Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.01.2015, Az. XII ZB 143/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 17503

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Gegenstand

Kostenentscheidung in einer Abstammungssache: Prüfung der Niederschlagung von Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung


Leitsatz

Entscheidet das Gericht nach § 81 Abs. 1 FamFG abschließend über die Kosten des gesamten Verfahrens, hat es auch zu prüfen, ob von der Erhebung von Gerichtskosten, die durch eine unrichtige Sachbehandlung entstanden sind, nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG abgesehen werden kann.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des [X.] in [X.] vom 17. Februar 2014 wird auf Kosten des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.

[X.]: bis 2.000 €

Gründe

I.

1

Die im Februar 2009 geborene Antragstellerin hat den Beteiligten zu 2 auf Feststellung seiner Vaterschaft in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat Rechtsanwältin [X.] zur [X.] für die Antragstellerin bestellt und nach Einholung eines humangenetischen Abstammungsgutachtens die Vaterschaft des Beteiligten zu 2 festgestellt, ihm die Gerichtskosten des Verfahrens auferlegt und angeordnet, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 hatte nur insoweit Erfolg, als das [X.] die Kostenentscheidung dahingehend abgeändert hat, dass die Gerichtskosten vom Beteiligten zu 2 und der Mutter der Antragstellerin, der Beteiligten zu 3, jeweils zur Hälfte zu tragen seien. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen, die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens dem Beteiligten zu 2 zu 4/5 und der Beteiligten zu 3 zu 1/5 auferlegt und von der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Beteiligte zu 2 eine Abänderung der Kostenentscheidung erreichen.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

3

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in juris veröffentlichten Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - ausgeführt:

4

Der Beteiligte zu 2 habe im Rahmen der ihn treffenden Kostenquote auch die Kosten der [X.] zu tragen, da die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] für eine Niederschlagung nicht gegeben seien. Diese Vorschrift sei einschränkend dahin auszulegen, dass eine Niederschlagung nur wegen offensichtlicher, schwerer Verfahrensfehler oder wegen der offensichtlichen und eindeutigen Verkennung des materiellen Rechts in Betracht komme. Ein solcher Fehler sei aber angesichts der komplizierten Beurteilung eines Interessengegensatzes zwischen Kind und Mutter bei den unterschiedlichen Zielrichtungen von Abstammungsverfahren hier nicht erkennbar. Dass das [X.] nicht das Jugendamt, sondern eine Rechtsanwältin zur [X.] bestellt habe, sei nicht zu beanstanden. Die [X.] habe Vorrang vor der [X.]. Zudem sei eine Amtspflegschaft des [X.] gemäß § 1791 b BGB ausdrücklich nachrangig.

5

Die Beschwerde sei allerdings insoweit begründet, als sich der Beteiligte zu 2 gegen die vollständige Auferlegung der Gerichtskosten der ersten Instanz gewendet habe. Die Frage, wem in Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft die Verfahrenskosten aufzuerlegen seien, sei in der Rechtsprechung umstritten. Zu folgen sei der Auffassung, dass es in isolierten Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft regelmäßig der Billigkeit entspreche, der Mutter und dem potentiellen Vater die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz hälftig aufzuerlegen und sie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, wenn - wie im vorliegenden Fall - ohne sachverständige Klärung begründete Zweifel bestünden, wer der Vater sei. Dem Beteiligten zu 2 seien die Gerichtskosten nicht wegen groben Verschuldens im Sinne von § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG vollständig aufzuerlegen. Dass der Beteiligte zu 2 sich seiner Vaterschaft bewusst gewesen sei und sie gleichwohl nicht außergerichtlich anerkannt habe, ergebe sich nicht aus den Akten. Die Mutter und er hätten nicht in einer festen Partnerschaft gelebt. Beide seien mit anderen Partnern verheiratet gewesen. Der vom [X.] ergänzend herangezogene Gesichtspunkt, der Beteiligte zu 2 habe die erstinstanzliche Beweisaufnahme um etwa einen Monat dadurch verzögert, dass er an zwei vom Sachverständigen anberaumten Terminen zur Entnahme einer Blutprobe unentschuldigt nicht erschienen sei, könne nicht zu einer Verschiebung der Kostenverteilung wegen erheblicher Verzögerung im Sinne von § 81 Abs. 2 Nr. 4 FamFG führen, da durch die Verzögerung weder Nachteile bei einem der Beteiligten noch Mehrkosten entstanden seien.

