Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2017, Az. I ZR 51/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 1831

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:231117U[X.]51.16.0

BU[X.][X.]SGERICHTSHOF

IM [X.]AME[X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
I [X.]/16
Verkündet am:

23.
[X.]ovember 2017

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
[X.]achschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
HGB § 425 Abs. 1, § 427
a)
Der Anspruchsteller, der vom Frachtführer Schadensersatz mit der [X.] beansprucht, Tiefkühlware sei während des Transports nicht ausreichend gekühlt worden, muss darlegen und beweisen, dass er dem Frachtführer das Transportgut in ordnungsgemäß gekühltem Zustand übergeben hat.
b)
Unterzeichnet der Frachtführer vorbehaltlos einen Lieferschein, in dem eine ausreichende Vorkühlung der zu transportierenden Ware festgehal-ten ist, trägt er die Beweislast für seine Behauptung, er sei bei der Bela-dung an einer Kontrolle der Temperatur der übernommenen Ware gehin-dert worden.
[X.], Urteil vom 23. [X.]ovember 2017 -
I [X.]/16 -
OLG Düsseldorf

[X.]

-
2
-

Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
[X.]ovember 2017 durch [X.] Dr. Koch, Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und [X.] Fed[X.]en

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18.
Zivilsenats des [X.] vom 17.
Februar 2016 aufge-hoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und die durch die [X.]ebenintervention im Revisionsverfahren verursachten Kosten, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist [X.] der Versicherer der H.

G.

Logis-
tics GmbH (im Weiteren: Versicherungsnehmerin).
Die S.

(Deutschland) GmbH (im Weiteren: Absenderin) beauftragte
die Beklagte, am 22.
August 2008 33 Paletten tiefgekühlter [X.] mit einem Gewicht von 5.442,1
kg brutto bei einer Transporttemperatur von -25°C 1
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3
-

von der F.

in B.

[X.]

nach D.

zu der Versicherungsnehmerin
zu transportieren. In dem der [X.] erteilten Transportauftrag heißt es:
Die Übernahmetemperatur der Güter muss während der Beladung vom Fahrer mit einem geeichten Stechthermometer kontrolliert werden. Falls kein eigenes Stechthermometer vorhanden sein sollte, ist auf eine Temperaturprüfung durch den Verlader zu bestehen und dieser beizuwohne

Die vom Fahrer [X.] muss auf dem Frachtbrief vermerkt und vom Versender schriftlich bestätigt werden.

Die Beklagte gab den Auftrag an ihre Streithelferin weiter. Der Fahrer der Streithelferin unterzeichnete bei der Abholung der Ware am 22.
August 2008
einen Lieferschein, auf dem es heißt: "Lagern und befördern bei mindestens
-18°C!". Als Übergabetemperatur war handschriftlich eingetragen: "-18,4°C".
Der Fahrer der Streithelferin trat die Fahrt um 9.12 Uhr an und traf um 11.38 Uhr bei der Versicherungsnehmerin
ein. Die Ware wurde dort nicht [X.]. Der Fahrer wartete mehrere Stunden und brachte am Abend die Ware zu einem Kühlhaus in [X.].

. Dort traf er um 18.46 Uhr ein. [X.]ach dem Entladen
der Ware ergab eine Messung, dass die Ware lediglich Temperaturen zwischen [X.]°C und -15,7°C aufwies. Die Ware wurde am 25.
August 2008 von einem anderen Frachtführer von dem Kühlhaus zur Versicherungsnehmerin
gebracht. Dort wurde durch ein von der Versicherungsnehmerin
eingeschaltetes Havarie-kommissariat festgestellt, dass die Temperatur der Ware deutlich über -15°C lag. Der durch die Überschreitung der Mindesttemperatur eingetretene Schaden beträgt 95.335,6

Die Klägerin hat die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen sowie auf Freihaltung von [X.] Anwaltskosten in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, die Ware sei dem Fahrer der Streithelferin ausreichend vorgekühlt mit einer Tem-peratur von -18°C übergeben worden. Der [X.] sei im [X.] der Streithelferin eingetreten.
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-

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie macht geltend, der Schaden sei allein auf eine mangelnde Vorkühlung bei der Absenderin zurückzuführen. Denkbar sei auch, dass er während der Lagerung im Kühlhaus in [X.].

oder
am 25.
August 2008 bei dem Transport vom Kühlhaus zur Versicherungsneh-merin
eingetreten sei.
Das [X.] hat die Klage im Gegenwert von
8,33 Rechnungseinhei-ten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung und damit in Höhe von für begründet erachtet und die Beklagte außerdem verurteilt, die Klägerin anteilig von [X.] ihrer vorprozessual täti-gen Rechtsanwälte freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufungen
der [X.] und ihrer Streithelferin hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, verfolgt die Klägerin ihre
Klagean-träge
weiter.

Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die Beklagte
kein Anspruch aus §
425 Abs.
1, §
421 Abs.
1 Satz
2 HGB zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es könne nicht festgestellt werden, dass der Schaden an dem Trans-portgut in der [X.] von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung durch die Streithelferin eingetreten sei. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass das Transportgut beim Beladen des Fahrzeugs der Streithelferin am 22.
August 6
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2008 eine ausreichende Vorkühlung aufgewiesen habe. Stehe eine ausrei-chende Vorkühlung nicht fest, sei es unerheblich, ob die Ware
in der Obhut der [X.] oder ihrer Streithelferin nicht ausreichend gekühlt worden sei.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat die Klägerin mit Recht als berechtigt ange-sehen, die Beklagte
wegen des Schadens am Transportgut in Anspruch zu nehmen. Soweit der Versicherungsnehmerin ein Ersatzanspruch gegen die [X.] zugestanden hat, ist der Anspruch nach §
86 Abs.
1 Satz
1 VVG
in Höhe des von der Klägerin regulierten Schadens auf diese übergegangen. Die
Versi-cherungsnehmerin ist als Warenempfängerin gemäß §
421 Abs.
1 Satz
2 HGB berechtigt, die Ansprüche aus dem Frachtvertrag
zwischen der Absenderin und der [X.] wegen Beschädigung des [X.] im eigenen [X.]amen ge-genüber der beklagten Frachtführerin geltend zu machen.
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §
425 Abs.
1 HGB nicht verneint werden.
a) Die Beklagte haftet
als Frachtführerin
nach §
425
Abs.
1 HGB für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes
in der [X.] von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung
entsteht.
[X.]ach §
428 Satz
2 HGB muss sich die Beklagte Handlungen und Unterlassungen des Fahrers der von ihr als Unterfrachtführerin eingeschalteten Streithelferin zurechnen lassen.

b) [X.]ach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist die Ware mit ihrer Übernahme am Morgen des 22.
August 2008 in die Obhut der Streithelferin gelangt.
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6
-

c) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin für ihre von der [X.] bestrittene Behauptung einer ausreichenden Vorküh-lung des [X.] bei seiner Übernahme durch die Streithelferin beweis-pflichtig ist.

[X.]) Der Ersatz beanspruchende
Versender hat darzulegen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, dass der Frachtführer die zu befördernde [X.] vollständig und ohne Beschädigung übernommen hat (vgl. [X.], Urteil
vom
24.
Oktober
2002
-
I
ZR 104/00, [X.] 2003, 156, 158; Urteil vom 4.
Mai 2005 -
I
ZR 235/02, [X.] 2005, 403, 404; Urteil vom 12.
Juni 2014 -
I
ZR 50/13, [X.] 2015, 31 Rn. 19; Urteil vom 10.
Dezember 2015 -
I
ZR 87/14,
[X.]
2016, 464 Rn.
23).
Dies umfasst neben dem Beweis der Übernahme von [X.] als solchen auch den [X.]achweis ihrer Identität, ihrer Art, ihrer Menge und ihres Zustands
([X.], [X.] 2015, 31 Rn.
19).
[X.]) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin der Beweis
für ihre bestrittene Behauptung
obliegt, die in Rede stehenden Wa-ren seien dem Fahrer der Streithelferin in ausreichend vorgekühltem Zustand übergeben worden.
(1) Da es dem Anspruchsteller obliegt, den Schadenseintritt im [X.] darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, gehört hierzu der Beweis, dass die Ware dem Frachtführer in einwandfreiem und un-beschädigtem
Zustand übergeben worden ist. Handelt es sich bei dem Trans-portgut um Tiefkühlware, muss der Kläger beweisen, dass sie dem Frachtführer in ordnungsgemäß gekühltem Zustand übergeben wurde (vgl. [X.], Urteil vom 9.
Februar 1979 -
I
ZR 67/77,
[X.]JW 1979, 2471, 2472; [X.], [X.] 1985, 107
f.; [X.] 1990, 375, 376; [X.]
1998, 301, 303; [X.] 2000, 361, 362; Urteil vom 11.
September 2008 -
18
U
132/07, juris Rn.
37; [X.], [X.] 2000, 358, 359; [X.], [X.] 2010, 147, 148; MünchKomm.HGB/[X.], 3.
Aufl., §
427 Rn.
39).

