Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. VIII ZR 402/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1717

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 402/12
Verkündet am:

23. Oktober 2013

Ermel

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 548 Abs. 1 Satz 2
Für die Frage der Verjährung von Ersatzansprüchen des Vermieters setzt die Rückerlangung der Mietsache außer der Übertragung des Besitzes an der Wohnung vom Mieter an den Vermieter die Kenntnis des Vermieters von der [X.] voraus.
[X.], Urteil vom 23. Oktober 2013 -
VIII ZR 402/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
Oktober 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterinnen Dr.
Milger, Dr.
Hessel und Dr.
Fetzer sowie [X.]
Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 13.
November 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz aus einem zum 31.
Dezember 2009 beendeten [X.] in [X.].
Mit jeweils am 30.
Juni 2010 beim Mahngericht eingegangenen Mahnbe-scheidsanträgen haben die Kläger gegen die Beklagten das Mahnverfahren eingeleitet, das nachfolgend ohne vorwerfbare Verzögerungen in das streitige Verfahren übergeleitet worden ist. Soweit für das Revisionsverfahren von [X.], erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.
Sie meinen, eventu-elle Ansprüche der Kläger seien verjährt, weil sie -
unstreitig
-
nach ihrem Aus-1
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-
zug aus der Wohnung die Wohnungsschlüssel am 20.
Dezember 2009 an die im gleichen Haus wohnende [X.], die Zeugin [X.],
übergaben.
Das Amtsgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 1.563,46

Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Ur-teils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Den Klägern stehe der erstinstanzlich zugesprochene Zahlungsanspruch infolge des Durchgreifens der erhobenen Verjährungseinrede nicht zu. Gemäß §
548 Abs.
1 BGB verjährten Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhalte.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin [X.]sei davon auszugehen, dass eine Rückgabe der Wohnung durch die [X.] vorliegend am 20.
Dezember 2009, jedenfalls aber noch vor dem 30.
Dezember 2009 anzunehmen sei, so dass zum Zeitpunkt der Einreichung 3
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-
der [X.] am 30.
Juni 2010 etwaige Schadensersatzansprü-che der Kläger bereits verjährt gewesen seien.
Die Zeugin [X.]habe glaubhaft bekundet, dass sie nach vorheriger [X.] mit der Hausverwaltung berechtigt sei, Schlüssel von den Mietern [X.], jedoch nicht, die Abnahme selbst zu
machen. Es könne offen bleiben, ob die Zeugin [X.] konkret zur Entgegennahme der [X.] bevollmächtigt gewesen sei. Denn eine Rückgabe im Sinne von §
548 BGB liege schon dann vor, wenn der Mieter die Sache einem Besitzdiener des Vermieters zurückgebe.
Die Zeugin [X.]sei als Besitzdienerin der Beklagten anzusehen, weil es zu ihrem Tätigkeitsbereich gehört habe, Wohnungsbesichti-gungen mit Interessenten
durchzuführen und nach Rücksprache mit der Haus-verwaltung zum Teil auch Schlüssel zurückzunehmen.
Selbst wenn man für die Rückgabe der Wohnung im Sinne des §
548 BGB nicht bereits die willentliche Entgegennahme der Schlüssel durch den [X.] ausreichen lassen wolle, müssten sich der Vermieter oder die zu-ständige Hausverwaltung spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem üblicherweise davon auszugehen sei, dass ein (nicht vertretungsbefugter) Angestellter im [X.] erlangte Informationen an sie weitergebe, diese Kenntnis analog §
166 Abs.
1 BGB zurechnen lassen. Von einem Hauswart könne nach [X.] und Glauben erwartet werden, dass dieser den Vermieter bzw. die Hausverwal-tung von allen wesentlichen Vorkommnissen, die sich in seinem Bereich zutrü-gen, unverzüglich unterrichte.
Auch unter Berücksichtigung der anstehenden Feiertage sei zu erwarten gewesen, dass die [X.], welche im Hinblick auf die Wohnung selber kei-nerlei Prüfungs-
oder Überlegungsaufgaben zu vollziehen gehabt habe, die [X.], dass die Beklagten die Sachherrschaft an der Wohnung durch Rück-8
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-
gabe der Schlüssel an sie am 20.
Dezember 2009 aufgegeben hätten, [X.] noch vor dem 30.
Dezember 2009 an den Vermieter oder
die Hausverwal-tung weitergeben werde.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kläger auf Zahlung von Schadensersatz gemäß §§
280, 281 BGB gegen die Beklagten nicht verneint werden. Die
bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht
aus, die Schadensersatzforderung der Kläger zum Zeitpunkt des Eingangs der [X.] bei Gericht am 30.
Juni 2010 als
gemäß §
548 Abs.
1 BGB verjährt anzusehen.
1. Nach §
548 Abs.
1 Satz
1, 2 BGB beginnt die sechsmonatige [X.] für die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Die Beendigung des Mietvertrags
-
hier zum 31.
Dezember 2009
-
ist (vom Berufungsgericht zutreffend gesehen) nicht Voraussetzung für den Be-ginn der kurzen Verjährung (Senatsurteile
vom 12.
Oktober 2011