6

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Zwar sind die Erwägungen des [X.] zu der vorgenommenen Kostenverteilung nicht frei von [X.]. Diese wirken sich aber im Ergebnis nicht zu Lasten des Beteiligten zu 2 aus.

7

a) Die für die Kostenentscheidung maßgebliche Regelung in § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG stellt es in das [X.] Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang eine Kostenentscheidung sachgerecht ist.

8

Ist die Kostenentscheidung solchermaßen in das Ermessen des Tatrichters gestellt, kann die Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt oder die gesetzlichen Grenzen seines Ermessen überschritten hat (Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 - [X.]/13 - FamRZ 2014, 744 Rn. 14). Eine Ermessensentscheidung ist auch dann rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer ermessensfehlerfreien Entscheidung versperrt hat (vgl. [X.], 311 = NJW 1992, 171, 174).

9

b) Zwar hat das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall die Grenzen seines Ermessensspielraums verkannt. Indes hat sich dies nicht zum Nachteil des Beteiligten zu 2 ausgewirkt.

aa) Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass die Kostenverteilung in Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft nicht nach einem von dem konkreten Einzelfall unabhängigen [X.] vorgenommen werden kann, sondern in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Umstände zu treffen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 - [X.]/13 - FamRZ 2014, 744 Rn. 11 ff.). Da sich das Beschwerdegericht zur Begründung seiner Kostenentscheidung ersichtlich von der rechtlich unzutreffenden Erwägung hat leiten lassen, die Kostenverteilung in isolierten Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft folge einem [X.], von dem nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden kann, hat es den ihm zustehenden Ermessensspielraum verkannt und die Kostenentscheidung ermessensfehlerhaft nicht an den Umständen des konkreten Einzelfalls ausgerichtet.

Dieser Ermessensfehler wirkt sich jedoch nicht zu Lasten des Beteiligten zu 2 aus. Denn eine weitere Entlastung von den Verfahrenskosten, als ihm diese vom Beschwerdegericht zugebilligt worden ist, kommt für den Beteiligten zu 2 als Veranlasser des Verfahrens nicht in Betracht.

bb) Zudem hat das Beschwerdegericht übersehen, dass von der Erhebung der Kosten, die durch die die gesetzeswidrige Bestellung der [X.] (vgl. § 1629 Abs. 3 Satz 2 BGB) entstanden sind, auch nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG hätte abgesehen werden können.

(1) Trifft das Beschwerdegericht eine abschließende Entscheidung in der Hauptsache, hat es gemäß § 81 Abs. 1 FamFG über die Kosten des Verfahrens der ersten und zweiten Instanz zu befinden (vgl. [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 84 Rn. 8; [X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 6). Es kann dabei auch nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG von der Erhebung von Gerichtskosten für eine oder beide Instanzen absehen (vgl. [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 84 Rn. 8). Die Vorschrift ermöglicht es zudem, von der Erhebung einzelner Gerichtskosten, insbesondere von Auslagen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.]), abzusehen ([X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 6). Nach der Gesetzesbegründung kommt ein Absehen von der Kostenerhebung regelmäßig dann in Betracht, wenn es nach dem Verlauf oder dem Ausgang des Verfahrens unbillig erscheint, die Beteiligten mit den Gerichtskosten des Verfahrens zu belasten (BT-Drucks. 16/6308 S. 215). Da diese Voraussetzung auch dann erfüllt sein kann, wenn der Kostenschuldner mit Auslagen belastet wird, die - wie im vorliegenden Fall - durch eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichts entstanden sind, hat das Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Kosten nicht zu erheben (vgl. [X.]/[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 32).

Dem steht nicht entgegen, dass in § 20 [X.] ein gesondertes Verfahren für die Nichterhebung von Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch das Gericht nicht entstanden wären, geregelt ist. Nach dieser Vorschrift kann aus Gründen der Gebührengerechtigkeit im [X.] wegen oder auf Antrag des [X.] von der Erhebung von Kosten (Gebühren und Auslagen, § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.]) abgesehen werden, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Der Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass der Kostenschuldner nicht mit Mehrkosten belastet werden soll, die durch eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichts entstanden sind (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des § 21 GKG Binz/[X.]/[X.]/[X.] GKG 3. Aufl. § 21 GKG Rn. 1). § 20 [X.] dient daher demselben Zweck wie § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG, aus Gründen der Billigkeit von der Erhebung angefallener Gerichtskosten im Einzelfall abzusehen.