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-
7
-

(2) Allerdings wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum unter [X.] auf §
427 HGB und Art.
17 Abs.
2 CMR die Auffassung vertreten, der Frachtführer habe bei Schäden aufgrund zu hoher Temperaturen beim Trans-port von Kühl-
oder Gefriergut
eine mangelhafte Vorkühlung zu beweisen ([X.], [X.], 141; Schaffert in
[X.]/Boujong/[X.]/[X.], Han-delsgesetzbuch, 3.
Aufl., §
427 HGB Rn.
62; [X.]. in [X.]/Boujong/[X.]/[X.] [X.]O § 425 HGB Rn.
39 und 56; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/[X.] [X.]O Art.
18 CMR Rn.
2[X.], Transportrecht, 9.
Aufl., §
427 HGB Rn.
89; [X.]. [X.]O Art.
18 CMR Rn.
6; [X.] in [X.], HGB, 5.
Aufl., §
427 Rn.
47). Dem kann nicht zugestimmt werden, soweit es um die Darlegungs-
und Beweislast für die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach §
425 Abs.
1 HGB geht.

(3) Der Schadensersatzanspruch gemäß §
425 Abs.
1 HGB setzt einen Schadenseintritt im Gewahrsam des Frachtführers voraus. Von einem Schaden kann nur ausgegangen werden, wenn der Zustand des [X.] bei Über-gabe an den Frachtführer ordnungsgemäß war und sich im Obhutszeitraum verschlechtert hat. Der
Umstand, dass
Kühl-
oder Gefriergut bei Übergabe an den Frachtführer die für einen ordnungsgemäßen Zustand erforderlichen Tem-peraturen aufgewiesen hat, gehört damit zu den anspruchsbegründenden
Tat-sachen.
Diese Tatsachen muss nach allgemeinen Grundsätzen der Anspruch-steller darlegen und beweisen. Die Regelungen in §
427 HGB und Art. 17 Abs.
2 CMR setzen demgegenüber voraus, dass grundsätzlich eine [X.] des Frachtführers gemäß §
425 Abs.
1 HGB und Art.
17 Abs.
1 CMR [X.]. In einem solchen Fall obliegt es dem Frachtführer, der sich auf einen Haf-tungsausschluss beruft, seine Behauptung zu beweisen
([X.],
[X.] 2013, 31). Dabei handelt es sich um eine anspruchsvernichtende Tat-sache, die nach
allgemeinen Grundsätzen der Frachtführer zu beweisen hat, der sich hierauf beruft. Dies ändert jedoch nichts
daran, dass
der Anspruchstel-20
21
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8
-