VIII
ZR 8/11, [X.], 144 Rn. 14 mwN; vom 15.
März 2006 -
VIII
ZR 123/05, [X.], 1588 unter II 2 a). Andererseits ist
der
Vermieter nicht dazu verpflichtet, die Mietsache jederzeit -
sozusagen "auf Zuruf"
-
zurückzunehmen, etwa wenn der Mieter kurzfristig auszieht und den Schlüssel zur Wohnung an den Vermieter zurückgeben will (Senatsurteil vom 12.
Oktober 2011 -
VIII
ZR 8/11, aaO Rn.
19).

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-
a) Zweck des §
548 BGB
ist es, zeitnah zur Rückgabe der [X.] möglichst schnelle Klarstellung über bestehende Ansprüche im [X.] mit dem Zustand der Mietsache zu erreichen
(Senatsurteile
vom 29. Juni 2011 -
VIII ZR 349/10, NJW 2011, 2717 Rn. 12; vom 4. Mai 2011 -
VIII ZR 195/10, NJW 2011, 1866 Rn. 12). Das bedeutet zum einen, dass der Vermieter in die Lage versetzt werden muss, sich durch Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft ungestört ein umfassendes Bild von den Mängeln, Veränderun-gen
und Verschlechterungen der Mietsache zu machen
(Senatsurteil vom 12.
Oktober 2011 -
VIII
ZR 8/11, aaO Rn.
14 mwN).
Zum anderen ist es erfor-derlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und eindeutig aufgibt, wobei der Vermieter hiervon Kenntnis erlangen muss ([X.], Urteile
vom 23.
Mai 2006 -
VI
ZR 259/04, [X.], 2399 unter II
2
e
aa; vom 19.
November 2003 -
XII
ZR 68/00, NJW 2004, 774 unter II
3
a -
noch zu der Vorgängervorschrift §
558 Satz
2 BGB aF). Ohne Kenntnis von der [X.] des Mieters an der Wohnung, etwa durch Rückgabe der Wohnungsschlüssel an den Vermieter oder seinen Bevollmächtigten, ist der Vermieter grundsätzlich nicht in der Lage, den Zustand der Wohnung zu prüfen. Die Rückerlangung der Mietsache im Sinne von § 548
Abs. 1 Satz 2 BGB setzt mithin außer der Übertragung des Besitzes an der Wohnung vom Mieter an den Vermieter die Kenntnis des Ver-mieters von der [X.] voraus (vgl. [X.], [X.], 285, 286).
b)
Letzteres ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsge-richts indes nicht der Fall.
aa) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass in der Rückgabe der Wohnungsschlüssel von den Beklagten an die [X.] am 20.
Dezember 2009 die erforderliche vollständige und unzweideutige Besitzauf-gabe der Beklagten als Mieter liegt. Auch begegnet die Annahme des Beru-13
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-
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-
fungsgerichts, dass die Zeugin [X.]als Besitzdienerin der Vermieter gemäß §
855 BGB anzusehen ist, keinen rechtlichen Bedenken. Nach den unangegrif-fenen Feststellungen des Berufungsgerichts war die Zeugin [X.]beauftragt, Wohnungsbesichtigungen durchzuführen und nach Rücksprache mit der Haus-verwaltung zum Teil auch Schlüssel zurückzunehmen. Soweit die Zeugin V.
also im Besitz von Schlüsseln war, sei es auch, um Besichtigungen durchzufüh-ren und gegebenenfalls für den Notfall Zutritt zu den Wohnungen nehmen zu können, übte sie als [X.] die Sachherrschaft über die Wohnungen im Rahmen ihres weisungsgebundenen Angestelltenverhältnisses mit Wissen und Willen
der Vermieter
als Besitzdienerin für die Vermieter
aus

