesamt der Bezugsfallcharakter auch dieses Vorhabens für eine unerwünschte Fortsetzung und Verfestigung der Zersiedelung des Ufer- und Seebereichs außer Frage.

Auf die von den Beteiligten streitig erörterten öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 7 BauGB kommt es deshalb im Einzelnen nicht weiter an.

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 5.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

M 2 K 14.3278

24.03.2015

VG München

Urteil

Sachgebiet: K

Zitier­vorschlag: VG München, Urteil vom 24.03.2015, Az. M 2 K 14.3278 (REWIS RS 2015, 13508)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13508

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

8 ZB 20.801 (VGH München)

Genehmigung der gastronomischen Nutzung eines Stegs


1 B 15.1675 (VGH München)

Ende des Bebauungszusammenhang am Ortsrand


W 4 K 15.723 (VG Würzburg)

Rechtmäßige Beseitigungsanordnung eines Maschendrahtzauns im Überschwemmungsgebiet


M 1 K 15.1798 (VG München)

Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs


1 B 14.1715 (VGH München)

Versagung der Bebauung im Außenbereich


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.