ler die Darlegungs-
und Beweislast dafür trägt, dass er dem Frachtführer das Transportgut in ordnungsgemäßem Zustand übergeben hat.
d)
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe eine ausrei-chende Vorkühlung des [X.] nicht beweisen können, hält der rechtli-chen [X.]achprüfung nicht stand.
[X.]) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Richtigkeit der im
Lie-ferschein handschriftlich vermerkten Übergabetemperatur könne schon deshalb nicht allein mit dem Lieferschein bewiesen werden, weil der Fahrer der Streit-helferin damit unstreitig eine Erklärung abgegeben habe, deren Richtigkeit er weder geprüft habe noch habe überprüfen können. Es sei unerheblich, dass der Fahrer der Streithelferin den Lieferschein mit der darin vermerkten Übernahme-temperatur unterschrieben habe, ohne sich Gewissheit über die Temperatur verschafft zu haben und ohne einen entsprechenden Vorbehalt in den [X.] aufzunehmen. Dieser nur vom Frachtführer unterschriebene Frachtbrief wirke als Empfangsquittung. Das auf die Empfangsquittung gestützte Indiz ver-liere seine Bedeutung, wenn der Frachtführer die Überzeugung des Gerichts in die
inhaltliche
Richtigkeit der unterschriebenen Urkunde erschüttere, ohne dass ein voller Gegenbeweis geführt werden müsse. Davon sei im Streitfall auszuge-hen. [X.]ach dem zum Teil unstreitigen und im Übrigen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehenden Sachverhalt sei der Fahrer während des [X.] nicht anwesend gewesen und habe die Übernahmetemperatur nicht einmal von relevanten Stichproben kontrollieren können. Zwar liege die Annahme einer Beweislastumkehr nahe, wenn der Frachtführer seine Verpflich-tung nicht erfülle, die Übernahmetemperatur zu messen,
oder wenn er eine ausreichende Übernahmetemperatur bestätige und später eine mangelhafte Vorkühlung einwende. So liege der Streitfall jedoch nicht. Es stehe fest, dass der Fahrer die Übernahmetemperatur des zu transportierenden Guts nicht [X.] habe, weil ihm diese Messung während der Beladung nicht möglich 22
23
-
9
-

gewesen sei. Die Klägerin sei dem Vorbringen der [X.] und ihrer Streit-helferin, dem Fahrer sei der Zutritt zu der [X.], in der die Beladung vorge-nommen worden sei, aus hygienischen Gründen verwehrt worden, nicht [X.] entgegengetreten. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.
[X.]) Für die Richtigkeit des Vortrags
der Klägerin, [X.] sei bei der [X.] in ordnungsgemäßem Zustand gewesen, streitet der vom Fahrer der Streithelferin ohne Vorbehalt unterzeichnete Lieferschein, in dem eine Über-nahmetemperatur der Ware von -18,4°C eingetragen ist.
Der Beweis für die ordnungsgemäße Übergabe des Guts kann grundsätzlich durch eine vom Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernah-mequittung) geführt werden, auch wenn weder ein Ladeschein noch ein Fracht-brief ausgestellt worden ist. Die formelle Beweiskraft einer solchen Empfangs-bestätigung richtet sich nach §
416 ZPO. Die
materielle Beweiskraft
einer sol-chen Empfangsbestätigung
hängt

ebenso wie bei der Quittung im Sinne von §
368 BGB

von den Umständen des Einzelfalls ab
und
unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung (§
286 ZPO). Der Tatrichter muss unter Berück-sichtigung dieser Umstände würdigen, ob die in der Übernahmequittung [X.] zur Überzeugung des Gerichts inhaltlich richtig ist.
Die materielle Beweiskraft einer Übernahmequittung kann durch jeden Gegenbeweis, durch den die Überzeugung des Gerichts von ihrer inhaltlichen Richtigkeit erschüttert wird, entkräftet werden ([X.], [X.] 2003, 156; [X.], [X.] 2005, 403, 404). Der Beweis des Gegenteils ist nicht erforderlich ([X.], Urteil vom 22.
Mai 2014 -
I
ZR 109/13, [X.] 2015, 33 Rn.
21). Eine Erschütterung der [X.] kommt in Betracht, wenn die Empfangsquittung Angaben enthält, die der Unterzeichnende ersichtlich oder erwiesenermaßen nicht bestätigen konnte ([X.], Urteil vom 7.
[X.]ovember 1985

I
ZR 130/83, [X.] 1986, 53, 56). [X.] erbringt die
Unterschrift unter der Übernahmequittung vollen Beweis für 24
-
10
-

die Abgabe der in der Übernahmequittung enthaltenen Erklärung (§§
416, 440 Abs.
2 ZPO). Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen.
cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, der vom Fahrer der Streithelfe-rin vorbehaltlos unterzeichnete Lieferschein sei nicht geeignet, die Behauptung der Klägerin zur Temperatur der Ware bei Übergabe an die Streithelferin zu beweisen, weil er damit eine Erklärung abgegeben habe, deren Richtigkeit er unstreitig weder geprüft habe noch habe überprüfen können, hält der rechtli-chen
[X.]achprüfung nicht stand. Die Revision macht mit Erfolg geltend, das [X.] habe entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin nicht hin-reichend berücksichtigt und die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten überspannt.
(1) Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, der bei der
F.