855 BGB).
Dies allein reicht jedoch für die Rückgabe der Wohnung im Sinne von §
548
Abs. 1 Satz 2 BGB nicht aus.
Die Kläger als Vermieter sind damit -
anders als das Berufungsgericht of-fenbar meint
-
noch
nicht in die Lage versetzt worden, sich durch die nunmehr erlangte unmittelbare Sachherrschaft -
vermittelt durch die Zeugin [X.]als Besitzdienerin
-
ein Bild vom Zustand der Wohnung machen zu können.
Denn sie selbst hatten keine Kenntnis von der [X.], während die Zeu-gin [X.] , die
die
Kenntnis hatte, nicht bevollmächtigt war, Wohnungsabnah-men durchzuführen. Gleiches gilt für die Kenntnis der von den Klägern bevoll-mächtigten Hausverwaltung. Feststellungen dazu, wann die Kläger oder die sie vertretende Hausverwaltung tatsächlich Kenntnis von der Schlüsselrückgabe an die Zeugin [X.] erhalten haben, hat das Berufungsgericht -
aus seiner Sicht folgerichtig
-
jedoch nicht getroffen.
bb) Entgegen der Hilfserwägung des Berufungsgerichts muss sich ein Vermieter oder die zuständige Hausverwaltung auch nicht die Kenntnis von der Schlüsselübergabe an den Hauswart spätestens ab
dem Zeitpunkt analog §
166 Abs.
1 BGB zurechnen lassen, zu
dem üblicherweise davon auszugehen 16
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8
-
ist, dass diese im Geschäftsbetrieb vom Hauswart erlangte Information an den Vermieter oder die Hausverwaltung weitergegeben wird. Für eine analoge An-wendung von §
166 Abs.
1 BGB
zur Kenntniserlangung durch einen Besitzdie-ner ist kein Raum. Dies
setzt voraus, dass die Zeugin [X.]

als "[X.]"
der Vermieter eingesetzt ist (zu den Voraussetzungen vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2004 -
VIII ZR 36/03, [X.], 365 unter II 3 mwN).
Dies ist nicht ohne weiteres der Fall.
Die Frage, ob ein Hauswart oder ein Hausmeister
eine zum Empfang der Schlüssel berechtigte Person ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Insbesondere kommt es auf die konkrete Ausgestaltung seiner Tätigkeit an, also ob er allgemein oder für den konkreten Fall vom Vermieter (oder der von ihm bevollmächtigten Hausverwaltung) mit der Rücknahme der Wohnung [X.] ist
([X.], Mietrecht, 11. Aufl., § 546 BGB Rn. 62). Die Kenntnis des Hauswarts von der Rückgabe der Wohnungsschlüssel ist dem Vermieter oder der ihn vertretenden Hausverwaltung nur dann zuzurechnen, wenn der Hauswart konkret damit beauftragt
ist, die Wohnungsschlüssel zum Zweck der Übergabe der Wohnung entgegenzunehmen. Ansonsten erhält der Vermieter durch die Schlüsselrückgabe an den Hauswart zwar die Sachherr-schaft
über die Wohnung zurück, er ist jedoch mangels Kenntnis davon nicht in der Lage, sich daraufhin ein umfassendes Bild vom Zustand der Wohnung zu machen.
2. Daraus folgt, dass sich die Kläger die Kenntnis der Zeugin [X.]von der Schlüsselrückgabe zu der Wohnung am 20.
Dezember 2009 oder in den Tagen danach nur dann zurechnen lassen müssen, wenn die Beklagten mit Einwilligung der hier die Kläger vertretenden Hausverwaltung die [X.] an die Zeugin [X.] herausgeben sollten oder durften.
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-
Das Berufungsgericht lässt jedoch dahinstehen, ob die Zeugin [X.] , was von den Klägern bestritten ist, im vorliegenden Fall zur Rücknahme der Wohnungsschlüssel bevollmächtigt war,
und meint, eine weitere Beweisauf-nahme hierzu sei nicht erforderlich. Hieraus ist ersichtlich, dass dem [X.] die durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin [X.] selbst nicht ausreichte, davon überzeugt zu sein, dass eine Bevollmächti-gung der Zeugin [X.] zur Rücknahme der Wohnungsschlüssel im konkreten Fall vorlag.
III.
Hiernach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es

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-
zur
Frage der Verjährung und gegebenenfalls zu Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Ball

Dr. Milger

Dr. Hessel

Dr. Fetzer

Dr. Bünger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.12.2011 -
6 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 13.11.2012 -
65 S 53/12 -

Meta

VIII ZR 402/12

23.10.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. VIII ZR 402/12 (REWIS RS 2013, 1717)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1717

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 402/12

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