Das Erfordernis, im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG darüber zu befinden, ob Kosten, die durch eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichts entstanden sind, nicht erhoben werden, wird durch das Verfahren nach § 20 [X.] auch nicht ausgeschlossen (vgl. [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 81 Rn. 20; [X.]/[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 32; a.A. [X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 17; [X.] FamFG/Nickel [Stand: 1. September 2014] § 81 Rn. 16). Zwar kommt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eine Nichterhebung von Kosten nach der gleichlautenden Vorschrift des § 21 GKG nur dann in Betracht, wenn das Gericht gegen eine klare gesetzliche Regelung verstoßen, insbesondere einen schweren Verfahrensfehler begangen hat, der offen zu Tage tritt (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Mai 2005 - [X.] - NJW-RR 2005, 1230; [X.], 318, 320 = NJW 1987, 1023 und [X.] Beschluss vom 10. März 2003 - [X.]/00 - NJW-RR 2003, 1294, jeweils zu § 21 GKG). Durch diese Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift soll verhindert werden, dass es zu einer Kette nicht endender Nichterhebungsverfahren kommt (Senatsbeschluss vom 4. Mai 2005 - [X.] - NJW-RR 2005, 1230), weil die Verfahrensbeteiligten versuchen, im Kostenansatzverfahren eine erneute Überprüfung der Entscheidung in der Hauptsache zu erreichen. Diese Gefahr besteht jedoch nicht, wenn das Gericht in der Hauptsache abschließend über die Kosten des Verfahrens entscheidet und die für die Kostenentscheidung maßgebliche Vorschrift - wie § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG - die Möglichkeit vorsieht, von der Erhebung von Gerichtskosten aus Gründen der Billigkeit abzusehen. Damit wäre es in diesen Fällen auch aus verfahrensökonomischen Gründen nicht sinnvoll, den Kostenschuldner auf eine mögliche Antragstellung im Kostenansatzverfahren zu verweisen.

(2) Trotz dieses Ermessensfehlers ist die vom Beschwerdegericht getroffene Kostenentscheidung auch in diesem Punkt im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aufgrund der Erwägungen, die das Beschwerdegericht im Rahmen der Prüfung des § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] angestellt hat, und der weiteren von ihm getroffenen Feststellungen entspricht es billigem Ermessen i.S.v. § 81 Abs. 1 FamFG, von der Nichterhebung der durch die fehlerhafte Bestellung der [X.] entstandenen Kosten abzusehen. Der Beteiligte zu 2 hat selbst die Bestellung des [X.] zum Ergänzungspfleger beantragt. Erst auf seinen Antrag hin und nachdem die Antragstellerin ihren Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin [X.] als Verfahrensbevollmächtigte zurückgenommen hatte, hat das Amtsgericht Rechtsanwältin [X.] zur [X.] bestellt. Zudem hat das Beschwerdegericht den Ausführungen des Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren zu Recht entnommen, dass er mit der von ihm beantragten Bestellung des [X.] die Erwartung verbunden hatte, dieses würde aus Kindeswohlgründen von der Durchführung eines Verfahrens zur Vaterschaftsfeststellung absehen.

Unter diesen Umständen entspricht es billigem Ermessen i.S.v. § 81 Abs. 1 FamFG, dass der Beteiligte zu 2 die Kosten, die durch die Bestellung der [X.] entstanden sind, jedenfalls anteilig zu tragen hat.

[X.]                               Weber-Monecke                          Günter

                       Nedden-Boeger                                   Guhling

Meta

XII ZB 143/14

07.01.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 17. Februar 2014, Az: 12 UF 55/13

§ 81 Abs 1 S 2 FamFG, § 20 Abs 1 S 1 FamGKG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.01.2015, Az. XII ZB 143/14 (REWIS RS 2015, 17503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17503

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XII ZB 143/14

8 N 15.2460

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XII ZB 15/13

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