tätige Zeuge R.

habe die Beladung durchgeführt und den Fah-
rer der Streithelferin gefragt, ob er die Temperatur der Ware messen wolle. Dies habe der Fahrer verneint. Zwar könne sich der Zeuge R.

an den konkreten
Vorgang nicht mehr erinnern. Bei dem [X.] F.

hätten die Fahrer
aber
bei sämtlichen Transporten
jedenfalls
die Möglichkeit, die tatsächliche Temperatur einer Sendung im Lagerbereich des [X.] selbst zu kontrol-lieren. Bei
dem [X.] habe zudem eine Arbeitsanweisung bestanden, dass die Fahrer beim Messen der Übergabetemperatur und beim Beladen immer zugegen sein müssten; wenn der Fahrer zum Beladen nicht mitkomme, werde sein Fahrzeug nicht beladen.
Die Richtigkeit dieser Darstellung ergebe sich aus einem Schreiben der [X.] vom 26.
August 2008.
Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht dieses Vorbringen nur teilweise berücksich-tigt hat und daher seine Annahme nicht zutrifft, der Fahrer der Streithelferin sei unstreitig daran gehindert worden, die Übergabetemperatur selbst zu messen oder bei der Messung anwesend zu sein.

25
26
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11
-

(2) Die Klägerin war über ihr Vorbringen hinaus nicht gehalten, in weiter-gehendem Umfang substantiiert zu bestreiten. Die Beladung hat weder im Ein-flussbereich der Versicherungsnehmerin noch in dem
der Absenderin der [X.] stattgefunden, sondern bei dem [X.] F.

. Die Klägerin hat un-
ter Beweisantritt und unter Vorlage der bei F.

bestehenden Arbeitsan-
weisung zu deren Betriebsorganisation vorgetragen. Außerdem hat sie als Indiz für die Richtigkeit ihres Vortrags auf das Schreiben der [X.] vom 26.
August 2008 hingewiesen. [X.] Vortrag war ihr nicht zumutbar.
(3) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann sich das [X.] für seine
Annahme, unstreitig habe der Fahrer der Beladung nicht beiwohnen können, nicht auf entsprechende
Feststellungen des [X.]s stützen.
Das [X.] hat nicht festgestellt, dass der Fahrer an einer Kon-trolle der Übergabetemperatur gehindert worden ist.
(4) Das Berufungsgericht hat seine Ansicht, nach dem Ergebnis der Be-weisaufnahme stehe fest, dass
der Fahrer während des [X.] nicht anwesend gewesen
sei, nicht begründet. Es hat die Aussagen der erstinstanz-lich vernommenen
Zeugen
R.

und Sc.

allein im Zusammenhang
mit der Frage erörtert, ob die Klägerin die ausreichende Vorkühlung der Ware bewiesen habe. Wenn das Berufungsgericht die protokollierten Aussagen
der Zeugen dahingehend werten wollte, dass der Fahrer die Übernahmetemperatur des zu transportierenden Guts nicht gemessen habe, weil ihm eine Messung während der Beladung nicht möglich gewesen sei, hätte es die Beweisaufnah-me wiederholen müssen. [X.] das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen, die sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben können, so sind nach §
529 Abs.
1 [X.]r.
1 ZPO erneute Feststellungen geboten. Im Zuge dieser erneuten Tatsachenfeststellung muss das Berufungsgericht einen in erster Instanz ver-nommenen Zeugen gemäß §
398 Abs.
1 ZPO grundsätzlich nochmals verneh-27
28
29
-
12
-

men, wenn es seiner Aussage eine andere Tragweite oder ein anderes Gewicht als das erstinstanzliche Gericht beimessen möchte ([X.], Beschluss vom 5.
April 2005

IV
ZR 253/05, [X.], 949; Beschluss vom 14.
Juli 2009

VIII
ZR 3/09, [X.]JW-RR 2009, 1291 Rn.
4). In der Berufungsinstanz kann
zwar
ein angetretener Zeugenbeweis durch die Verwertung der [X.]ie[X.]chrift der erstinstanzlichen Zeugenvernehmung ersetzt werden, wenn der persönliche Eindruck, den der Zeuge bei seiner Vernehmung hinterließ oder bei einer er-neuten Vernehmung hinterlassen würde, für die Würdigung
seiner Aussage nicht entscheidend ist (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Dezember 2005

VI
ZR 68/04, [X.], 369 Rn.
28). Davon kann im Streitfall
aber
nicht ausgegangen werden, weil die Aussage des Fahrers der Streithelferin mit derjenigen des beim [X.] tätigen Zeugen R.

nicht in Einklang gebracht werden kann.

Der Fahrer der Streithelferin hat bekundet, er habe die Beladestelle nicht betre-ten dürfen. Der Zeuge R.

hat dagegen angegeben, dass das Fahrzeug ei-
nes Fahrers, der die Ladung nicht kontrolliere und die [X.] nicht betre-ten wolle, nicht beladen werde.
II[X.] Danach ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision
und die im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der [X.], an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentschei-dung reif ist (§
563
Abs.
3 ZPO).
1. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren Feststellungen dazu zu treffen haben, ob der Fahrer der Streithelferin von der
F.

gehindert wurde, die der [X.] obliegende Temperaturmes-
sung an der übernommenen Ware vorzunehmen. Die Beweislast für
die Be-hauptung, der Fahrer sei an einer Kontrolle der Temperatur der übernommenen Ware von der F.

gehindert worden und deshalb nicht in der Lage ge-
30
31
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13
-

wesen, die vertraglich geschuldete Temperaturmessung vorzunehmen, trägt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht die Klägerin, sondern die Beklagte
als Frachtführerin, weil der Fahrer
der von ihr beauftragten Unter-frachtführerin
den Lieferschein vorbehaltlos unterschrieben hat. Sollte der [X.] dieser Beweis nicht gelingen, ist davon auszugehen, dass der Fahrer die Ware in ordnungsgemäß vorgekühltem
Zustand übernommen hat.
2. War
der Fahrer nicht gehindert, die Richtigkeit der
Temperaturangabe
in der Übernahmequittung zu überprüfen, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe die Übernahmequittung "blind" unterschrieben. Kann der Frachtführer oder ein von ihm eingeschalteter Erfüllungsgehilfe bei der Über-nahme die Anzahl der Güter kontrollieren, macht er von dieser Möglichkeit aber keinen
Gebrauch und quittiert er gleichwohl deren Zahl, so handelt er entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben nach §
242 BGB wi[X.]prüchlich, wenn er sich später darauf beruft, die Übernahmequittung sei "blind" erteilt [X.]. In einem solchen Fall begründet die Übernahmequittung die widerlegliche Vermutung, dass die Stückzahlangabe
in der Übernahmequittung zutrifft. Für dieses Ergebnis spricht die große Bedeutung, die der Übernahmequittung im Bereich des Transportwesens für den [X.]achweis der Übernahme des Gutes zu-kommt
([X.], [X.]
2015, 33 Rn.
25, mw[X.]). Dies gilt entsprechend für den Fall, dass der Frachtführer "blind" eine bestimmte Übernahmetemperatur bestä-tigt, obwohl er die Möglichkeit hatte, eine
Temperaturmessung selbst vorzu-nehmen
oder die Temperaturmessung durch den [X.] zu kontrollieren. Dies gilt erst recht für den Fall, dass er

wie im Streitfall

vertraglich zu einer
Tem-peraturmessung verpflichtet war.
3. Sollte die Beklagte die aufgrund der vorbehaltlos unterzeichneten Übernahmequittung bestehende Vermutung, dass sie die Ware mit einer Tem-peratur von -18,4°C übernommen hat, nicht widerlegen können, kommt es auf die Frage an, ob die [X.] in der Obhut der [X.] und ihrer Streit-32
33
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14
-

helferin ausreichend gekühlt worden sind. Hierzu hat das Berufungsgericht

von seinem Standpunkt aus folgerichtig

bislang keine Feststellungen getrof-fen. Dies wird es
gegebenenfalls
nachzuholen haben.

Koch
Schaffert
Löffler

[X.]
Fed[X.]en

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.02.2015 -
26 O 10/10 -

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.02.2016 -
I-18 [X.] -

Meta

I ZR 51/16

23.11.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2017, Az. I ZR 51/16 (REWIS RS 2017, 1831)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1831

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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